Herr Staatssekretär, sehen Sie ers tens einen Zusammenhang zwischen der Ablehnung des Steu erabkommens mit der Schweiz und den 460 Millionen € an zusätzlichen Einnahmen für die Staatskasse?
Wie steht es zweitens mit der Verbesserung der Steuergerech tigkeit? Das ist eine ganz wichtige moralische Frage.
Drittens: Die Schweiz hat eine Weißgeldstrategie eingeführt. Die Schweiz geht auf die Steuerhinterzieher, auf die Geldan leger zu, fragt nach, woher das Geld kommt, und schickt es zur Not wieder zurück. Bestehen da nach Ihrer Meinung Zu sammenhänge?
Ich bin mir sicher: Ohne die Ab lehnung des Steuerabkommens hätten wir die große Zahl von Selbstanzeigen und die dadurch verursachten hohen Einnah men nicht gehabt.
Ein prominenter Steuersünder hat das sogar zugegeben und hat gesagt, er habe noch darauf gewartet, ob das Steuerabkom men kommt oder nicht. Was er gemacht hätte, wenn es ge kommen wäre, ist auch klar. Das hat er ja auch ziemlich deut lich gemacht. Das war zumindest in der Presse nachzulesen.
Deshalb gibt es diesen Zusammenhang sicher. Ich habe auch davon gehört, dass die Schweiz und die Schweizer Banken mittlerweile angeblich eine andere Strategie fahren. Ich bin kein Kunde einer Schweizer Bank – deshalb kann ich es nicht aus eigener Anschauung sagen –, aber ich habe davon gehört.
Ich hoffe wirklich, dass die Praktiken, die es dort in der Ver gangenheit gegeben hat – wir in Baden-Württemberg sind auf grund der Grenznähe natürlich sehr stark davon betroffen –, künftig nicht mehr zum Geschäftsgebaren der Banken gehö ren und dass man in den Fällen, in denen es augenscheinlich um Steuerhinterziehung geht, dem seitens der Banken und vielleicht auch seitens der Schweizer Steuerbehörden entge genwirkt. Ich hoffe, dass diese Strategie weiterverfolgt wird. Ich hielte das auch im Sinne einer gutnachbarlichen Zusam menarbeit zwischen Deutschland und der Schweiz wirklich für die richtige Strategie. Ich glaube auch, dass das mittel- oder langfristig kommen wird.
Ich bin mir ziemlich sicher: Wir werden mittelfristig auch ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz, was den automatischen Datenaustausch mit der Schweiz angeht, bekommen, um so eine ehrliche und gute Zu sammenarbeit hinzubekommen. Die Schweiz wird sich in die ser Hinsicht bewegen müssen, und ich glaube, sie wird sich auch bewegen – vielleicht nicht in diesem Jahr, vielleicht nicht im nächsten Jahr, aber mittelfristig wird das kommen. Dann haben wir, denke ich, auch dieses Thema in gutem Einverneh men gelöst. Ich bin, wie gesagt, sehr froh, dass wir der Versu chung des schnellen Geldes nicht erlegen sind und davon ab gesehen haben, schnell dem Steuerabkommen zuzustimmen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Die halbe Stunde für das erste Thema ist ab geschlossen. Vielen Dank.
M u s s d i e J u s t i z d o c h n o c h n i c h t s p a r e n ? G r ü n e l a s s e n m i t s i c h r e d e n.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, darf ich aus den „Stuttgarter Nachrichten“ von gestern eine Zeit zeugin aus der Ukraine zitieren, die gefragt wurde, was jetzt das Wichtigste wäre, was die EU für die Ukraine tun könnte. Das Interessante ist, was sie in welcher Reihenfolge erwähnt, nämlich – und da darf ich zitieren –:
... dass uns Europa mit Know-how unterstützt, wie die Ge setze verbessert werden können, wie man ein ordentliches Gerichtssystem aufbaut, wie man die Wirtschaft organi siert.
Das sind die wichtigsten Punkte, die sie nennt. Da ist mir wie der klar geworden, dass ein ordentlich funktionierendes Ge richtssystem vielleicht etwas ist, dessen Wert man dann er kennt, wenn man es nicht hat, und dessen Wert vielleicht als etwas Selbstverständliches angesehen wird, wenn man es über viele Jahre hat, zumal ja auch verständlich ist, dass manchmal über Gerichte geschimpft wird: Entweder ist die eine Partei nicht zufrieden oder ist die andere Partei nicht zufrieden, oder – im Extremfall – es sind beide Parteien nicht zufrieden.
