Protocol of the Session on January 30, 2014

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Verkehr und Infrastruktur – Kosten der Schieneninfrastruktur in Baden-Württemberg, insbeson dere Stations- und Trassenpreise – Drucksache 15/3439 (Geänderte Fassung)

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Re dezeiten gelten.

Das Wort zur Begründung erteile ich für die Fraktion GRÜ NE Herrn Abg. Schwarz.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Fahrgastzahlen im Schienenper sonennahverkehr haben sich in den letzten Jahren in BadenWürttemberg sehr positiv entwickelt. Wenn man die Fahrgast zahlen einmal anschaut, stellt man fest, dass zwischen 2002 und 2012 eine Zunahme von über 70 % vorliegt. Das heißt, die Fahrgastzahlen sind schneller gewachsen als das Zugan gebot. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sind auf der Schiene unterwegs. Das entlastet die Straßen und die Umwelt vom Autoverkehr. Das ist gut, wenn wir nachhaltige Mobili tät verfolgen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Gleichzeitig müssen wir sehen, dass das Finanzierungssystem für den öffentlichen Nahverkehr, für den Schienenverkehr, vollkommen aus dem Ruder gelaufen ist. Woran liegt das? Das liegt vor allem daran, dass die Stations- und Trassenprei se, also die Beträge, die pro Streckenkilometer oder pro Bahn hof und Haltestelle bezahlt werden müssen, stark gestiegen sind. Während sich die Deutsche Bahn AG beim Schienenbe trieb dem Wettbewerb stellen muss, gibt es bei der Infrastruk tur noch keine Konkurrenz, keinen Konkurrenzdruck und kei nen Einspardruck.

Wenn man sich anschaut, wie sich die Stations- und Trassen preise in den letzten Jahren entwickelt haben, stellt man fest, dass sie um über 50 Millionen € gestiegen sind. Auch im Bun desvergleich sind die Stations- und Trassenpreise in BadenWürttemberg überdurchschnittlich stark gestiegen. Ich möch te ein paar Zahlen nennen, damit man sich dies vor Augen füh ren kann: 2011 gab es eine Steigerung von 14,8 %, 2012 eine Steigerung von 9,6 % und 2013 eine Steigerung von 5 %.

Die Regionalisierungsmittel, die Baden-Württemberg vom Bund für den Schienenpersonennahverkehr bekommt, sind im selben Zeitraum jedoch nur um 1,5 % im Jahr angewachsen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da ist es offenkundig, dass das Finanzierungssystem aus dem Ruder gelaufen ist und Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wenn man sich nun anschaut, welchen Gewinn die Deutsche Bahn AG verzeichnet, sieht man, dass der Nettogewinn 2012 um 11 % auf 1,5 Milliarden € und 2011 um 25 % auf 1,3 Mil liarden € gestiegen ist. Aus dem Geschäftsbericht der Deut schen Bahn geht hervor, dass vor allem das Schienennetz und die Bahnhöfe die Gewinnbringer waren.

Das Problem ist: Die Deutsche Bahn AG als Holding muss wiederum eine Dividende an den Bundesfinanzminister be zahlen. Das heißt, von den Regionalisierungsmitteln, die Ba den-Württemberg vom Bund erhält und die an die Deutsche Bahn AG für Stations- und Trassenpreise oder für den Betrieb weitergeleitet werden, geht wiederum ein Teil an den Bundes finanzminister. Wir sehen hier Handlungsbedarf. Wir wollen, dass dieses Geld im System Schiene bleibt und entweder für einen guten Schienenverkehr oder für eine Infrastruktur, die sich in einem ordentlichen Zustand befindet, verwendet wird.

(Beifall bei den Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage aber auch: Die Län der müssen ein originäres Interesse daran haben, dass diese Umverteilung zulasten der Länder beendet wird. Es kann doch nicht sein, dass der Bund am Ende eine Dividende aus Regi onalisierungsmitteln einschiebt.

Ich gestehe der neuen Bundesregierung zu, dass sie in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hat, dass sie diese Dividende auf brechen will. Ich bin gespannt, ob sie das tatsächlich hinbe kommt oder ob sie sich weiter mit Personalgeschichten wie mit dem Fall Ronald Pofalla und ähnlichen Fällen beschäfti gen wird.

