Anneke Graner

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Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Anlass des Gesetzes zur Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes sind die landesrechtliche Umset zung mehrerer Richtlinien des Europäischen Parlaments, de ren vollständige Bezeichnungen ich allein der Redezeit we gen lieber nicht aufführe, sowie einige weitere wichtige Än derungen.
Ich möchte nur kurz auf ein paar wichtige Inhalte eingehen. Wir schaffen etwa die Möglichkeit einer freiwilligen Kam mermitgliedschaft für bestimmte Gruppen. Wir regeln den Umgang mit Patientenakten genauer. Wir ermächtigen die Kammern zur Durchführung von Sprachprüfungen z. B. für Ärzte, die dann bei der Anerkennung der Approbation eine wichtige Rolle spielen. Wir geben den Kammern das Recht, den privatärztlichen Notfalldienst gezielter mit dem kassen ärztlichen Notfalldienst zu verknüpfen. Wir verbessern die Möglichkeiten der Anerkennung im Ausland erworbener Bil dungsabschlüsse für die Kammermitglieder.
All diese Regelungen machen Sinn und waren in der Anhö rung nahezu unumstritten. Einige kleinere Hinweise aus der Anhörung hat die Landesregierung in den Gesetzentwurf auf genommen. Insofern empfehlen auch wir die Zustimmung zum neuen Artikel 1 des Änderungsgesetzes.
Ich komme jetzt zu den neuen Artikeln 2 bis 4 des Änderungs gesetzes, die wir auf Bitte unserer Sozialministerin in die Aus schussberatungen aufgenommen haben, um den Gesetzge bungsprozess für diese Vorhaben zeitlich zu verkürzen.
Aufgrund der Verkürzung des Beratungsverfahrens ist es viel leicht nötig, dass wir hier im Landtag etwas ausführlicher wer den, damit der Beratungsprozess auch für die Öffentlichkeit transparent wird. Es geht – das wurde schon angesprochen – um die Unterbringung von unbegleiteten ausländischen Kin dern und Jugendlichen.
Sie wissen, dass unter den Hunderttausenden Flüchtlingen, die zu uns kommen, auch eine nicht zu übersehende Zahl von Kindern und Jugendlichen ist, die ohne ihre Eltern hier sind. Diese fallen richtigerweise nicht unter das Flüchtlingsrecht, sondern unter die Kinder- und Jugendhilfe. Dies hat aber auch zur Folge, dass sie nicht unter das Verteilsystem fallen, das für die anderen Flüchtlinge zwischen Bund, Ländern und Kommunen etabliert ist.
So haben bestimmte Jugendämter, insbesondere in Bayern, aber auch einige bei uns – etwa in der Nähe der Grenze zu Frankreich – besonders viele unbegleitete ausländische Kin der und Jugendliche in Obhut zu nehmen, während andere Ju gendämter fast ausschließlich Kinder und Jugendliche in Ob hut nehmen, die entweder seit ihrer Geburt oder jedenfalls schon länger mit ihren Eltern in Deutschland leben.
Das war früher nicht so gravierend, weil die Zahl dieser Kin der und Jugendlichen noch nicht so hoch war und den Jugend ämtern die Kosten für die Inobhutnahme sowieso ersetzt wur den. Jetzt aber stehen wir bundesweit bei etwa 50 000 unbe gleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen, und es ist klar, dass wir sie sehr zeitnah gleichmäßiger über die Bundes länder und in den Bundesländern verteilen müssen.
Das ist ebenfalls ein Ergebnis der Besprechung der Bundes kanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik vom 24. Septem ber 2015.
Das entsprechende Bundesgesetz zur Verbesserung der Un terbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher ist dann im September und Oktober binnen weniger Wochen im Bundestag und im Bundesrat beschlos sen worden und bereits zum 1. November 2015 in Kraft ge treten.
Das heißt: Auch in Baden-Württemberg werden ausländische Kinder und Jugendliche bereits jetzt auf dieser Basis verteilt. Wir sollten nicht länger damit warten, diesem Verteilsystem einen rechtlichen Rahmen auch im Kinder- und Jugendhilfe gesetz für Baden-Württemberg zu geben. Denn wir haben zwar – etwa zum Verteilschlüssel auf die Kommunen – das Einvernehmen mit den kommunalen Landesverbänden. Aber wenn eine einzelne Kommune eine Zuweisung nicht akzep tiert, haben wir auch hier ein dickes Problem.
Auf der Basis des Bundes- und des Landesgesetzes ist damit zu rechnen, dass bei uns in Baden-Württemberg zunächst ein mal wöchentlich etwa 200 ausländische Kinder und Jugend liche auf die Jugendämter zu verteilen sind. Das liegt daran, dass wir vor allem die Kinder- und Jugendhilfe in Bayern ent lasten müssen, die bislang viel höhere Zahlen von Inobhut nahmen als wir zu verzeichnen hatte.
Die Verteilstelle soll auch in Baden-Württemberg im Landes jugendamt sein. In Baden-Württemberg haben wir die Son dersituation, dass das Landesjugendamt nicht, wie in 13 an deren Bundesländern, ein Teil der Landesverwaltung, sondern ein Teil des Kommunalverbands Jugend und Soziales, des KVJS, ist. Deshalb mussten wir regeln, dass wir hier Lan desaufgaben auf die Kommunen übertragen.
