Protocol of the Session on February 26, 2014

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Den gibt es!)

dann betrifft er gerade den Zeitraum vor 2011. Denn der Be stand hat sich bisher nicht wesentlich verändert.

(Zuruf des Abg. Bernd Hitzler CDU)

Was die Zukunft angeht, bleibt es bei dem, was ich vorhin ge sagt habe. Wir stehen jetzt am Anfang der Haushaltsberatun gen. Auf der Arbeitsebene werden die Konzepte entwickelt. Es gibt einen regen Diskurs – wie üblich in der Regel mit dem Finanzministerium. Das kennen Sie aus Ihrer Regierungszeit, Herr Hillebrand; Sie waren ja selbst Regierungsmitglied und wissen, wie das abläuft. Das ist ein ganz normaler Prozess. Am Ende dieses Prozesses wird man sehen, wie die Situation aussieht. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dann Personaleinsparungen als Konsolidierungsbeitrag anstehen, wird sich zeigen. Es wäre einfach zu früh, in diesem Stadium, in dem wir gerade mit den Haushaltsberatungen anfangen, schon konkrete Aussagen zu machen.

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abg. Graner das Wort.

Herr Minister, ich möchte noch einmal auf die Haftbefehlsaufhebungen, die vorhin schon kurz angesprochen worden sind und in den letzten Monaten auch ein gewisses mediales Echo hervorgerufen haben, zurückkom men. Ich denke, die Sorge der Bevölkerung besteht da zu Recht, und auch für die Ermittlungsbehörden ist es eine un befriedigende Situation.

Meine zwei Fragen: Was kann das Justizministerium konkret tun, um Haftbefehlsaufhebungen zu vermeiden, und – zwei tens – wie haben sich die Zahlen der Haftbefehlsaufhebungen entwickelt?

Frau Kollegin Graner, vielen Dank für diese beiden Fragen, zu denen ich auch schon im Zusammenhang mit der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage Drucksache 15/4555, Herr Kollege Lasotta, Ausführungen ge macht habe. Ich fange einmal mit den Haftentlassungszahlen, die Sie angesprochen haben, an.

Im Jahr 2003 hatten wir neun Aufhebungen – also Entschei dungen von Gerichten analog zu der Entscheidung, wie sie in Heilbronn ergangen ist –, 2004 sieben Aufhebungen, 2005 wa ren es fünf, 2006 zwei, im Jahr 2007 zehn, 2008 vier, im Jahr 2009 zwei, im Jahr 2010 vier, 2011 sechs, 2012 war es eine, und 2013 waren es drei. Einen irgendwie gearteten negativen Trend kann ich daraus nicht ableiten, sondern die Zahlen be wegen sich in etwa auf diesem Niveau.

Dabei muss ich sagen, dass jede Entlassung, die droht oder die dann angeordnet wird, natürlich nach Möglichkeit zu ver meiden ist – wegen der Wirkungen, die Sie beschrieben ha ben, gegenüber den Ermittlungsbehörden selbst, dem dorti gen Personal, aber gerade auch gegenüber der Öffentlichkeit, die zu Recht ein Sicherheitsbedürfnis hat.

Was tun wir? Auch dazu gibt es mehrere Handlungsansätze. Wir, das Justizministerium, haben über das Personalbedarfs berechnungssystem PEBB§Y die Möglichkeit, Zuweisungen von Richterinnen und Richtern und analog von Staatsanwäl tinnen und Staatsanwälten an die Dienststellen zu machen. Das machen wir. Wir versuchen natürlich, die Zuweisungen bedarfsgerecht, aber auch gerecht im Verhältnis der Gerichte zueinander vorzunehmen. Da haben wir Deckungsgrade, die bei gut 100 % liegen. Das kann man sagen.

Das ist aber nur – wenn Sie so wollen – die Steuerung von der Ebene des Justizministeriums aus. Damit ist noch nicht ge klärt, wie die einzelnen Richterinnen und Richter bei den Ge richten verteilt werden. Dort gibt es ja Zivilkammern, Straf kammern, Schwurgerichte und, und, und. Wie die Gerichte im Einzelnen ihre Richter einsetzen, das ist eine Frage der Ge schäftsverteilung, und die obliegt allein den Präsidien der Ge richte in richterlicher Unabhängigkeit. Das ist Bestandteil der richterlichen Unabhängigkeit. Diese müssen wir natürlich wahren. Darauf haben wir keinen Einfluss.