(Zuruf von der CDU)

Baden-Württemberg braucht eine verlässliche und auskömm liche Finanzierung des Schienenverkehrs. Der Bund muss sei ner Verantwortung nachkommen, die er nach dem Grundge setz für die Schiene hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Die Regionalisierungsmittel müssen genauso stark steigen, wie die Infrastrukturkosten in den vergangenen Jahren gestie gen sind.

Ich möchte es noch einmal auf den Punkt bringen: Die vom Bund zugewiesenen Regionalisierungsmittel müssen sich an den tatsächlichen Kosten des Schienenverkehrs orientieren. Das heißt, wir brauchen eine stärkere und eine angemessene Dynamisierung sowie eine höhere Anpassung. Unseres Erach tens muss diese bei mindestens 2,5 % liegen.

Außerdem fordern wir, dass die Gewinne, die aus dem Schie nenverkehr resultieren, im Finanzierungskreislauf Schiene bleiben, dass also die Deutsche Bahn AG dieses Geld nicht an

den Bundesfinanzminister abführt, sondern in das Schienen netz investiert.

Wie war die Situation in Baden-Württemberg? Wir hatten 2013 und haben 2014 eine schwierige Situation. Ich habe das bereits dargestellt. Die Regionalisierungsmittel sind nur um 1,5 % dynamisiert worden, während die Stations- und Tras senpreise überdurchschnittlich stark gestiegen sind.

Die Regierungskoalition ist daher mit Landesgeld eingesprun gen, damit keine Züge abbestellt werden mussten. 2013 ha ben wir zusätzlich 60 Millionen € und 2014 zusätzlich 80 Mil lionen € aus der Landeskasse in die Hand genommen, um den Status quo im Schienenverkehr zu erhalten.

In einer ähnlichen Situation hatte die CDU vor vielen Jahren Züge abbestellt. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, trotz schwieriger Rahmenbedingungen einen guten Schienen verkehr zu erhalten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf Ihren Tischen liegt ein interfraktioneller Antrag. Ich bin den Kollegen der CDU sehr dankbar, dass es gelungen ist, mit einer Stimme zu sprechen. Wenn der Landtag diesem Antrag zustimmt, dann ist das ein starkes Signal aus Baden-Württemberg an den Bund, dass der Bund seiner Verantwortung für eine angemessene Dynamisie rung der Regionalisierungsmittel nachkommen muss. Ich bit te Sie, dies zu unterstützen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abg. Köberle das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, den wir heute bera ten, thematisiert eines der Probleme bei der Fortsetzung der Erfolgsgeschichte des SPNV in Baden-Württemberg. Es han delt sich um ein seit Längerem bekanntes Problem, das ins besondere von baden-württembergischer Seite in die Verkehrs ministerkonferenzen und in die Bundespolitik hineingetragen wurde.

In diesem Jahr steht nun die Revision der Regionalisierungs mittel an. Die neue Bundesregierung hat sich im Koalitions vertrag diese Revision zur Aufgabe gemacht. Deshalb ist es gut, dass sich der Landtag von Baden-Württemberg in dieser Situation nochmals deutlich – und wenn irgendwie möglich einstimmig – zu Wort meldet, weil es nicht um Parteiinteres sen, sondern um Landesinteressen geht.

Wenn die Trassen- und Stationspreise weiterhin stärker an steigen als die dynamisierten Regionalisierungsmittel, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten, nämlich entweder Verkeh re abzubestellen oder die immer größer werdende Finanzie rungslücke mit Landesgeld auszugleichen. Beides wollen wir nicht. Beides können wir nicht.