Jetzt kann man darüber streiten, ob das Land in jedem Einzel fall verpflichtet ist, die Kosten für die übertragenen Aufgaben zu übernehmen, wenn sie unter einer Geringfügigkeitsgrenze liegen. Wir stellen mit dem Änderungsantrag zur heutigen Le sung klar, dass wir in diesem Fall, weil die Verteilstelle als Landesaufgabe zu betrachten ist, die Kosten für die Verteilung durch den Landeshaushalt übernehmen.
Verehrte Damen und Herren, ich freue mich, dass die CDU Zustimmung zu unserem Änderungsantrag signalisiert hat, und würde mich freuen, wenn auch die Kollegen von der FDP/ DVP diesen mittragen.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Neben dem SWR leisten zahlreiche lokale und regionale Fernsehanbieter einen wichtigen Beitrag zur Meinungsvielfalt in unserem Land. Mittlerweile sind in Baden-Württemberg acht regionale Sendegebiete ausgewie sen: Von Mannheim, Karlsruhe, dem Bodensee, Stuttgart und Böblingen, Heilbronn, Reutlingen aus sowie aus dem Raum Ulm/Neu-Ulm versorgen private Fernsehstationen die Zu
schauer mit Informationen und Magazinsendungen aus der Region.
Die Finanzierungsgrundlage vieler regionaler und lokaler pri vater Fernsehsender ist allerdings sehr schwierig. Laut der ak tuellen Untersuchung von Professor Dr. Kühnle mit dem Ti tel „Transformationen – Regionales Privatfernsehen in BadenWürttemberg am Scheideweg“ ist die wirtschaftliche Situati on des regionalen privaten Fernsehens in Baden-Württemberg dabei noch problematischer als im bundesweiten Durchschnitt. Ein Beleg dafür – Kollege Salomon sagte es bereits – ist bei spielsweise, dass „TV Südbaden“ aus Freiburg seinen Sende betrieb bedauerlicherweise zum Jahresbeginn einstellen muss te.
Aufgrund des rasanten technischen Fortschritts und der schwie rigen Entwicklung des regionalen Werbemarkts nimmt der fi nanzielle Druck auf die Sender deutlich zu. Diese sehr akute kritische Lage hat uns, die Regierungsfraktionen, veranlasst, nach einer raschen und tragfähigen Lösung für alle zu suchen. Wir schlagen Ihnen deshalb heute eine Änderung des Landes mediengesetzes vor, mit der der sogenannte Vorwegabzug mit Wirkung zum 1. Januar 2016 noch einmal zugunsten der LFK, der Landesanstalt für Kommunikation, reduziert werden soll.
Betragsmäßig – auch das wurde bereits ausgeführt – wird dies zu Mehreinnahmen der LFK in Höhe von rund 600 000 € füh ren. Die Auswirkungen dieser Änderung möchten wir bereits in zwei Jahren wieder überprüfen. Darüber hinaus steht es der LFK und ihren Gremien natürlich frei, in eigener Verantwor tung weitere Mittel zu gewähren.
Ich würde mich freuen, wenn Sie von den Oppositionsfrakti onen diesen Gesetzentwurf wie auch die letzte Änderung des Landesmediengesetzes wohlwollend begleiten würden und wir erneut als Zeichen an die privaten regionalen Sender Ein stimmigkeit erreichen könnten.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Haußmann, habe ich Sie richtig verstanden, dass für Sie die Lösung des Prob lems der mangelnden Gleichheit beim Einkommen darin be steht, Frauen anzuhalten, keine sozialen Berufe mehr zu er greifen, sondern in die MINT-Berufe zu gehen?
Herr Präsident, sehr verehrte Kol leginnen und Kollegen!
Wir begreifen die Belange von Kindern und Jugendlichen als ein zentrales Feld der Landespolitik.
So steht es in unserem Koalitionsvertrag von 2011 geschrie ben. Dort steht auch:
Kinder- und Jugendpolitik darf aber nicht nur Politik f ü r junge Menschen sein, sie muss stets Politik m i t jungen Menschen sein.
Der Gesetzentwurf, den wir heute diskutieren, dient dazu, den „Zukunftsplan Jugend“ umzusetzen. Dass hier Politik mit jun gen Menschen und nicht nur für junge Menschen gemacht wurde, wird deutlich, wenn man bedenkt, wie viel wir seitens des Sozialausschusses mit den beteiligten Verbänden gespro chen haben. Ich glaube, über kaum ein anderes Projekt in der Sozialpolitik ist in dieser Legislaturperiode so viel mit den Beteiligten gesprochen worden wie über den „Zukunftsplan Jugend“.
Der Zukunftsplan wurde schon lange seitens der Kinder- und Jugendarbeit gefordert. Diese Forderung haben wir jetzt um gesetzt, indem wir z. B. die Zahl der durch das Land geför derten Stellen für Bildungsreferentinnen und -referenten deut lich erhöht haben. Auch das steht schon im Koalitionsvertrag. Mit dieser Maßnahme haben wir auch haushaltspolitisch ein deutliches Zeichen dafür gesetzt, dass wir die außerschulische Bildungsarbeit wertschätzen und aufwerten. Allein in den Jah ren 2013 bis 2016 haben wir hierfür insgesamt 10 Millionen € zusätzlich in den Haushalt eingestellt.
