Protocol of the Session on March 19, 2020

(Vereinzelt Beifall)

Klar muss aber auch sein, dass wir nicht von vornherein sa gen sollten: „Das sind jetzt verlorene Zuschüsse. Wir reichen das Geld aus, und es ist dann eben weg.“ Im Nachhinein soll te man schon aus Gründen der Gleichbehandlung und im Sin ne einer möglichst umfassenden Verhinderung von Wettbe werbsverzerrungen noch einmal hinschauen und das Ganze überprüfen.

Wo muss man verlorene Zuschüsse abschreiben? Es ist natür lich klar: Wenn ein Unternehmen trotzdem in die Insolvenz geht, dann kann man diese Direkthilfen nicht zu Krediten um wandeln. Wenn klar erkennbar ist, dass dieses Unternehmen in dieser Krise in erheblichem Maß gelitten hat und es das in seinen Erträgen nie mehr aufholt, dann sollte man das Ganze auch als Zuschuss betrachten.

Herr Abg. Dr. Rülke, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Abg. Dr. Baum zu?

Vielen Dank, Herr Rülke. – Ich möchte Sie fragen, da Sie jetzt verschiedene Maßnahmen angesprochen haben, die gemeinsam zu bewältigen oder ge meinsam zu organisieren sind: Sehen Sie jetzt den Zeitpunkt für gekommen, dass wir wirklich gemeinsam – also alle Frak tionen in diesem Parlament – zusammenarbeiten sollten, oder schließen Sie die AfD weiterhin aus?

(Vereinzelt Beifall – Zurufe)

Frau Abg. Baum, Sie haben mir bisher wenig Anlass geboten, Hoffnung zu schöpfen, dass Ihre Fraktion zu irgendeiner Form von konst ruktiver politischer Arbeit fähig ist.

(Beifall – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Also heißt das Nein!)

Wir wollen keine Wettbewerbsverzerrung, sondern wir wol len, dass man im Nachhinein hinschaut, differenziert, und dann dort, wo man feststellt: „Es war möglicherweise ein Mit nahmeeffekt“, wo man feststellt: „Es war gut zur Überbrü ckung, aber das Unternehmen ist ertragsstark“, das Ganze in Kredite umwandelt.

Das ist aber zu dieser Stunde nicht das Gebot, sondern das Ge bot der Stunde ist jetzt, möglichst rasch, möglichst unbüro kratisch diese Direkthilfen zur Verfügung zu stellen, damit die Unternehmen nicht den Eindruck bekommen: „Einerseits ver bietet uns die Politik das Geschäft, auf der anderen Seite lässt sie uns dann im Regen stehen.“ Das ist, glaube ich, in unse rem ureigensten Interesse.

Die Bürger in diesem Land erwarten von uns, dass wir in ei ner solchen Situation alles tun, um einerseits die Gesundheit der Menschen zu schützen, auf der anderen Seite aber auch den Wohlstand zu bewahren und Sorge dafür zu tragen, dass es nach dieser Krise wirtschaftlich wieder rasch bergauf geht.

Ich glaube, das, was Sie, Herr Ministerpräsident, am heutigen Tag umrissen haben, ist ein Beitrag dazu. Deshalb wird mei ne Fraktion Ihre Regierung dabei unterstützen.

(Beifall)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Schwarz.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Weltweit verbreitet sich das Corona virus sehr schnell – leider auch in Baden-Württemberg. Die se Pandemie verlangt unserer Gesellschaft vieles ab. Deshalb müssen wir für eine begrenzte Zeit auf vieles verzichten, was normalerweise zu unserem Alltag gehört.

Die Maßnahmen und Instrumente, die wir jetzt zur Bewälti gung dieser Krise einsetzen müssen, sind eben nicht im aktu ellen Rahmen des Doppelhaushalts abzubilden. Deshalb ist es notwendig und richtig, jetzt die Flexibilität zu nutzen, die die Schuldenbremse bietet. Der Landtag kann und muss in dieser Situation den Fall einer Naturkatastrophe feststellen – eine Naturkatastrophe, die sich der Kontrolle des Landes entzieht und die dessen Finanzlage erheblich beeinträchtigt.

Wir sprechen uns dafür aus, den Weg über die Feststellung ei ner Naturkatastrophe nach § 18 der Landeshaushaltsordnung zu gehen. Mit der Ausbreitung des Coronavirus in BadenWürttemberg liegt buchstäblich eine solche Naturkatastrophe vor. Daran gibt es leider keine Zweifel.