Sagen muss man aber auch, dass eine Veränderung in der Ge schäftsverteilung auch nicht ohne Weiteres leicht möglich ist. Denn es gilt das Prinzip des gesetzlichen Richters. Das heißt, für gerichtliche Verfahren muss im Voraus bestimmt sein, wer in welchem Verfahren als Richterin oder Richter tätig ist. Das muss abstrakt geregelt werden. Deshalb kann ich nicht ein fach sagen: Wenn schnell einmal Bedarf besteht, dann gebe ich da noch eine Richterstelle zu, und woanders ziehe ich ei ne ab. Das geht so nicht. Ich muss vielmehr diese abstrakte Regelung so treffen, dass sie allgemeingültig ist.

Manchmal besteht aber auch das Problem, dass Prozesse an ders laufen, als man sich das vorgestellt hat. Denken Sie an Großprozesse mit vielen Beteiligten, etwa bei Bandenkrimi nalität. Da haben Sie viele Rechtsanwälte, viele andere Betei ligte, Gutachter. Da kommt ein Verfahren schnell einmal in

Verzug. Denken Sie daran, dass es auch Konfliktverteidigung und andere Phänomene gibt.

Wir versuchen natürlich – das machen wir jetzt auch verstärkt –, in Absprache mit den Gerichtspräsidentinnen und -präsi denten darauf hinzuwirken, dass uns mögliche, denkbare Eng pässe möglichst frühzeitig benannt werden, damit wir vom Ministerium her gegebenenfalls nachsteuern können. Das ha ben wir damals im Heilbronner Fall auch so gemacht. Da wur de dann noch eine Stelle zusätzlich zugewiesen. Das machen wir, wenn wir rechtzeitig von Engpässen erfahren.

Die Präsidenten sind aufgerufen, daran mitzuwirken – dazu sind sie auch bereit –, dass wir sehr frühzeitig erfahren, wo Nachsteuerungsbedarf besteht. Das ist das, was wir machen können, damit solche Entlassungen, die aus der Sicht der Öf fentlichkeit zu Recht kritisiert werden, vermieden werden.

Ich möchte jedoch noch einmal auf die andere Frage zurück kommen: Einen negativen Trend haben wir in den letzten zweieinhalb Jahren nicht erkennen können.

Vielen Dank. – Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Professor Dr. Goll das Wort.

Überleitend geht einem dann durch den Kopf, dass es so gemeint sein könnte, dass es mehr Fälle geben könnte, wenn es weniger Richter werden.

Ich habe aber noch eine Frage, die ich natürlich – wie das Kol lege Hillebrand auch getan hat – in wohlmeinender Absicht stelle. Diese knüpft an ein Stichwort an, das Sie selbst genannt haben, nämlich an PEBB§Y, ein Personalbedarfsberechnungs system, das vielleicht nicht allen bekannt ist. Dieses wurde in der Justiz unter Führung von Baden-Württemberg eingeführt, damit man in etwa weiß, wie hoch der Personalbedarf ist. Die ses System PEBB§Y wird gerade fortgeschrieben.

Es wäre jetzt einleuchtend, erst einmal zu schauen, was die Neuberechnung ergibt. Stattdessen setzt die Regierung, noch während die Richterinnen und Richter und andere ihre Auf schriebe machen, fest, wie viel Personal benötigt wird. Dann kann ich mir das Personalbedarfsberechnungssystem in zwei ter Runde, für das auch wieder Baden-Württemberg bundes weit federführend ist, eigentlich sparen, oder nicht?

Herr Kollege Dr. Goll, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das Neuerhebungsverfahren für PEBB§Y ansprechen. Ich möchte aber zunächst kurz auf Ihren Eingangssatz zurückkommen. Sie können sicher sein, dass wir die Sicherheit im Blick haben und keinerlei Maßnah men treffen, die dazu führen, dass Leute aus der Haft entlas sen werden müssen. Darüber sind wir uns in der Landesregie rung einig. Der Ministerpräsident hat dies anlässlich seiner Pressekonferenz gestern auch noch einmal zum Ausdruck ge bracht. Das ist ganz klar.

PEBB§Y ist eigentlich ein sehr rationales, technisches Be rechnungssystem, das wertvoll ist, aber auch in die Jahre ge kommen ist. Es stammt aus dem Jahr 2001/2002. Angesichts dessen, was sich seither allein in der Bürokommunikation ver ändert hat, wird deutlich, wie schnell die Entwicklung in der Justiz und in anderen Bereichen voranschreitet. Wie Ge schäftsstellen und auch Richterinnen und Richter vor zehn

Jahren gearbeitet haben, ist mit dem heutigen Zustand zum Teil nicht mehr vergleichbar.