Wie gesagt: In den letzten Monaten und Jahren haben wir sehr viel mit den verschiedenen Jugendverbänden gesprochen. Ein Ergebnis daraus war, dass wir das Bildungsreferentenpro gramm von einer Anteilsfinanzierung auf eine Festbetragsfi nanzierung umstellen und dass wir es mit der Förderung der anderen Bildungsreferenten synchronisieren.
Dieses Ergebnis aus dem Dialog mit den Verbänden wird jetzt durch die Änderung in § 7 des Jugendbildungsgesetzes ge setzgeberisch umgesetzt. Dass wir die genaue Stellenzahl der Bildungsreferenten nicht fixieren und den Festbetragszuschuss nicht gesetzlich dynamisieren, halte ich für sinnvoll. Auch in früheren Staatshaushaltplänen wurde die genaue Stellenzahl
der Bildungsreferenten nicht fixiert, sondern nur mit einer ma ximalen Stellenzahl erläutert.
Außerdem haben wir im neuen Doppelhaushalt die Förderung für die Bildungsreferenten weiter erhöht und damit auch die Tarifkostensteigerung berücksichtigt, sowohl bei den bisher bestehenden als auch bei den neu eingerichteten Stellen.
Durch die Neustrukturierung, die die Festbetragsregelung ein schließt, war es uns möglich, die Zahl der geförderten Stellen für Bildungsreferenten von bisher 34 auf 51 Stellen zu erhö hen. Die Festbetragsregelung sichert dabei, dass tatsächlich alle 51 Bildungsreferentenstellen ohne Nachtragshaushalt ver lässlich genehmigt werden können.
Das gibt in den jeweiligen Arbeitsbereichen die Planungssi cherheit, die von Ihnen, Herr Schreiner, angesprochen wurde. Das ist ein wichtiger Punkt. Denn diese Planungssicherheit gibt es eben bei einem Festhalten an der Anteilsfinanzierung nicht.
Wir, auch ich, werden uns in Zukunft dafür einsetzen, dass die Festbeträge angemessen erhöht werden, auch nach 2016. Ich halte es aber nicht für sachgerecht, die Dynamisierung für Stellen aus Förderprogrammen gesetzlich vorzuschreiben. Der Haushaltsgesetzgeber muss auch in Zukunft die Freiheit ha ben, in jedem Haushalt über die Förderung einigermaßen frei entscheiden zu können, indem er die Einnahmen und andere Ausgaben berücksichtigt. Eine „Lex Bildungsreferenten“ wür de diese außerdem auch gegenüber anderen Empfängern von Förderungen unangemessen bevorzugen.
Zu den anderen Änderungen: Künftig werden das Landesku ratorium für außerschulische Jugendbildung und der Beirat für soziale Jugendhilfe ein neues, gemeinsames Gremium bil den, das Landesjugendkuratorium. Ich freue mich, dass wir uns auch im Ausschuss einig waren, dass die Zusammenfüh rung von zwei bestehenden Gremien in ein neues Landesju gendkuratorium zielführend ist. Davon bin ich überzeugt. Die Expertise aus zwei Gremien und der neue Austausch werden sicher zu guten Ergebnissen führen.
Auch die Aufhebung von § 1 Absatz 5 des Kinderschutzge setzes Baden-Württemberg halte ich wegen der vorrangigen Regelung im Bundesrecht für zwingend, damit es keinen Un terschied mehr zwischen Bundes- und Landesrecht gibt.
Gerade mit Blick auf den aktuellen Fall Alessio ist es ein not wendiges und sehr wichtiges Signal, dass wir den Kinder schutz stärken. Wenn die Untersuchung dieses überaus tragi schen Vorgangs abgeschlossen ist, werden wir prüfen müssen und wollen, ob sich daraus Konsequenzen für Gesetze oder für die Praxis ziehen lassen.
Für unser heutiges Vorhaben danke ich dem Ministerium und den Jugendverbänden für den konstruktiven Dialog. Wir zei gen damit, dass die Belange von Kindern und Jugendlichen ein zentrales Feld der Landespolitik in Baden-Württemberg sind.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, verehrte Kolle ginnen und Kollegen! Es freut mich außerordentlich, dass ich heute vor Ihnen stehe und diese Rede halten kann. Wir disku tieren heute über eine Änderung der Geschäftsordnung des Land tags von Baden-Württemberg. Was banal klingt, beschreibt die „Süddeutsche Zeitung“ von diesem Montag als „familien politische Avantgarde in Deutschland“.
Im Gegensatz zu Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Wirtschaft gibt es für Abgeordnete in der Politik bisher keine Möglichkeit, sich nach der Geburt eines Kindes für ei nen begrenzten Zeitraum intensiver um ihr Kind zu kümmern, ohne auf ihr Mandat zu verzichten. Mandat und Familie un ter einen Hut zu bringen funktioniert bisher nur mit großem Improvisationstalent.
Als ich in den Landtag gekommen bin, hat mein Mann erst einmal ein Jahr lang Elternzeit genommen und ist während der stundenlangen Plenarsitzungen immer um den Landtag herumgeschwirrt,
sodass ich immer schnell hinauskonnte, wenn Bedarf war. So amüsant das im Rückblick auch sein mag, die beste Lösung ist das nicht.
Natürlich hätte ich theoretisch auch einfach nicht zu den Sit zungen gehen können. In der Politik gibt es schließlich das freie Mandat. Was heißt das genau? Das heißt nach einem Ur teil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007, dass der oder die Abgeordnete nicht über das Ob, sondern nur über das Wie der Mandatsausübung entscheiden kann.