Meiner Fraktion sind zwei Anliegen wichtig. Zum einen wol len wir die Ausbreitung des Virus verlangsamen und die Ka pazitäten unseres Gesundheitssystems stärken. Zum anderen wollen wir mit einem gezielten wirtschaftspolitischen Förder

programm die ökonomischen Folgen dieser Pandemie be kämpfen. Beides ist mit den derzeit zur Verfügung stehenden Finanzmitteln nicht möglich. Daher sind wir bereit, zur Be wältigung dieser Naturkatastrophe und ihrer Folgen Kredite bis zu einer Höhe von 5 Milliarden € aufzunehmen.

(Beifall)

Die Fraktion GRÜNE und die Fraktion der CDU werden un ter Tagesordnungspunkt 2 einen gemeinsamen Antrag vorle gen. Ich darf mich bei Herrn Kollegen Reinhart für die sehr konstruktive und gute Zusammenarbeit in diesem Zusammen hang bedanken.

Es ist, liebe Kolleginnen und Kollegen – Herr Stoch hat es an gesprochen –, eine außergewöhnliche Situation. Das müssen wir uns vor Augen führen. In dieser außergewöhnlichen Situ ation – Kollege Stoch und Kollege Rülke haben es gesagt – ist schnelles und entschlossenes Handeln erforderlich. Des wegen sind wir sehr dafür, bereits heute diese Kreditaufnah me zu beschließen, um auch ein klares Signal an die Bürge rinnen und Bürger und die Wirtschaft zu senden.

(Beifall)

Wir handeln besonnen, beherzt und entschlossen, um die Co ronakrise einzudämmen und die Folgen abzumildern. BadenWürttemberg hat die Mittel und die Instrumente dazu. Wir werden diese nutzen und alles tun, was notwendig und mög lich ist, um unser Land und die Menschen vor gesundheitli chen, wirtschaftlichen und sozialen Schäden zu bewahren.

Wir haben bei den Beratungen zum Doppelhaushalt im letz ten Jahr mit Recht darauf hingewiesen, dass wir eine hohe Rücklage für Krisenzeiten brauchen. Über 900 Millionen € haben wir der Rücklage für Haushaltsrisiken zugeführt. Die se hohe Rücklage zahlt sich jetzt aus. Denn wir können be reits jetzt, wenn wir das Haushaltsgesetz heute anpassen, die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, Bürgerinnen und Bürger wirksam zu schützen und die Wirtschaft in unserem Land zu unterstützen, sodass sie stabil und handlungsfähig bleibt. Das heißt, der Landtag kann heute ein klares Signal aussenden, liebe Kolle ginnen und Kollegen.

(Beifall)

Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, Soloselbst ständige, Kultur- und Kreativschaffende, Sozialunternehmen, Gastronomie und Tourismus geraten durch unterbrochene Lie ferketten, Produktionsstillstand, Quarantänemaßnahmen, Auf tragsausfälle in große Liquiditätsengpässe. Da denkt man im mer: Das ist so ein technischer Begriff: „Liquiditätsengpäs se“. Aber er spiegelt im Grunde wider, in welchen Notlagen sich die Betroffenen sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeit nehmer, die in diesen Bereichen tätig sind, befinden.

Lassen Sie mich das ganz klar formulieren: Diesen Unterneh men brechen buchstäblich die Einnahmen, ihre wirtschaftli che Grundlage, weg. Deswegen müssen wir diesen Unterneh men rasch und unbürokratisch helfen. Ich sage es hier ganz deutlich: Wir müssen diesen Unternehmen auch über Direkt zahlungen, Direkthilfen und Direktzuschüsse helfen.

(Beifall – Zuruf: Richtig!)

Ich finde diese Debatte gut – auch die Beiträge, die aus zwei der Oppositionsfraktionen gekommen sind. Denn sie macht deutlich: Wir krempeln gemeinsam die Ärmel hoch. Wir mo bilisieren alle Kräfte und tun all das, was nötig ist.

Es ist heute nicht die Zeit der großen Debatten; es ist die Zeit der Entscheidung. Diese Entscheidung wollen wir treffen. Un ser Signal ist klar: Wir lassen niemanden in Baden-Württem berg allein.

(Beifall)

Wir werden diejenigen mit wirtschaftlichen Hilfen unterstüt zen, die es am härtesten trifft. Wir geben den Beschäftigten sowie den Unternehmerinnen und Unternehmern in diesem Land eine klare Zusage, dass wir als politisch Verantwortli che alles dafür tun werden, Arbeitsplätze und Unternehmen zu erhalten.

Dafür schaffen wir heute die notwendigen Voraussetzungen. Im steuerlichen Bereich hat die Finanzministerin bereits vor Tagen angekündigt, alle zur Verfügung stehenden Instrumen te zu nutzen, um finanzielle Schwierigkeiten der Unterneh men abzumildern. Dazu gehören Steuerstundungen, Fristver längerungen, ein Entgegenkommen bei den Vorauszahlungen. Das sind wichtige Signale an die Unternehmen, und es sind auch richtige Signale. Vielen Dank, Frau Ministerin.

