Protocol of the Session on July 20, 2011

Auf dem Weg zu einer demokratischen Entscheidung über Stuttgart 21 ist die CDU die Blockadepartei in Baden-Würt temberg. So ist das.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Sie sind der Blockierer von Stuttgart 21! Sie sind der Oberblockierer! – Unruhe)

Ihnen muss klar sein, dass Sie damit Baden-Württemberg, der Bürgergesellschaft, der Stadt Stuttgart und der Region keinen Gefallen tun. Wir werden Sie zu gegebener Zeit an die Ver antwortung, die Sie da übernehmen, erinnern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, logisch!)

Verstehen Sie, Herr Hauk: Eine Volksabstimmung – wir ge hen davon aus, dass sie kommt –, die unter Bedingungen statt findet, die Bürgerinnen und Bürger in anderen Bundesländern eben nicht haben – weil es in diesen bessere Bedingungen gibt –, bereitet mehr Schwierigkeiten, als nötig wären. Wir könn ten uns im wohlverstandenen demokratischen Interesse heu te darauf verständigen: Wir senken das Quorum auf 20 % –

wir hätten auch einen Kompromissvorschlag –, um gute Rah menbedingungen zu schaffen. Das schafft die Voraussetzung für Akzeptanz. Das schafft die Voraussetzung für die Aner kennung eines Ergebnisses. Daran sind wir interessiert, und daran sollten auch Sie interessiert sein. Doch mit Ihrer Blo ckadehaltung zeigen Sie, dass Sie wirklich nicht daran inter essiert sind.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir streiten uns in den nächsten Wochen gern mit Ihnen über das Thema der Verfassungsmäßigkeit eines Ausstiegsgeset zes. Das wird ja vorgelegt werden. Jetzt geht es erst einmal in die normale Anhörung innerhalb der Sechswochenfrist. Dann wird der Entwurf im Parlament behandelt.

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Wolf?

Herr Kollege Sckerl, Sie haben so eben den Satz geprägt, auf dem Weg zu einer demokratischen Entscheidung sei die CDU die Blockadepartei.

Möchten Sie damit ausdrücken, dass die bisherige Entscheidung, die auch in diesem Landtag mit einer Zustimmung von 70 % zustande gekommen ist, keine demokratische Entscheidung war?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Nein, Herr Wolf. Sie wis sen genau, was der Kern des Problems ist. Der Kern ist, dass wir eine Lösung für den gordischen Knoten finden müssen, der entstanden ist.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie müssen eine finden! – Weitere Zurufe von der CDU – Unruhe)

Das ist auch das gemeinsame Problem aller Fraktionen im Landtag; es ist nicht ein Problem der Grünen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf von der CDU: Das ist ein Koalitionsproblem!)

Die Landespolitik war in den letzten Jahren nicht in der La ge, für dieses wichtige Projekt die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung zu erwirken.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Was ist „notwendige Akzeptanz“? – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Deswegen ist die Situation so, wie sie ist, und deshalb ist un ser Vorschlag: Wir lösen das mit einer Volksabstimmung. Das ist ein sehr weiser, ein sehr vernünftiger, ein sehr vorausschau ender Vorschlag.

(Oh-Rufe von der CDU)

Das wäre Ihre Chance gewesen, hier mitzumachen und ver nünftige Bedingungen zu schaffen.

Sie vertrösten die Bürgergesellschaft heute auf den SanktNimmerleins-Tag, Herr Hauk.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Überhaupt nicht!)

Jetzt kommen zwei Jahre Enquetekommission; durchaus mög lich. Aber das Zeichen, das wir hätten setzen können, das kön nen wir jetzt nicht setzen, weil Sie den Gesetzentwurf der Grü nen und der SPD ablehnen.

Im Übrigen sage ich Ihnen: Es gibt in Baden-Württemberg durchaus Bevölkerungskreise, auch in Ihrem Milieu, die sehr wohl Interesse an dieser Reform haben.

(Lachen bei der CDU – Abg. Tanja Gönner CDU: Sind bei Ihnen 39 % ein Milieu?)