Mir kann also schon nach geltendem Recht niemand vor schreiben, an welchen Sitzungen ich teilnehme und wie inten siv ich Wahlkreisarbeit betreibe. Juristisch betrachtet brau chen wir keine Elternzeit für Abgeordnete. Wir alle, wie wir hier sitzen, wissen aber ganz genau, dass die entscheidende Ebene die politische Ebene ist.
Ich kann mich auf das freie Mandat berufen und meine Frak tion dadurch im Zweifel eine Abstimmung verlieren lassen. Die vorgesehene Änderung der Landtagsgeschäftsordnung in § 75 flankieren wir mit einem neuen Grund für Pairing. Das ist das Entscheidende. Wir erkennen Mutterschutz und Kin derbetreuungszeiten als gerechtfertigtes Fernbleiben von Sit zungen an, ohne dass sich dadurch die Mehrheitsverhältnisse verändern.
Wir senden damit ein Signal an junge Abgeordnete und vor allem an diejenigen, die es werden wollen. Wir sagen heute: Ja, wir wollen mehr Frauen im Landtag von Baden-Württem berg, für die bisher Mandat und Familie unvereinbar erschie nen. Wir wollen auch jungen Vätern die Möglichkeit geben, sich direkt nach der Geburt um ihre Kinder zu kümmern.
Damit helfen wir einerseits jungen Frauen und Männern in der Politik, sich für Kinder zu entscheiden. Andererseits hel fen wir jungen Frauen und Männern, die eine Zukunft in der Politik in Erwägung ziehen, sich für die Politik zu entschei den. Das ist das, was wir brauchen: engagierte junge Frauen und Männer, die politisch etwas bewegen wollen, ohne dabei auf eine Familie verzichten zu müssen.
Wir senden aber auch ein Signal an die kommunale Politik, in der es, so wie in unserem Landtag, ebenfalls an Frauen mangelt. Wenn alle vier Fraktionen des Landtags es schaffen, sich gemeinsam auf eine Regelung zur Vereinbarkeit von Fa milie und Mandat zu einigen, dann ist dies auch für Kommu nalparlamente möglich.
Mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die wir in der in terfraktionellen Arbeitsgruppe herausgearbeitet haben, hat sich schnell herausgestellt, dass eine Elternzeit für Abgeord nete eine Regelung sui generis, also eine eigenständige Rege lung, werden muss. Denn der Status eines Abgeordneten ist eben nicht vergleichbar mit dem eines Arbeitnehmers oder ei ner Arbeitnehmerin.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen herzlich für die Unterstützung und die konstruktive Zusammenarbeit in dieser wichtigen Sache, die die Parlamentsstruktur hoffent lich nachhaltig prägen und verändern wird. Mein ganz beson derer Dank an dieser Stelle gilt aber meinen Kollegen aus der interfraktionellen Arbeitsgruppe.
Mit der Änderung der Geschäftsordnung, wonach Abgeord nete während des Mutterschutzes und längstens sechs Mona te nach der Geburt ihres Kindes von der Anwesenheit bei Ple nar- und Ausschusssitzungen befreit werden können, ermög lichen wir die Vereinbarkeit von Familie und Mandat.
Dabei beachten wir die rechtlichen Leitplanken. Denn Abge ordnete, die die neue Regelung in Anspruch nehmen, bleiben im Amt. Sie sind weiterhin verpflichtet, ihre Aufgaben zu er
füllen – im Wahlkreis, gegenüber der Fraktion und in der Par tei. Wie intensiv sie dies tun, das stand ihnen bisher auch schon frei.
Kein anderes Landesparlament in Deutschland und auch nicht der Bundestag sehen eine ähnliche Regelung vor. Liebe Kol leginnen und Kollegen, wir setzen als Erste in Deutschland ein klares Zeichen: Wir wollen junge Frauen und Männer im Landtag, und wir schaffen die Strukturen dafür, dass Familie und Mandat besser vereinbart werden können. Der badenwürttembergische Landtag betritt mit dieser Änderung der Ge schäftsordnung und der Pairing-Vereinbarung Neuland und besetzt eine Vorreiterrolle. Darauf können wir stolz sein.
Vielen Dank.
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! 50 000 Männer wurden im Nationalsozialismus wegen homosexueller Hand lungen verurteilt.
Über 10 000 Männer wurden aufgrund des § 175 des Strafge setzbuchs in Konzentrationslager eingewiesen; die Mehrheit überlebte das nicht. Wir sind uns alle einig, dass diese Verur teilungen falsch, grausam und menschenverachtend waren.
Doch auch nach dem Ende des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik Deutschland wurden bis 1969 allein in Ba den-Württemberg über 5 000 Urteile wegen homosexueller Handlungen gefällt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hof fe sehr, dass wir uns auch hier einig sind: Auch diese Verur teilungen waren falsch, sie waren menschenverachtend.