Deshalb gibt es diese Neuerhebung, an deren Konzeptionie rung Baden-Württemberg federführend beteiligt ist, wie das noch unter Ihrer Führung auch schon früher der Fall war. Wir haben uns absichtlich aktiv eingebracht, weil wir immer noch der Meinung sind, dass wir zu diesem System einen guten Zu gang haben und es leistungsfähig ist bzw. wir es wieder opti mieren können.

Ich möchte Sie kurz darüber informieren, dass in die Arbei ten für diese Fortschreibung bundesweit 16 000 in der Justiz Beschäftigte einbezogen werden. Landesweit, also in BadenWürttemberg, sind es über 2 000 Personen, darunter über 700 Richterinnen und Richter, Staats- und Amtsanwälte, der Rechtspflegebereich mit über 350 Mitarbeiterinnen und Mit arbeitern und der Bereich der Serviceeinheiten mit über 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese erstellen jetzt auch mit moderneren, verfeinerten Methoden, mit REFA-Metho den diese Aufschriebe und korrigieren Erkenntnisse aus viel leicht nicht so überzeugenden Erhebungsformen der Vergan genheit.

Diese PEBB§Y-Erhebung erfolgt nun für die ordentliche Ge richtsbarkeit. Wir haben unsere großen Einrichtungen ange meldet. Diese beteiligen sich. Dann erhalten wir neue Bedarfs zahlen. Diese spielen natürlich für die weitere Bedarfspla nung, für die weitere Berechnung von Stellenbedarfen eine Rolle. Diese Erhebung wird über den Tag hinaus Gültigkeit haben und soll uns brauchbare Grundlagen für die Personalan forderungen für die nächsten Jahre liefern.

Wenn Sie so wollen, läuft dies parallel zum Aufstellungsver fahren für den Haushalt. Wir versprechen uns aus der neuen PEBB§Y-Erhebung aber auch jetzt schon erste wesentliche Erkenntnisse im Hinblick auf die Haushaltsaufstellung. Die se Erkenntnisse werden dann in die Gespräche zum Haushalt einfließen. Daher sind wir froh, dass wir PEBB§Y auf den neuesten Stand bringen können und dadurch aktuelle Erkennt nisquellen gewinnen können.

Eine weitere Frage des Herrn Abg. Hillebrand von der CDU-Fraktion.

Vielen Dank. – Herr Minister, halten Sie ganz persönlich einen Stellenabbau in der Gerichts barkeit überhaupt für möglich oder vertretbar, oder sehen Sie vielleicht aufgrund der immer wieder erhobenen Fallzahlen Möglichkeiten, dass es zu Verschiebungen zwischen den ein zelnen Gerichtsbarkeiten kommt? Dies könnte ja sein. Es hat schon Zeiten gegeben, in denen wir im Asylbewerberbereich zusätzliche Richter für die Verwaltungsgerichte gebraucht ha ben. Als dieser Bereich eingebrochen ist, gab es hier Luft. Dann könnte man beispielsweise Verwaltungsrichter in die or dentliche Gerichtsbarkeit überführen. Sehen Sie hier über haupt irgendwelche Möglichkeiten, oder wie beurteilen Sie die jetzige Situation?

Hinsichtlich der Aus stattung mit Richtern und denkbarer Einsparungen gilt das, was ich vorhin gesagt habe: Ob und gegebenenfalls in wel chem Umfang Einsparungen durch eine Reduzierung der Per sonalstellen erfolgen, werden wir im Zuge der Haushaltsbe ratungen im Einzelnen sehen.

Sie haben aber einen guten Gesichtspunkt angesprochen. Wir sind im Moment froh, dass wir bei guter Konjunktur etwa im Bereich der Sozial- und der Arbeitsgerichtsbarkeit keine Zu wächse haben. Bei schlechter Konjunktur kann sich das er fahrungsgemäß – das wissen wir aus der Vergangenheit – schnell ändern. Dann nimmt die Zahl der Verfahren im Be reich der Sozial- und der Arbeitsgerichtsbarkeit wieder zu. Hoffentlich bleibt es so, wie es ist.

Bei den Verwaltungsgerichten stellen wir fest, dass die Zahl der Asylverfahren voraussichtlich stark zunehmen wird. Die se betreffen nun Länder, die wir früher nicht so im Blick hat ten. Da könnten sich die Zahlen sehr rasch nach oben entwi ckeln.