Wir müssen uns aber manchmal vor Augen führen, wie viel ein wohlfunktionierendes Gerichtswesen wert ist.
Deshalb hat mich und uns beunruhigt, dass die Landesregie rung, die nicht an vielen Stellen spart, ausgerechnet bei der Justiz, bei einer klassischen Staatsaufgabe, sparen will. Hier zu stehen widersprüchliche Äußerungen im Raum: Wird ge spart, oder wird nicht gespart? Deshalb ist es, glaube ich, fast zwingend, hier die Frage zu stellen: Was gilt nun? Stehen Ein sparungen bei der Justiz bevor oder nicht?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Goll, ich darf zu Ihrer Frage Stellung nehmen. Ich möchte Sie aber vorweg korrigie ren; denn Sie haben gesagt, die Landesregierung spare nicht an vielen Stellen. Die Landesregierung hat innerhalb kurzer Zeit das strukturelle Defizit ganz erheblich vermindert – das ist hier mehrfach diskutiert worden –, und diesen Sparbeitrag hat diese Landesregierung vor dem Hintergrund der hohen strukturellen Verschuldung, die die Vorgängerregierungen hin terlassen haben, geleistet.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt erzählt doch einmal etwas anderes! – Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Das sind doch nur Momentaufnahmen!)
Zu den Sparmaßnahmen, die Sie angesprochen haben: Sie wissen, wir gehen den Pfad bis 2020, um die Nullneuverschul dung zu erreichen. Das machen wir in Etappen. An diesen Sparbemühungen müssen sich alle Ressorts beteiligen. Das gilt natürlich auch für das Justizressort. Deshalb wird es auch zu Einsparungen im Justizressort kommen. Das Justizminis terium wird seinen Beitrag leisten.
Die Zeitspanne kann ich Ihnen in etwa sagen. Wir stehen jetzt am Beginn der Haushaltsberatungen und werden zwischen den Ressorts und insbesondere natürlich mit dem Finanzmi nisterium auf Arbeitsebene die Einzelheiten besprechen. Dann werden wir termingerecht den Haushaltsplanentwurf aufstel len und zu einer rechtzeitigen Verabschiedung des Haushalts kommen. Wir haben das immer noch früher geschafft, als das die früheren Regierungen erreicht haben.
Herr Minister Stickelberger, ich darf insbesondere noch einmal auf die Frage des Stellenab baus zurückkommen. Sie waren ja selbst Verwaltungsrichter.
Erste Frage: Was glauben Sie, was für Gefühle es bei den Ge richten auslöst, wenn sie lesen, dass für einen umstrittenen Nationalpark 100 Stellen vorgesehen sind – die meisten da von Neustellen –, aber bei den Richterstellen gespart wird?
Zweite Frage: Was glauben Sie, wie es auf die Menschen wirkt, die nur die Zeitung lesen und zur Kenntnis nehmen, dass in Heilbronn Straftäter aus der U-Haft entlassen wurden, weil der Prozess nicht rechtzeitig beginnen konnte, und dann lesen, dass angesichts dessen Personal bei der Justiz abgebaut wird? Rechnen Sie da mit irgendeinem Verständnis aufseiten der Gerichte oder aufseiten der betroffenen Menschen?
Die Diskussionen zum Nationalpark haben wir hier im Parlament ausreichend ge führt. Das Gesetz ist verabschiedet,
Wenn Sie mich als ehemaligen Richter am Verwaltungsgericht ansprechen, kann ich Ihnen sagen: Ich reise eigentlich wö chentlich zu den Dienststellen der Justiz und natürlich auch zu den Verwaltungsgerichten. Da werden vielfältige Fragen gestellt, aber es ist nicht so, dass das, was Sie angesprochen haben, die Hauptrolle spielen würde. Was Verwaltungsrichter wesentlich mehr aufregt, ist z. B. ein verfassungswidriger Vor gang, der zum Erwerb von Aktien geführt hat.
Ich kann natürlich verstehen, dass – um Ihre zweite Frage zu beantworten – Freilassungen, wie sie in Heilbronn erfolgt sind, sowohl die Beteiligten in der Justiz als auch das Publi kum, die Öffentlichkeit stark beschäftigen.
Das ist ganz klar. Deshalb ist unser Bestreben, unser aller Be mühen, dass solche Fälle vermieden werden.