Dass § 175 in seiner Fassung aus der nationalsozialistischen Zeit – das ist der Unterschied zu Ihnen, zu der CDU; es geht um die Verschärfung des Paragrafen von 1935; es geht nicht um eine Relativierung;
dieser Paragraf bestand 120 Jahre; es geht um die Fassung, die von 1935 bis 1969 Geltung hatte – unverändert fortbe stand, ist beschämend, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Homosexuelle Männer wurden dadurch ihrer Freiheit, der Möglichkeit ihrer individuellen Lebensgestaltung und ihrer Menschenwürde beraubt. Eine ganze Generation von Män nern musste sich, nur weil sie Männer liebte, ständig verste cken, konnte sich nicht in der Öffentlichkeit, sondern nur in Hinterzimmern treffen, musste andauernd Razzien in einschlä gigen Gaststätten fürchten und lebte in einer ständigen Angst vor Verfolgung. Dass dies in der Bundesrepublik, dass dies in
Baden-Württemberg – darum geht es heute – auf einer recht lichen Grundlage geschah, die in ihrer Form von den Natio nalsozialisten 1935 geschaffen wurde, hat viele gebrochen.
Ich begrüße, dass der Bundesrat 2012 mit seiner Entschlie ßung ein wichtiges Zeichen auf Bundesebene gesetzt hat, um homosexuelle Männer zu rehabilitieren und sein Bedauern über diese Urteile auszusprechen. Doch über 5 000 verurteil te Männer in Baden-Württemberg sind Grund genug, dass auch wir, der Landtag von Baden-Württemberg, uns zu unse rer Geschichte bekennen, unsere Solidarität mit den Verurteil ten bekunden und sie unterstützen.
Die Männer, die von § 175 betroffen waren und darunter zu leiden hatten, haben bisher vergeblich auf Anerkennung und Rehabilitation gewartet. Wir haben heute die Aufgabe, unser Bedauern dafür kundzutun, dass der § 175 in der verschärften Form bis 1969 in Kraft blieb,
uns als Landtag für die strafrechtliche Verfolgung Homose xueller zu entschuldigen und unsere Unterstützung aller Ini tiativen auszusprechen, die für eine historische Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Männer sor gen.
Wir müssen alles dafür tun, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ehre der Opfer wiederherzustellen und ihnen bei der Be wältigung dieser traumatischen Erlebnisse zur Seite zu ste hen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ein solcher Anlass und eine solche Aussprache sollten eigentlich keine Frage der Fraktionszugehörigkeit sein. Ich bedaure daher sehr, dass es nicht zu einem gemeinsamen Antrag aller Landtagsfraktionen gekommen ist, so, wie es 2012 in Hessen gelang.
Wir hätten uns gefreut, wenn hier und heute ein kraftvolles, weil einmütiges Signal an die Opfer von damals ausgegangen wäre, das lautet: „Ihr seid keine Verbrecher. Es war Unrecht, was euch angetan wurde. Für dieses Unrecht entschuldigen wir uns.“
An die CDU gewandt, möchte ich gern Ihren Parteikollegen aus Hessen zitieren. Er hat bei der Landtagsdebatte damals gesagt:
Die direkte Entschuldigung eines Gesetzgebers ist die un mittelbarste Form, wie er sein Bedauern gegenüber den
Opfern gesetzlichen Unrechts ausdrücken kann. Dass der Landtag dies heute beschließen möchte, ist daher das bes te Zeichen, das er setzen kann.
Dem kann ich nichts mehr hinzufügen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Der 31. Tätigkeitsbericht des Landesdaten schutzbeauftragten ist geprägt von dem Abhörskandal durch den amerikanischen Geheimdienst NSA. Wir sind mit einer Dimension des Datenmissbrauchs konfrontiert, die für viele zu Recht bedrohlich wirkt und die uns als Landespolitiker in sofern auch ratlos macht, als unsere gesetzgeberischen Kom petenzen schlicht nicht ausreichen, um dem entgegenzutreten.
Die Dringlichkeit eines effektiven und umfassenden Daten schutzes auf europäischer Ebene erscheint vor diesem Hinter grund klarer als vielleicht jemals zuvor. Leider befindet sich die Datenschutz-Grundverordnung noch immer in der Ent wurfsphase. Wir hoffen und erwarten, dass dieser Prozess in den nächsten Monaten abgeschlossen sein wird.
Der Datenschutzbeauftragte berichtet aber auch, dass der Ge heimdienst NSA nach geltendem amerikanischen Recht legal an die betreffenden Daten gelangt ist. Das heißt, dass die NSA zumindest in einem Großteil der Fälle keine Unterseekabel angezapft hat. Nein, der Geheimdienst erhielt die gewünsch ten riesigen Datenmengen von Google, Apple und den sozia len Netzwerken.
Jetzt stellt sich für mich schon die Frage, ob nicht die media le Skandalisierung der NSA-Affäre einen mindestens genau so großen Skandal zu Unrecht völlig überlagert, nämlich zum einen die ungebremste Sammlung von Nutzerdaten durch amerikanische Medienkonzerne, um diese kommerziell zu nutzen, und zum anderen einen in der deutschen Bevölkerung überwiegend vorhandenen Mangel an Bewusstsein über die se Vorgänge, die direkt und indirekt Einfluss auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger nehmen.
An dieser Stelle können wir als Landesgesetzgeber wieder zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land tä tig werden. Unsere Aufgabe ist es, diesem Bewusstseinsman gel entgegenzutreten und präventiv tätig zu werden. Dieser Aufgabe kommen wir nach, wenn wir uns entscheiden, im neuen Bildungsplan Medienbildung und -kompetenz im Schul unterricht zu implementieren.
Unsere Kinder sollen weiterhin auf Facebook ihre Urlaube und Hobbys posten, aber sie sollen dies in dem vollen Be wusstsein tun, was mit ihren persönlichen Daten geschehen kann.
