Protocol of the Session on March 4, 2020

Migrantenandrangs an der griechischen EU-Außengren ze droht die Spitze der Unionsfraktion

das seid ihr –

(Unruhe)

Moment, das kommt noch –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sollen wir beim Vorlesen helfen?)

im Bundestag mit einer Schließung der deutschen Gren zen.

Herr Minister, das war nicht die AfD, die das gesagt hat.

Schauen wir dann weiter, was wir so haben:

Erdogan fordert die Teilnahme der NATO an Kriegseinsätzen in Syrien. Das heißt, unsere Streitkräfte sollen nach Syrien? Super.

Der FDP-Landesvorsitzende Theurer aus Horb versucht ge rade ganz verzweifelt, den Vorsitzenden des FDP-Kreisver bands Freudenstadt mit der Patsche wegzuputzen. Der Mann hat nämlich öffentlich gesagt: „gestandene Männer und De mokraten“. Er hat dabei über die Kreistagsmitglieder der AfD gesprochen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Vom Land tag hat er aber nichts gesagt?)

Macht nichts. – Usw. usf. Wenn man sich das so anschaut – – Die letzte Meldung betraf noch den Thüringer Landtag; da hieß es heute, die FDP-Abgeordneten wollten nicht kom men, sondern der Sitzung fernbleiben, also Arbeitsverweige rung betreiben. Wollen wir doch mal sehen, was passiert. – Wie auch immer.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: So, jetzt sagen Sie noch was zur Digitalisierung!)

Dazu kommen wir auch noch. Was eine digitalisierte Ver waltung leisten könnte,

(Abg. Sascha Binder SPD: Ja!)

möchte ich Ihnen an einem einfachen, schönen Beispiel dar stellen. Ein Kind wird geboren – das soll ja ab und zu vor kommen –, und das Krankenhaus meldet den Nachwuchs so fort bei den Behörden an. Damit einher gehen die Anmeldung zur Krankenversicherung und die Registrierung von Sozial leistungen wie Kindergeld und Ähnlichem. Die Eltern des Neugeborenen werden per E-Mail über diese Möglichkeiten informiert; sie erfahren, welche Ansprüche sie haben. Dies wird dargestellt, und sie können dann mit einer einfachen E-Mail bestätigen, dass sie dies annehmen – und fertig wäre der Fall.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Das Kind?)

Ja, selbstverständlich. – Eltern werden entlastet, der Staat wendet sich an die Eltern in einem proaktiven Verwaltungs akt. Das wäre eigentlich das, was sich die Menschen vorstel len – nicht: „Ich komme und beantrage“, sondern: „Das ma chen wir.“

(Beifall bei der AfD)

Bei uns ist so etwas eigentlich nur Zukunftsmusik. Bis zum Jahr 2022 wollen Bund, Länder und Kommunen 575 Verwal tungsleistungen – vom Antrag auf Ausstellung eines Perso nalausweises oder eines Führerscheins bis hin zum Antrag auf Elterngeld – überhaupt erst nach einheitlichen Standards on line anbieten. „Wollen“ ist dabei das Stichwort. Es soll ja auch Gebiete geben, in denen Politiker einen Flughafen bauen las sen wollen; andere wollen eine Bildungsplattform auf die Bei ne stellen. Außer Spesen bisher wirklich nichts gewesen.

Man entscheidet sich völlig ohne Not, eine E-Akte mit der Po lizeiakte zusammenzulegen, was zu weiteren Problemen und Verzögerungen führt. Komplexität in Projekte zu bringen ist kein Fortschritt und ist nicht „Sache der Zeit“. Die Software ASV-BW soll bis Ende 2021 verpflichtend eingeführt werden.

Zitat: „Wir stehen zurzeit sicher nicht in der Spitzengruppe. Aber da wollen wir hin.“ Das sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

Da hat der Mann recht. Bundeskanzlerin Angela Merkel be zeichnet die Digitalisierung als ihre Herzensangelegenheit. Deutschland sei zwar etwas träge, doch stünden tiefgreifende Veränderungen in der Verwaltung und in der Wirtschaft be vor, verkündet die Kanzlerin. Einzig ein „Wir schaffen das!“ hätte man auch in diesem Zusammenhang doch erwartet. Von Frau Bär, ihrer zuständigen Staatsministerin, hört man auch eher ein schreiendes Schweigen zu dem Thema, und die neue SPD-Vorsitzende, die Spitzengenossin Frau Esken aus dem Landkreis Calw, deren Kernkompetenz nach eigenem Bekun den die Digitalisierung ist, ist auch eher anderweitig beschäf tigt. Sie muss gerade Hate Speech gegen FDPler in ihrem

Wahlkreis machen, wie Sie ja wissen. Der Kreisvorsitzende hat sich da „ungebührlich“ geäußert.

(Abg. Sascha Binder SPD: Reden wir eigentlich über Lokalpolitik?)

In Estland laufen derzeit 99 % aller staatlichen Verwaltungs leistungen online. Ich will nicht alles wiederholen, was Sie an Gutem und Richtigem gesagt haben; das spreche ich Ihnen auch nicht ab. Das muss alles sein. Ich bringe einfach ein paar Beispiele, wie es sein könnte.