(Beifall)

Darüber hinaus werden wir unter Tagesordnungspunkt 2 ei nen Änderungsantrag zum Nachtragshaushalt einbringen, der heute Morgen schon im Finanzausschuss vorberaten wurde. Damit schaffen wir die Möglichkeit, notwendige Maßnahmen unmittelbar aus der Rücklage für Haushaltsrisiken zu finan zieren. Das sind Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie im gesundheitlichen Bereich und erste Maßnahmen zur Be kämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie.

Mit der Feststellung einer Naturkatastrophe und dem Be schluss einer erheblichen Kreditermächtigung werden wir da für sorgen, dass schnellstmöglich ein großer, ein tragfähiger Rettungsschirm für unsere Wirtschaft aufgespannt werden kann. Ein Darlehen in Höhe von 5 Milliarden € macht in mei nen Augen deutlich, dass wir hier entschlossen und überzeugt handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall)

Die Botschaft an die Unternehmerinnen und Unternehmer so wie die dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh mer ist klar: Wir lassen sie nicht allein, wir helfen schnell und unbürokratisch.

Das ist aber keine leichte Entscheidung; das muss ich an die ser Stelle auch ganz ehrlich sagen. Denn dieses Darlehen in Milliardenhöhe, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir ja später zurückzahlen. Der Tilgungsplan, den wir hierzu be schließen müssen, wird uns auch diese Herausforderung deut lich vor Augen führen. Zur Wahrheit gehört dann eben auch, dass wir in den Folgejahren den Gürtel etwas enger schnallen müssen.

In der Abwägung zwischen diesen Punkten bleibe ich jedoch dabei: Jetzt ist schnelle Hilfe angezeigt, jetzt ist Solidarität ge

fragt. Daher ist dieser umfassende Schutzschirm für Unter nehmen ein wichtiges und richtiges Vorgehen, liebe Kollegin nen und Kollegen.

(Beifall)

Die Bundesregierung hat den Zugang zum Kurzarbeitergeld erleichtert und den Zugang zu Krediten und Bürgschaften ver bessert. Wir begrüßen diese Maßnahmen der Bundesregie rung, um Arbeitsplätze und Unternehmen aller Größen und Branchen zu stützen. Auch das Land unterstützt die Unterneh men, die betroffen sind, schnell und unbürokratisch mit Pro grammen der L-Bank, mit Programmen der Bürgschaftsbank. Darüber hinaus werden wir die Bürgschaftsquote und den Bürgschaftsrahmen für Landesbürgschaften erhöhen. Wir er höhen die Mittel von 200 Millionen € auf 1 Milliarde €. Das heißt, wir verfünffachen die Mittel. Auch das ist ein wichtiges und richtiges Signal.

(Beifall)

Die Wirtschaft, unser starker Partner in dieser Zeit, sagt uns aber auch: Diese Maßnahmen erreichen nicht alle Unterneh men. Gerade kleine Unternehmen, Soloselbstständige können auf einen Teil der Instrumente nicht zugreifen. Wichtig ist der grünen Landtagsfraktion, dass wir in dieser Situation Verant wortung für die Wirtschaft in unserem Land übernehmen, für alle Unternehmen, für große, für mittlere und kleine Unter nehmen genauso wie für Soloselbstständige.

Wir ergreifen jetzt alle notwendigen Maßnahmen, um eine Welle von Insolvenzen und eine schwere Infektion unserer Wirtschaft zu verhindern. Dafür werden wir ein milliarden schweres, starkes Soforthilfeprogramm für kleine und mittle re Unternehmen und Soloselbstständige auf den Weg bringen. Dabei geht es um Direkthilfen zur Unterstützung von Klein unternehmen und Soloselbstständigen, wenn sie nachweislich Umsatzeinbußen durch die Coronapandemie haben und ihre wirtschaftliche Existenz bedroht ist.

Wichtig dabei ist eine enge Abstimmung mit der Europäischen Union und dem Bund, damit wir insgesamt eine abgestimm te und kohärente Strategie haben, um die Unternehmen in un serem Land bestmöglich zu unterstützen.

(Beifall)

Was wir nicht brauchen, sind Alleingänge. Das ist schon an gesprochen worden. Jetzt ist Zusammenhalten angesagt; nur dann können wir erfolgreich sein. Auch alle Bürgerinnen und Bürger sind jetzt gefragt, jeder und jede nach seinen und ih ren Möglichkeiten.