Die Landesregierung nimmt ihre Verantwortung beim Thema Datenschutz ernst. So hat es mich gefreut, aber nicht über rascht, dass der Landesdatenschutzbeauftragte explizit das In
teressenbekundungsverfahren im Rahmen der Polizeistruktur reform als datenschutzrechtlich vorbildlich lobt.
Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Klingbeil, und Ihren Mit arbeitern für diesen ausführlichen Tätigkeitsbericht und be danke mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn mit Erlaubnis der Präsidentin aus der Hebammenberufsordnung zitieren:
Hebammen... haben Schwangeren, Gebärenden, Wöch nerinnen und Neugeborenen Hilfe zu leisten und Rat zu geben. Dabei ist die Gesundheit der Schwangeren, Müt
ter und Neugeborenen zu schützen und zu erhalten. Bei der Beratung sind neben medizinischen auch soziale und psychische Faktoren zu berücksichtigen.
Bis vor wenigen Jahren habe ich mir über die näheren Um stände einer Geburt wenig Gedanken gemacht. Aus meiner ei genen Erfahrung kann ich jetzt sagen: Hebammen leisten vor, während und nach der Geburt unersetzliche Hilfe.
Für sicherlich alle Frauen ist eine Geburt eine Ausnahmesitu ation. Dabei hat die Hebamme eine einzigartige Vertrauens position inne. Mir wurde auch bewusst, dass es nicht leicht ist, überhaupt eine Hebamme zu finden, die Vor- und Nach sorge übernimmt. Diese Erfahrung machen leider immer mehr Frauen.
Deshalb begrüße ich die heutige Debatte außerordentlich und hoffe, dass wir uns fraktionsübergreifend für den Erhalt des Berufsstands der Hebamme einsetzen werden – denn um nicht weniger geht es.
Die originäre Tätigkeit der Hebammen ist die Geburtshilfe. Sie arbeiten als Beleghebammen sowie in Geburtshäusern und betreuen Hausgeburten. Sie bereiten jedoch auch Eltern – Mütter und Väter – gezielt auf die Geburt und die Elternschaft vor. Zur Pflege des Neugeborenen, zur Nachsorge der Frau kommen die Hebammen zu den Familien nach Hause. Dabei erhalten sie Einblicke in das familiäre Umfeld und können so zu einem sehr frühen Zeitpunkt weiter gehende Hilfe veran lassen. Dies ist für mich ein nicht zu unterschätzender Beitrag zum präventiven Kinderschutz.
Bei der Nachsorge unterstützen die Hebammen Frauen aus al len Gesellschaftsschichten. Sie bieten gerade Familien mit schwierigem sozialen Hintergrund niedrigschwellige und dis kriminierungsfreie Hilfestellung.
Das bislang flächendeckende Angebot der Hebammen sowohl in der Geburtshilfe als auch in der Vor- und Nachsorge müs sen wir erhalten. Dazu gehört auf jeden Fall eine angemesse ne Vergütung der Leistungen der Hebammen. Unumgänglich ist aber auch für alle Hebammen eine Haftpflichtversicherung.
Denn ohne diese können sie schlicht nicht arbeiten.
In den letzten Jahren sind die Versicherungsprämien für frei berufliche Hebammen in der Geburtshilfe enorm angestiegen. Im Jahr 1981 waren es gerade einmal 30 €, im Jahr 2000 wa ren es schon rund 400 €, und in diesem Jahr ist eine Steige rung auf 5 091 € pro Jahr angekündigt worden. Begründet wird diese Entwicklung insbesondere mit den steigenden Schadenssummen und den schwer kalkulierbaren Kosten für Spätfolgen. Diese Prämie kann kaum eine Hebamme erwirt schaften.
Verschärft wird die Situation dadurch, dass ein Versicherer seinen Ausstieg aus den zwei Konsortien angekündigt hat, die den Versicherungsschutz für alle Hebammen in Deutschland anbieten. Ob es künftig überhaupt noch einen Anbieter für die Berufshaftpflichtversicherung der Hebammen gibt, ist unge klärt.
Die Lage ist also ernst, und der Handlungsbedarf ist akut.
Es ist eine politische Entscheidung, ob wir Müttern weiterhin die Wahl zwischen einer Hausgeburt, einer Geburt im Ge burtshaus und einer Geburt in einer Klinik ermöglichen. Wenn wir uns dafür entscheiden – dafür treten wir ein –, dass Frau en weiterhin diese Wahlfreiheit haben, dann muss die Frage der Haftpflichtversicherung geklärt werden, und zwar zügig und nachhaltig. Denn sonst machen nach und nach die Heb ammenpraxen zu. Es ist bald schlicht zu spät, und dann wird unsere gute Infrastruktur auch und gerade im Bereich des prä ventiven Kinderschutzes zerstört sein.
Deshalb begrüße ich ausdrücklich, dass Ministerin Altpeter bereits reagiert und mit einem Antrag über den Bundesrat an den Bundestag appelliert hat. Der Abschlussbericht der inter ministeriellen Arbeitsgruppe im Bund zu diesem Thema soll in den nächsten Wochen vorgelegt werden. Dann muss auf Bundesebene zügig und entschlossen gehandelt werden. Wir unterstützen den Vorschlag einer Haftungsobergrenze und ei nes staatlich finanzierten Hilfsfonds für darüber hinausgehen de Schäden.
