Protocol of the Session on March 4, 2020

Wir brauchen weniger Digitalisierung, meine Damen und Her ren – mit der einzigen Ausnahme des Militärs. Das Militär braucht maximale digitale Kompetenzen für unsere Sicher heit. Wenn wir aber andernfalls glauben, Politik sei im We sentlichen die Forderung nach mehr Glasfaserkabeln, betrei ben wir nicht nur eine unzulässige Reduktion von Politik, son dern dann führt das auch dazu, dass wir eine digitale Diktatur vorbereiten, die alles, was wir bisher an Diktatur kennenge lernt haben, in den Schatten stellen wird.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Strobl.

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen! Statistisch be lastbare Zahlen zu der Menge von Stempelkissen in den Be hörden des Landes liegen mir nicht vor. Ich kann Ihnen auch nicht garantieren, dass jeder Stempel aus den Dienststellen im Land Baden-Württemberg verschwunden ist.

Für die Feinschmecker: Wahrscheinlich wird auch die „badi sche Aktenschleife“ nicht nur in den Archiven gepflegt.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Die hat sich be währt! – Gegenruf des Abg. Winfried Mack CDU: Kennst du die?)

Doch lassen Sie sich, meine sehr verehrten Damen und Her ren, nicht täuschen,

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Gutes kann man las sen! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

insbesondere nicht vom Dauerschlechtreden durch die FDP.

Diese Landesregierung hat sich ambitionierte Ziele gesetzt, und wir arbeiten mit ebenso großen Anstrengungen daran, Ba den-Württemberg auch in diesem Bereich zur digitalen Leit region in Deutschland zu machen. Dies gilt natürlich in be sonderem Maß auch für die öffentliche Verwaltung und für die Arbeitsplätze der engagierten Mitarbeiterinnen und Mit arbeiter in den Dienststellen unseres Landes. Ich bin dankbar, dass das bereits in der Debatte – insbesondere durch die Kol legen Deuschle und Stickelberger – angeklungen ist. Diese Aufgabe ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lan desverwaltung ein richtiger Kraftakt. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auch Ihre Mitarbeiter. Sie sind die Stüt zen unserer Demokratie und unseres Rechtsstaats. Ich danke den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Lan desverwaltung, dass sie auch diese Aufgabe tatkräftig ange hen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Denn nichts anderes als den Arbeitsplatz der Zukunft haben wir uns in diesem Bereich zum Ziel gesetzt. Die viel zitierte Digitalisierung ist dabei kein frommer Wunsch, sondern be reits jetzt Realität. Sie ist für diejenigen – das sei richtiger

weise gesagt –, die ab und zu einmal ein Rathaus oder ein Landratsamt besuchen, auch erlebbar.

Lassen Sie mich Ihnen einige Beispiele und einige Fakten be nennen. Mit der Pilotierung der elektronischen Akte in mei nem Ministerium bilden wir papierbasierte, analoge Prozesse in der Verwaltung inzwischen vollständig digitalisiert ab. Ak tenmappen weichen flächendeckend neuen digitalen Work flows. Schriftstücke werden im Rahmen der Pilotphase nicht mehr in den Umlauf gegeben, sondern bereits heute gescannt und am Bildschirm weiterverarbeitet. Das Papier verschwin det in diesen Bereichen ganz.

Ein zweites Beispiel – Fakten –: Unser elektronisches Perso nalverwaltungssystem und die seit Anfang 2017 in der Lan desverwaltung schrittweise eingeführte elektronische Perso nalakte sind ebenso konkrete Beispiele für unsere moderne Verwaltungsarbeit. Übrigens: Bewerber für den Landesdienst, verehrter Herr Dr. Rülke, schicken uns schon lange kein Fax mehr, sondern nutzen selbstverständlich die komfortablen elektronischen Bewerberportale des Landes.

(Zuruf des Abg. Daniel Karrais FDP/DVP)

Das sind die Fakten, mit denen ich Sie gern vertraut mache.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Das Ziel des mobilen Arbeitsplatzes verfolgen wir ebenfalls mit Nachdruck. Die Mobilstrategie der Landesverwaltung Ba den-Württemberg ermöglicht es schon heute vielen Mitarbei terinnen und Mitarbeitern, dank Telearbeitsplätzen im beste henden rechtlichen Rahmen von einer größtmöglichen Flexi bilisierung zu profitieren. Videokonferenzen helfen uns, Kos ten zu sparen, leisten im Übrigen auch einen Beitrag zur Ver ringerung des CO2-Ausstoßes.