In der Justiz in Baden-Württemberg ist man bisher so vorge gangen – wir haben diese Asylwelle und diese Welle von Asyl verfahren bei den Gerichten schon einmal durchgemacht –, dass man sich in der Sozial- und der Verwaltungsgerichtsbar keit gegenseitig hilft – dabei können auch Richterinnen und Richter sehr flexibel ausgetauscht werden –, bevor stellentech nisch große Veränderungen herbeigeführt werden müssen. Das klappt erfahrungsgemäß bisher gut. Ich bin dankbar, dass die Richterinnen und Richter sowie die Präsidentinnen und Prä sidenten bei dem Versuch, sich gegenseitig zu helfen, mitzie hen. Das gilt auch für die Arbeitsgerichtsbarkeit, das gilt ins gesamt für die anderen Fachgerichtsbarkeiten.

Ich denke, dass wir solche Bugwellen und anschließende Ab flachungen bzw. Rückgänge intern auffangen können, ohne allzu viel Personalbedarf zu generieren und Personal dann wieder abbauen zu müssen. Wir versuchen, den Personalbe darf stabil zu halten. Bisher gelingt uns das ganz gut. Wie ge sagt, am besten ist es, wenn wir keine Zunahmen bei der Zahl der Verfahren haben.

Uns bereitet allerdings der Bereich der rechtlich angeordne ten Betreuungen Sorge. Immer mehr Mitbürgerinnen und Mit bürger bedürfen rechtlicher Betreuung, weil sie ihre täglichen Rechtsgeschäfte nicht mehr allein erledigen können. In die sem Bereich kommen – nicht nur, aber größtenteils wegen der demografischen Entwicklung – zunehmend Probleme auf uns zu. Hier rechnen wir mit einer beachtlichen Zunahme. Des wegen müssen wir diesen Bereich sehr stark im Auge behal ten.

Vielen Dank, Herr Jus tizminister. – Damit ist die halbe Stunde für die Frage der FDP/DVP-Fraktion beendet.

Somit ist Tagesordnungspunkt 3 erledigt.

Nachdem wir die Tagesordnungspunkte 4 und 5 heute Vormit tag bereits erledigt haben, rufe ich Tagesordnungspunkt 6 auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Kultus, Jugend und Sport – Online-Portal zur Bürgerbeteiligung bei der Bildungsplanarbeit – Drucksache 15/3320 (Geänderte Fassung)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Wacker das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Es ist keine Frage, dass diese Bildungsplanreform, die derzeit in Vorbereitung ist, wichtig und richtig ist. Es ist wichtig, dass in etwa zehnjährigen Ab ständen die bestehenden Bildungspläne überprüft und entspre chende Anpassungen und Weiterentwicklungen vorgenommen werden.

Das Kultusministerium hat gleich zu Beginn dieser Bildungs planreform ein breites Beteiligungsverfahren angekündigt. Das haben wir von der CDU-Fraktion grundsätzlich begrüßt. So hat Staatsrätin Erler auf einem Kongress am 19. Dezem ber 2012 erklärt, dass ein Onlinebeteiligungsportal der Lan desregierung eingerichtet wird und das Kultusministerium die ses sogar als Erstes nutzen kann.

Der Start dieses Onlineportals wurde für Februar 2013 ange kündigt. Heute haben wir Februar 2014. Dieses Onlinebetei ligungsportal existiert zwar, aber von dem Beteiligungsportal des Kultusministeriums bezüglich der Bildungsplanreform kann bis heute überhaupt keine Rede sein. Nichts ist passiert, obwohl das Kultusministerium dies angekündigt und erklärt hat.

Wenn die Landesregierung gesellschaftliche Themen mit der Bildungsplanreform verbinden möchte – wie beispielsweise „Toleranz“ und „Sexuelle Vielfalt“ –, dann muss sie zunächst einmal in die Bevölkerung hineinhören.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch und Klaus Burger CDU)

Die Bürgerinnen und Bürger brauchen auch ein Ventil, wo durch sie sich ausdrücken können und ihre Sorgen und Nöte zum Ausdruck bringen können. Da nichts getan wurde, sind nun Verunsicherungen und Ängste entstanden. Das Ergebnis kennen wir, Herr Kultusminister: große Irritationen in der Be völkerung. In der Presseberichterstattung ist das mehr als deutlich geworden.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Und in der CDU-Fraktion!)

Ihnen ist diese Diskussion aus den Händen geglitten.