Lieber Kollege Schwarz, Sie verweisen auf einen ähnlichen Vorgang in der Folge des Koch/Steinbrück-Papiers. Als wir damals Kürzungen vorgenommen hatten, war dies sicher ein gerechtfertigtes Signal gegenüber dem Bund, dass es so nicht

geht. Wenn ein Land diese Kürzungen problemlos wegstecken könnte, dann wäre im System etwas nicht in Ordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir hatten deshalb damals auf der einen Seite gekürzt und auf der anderen Seite – so, wie Sie es jetzt zu Recht auch tun – zusätzliches Geld in die Hand genommen, damit wir nicht das Minus des Bundes mit Kürzungen im Verkehrsbereich voll ständig ausgleichen mussten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir in Baden-Würt temberg von dieser unbefriedigenden Mittelzuteilung beson ders stark betroffen sind, hat eigenartigerweise vor allem da mit zu tun, dass Baden-Württemberg seinen SPNV erfolgrei cher ausgebaut hat als andere Länder. Von Anfang an haben wir die zugeteilten Mittel voll ausgeschöpft. Bei uns war nie Luft im System, wie es Herr Koch und Herr Steinbrück aus ihren Ländererfahrungen heraus einmal festgestellt und des halb Kürzungen durchgesetzt haben. Es gab auch nie Fehlver wendungen von Regionalisierungsmitteln in Baden-Württem berg, wie es Oppositionsfraktionen in manchen Landtagen bis heute beklagen.

Lieber Kollege Schwarz, Sie sprachen von der Erfolgsge schichte des SPNV in Baden-Württemberg. Die gewaltigen Zuwächse beim Ausbau, aber auch bei den Fahrgastzahlen ha ben sich in den Aufbaujahren gezeigt. Die Zeiten unserer Ver kehrsminister Ulrich Müller und Stefan Mappus waren die große Aufbauzeit.

(Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Diese Zahlen haben wir auf hohem Niveau gehalten. Damit waren viele Anstrengungen verbunden. Es entspricht insofern nicht ganz den Tatsachen, wenn jetzt der Eindruck vermittelt wird, als hätten sich die großen Zuwachsraten erst seit Som mer 2011 gezeigt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das habe ich auch nicht gesagt!)

Meine Damen und Herren, dass die uns zugeteilten Regiona lisierungsmittel nicht ausreichen, ist die Kehrseite der Medail le erfolgreicher SPD-Politik, nein: erfolgreicher SPNV-Poli tik in Baden-Württemberg.

(Heiterkeit – Abg. Peter Hauk CDU: Das Thema Ab kürzungen ist mindestens genauso schwierig!)

Meine Damen und Herren, das Problem der Regionalisie rungsmittel muss gelöst werden. Baden-Württemberg steht aber ein noch wesentlich größeres – jetzt wäre der Verspre cher richtig gewesen, und die Grünen könnte ich noch hinzu nehmen – SPNV-Problem ins Haus. Der Verkehrsminister kommt bei der Ausschreibung der SPNV-Leistungen ab 2016 einfach nicht in die Gänge. Hierfür kann er weder den Bund noch die Vorgängerregierung verantwortlich machen, sondern das ist ausschließlich ein Problem, das auch einen Namen hat, nämlich Verkehrsminister Hermann.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Oje!)

Mehr als zweieinhalb Jahre sind nun ins Land gegangen. Je der weitere Monat wird sich später bitter rächen. Sie können

nachher einmal im Internet nachschauen – ich habe das heu te Morgen getan –: Der Internetauftritt des Ministeriums zum Thema SPNV-Ausschreibungen ist geradezu peinlich. Da wird die Ankündigung der Überarbeitung der Überarbeitung der Überarbeitung gerade noch einmal überarbeitet. Es ist höchs te Zeit, dass die Ausschreibungen rausgehen, sodass man mit den Vergabeverfahren beginnen kann,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Aber die laufen doch!)

damit die Chance besteht, dass neben hoffentlich höheren Zu weisungen des Bundes neue Einsparpotenziale geschaffen werden können, die man dann in die Verkehre hineinstecken kann, z. B. durch mehr Wettbewerb ab dem Jahr 2016.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir wollen heute mit unserem Änderungsantrag, den wir jetzt gemeinsam hinbekommen haben, das richtige Signal in Rich tung Bund senden. Aber ich bin mir ganz sicher, dass wir in den kommenden Monaten und Jahren hier im Haus viel, viel schwierigere Diskussionen zu führen haben, wenn es um die Zukunft des SPNV in Baden-Württemberg geht, wenn es um den Umfang, die Qualität und vor allem die Finanzierung geht.