Wir wollen heute mit unserem Änderungsantrag, den wir jetzt gemeinsam hinbekommen haben, das richtige Signal in Rich tung Bund senden. Aber ich bin mir ganz sicher, dass wir in den kommenden Monaten und Jahren hier im Haus viel, viel schwierigere Diskussionen zu führen haben, wenn es um die Zukunft des SPNV in Baden-Württemberg geht, wenn es um den Umfang, die Qualität und vor allem die Finanzierung geht.
Lieber Herr Minister, das Ganze ist Ihre Aufgabe. Bei deren Erfüllung können Sie sich die früheren Regierungen zum Vor bild nehmen. Versuchen Sie alles, damit Sie noch die Kurve bekommen, damit die Erfolgsgeschichte der SPNV-Politik in Baden-Württemberg fortgesetzt werden kann.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Bahnreform jährt sich in diesem Jahr zum 20. Mal. Es ist eine Bahnreform, die grundlegend neue Fakten geschaffen hat. Sie hat sehr, sehr viele positive Wirkungen, aber natürlich – wie wäre es anders möglich? – auch ein paar Nachteile.
Ich möchte nur einige Punkte erwähnen. Entscheidend ist, dass die DB in ein privatrechtliches Unternehmen umgewan delt wurde. Es besteht eine Trennung von Netz und Betrieb sowie die Länderverantwortung für den Schienenpersonen nahverkehr. Da beißen sich natürlich ein paar Punkte, und wir sind immer dabei, Verbesserungen umzusetzen. Aber im Grund satz müssen wir damit leben, dass die DB eine Aktiengesell schaft ist – privatrechtlich organisiert und im Besitz des Bun des.
Das führt nun einmal zu dem manchmal bedauerlichen Fakt, dass politische Wünsche nicht direkt dorthin transportiert und umgesetzt werden können. So ist das Netz bei der DB AG. Es wird dort bleiben, und es wird auch immer ein Monopol sein. Es ist eine absurde Vorstellung, hier könne man Konkurren zen einziehen. Dass dies natürlich Nachteile mit sich bringt, ist unstrittig.
Die Höhe der Regionalisierungsmittel war jahrelang gut. Sie haben ausgereicht, um den Schienenpersonennahverkehr gut auszubauen. Ich sage: Chapeau an die Vorgängerregierung! Das sage ich immer wieder.
Wo ihr gut wart, wart ihr das, und wenn ihr nicht gut wart, sa ge ich euch das auch. Sie dürfen sicher sein, dass wir dies so fortsetzen werden.
Das Geld wurde sinnvoll genutzt, um in Baden-Württemberg einen tollen Nahverkehr auszubauen. Denn nur mit diesem sind wir in der Lage, auch die Staus – das ist ein Dilemma – in den Ballungszentren abzubauen. Nur wenn wir den SPNV weiter ausbauen können, wird es gelingen, die Staus gerade im mittleren Neckarraum zu reduzieren. Wenn man auf die Straße setzt, wird dies nicht gelingen.
Schon allein aus diesem Grund – weil wir nachhaltige Mobi lität wollen – werden wir alles daransetzen, den Schienenper sonennahverkehr weiterzuentwickeln. Aber dazu brauchen wir den Bund. Meine Vorredner haben es erwähnt: Der Bund ist uns mit seinen dramatischen Erhöhungen mehrfach in die Pa rade gefahren. Der Bund bedient hier einen Schraubstock mit zwei Backen: einmal die DB AG, die der Bund beherrscht, und zum anderen die Bundesregierung. Die Bundesregierung gab uns unter der unionsgeführten Regierung – das muss man ihr schon vorwerfen – wesentlich weniger Regionalisierungs mittel,
und die DB wird noch dazu gezwungen, Geld abzuführen – 500 Millionen € Dividende an den Bund. Das war Ramsauers tolle Idee. Gott sei Dank ist in der neuen Großen Koalition zu mindest die Absicht erkennbar, das abzuschaffen, damit die DB AG, bei der Investitionen dringend notwendig sind, die se Dividende nicht mehr ausschütten muss.
Aber mit Regionalisierungsmitteln – da unterscheiden sich unsere Positionen ein bisschen, Herr Köberle – waren wir schon gut ausgestattet. Wir konnten im Land sogar noch eini ge ganz wichtige, aber nicht originär dem Betrieb dienende Projekte bedienen wie die Verbundförderung, das Bahnhofs modernisierungsprogramm und last, but not least den tollen Verkehrslastenausgleich Stuttgart. Das ist auch so ein Kapi tel. Das waren schon Sahnehäubchen, die mit den Regionali sierungsmitteln bedient wurden.