Herr Kollege Stickelberger, Sie haben kritisch nachgefragt, wie es mit den Digitallotsen aussehe. Das kann ich Ihnen ak tuell vorweg berichten. Digitale Angebote von Städten und Gemeinden ersparen Bürgerinnen und Bürgern Behördengän ge und sorgen dafür, dass Informationen leichter gefunden werden.

Land und Kommunen haben im Rahmen der Digitalakade mie@bw inzwischen als Testversionen fünf digitale Verwal tungsdienstleistungen – etwa die Meldebescheinigung, den Anwohnerparkausweis und anderes mehr betreffend – für den Einsatz in Rathäusern und Landratsämtern entwickelt. Die Umsetzung von 16 weiteren digitalen Verwaltungsprozessen läuft auf Hochtouren. Durch die Digitalakademie wurden überdies inzwischen 523 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Digitallotsen qualifiziert, um ihr Wissen in die Fläche, in die Gemeinden zu tragen. Um das einmal einzuordnen: Wir ha ben jetzt in ungefähr einem Drittel der 1 100 Gemeinden Di gitallotsen. Damit sind wir noch nicht am Ziel. Doch ich ha be gesagt, das läuft. Es gab den Zwischenruf: „Wo läuft es hin?“ Es läuft erfolgreich in die richtige Richtung.

(Beifall des Abg. Norbert Beck CDU)

Sie sehen, die Verwaltung arbeitet inzwischen auch mobil, und mit diesen modernen Arbeitsformen ist der öffentliche Dienst in die digitale Welt vorgestoßen. Er positioniert sich damit selbstbewusst im hart umkämpften Arbeitsmarkt der Zukunft.

Um aber überhaupt mobil arbeiten zu können, meine sehr ver ehrten Damen und Herren, muss zunächst einmal die digitale Infrastruktur vorhanden sein.

(Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD)

Hier hat die Landesregierung in der aktuellen Legislaturperi ode wirklich Beeindruckendes geleistet, wie ich finde. In den vergangenen vier Jahren hat die Landesregierung mit rund 450 Millionen € knapp 2 000 Breitbandausbauprojekte gefördert. Zum Vergleich: In den sechs Jahren von 2010 bis 2015 waren in Baden-Württemberg insgesamt 73 Millionen € an Förder mitteln in Breitbandprojekte geflossen. Darauf hat der Kolle ge Andi Deuschle zu Recht hingewiesen. Damit wurden die Fördermittel seit 2016 gegenüber der gesamten vergangenen Wahlperiode auf mehr als das Sechsfache erhöht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ein weiteres Beispiel für Fakten: Allein in der jüngsten Über gaberunde am 7. Februar – also vor einem knappen Monat – wurden 146 Förderanträge für 63 Zuwendungsempfänger in 28 Stadt- und Landkreisen mit einem Volumen von 92,8 Mil lionen € bewilligt. Dieser Betrag, der an einem Tag bewilligt wurde, liegt damit um etwa 20 Millionen € über der Summe der Fördermittel in der gesamten letzten Legislaturperiode.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Daran können Sie sehen, wie stark wir bei diesem Thema ein gestiegen sind.

Zu den bereits bewilligten rund 450 Millionen € kommen mit dem Doppelhaushalt 2020/2021 noch einmal mehr als 600 Millionen € Fördergelder für den Glasfaserausbau in BadenWürttemberg dazu. Mit dem, was im Doppelhaushalt steht, investiert die Landesregierung damit bis 2021 insgesamt mehr als 1 Milliarde € in die digitale Infrastruktur – mehr als jede Regierung zuvor.

Der Kollege Deuschle hat richtigerweise auch darauf hinge wiesen: Das ist eine gigantische Zukunftsinvestition. Sie ist für ein Technologie- und Flächenland wie Baden-Württem berg existenziell. Ich bin den Koalitionsfraktionen außeror dentlich dankbar, dass auf ihren Antrag hin im Doppelhaus halt 2020/2021 noch einmal 600 Millionen € für die digitale Infrastruktur in diesem Land zur Verfügung gestellt werden. Damit gestalten wir Zukunft weit in dieses Jahrzehnt hinein, und zwar für die nächsten Jahrzehnte in diesem Land.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Das sind die Fakten, meine sehr verehrten Damen und Her ren.