Herr Minister, heute Morgen haben wir den Tagesordnungspunkt 4 behandelt, bei dem es auch um die Frage der Effizienz ging, die man dadurch erhö hen kann, dass man Bündelungen in Rechtsfragen vornimmt, konkret bei der Notariatsreform. Sehen Sie Möglichkeiten, in der Justiz die Effizienz weiter zu erhöhen, indem man Bün delungen vornimmt, beispielsweise dadurch, dass sich Rich terinnen und Richter spezialisieren, sodass sie, weil sie bes ser in die Materie eingearbeitet sind, schneller zu Entschei dungen gelangen können?
Ja, ich sehe diese Mög lichkeiten. Die Landesregierung und das Justizministerium sind bemüht, entsprechende Reformschritte zu gehen. Wir ha ben heute Morgen schon eine große Reform angesprochen, nämlich die Notariatsreform. Mit der Grundbuchamtsreform, die damit zusammenhängt – das müssen Sie sich einmal vor Augen führen –, schaffen wir 650 Grundbuchämter ab und fassen System und Kompetenz in 13 grundbuchführenden Amtsgerichten zusammen. Das hat den Effekt, dass wir die Ausgleichszahlungen an die Gemeinden, die wir in hohem Maß leisten müssen, soweit sie die Sachmittel und Gebäude für Grundbuchämter zur Verfügung stellen, künftig einsparen. Das ist ein Bündelungsvorgang, der zu Einsparungen führt.
Ein weiterer Vorgang: Wir haben ein zentrales Vollstreckungs gericht in Karlsruhe geschaffen, das jetzt seine Arbeit auf nimmt. Das hängt mit der Umstrukturierung der Arbeit der Gerichtsvollzieher zusammen. Auch das ist ein wesentlicher Beitrag, mit dem wir Einspareffekte erzielen.
Wir werden im Zusammenhang mit den Reformen im Notar bereich weitere Konzentrationen bekommen: So siedeln wir die Nachlassgerichte bei den Familiengerichten an – Sie wis sen, im württembergischen Landesteil werden diese Aufga ben bisher von den Notaren versehen –, und wir haben die Zentralisierung des Vereinsregisters schon auf den Weg ge bracht. Wir können diese Bündelungen, diese Einsparungen dort vornehmen, wo die Bürgernähe darunter nicht leidet. Es ist uns natürlich ganz wichtig, dass wir in der Fläche präsent sind, dass wir Bürgernähe gewährleisten. Dort, wo die Bür gernähe nicht erforderlich ist, weil sie auf anderem Weg er reichbar ist, können wir die Bündelungen in den Bereichen vornehmen, die ich genannt habe.
Wir werden natürlich auch alle anderen Bereiche, in denen solche Strukturveränderungen möglich sind, weiterhin im Au ge behalten. Das sind dann im Wesentlichen strukturelle Ein sparungen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Stickelberger, Sie wissen, dass ich Sie per sönlich sehr schätze und Sie jetzt mit dieser Frage nicht ir gendwie vorführen will. Aber ich habe den Eindruck, vor Ort, bei der Justiz – ich habe Ihnen das auch schon einmal persön lich gesagt –, herrscht große Verunsicherung.
Meine Frage ist schlicht und ergreifend: Wann wird der Jus tiz einmal definitiv gesagt, wie es personell weitergeht? Im Moment ist da so eine Stimmung, und man weiß nicht: Soll jetzt abgebaut werden, wird tatsächlich abgebaut, oder gibt es doch noch Hoffnung, dass Richterstellen nicht abgebaut, son dern in Maßen – darauf lege ich Wert – aufgestockt werden? Wenn Sie hierauf eine Antwort geben könnten, wäre Ihnen da für – so denke ich – nicht nur die CDU-Fraktion, sondern ins besondere die Justiz sehr dankbar.
Wenn Sie die Verun sicherung bei Richterinnen und Richtern, bei Staatsanwältin nen und Staatsanwälten ansprechen, dann muss ich zunächst einmal betonen, dass wir derzeit in der Justiz im Wesentlichen mit dem Personalbestand arbeiten, den wir von der Vorgän gerregierung übernommen haben. Wir haben in begrenztem Umfang sogar noch Aufstockungen bei den Strafkammern er zielt. Dort haben wir zusätzliche Stellen bekommen. Wir ha ben Stellenzuwächse im Bereich der Sicherungsverwahrung durch die dortige Neugestaltung bekommen. Wir haben in an deren Bereichen in geringem Umfang Stellenzuwächse be kommen. Das heißt, wenn es über die derzeitige Situation Un mut gibt,