Nun ist klar – die Zahlen liegen auf dem Tisch –: Die Mittel steigen weniger als die Kosten. Da ist nun der Bund gefragt. Deswegen werden wir jetzt auch in der Großen Koalition al les daransetzen, dafür zu sorgen, dass wir hier eine ausreichen de Mittelausstattung bekommen. Das ist notwendig, wenn wir nachhaltige Mobilität in Baden-Württemberg wollen. Wir se hen am gemeinsamen Änderungsantrag – das ist der Konsens aller –, dass wir dies hier so auch durchsetzen werden.
Ein zweites Element – Herr Köberle hat es angesprochen –, um die Kosten vielleicht einzufangen, ist die Hoffnung auf die
Ausschreibung, damit wir über diesen Weg – denn hier haben wir die Chance zur Konkurrenz – Wettbewerbsgewinne ein fahren werden, um, wenn wir gleich hohe Regionalisierungs mittel erhalten, den Betrieb mit den Ausschreibungserträgen wenigstens aufrechtzuerhalten. Aber unser eigentliches Ziel ist, mit steigenden Regionalisierungsmitteln und besseren Ver trägen den Schienenpersonennahverkehr auszubauen. Das ist das erklärte Ziel dieser Regierung, und wir setzen darauf, dass dies vom Ministerium auch umgesetzt wird. Da kann ich nur den Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion Schmiedel zitie ren: Meine Damen und Herren, wir brauchen einfach auch Vertrauen in unseren Verkehrsminister.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wenn du nicht mehr weiterweißt, dann schimpfe auf den Berliner Kollegen kreis“, könnte man den Antrag der Fraktion GRÜNE auch überschreiben. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist rich tig: Die Trassen- und Stationspreise sind in den vergangenen Jah ren sehr deutlich angestiegen. Aber, lieber Kollege Schwarz, wenn man den Antrag einmal anschaut – darin sind die Zah len ja genannt –, kann man feststellen: In den letzten zehn Jah ren sind die Stationsentgelte um durchschnittlich 4,8 % und die Trassenpreise um durchschnittlich 2,0 % pro Jahr gestie gen. Das halten wir für zu viel. Angesichts der Steigerung des Volumens des Landeshaushalts müssten eigentlich genügend Mittel vorhanden sein, um das abzudecken. Aber – das wur de auch angesprochen – die Regionalisierungsmittel sind mit 1,5 % dynamisiert. Es entsteht also ein Delta, das es aufzu fangen gilt.
Deswegen unterstützen wir zum einen die Forderung, die Dy namisierung mindestens um einen Prozentpunkt anzuheben, und zum anderen unterstützen wir die in dem Änderungsan trag enthaltene Forderung, auch die Schlüsselzuweisungen zwischen den Bundesländern anders aufzuteilen. Wir sind dankbar, dass auch diese Position von den Regierungsfrakti onen festgestellt wurde. CDU und FDP/DVP haben den An trag ja erweitert, und wir sind dankbar, dass Grüne und Rote mit aufgesprungen sind, sodass ein gemeinsamer Änderungs antrag vorliegt.
Vergessen dürfen wir natürlich nicht: Auch im Bereich bei spielsweise der Barrierefreiheit oder der Modernisierung un serer Bahnhofsinfrastruktur sind erhebliche Investitionen not wendig. Insofern können wir davon ausgehen, dass auch die Steigerung der Dynamisierung von bisher 1,5 % in Zukunft nicht ausreichen dürfte.
Es ist auch richtig, dass es notwendig ist, hier eine Diskussi on über die Strukturreform anzustoßen. Denn ordnungspoli tisch spricht viel für die Option einer vollständigen Entflech tung von Schienennetz und Betrieb. Es ist auch eine Forde rung der FDP/DVP, mehr Transparenz über die Gewinne der Deutschen Bahn aus dem Regionalverkehr zu schaffen. Denn aus Landessicht kann es nicht richtig sein, wenn dort erhebli che Gewinne bei der Bahn entstehen, die über die Dividende
Deswegen sind SPD und CDU gefordert, eine schnelle Eini gung beim Eisenbahnregulierungsgesetz zu erreichen.
Trotzdem wollen wir jetzt den Blick auf das Land nicht ganz vergessen. Ich darf den Koalitionsvertrag von Grün-Rot in Er innerung rufen:
Wir werden das Angebot des Schienen-Personen-Nahver kehrs (SPNV) in Quantität (Zahl der Züge und Platzan gebot) sowie Qualität (umfassende Standards) spürbar verbessern.