Wir investieren nicht nur, wir lassen die Bauwirtschaft nicht nur so viel graben, wie überhaupt möglich ist, sondern die In vestitionen wirken auch. Die Zahl der Haushalte und der ge werblichen Nutzer, die mit schnellem Internet versorgt sind, ist in Baden-Württemberg 2019 weiter gestiegen. Rund 90 % der Haushalte verfügen inzwischen über einen Internetan schluss mit mindestens 50 Mbit/s – rund 90 %. Das sind die Fakten.

Das sind im Übrigen 20 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2016, als wir begonnen haben. 2016 hatten 70 % der Haushalte min

destens 50 Mbit/s, heute haben über 90 % der Haushalte min destens 50 Mbit/s. Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Politik der Landesregierung wirkt. Wir brin gen das schnelle Internet in die Fläche dieses Landes. Das ist die Voraussetzung für jede Digitalisierung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen)

In Baden-Württemberg ist es deswegen außerordentlich schwie rig, auch die verbleibenden 10 % der Haushalte, die wir noch vor uns haben, mit schnellem Internet zu versorgen, weil wir es topografisch mit einer außerordentlich schwierigen Lage zu tun haben. Die Schwäbische Alb und der Schwarzwald sind wun derschön, aber in den Tälern und Bergen Glasfaserkabel zu ver legen – zum Teil in schwierigsten Untergrund, nämlich ins Ge stein – ist eben echt sportlich und auch sehr teuer.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Aber wir Schwarzwäl der sind es wert!)

Deswegen fördern wir inzwischen unsere Landkreise und Ge meinden mit 90 %. Das ist wirklich auch eine Kommunalför derung für den ländlichen Raum, die sich sehen lassen kann und für die diese Landesregierung auch steht.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und die Landschaft bleibt trotzdem schön! – Abg. Thomas Blenke CDU: In den Schwarzwald zu investieren ist immer gut!)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Karrais zu?

Nein. – Bei den Anschlüssen mit mindestens 100 Mbit/s liegt die Versorgung im Land inzwischen bei 83 %, und Anschlüsse mit mindestens 200 Mbit/s sind inzwischen für drei Viertel der Haushalte im Land verfügbar.

Durch die Steigerung bei der Verlegung von Koaxialkabeln und die zunehmende Verlegung von Glasfaserkabeln auch di rekt in die Gebäude hinein werden diese extrem hohen Band breiten in den nächsten Jahren mit einer noch größeren Dyna mik ansteigen. Da bin ich ganz sicher.

Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, unserem Ziel, das ich 2016 genannt habe, dem letzten Schwarzwald hof das schnelle Internet zu bringen, kommen wir jeden Tag, und zwar mit Vollgas, ein Stückchen näher.

Die Absicherung des Cyberraums und der Schutz vor Cyber angriffen sind im Übrigen ein weiteres zentrales Thema für die digitale Zukunft Baden-Württembergs. Cybersicherheit ist die Voraussetzung dafür, dass die Menschen Vertrauen in die Anwendungen haben und wir auch die Potenziale der Digita lisierung voll ausschöpfen können.

Ein wesentlicher Bestandteil zur Stärkung der Cybersicher heitsarchitektur wird dabei die Cybersicherheitsagentur Ba den-Württemberg sein, deren gesetzliche, administrative und strukturelle Vorbereitung derzeit im Innenministerium erar beitet wird. Die Cybersicherheitsagentur soll zukünftig die Cybersicherheit organisationsübergreifend orchestrieren und koordinieren.

Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie „digital@bw“ haben wir darüber hinaus zahlreiche Leuchtturmprojekte auf den Weg gebracht. Dieser Weg endet aber nicht an den Pforten der Behörden im Ländle. Die Entwicklung einer eigenen CloudStrategie für das Land Baden-Württemberg ist nicht nur eine luftige Worthülse, sondern ein Baustein einer Gesamtarchi tektur, die Formen annimmt, während wir diese Debatte füh ren.

Auch die Polizei in Baden-Württemberg ist längst im digita len Zeitalter angekommen. Nehmen Sie etwa die Entwicklung einer algorithmenbasierten Verhaltensmustererkennung im Rahmen der intelligenten Videoüberwachung. Straftaten wer den durch den Algorithmus erkannt und unsere Polizistinnen und Polizisten damit entlastet, die Bürgerinnen und Bürger sowie ihre digitalen Freiheitsrechte aber weniger belastet. Das ist etwas, bei dem wir in Deutschland wirklich Avantgarde sind. Das algorithmengestützte intelligente Videoüberwa chungsprojekt in Mannheim ist wirklich spitze. Ich bin dank bar, dass wir das dort durchführen können.