Herr Gröhe, finden Sie baldmöglichst eine grundsätzliche und nachhaltige Lösung!
Herzlichen Dank.
Bei allem Respekt, Herr Kolle ge Haußmann, aber wenn der ehemalige Bundesgesundheits minister Bahr in diesem Bereich so erfolgreich tätig gewesen wäre, würden wir diese Debatte heute nicht führen. Darauf möchte ich an dieser Stelle hinweisen.
Ansonsten freue ich mich über die Signale, die aus BadenWürttemberg fraktionsübergreifend nach Berlin gehen. Ich bedanke mich bei der Frau Ministerin für die Bundesratsini tiative. Ich glaube, sie ist ein ganz wichtiger Schritt, um in dieser Angelegenheit voranzukommen. Die fraktionsübergrei fende Zustimmung bei diesem Thema tut den Hebammen gut, sie wertschätzt die Hebammen und ist letztlich ein gesell schaftspolitisches Signal in die richtige Richtung.
Vielen Dank.
Herr Minister, ich möchte noch einmal auf die Haftbefehlsaufhebungen, die vorhin schon kurz angesprochen worden sind und in den letzten Monaten auch ein gewisses mediales Echo hervorgerufen haben, zurückkom men. Ich denke, die Sorge der Bevölkerung besteht da zu Recht, und auch für die Ermittlungsbehörden ist es eine un befriedigende Situation.
Meine zwei Fragen: Was kann das Justizministerium konkret tun, um Haftbefehlsaufhebungen zu vermeiden, und – zwei tens – wie haben sich die Zahlen der Haftbefehlsaufhebungen entwickelt?
Herr Präsident, verehrte Kolle ginnen und Kollegen! Zu den Hintergründen und zu den Grundlagen des Gesetzes habe ich bereits in der ersten Le sung umfassende Ausführungen gemacht. Ich möchte mich daher an dieser Stelle nun kurzfassen.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist durchdacht und ausgewo gen. Er berücksichtigt, dass die Therapieuntergebrachten die erforderlichen Behandlungsangebote und Resozialisierungs maßnahmen erhalten. Genauso wird aber auch dem Schutz anspruch der Bevölkerung Rechnung getragen.
Dem Gesetz liegt die Musterregelung der Arbeitsgruppe der Bundesländer zugrunde, die weitestgehend im Konsens be schlossen wurde, sodass bundesweit ein einheitlicher Voll zugsstandard gewährleistet ist.
Die SPD-Fraktion unterstützt aus den genannten Gründen den Gesetzentwurf. Ich möchte nicht vergessen, Herrn Spieth für seine Arbeit noch einmal zu danken.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein mal möchte ich mich dem Dank meiner Vorredner anschlie ßen, dem Dank an Sie, Herr Minister Stickelberger, an Herrn Kienle, last, but not least auch an Herrn Spieth vom Referat Vollzugsgestaltung im Justizministerium. Das gehört, denke ich, an dieser Stelle auch noch erwähnt.
Meine Damen und Herren, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Jahr 2009 ein Urteil erlassen, dessen Auswirkungen wir heute beraten. Der Gerichtshof hatte fest gestellt, dass die Menschenrechte von verurteilten gefährli chen Straftätern verletzt worden waren, für die rückwirkend die Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus angeord net wurde.
Diese Personen hatten ihre Haftstrafe bereits abgesessen und waren danach zusätzlich zehn Jahre sicherungsverwahrt wor den. Nachträglich war die Höchstfrist von zehn Jahren Siche rungsverwahrung aufgehoben worden. Mit anderen Worten: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs musste die se Gruppe von Sicherungsverwahrten aus den Justizvollzugs anstalten entlassen werden. Sie durfte nicht unter eine nach trägliche, verschlechternde Maßregel fallen.
Das Urteil nahm damals in den Tageszeitungen einen großen Raum ein, da verständlicherweise in der Bevölkerung Ängs te damit verbunden waren, wie man mit den notwendig ge wordenen Entlassungen umgehen solle.
Der Bund hat daraufhin im Rahmen seiner Gesetzgebungs kompetenz das Therapieunterbringungsgesetz in seiner ersten Fassung 2011 erlassen. Mit diesem Gesetz können verurteil te Sexual- und Gewalttäter, von denen immer noch eine hohe Gefahr ausgeht, weiter untergebracht werden.
Da mit der Therapieunterbringung aber immer auch Grund rechtseingriffe bei den Untergebrachten verbunden sind, be darf es eines eigenen formellen Vollzugsgesetzes. Um dieses geht es heute.
Wir sind Herrn Minister Stickelberger dankbar, dass BadenWürttemberg bei diesem sehr sensiblen Thema keinen Allein gang wagt, sondern sich im Rahmen einer Länderarbeitsgrup pe mit den anderen Bundesländern auf Musterregelungen ver ständigt hat. So ist ein bundesweit möglichst einheitlicher Vollzugsstandard gewährleistet.
Erfreulich ist dabei, dass die Musterregelungen der Länderar beitsgruppen trotz der politischen Bandbreite in den einzel nen Bundesländern weitestgehend im Konsens beschlossen wurden.
Dies ist sicher ein Beleg dafür, dass man dieses Thema sehr sachlich und überlegt angegangen ist.