Abgesehen von drei Diensten, nämlich die Eheschließung, die Scheidung und den Kauf einer Immobilie betreffend, hat Est land alle staatlichen Verwaltungsleistungen digitalisiert. Gut, man lässt sich nicht so oft scheiden – hoffentlich, sage ich ein mal –, man heiratet nicht so oft, und Immobilien kauft man auch nicht jeden Tag. Dafür können die Esten seit 2005 on line wählen, Mietverträge unterzeichnen – vorausgesetzt, sie haben eine Internetverbindung. Digitalisierung wird in Est land bereits seit den Neunzigerjahren – also seit 30 Jahren; das entspricht einer gesamten Generation – mit dem Regie rungsprogramm „Tiigrihüpe“ vorangetrieben, das heißt Tiger sprung. Bei uns schaut man wohl lieber Katzenvideos, oder man springt als Tiger und landet als Bettvorleger.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Auch in Estland wissen die Nutzer um Gefahren und mögli che Probleme – Stichwort Datenschutz. Wir haben doch eine EU-Datenschutz-Grundverordnung. Diese ist überall in der EU gültig. Was ist in Estland anders als bei uns? Mit wenigen Klicks kann man feststellen: Wer greift auf meine Daten zu? Wer sich unrechtmäßig Zugang verschafft, muss dann mit ei ner Strafe rechnen. Wir in Baden-Württemberg haben die Be hörden an dieser Stelle von Strafen ausgenommen.

2018 gab es Vorschläge des Normenkontrollrats. Die Kern forderung lautete: Entbürokratisierung. Arg viel ist nicht pas siert. Für eine Umstellung der Verwaltung auf digitale Diens te müsste die Landesregierung zunächst einmal die Basislis te abhaken – das heißt flächendeckende Breitbandversorgung aller Haushalte mit Glasfaser und 4G.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wiederum ist Estland Vorbild. Für eine rechtssichere Zustel lung von Post haben wir De-Mail. Wir haben den Kommen tar dazu. Das ist im Moment wohl nicht Sinn und Zweck oder nicht das, was wir brauchen.

E-Learning: Estland hat eine Bildungsplattform. Die funktio niert. Die könnte man ja kopieren. Erinnern Sie sich an „ella“?

(Lachen der Abg. Carola Wolle AfD)

E-Tax: Ein E-Tax-System, ein elektronisches Steuersystem, das 2000 eingeführt wurde – das war vor 20 Jahren –, wird verwendet. Bei uns heißt dieses Verfahren Elster. Nomen est omen, kann ich da beim Finanzamt nur sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Stefan Räpple AfD: Der war gut!)

E-Polizei – nennen wir es einmal E-Polizei –: Der estnischen Polizei stehen vor Ort in ihren Einsatzfahrzeugen Daten in Echtzeit zur Verfügung. Sie greift auf Daten zu, um zu klären, ob jemand eine Versicherung für sein Fahrzeug hat, wem das Fahrzeug gehört. Ob der Besitzer im Waffenregister steht, könnte man auch nachschauen. Das Ergebnis zeigt dann, wie sich die Bedrohungslage für diejenigen gestaltet, die da ste hen und kontrollieren. Ich denke, das wäre ein Vorbild.

E-Wahl: Die Idee eines elektronischen Wahlsystems – E-Elec tion oder E-Voting – gab es erstmals in Estland 2001.

Meine Damen und Herren, was wir brauchen, ist Folgendes: Als Erstes sind Prozesse zu verschlanken. Sie sind zu verein fachen, und dann sind sie zu digitalisieren. Alte Zöpfe in EDV umzusetzen, das ist nicht „state of the art“ und sollte nicht un ser Anspruch sein. Da müssen wir vorangehen, und da müs sen wir einsteigen. Automatisierte, digitalisierte Prozesse sind eine Selbstverständlichkeit und ein gewaltiger Beitrag auch zum Umweltschutz. Weniger Papier, weniger Behördengän ge, weniger Bürokratie – dann hätten wir das Ziel erreicht.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Sehr gut, Klaus!)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Gedeon.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Jetzt kommt der digitale Flüchtling!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich sehe das Ganze ein bisschen anders als meine Vorredner. Globalisierung und Digitalisie rung werden als die Grundsäulen moderner Politik dargestellt: immer mehr Globalisierung, immer mehr Digitalisierung, im mer besser.

Aber gerade Corona hat uns ja gezeigt, wie verwundbar eine maximal vernetzte, eine maximal interdependente Wirtschaft ist. Kleinste Ausfälle führen in solchen Systemen über Ket tenreaktionen zu größten Auswirkungen. Deswegen brauchen wir weniger Globalisierung und mehr – das Gegenteil von Globalisierung ist Nationalisierung – Renationalisierung der Weltwirtschaft.

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD)

Dann hätten wir wesentlich weniger Probleme, z. B. auch jetzt bei Corona.

Für die Digitalisierung gilt das noch mehr. Wir wollen die Di gitalisierung in den Alltag, in die Verwaltung, überall hinein treiben. Das heißt, Kühlschränke, Heizungen, alles soll jetzt digital eingeschaltet und ausgeschaltet werden können.

Je mehr Digitalisierung wir betreiben, meine Damen und Her ren, desto verwundbarer machen wir das ganze System, des to mehr ermöglichen wir es Leuten, mit geringen Eingriffen ein gewaltiges Chaos zu initiieren, desto überwachbarer und desto manipulierbarer machen wir diese Gesellschaft. Die to tal digitalisierte Gesellschaft wird automatisch eine totalitäre Gesellschaft.

Wir brauchen weniger Digitalisierung, meine Damen und Her ren – mit der einzigen Ausnahme des Militärs. Das Militär braucht maximale digitale Kompetenzen für unsere Sicher heit. Wenn wir aber andernfalls glauben, Politik sei im We sentlichen die Forderung nach mehr Glasfaserkabeln, betrei ben wir nicht nur eine unzulässige Reduktion von Politik, son dern dann führt das auch dazu, dass wir eine digitale Diktatur vorbereiten, die alles, was wir bisher an Diktatur kennenge lernt haben, in den Schatten stellen wird.