Begleitet wurde dies natürlich von Kritik an den Verkehrsver trägen. Das Ziel war, eine Effizienzrendite von wenigstens 20 % zu erreichen. Heute spricht man von lediglich geringen Verbesserungen.
Im Jahr 2012 hat Verkehrsminister Hermann dann Schreckens szenarien in den Medien verbreitet, indem er gesagt hat, er be fürchte, dass Züge oder Verkehre abbestellt werden müssten, schon in Kenntnis von Kostensteigerungen, beispielsweise im Bereich der Energiepreise durch das EEG. Ich erinnere noch an die Aussage von Herrn Trittin, die Energiewende koste so viel wie eine Kugel Eis und sei ohne Probleme zu machen.
Kollege Haller hat das Vertrauen in den Verkehrsminister an gesprochen. Ich darf Sie an Ihr dpa-Zitat vom 23. März 2012 erinnern, als Sie den Verkehrsminister kritisiert haben:
In Kenntnis aller Rahmenbedingungen schreit Hermann kurz vor dem Abgrund: „Hilfe, wir fahren in den Ab grund“,...
Hinzu kommen erhebliche Verzögerungen bei der Ausschrei bung der Leistungen, zu denen die Verkehrsverträge auslau fen. Beispielsweise liegen wir beim Netz 3 – Gäu-Murr – jetzt schon nachweislich anderthalb Jahre zurück. Das heißt, die Vergabe der Verkehrsleistungen, zu denen die Verträge im Herbst 2016 auslaufen, wird frühestens im ersten Quartal 2018 in Gang kommen. Das bedeutet, Sie tragen hier die Verant wortung, dass wir über diesen langen Zeitraum weiterhin mit altem Wagenmaterial herumfahren. Lieber Herr Verkehrsmi nister, Sie müssen Gas geben, damit die Menschen in BadenWürttemberg ein gutes Zugmaterial bekommen.
Gleichzeitig – damit schließe ich – geben Sie regionalen SPNVProjekten den Dolchstoß, indem Sie die Förderkriterien redu zieren. Diese Woche – das ist heute in der Zeitung zu lesen – hat Oberbürgermeister Kuhn Sie dafür auch kritisiert. Er hält nichts davon, dass man diese Kriterien reduziert. Für uns ist die Glaubwürdigkeit einer nachhaltigen ÖPNV-Politik hier durch nicht mehr gegeben.
Bisher gab es also viel heiße Luft statt nachhaltiger ÖPNVPolitik. Mit dieser heißen Luft könnte man eher eine Sauna
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehrere Redner haben es angesprochen: Vor 20 Jah ren ist die Bahnreform in die Umsetzungsphase gekommen. Wir können heute im Rückblick sagen: Die Bahnreform hat eine ganze Reihe von positiven Effekten gebracht. Der beste Effekt war aus meiner Sicht allerdings, dass Nahverkehrsmit tel an die Länder gegeben worden sind, das heißt, dass die Länder zu Bestellern von Nahverkehren geworden sind. Da raus ist in den letzten 20 Jahren tatsächlich eine Erfolgsge schichte erwachsen.
Die Länder haben vor allem in den Anfangsjahren deutlich mehr Geld bekommen, als vorher im Bereich Nahverkehr vor handen war. In der Tat war es in dieser Zeit sehr günstig, Herr Köberle. In dieser Zeit konnte man aus dem Vollen schöpfen und den Nahverkehr ausbauen. Es war gut, dass wir es im Land gemacht haben, und es war auch dringend notwendig. Wir hatten nämlich Nachholbedarf.
Allerdings war man nicht immer in der Situation knapper Mit tel, sondern man hatte am Anfang sogar ordentliche Über schüsse. Wir haben nachgeschaut. Jahrelang waren fette drei stellige Millionenbeträge übrig, die Sie nicht für die Bestel lung von Zügen, sondern u. a. im Bereich der Infrastruktur eingesetzt haben. Da ist Ihnen dann auch die Idee gekommen, dass man Infrastruktur des Bundes, auch teure Projekte, kofi nanzieren kann.
In dieser Zeit haben Sie dann auch einen großen Verkehrsver trag mit der DB geschlossen – ohne Ausschreibung, zu Höchst preisen und übrigens, Herr Haußmann, mit einer Silberling garantie bis 2016. Ich finde es ziemlich dreist, dass Sie mir das immer wieder in die Schuhe schieben wollen. Das war Ihr Produkt, es ist Ihr Ergebnis.