Für Baden-Württemberg sind im Übrigen – wir hörten es be reits – allenfalls wenige Anordnungen nach dem Therapieun terbringungsgesetz zu erwarten. Vor diesem Hintergrund wä re die Schaffung einer eigenständigen Einrichtung für Thera pieuntergebrachte nicht nur aus finanziellen, sondern vor al lem auch aus therapeutischen Gesichtspunkten nicht sachge recht.
Sinnvolle therapeutische Behandlungsformen wie z. B. die Gruppenbehandlung sind nur in einer Einrichtung mit einer bestimmten Zahl von Untergebrachten überhaupt denkbar. Mit der neuen Fassung des Therapieunterbringungsgesetzes – gül tig seit Juni 2011 – wird diesem Umstand Rechnung getragen. Die Therapieunterbringung kann nun auch in einer Einrich tung der Sicherungsverwahrung vollzogen werden.
In Baden-Württemberg kann die Justizvollzugsanstalt Frei burg den erforderlichen intensiven Behandlungsvollzug auf hohem fachlichen Niveau gewährleisten.
Der Gesetzentwurf ist insgesamt durchdacht und ausgewogen – ausgewogen insofern, als einerseits die Therapieunterge brachten die entsprechenden Behandlungsangebote und Re sozialisierungsmaßnahmen erhalten und andererseits dem Schutz der Bevölkerung Rechnung getragen wird.
Wir begrüßen aus diesem Grund den vorliegenden Gesetzent wurf und unterstützen ihn.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Pädophi lie darf nicht verharmlost werden. Ja, diese Aussage löst bei niemandem von uns einen Widerspruch aus. Wir verurteilen sexuellen Missbrauch von Kindern aufs Schärfste und sehen uns als politisch Verantwortliche in der Pflicht, die Schwächs ten der Gesellschaft zu schützen.
Das Thema Missbrauch ist in den vergangenen Jahren zum Glück immer stärker ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Das ist gut so. Denn nur wenn solche Verbrechen nicht vertuscht und ignoriert werden, erfahren Betroffene Zuspruch, Unter stützung und Hilfe. Wie soll ein Kind ohne Hilfe mit solch traumatischen Erlebnissen umgehen? Zumal diese so gut wie immer von einer vertrauten Person aus der Familie oder aus dem nahen Umfeld begangen werden.
Kinder zu schützen ist eine wesentliche Aufgabe des Staates. Daher ist es gut, wenn das Thema im öffentlichen Bewusst sein bleibt. Darüber zu sprechen, wie man Beratung und Netz werke weiter ausbauen kann, was Verwandte tun können, die einen Verdacht haben, oder welche Maßnahmen wir ergreifen können, damit Missbrauch von Kindern nie wieder ignoriert und verharmlost wird, das hilft den Betroffenen.
Gerade bei diesem sensiblen Thema sollten sich alle Fraktio nen konstruktiv und verantwortungsbewusst einbringen. Denn es geht um Menschen, die in jungen Jahren traumatischste Er lebnisse haben, die sie häufig bis zu ihrem Lebensende nicht verarbeiten können. Das darf kein Anlass für kontroverse Par teipolitik sein.
Wir sind uns einig, dass alle Fälle und Verdachtsfälle gründ lich und vollständig aufgearbeitet werden müssen. Wir soll ten uns einig sein, dass wir dem Schutz des Kindes in BadenWürttemberg hohe Priorität einräumen. Deshalb werden wir die Kinderrechte in die Landesverfassung aufnehmen. Des halb erhalten die Fachberatungsstellen, die auf das Thema „Sexuelle Gewalt“ spezialisiert sind, mehr Geld, und deshalb wurde die Förderung der 40 Frauen- und Kinderschutzhäuser in Baden-Württemberg erhöht.
Deshalb unterstützt das Sozialministerium das „Netzwerk Frü he Hilfen und Kinderschutz“ mit rund einer halben Million Euro. Deshalb setzt sich Justizminister Stickelberger dafür ein, dass noch vorhandene Strafbarkeitslücken beim soge nannten Cybergrooming geprüft und geschlossen werden. Mit Cybergrooming wird die gezielte Ansprache Minderjähriger über das Internet mit dem Ziel sozialer Kontakte bezeichnet.
Mit diesen und weiteren Maßnahmen können wir viel dazu beitragen, Missbrauch in Zukunft zu verhindern. Auf überhol te Entscheidungen von vor 30 Jahren zu verweisen, das hilft nicht.
Archive öffnen, unabhängige Gutachter beauftragen, das zeigt doch, dass man sich seiner Geschichte stellt, liebe Kollegin nen und Kollegen.
Ich habe gestern mit einer Sozialpädagogin gesprochen, die in Selbsthilfegruppen Opfer sexueller Gewalt über Jahre hin weg betreut. Sie war entsetzt, dass ein solches Thema die heu tige Aktuelle Debatte erneut bestimmt, in der die politische Kontroverse doch im Vordergrund steht. Sie war entsetzt, weil eine solche Debatte nicht den Opfern dient und weil man ein mal wieder zu viel über die Opfer redet statt mit ihnen.
Der runde Tisch in Berlin, meine Kolleginnen und Kollegen, hat gezeigt, dass das auch funktionieren kann – mit den Op fern reden, fraktionsübergreifend. Aber ich habe nach der heu tigen Aktuellen Debatte mit dem gleichen Thema wie vor zwei Monaten nicht den Eindruck, dass ein runder Tisch in Stutt gart mit der Opposition überhaupt jemals möglich wäre.
Ich danke Ihnen.