Ich sage das, weil Sie das immer gern in unsere Ecke schie ben möchten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ihre Milieutheorie können Sie lassen, wo sie hingehört! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Selbstverständlich gibt es auch in Ihren Kreisen Bürgerinnen und Bürger, die großes Interesse daran haben, sich mehr an zentralen Entscheidungen der Landespolitik zu beteiligen. Auch diese stoßen Sie mit Ihrem heutigen Nein vor den Kopf. Sie sind in Fragen der Bürgerbeteiligung die Partei des Still stands. Das müssen wir heute akzeptieren, was die Verfas sungsänderung betrifft. Das wird uns aber nicht daran hindern, in Sachen Stuttgart 21 und in weiteren wichtigen landespoli tischen Fragen direktdemokratische Elemente in die Landes verfassung einzubringen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Darum geht es Ihnen doch nur! Geben Sie es doch zu!)

Das werden wir machen – auch gegen den Widerstand der CDU.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich jetzt Herrn Abg. Stoch das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns hier bereits vor einer Woche mit dem Gesetzent wurf der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der SPD beschäf tigt. Ich denke, von unserer Seite wurden bereits die wesent lichen Argumente für diesen Gesetzentwurf und für die Ab senkung des Quorums vorgebracht.

Ich habe dabei auch zum Ausdruck gebracht, dass das keine Frage ist, die an Parteigrenzen haltmachen sollte. Denn ich weiß – ich bin auch dankbar dafür, dass die FDP bereits in ih rem Wahlprogramm signalisiert hat, auf diesem Weg mitzu gehen –, dass auch in der CDU in Deutschland ein Umden ken stattfindet, ein Umdenken dahin gehend, dass wir unsere repräsentative Demokratie, die sich über Jahrzehnte bewährt hat, in den Augen der Menschen und der Gesellschaft erneu ern und um Elemente der Teilhabe für die Menschen in unse rem Land bereichern müssen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Deswegen, Herr Kollege Hauk, finde ich es nicht richtig, wenn an dieser Stelle aus einem einzigen Grund das Nein signali siert wird – weil man nämlich den zeitlichen Zusammenhang mit dieser möglicherweise im Herbst stattfindenden Volksab stimmung sieht und nur deswegen entgegen dem, wie man in haltlich argumentiert, diesem Gesetzentwurf, der eine Absen kung des Quorums vorsieht, nicht zustimmt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ich habe zwei Bedingungen genannt! – Abg. Volker Schebesta CDU: Nur deswe gen ist das schnelle Verfahren gewählt worden!)

Ich finde, Sie werden Ihrer Verantwortung nicht gerecht, wenn Sie im Hinblick auf diese im Herbst stattfindende Volksab stimmung und das möglicherweise aus Ihrer Sicht befürchte te – ich hoffe ja, nicht befürchtete – Ergebnis

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das sind doch Angst hasen!)

nicht das Bewusstsein haben, dass die Menschen in diesem Land in der Folge und in Anerkennung des Ergebnisses die ser Volksabstimmung dieses Projekt dann auch in der einen oder anderen Form akzeptieren werden. Es wäre meines Er achtens ein Gewinn für unsere Demokratie und auch für die politische Kultur in unserem Land, wenn wir im Herbst sagen könnten: Es war gut, dass wir diese Volksabstimmung ge macht haben, und es ist auch gut gewesen, dass wir ein nied rigeres Quorum eingeführt haben, damit die Menschen in die sem Land das Ergebnis akzeptieren und das Ergebnis auch die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung findet.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Sie haben doch Angst!)

Ich darf noch einmal auf die Widersprüchlichkeit in Ihrer Ar gumentation hinweisen. Sie hatten darauf hingewiesen, dass von Ihnen im Spätherbst vergangenen Jahres der Vorschlag einer Absenkung des Quorums auf 25 % unterbreitet wurde. Frau Staatsrätin Erler hat hier in der letzten Woche bereits aus geführt, was die Praxis in den vergangenen Jahren gezeigt hat, auch bezüglich der Wahlbeteiligung bei entsprechenden Volks entscheiden. Ich glaube, es ist sehr deutlich geworden, dass es hier nicht nur um fünf Prozentpunkte geht – eine Differenz, die klein und marginal erscheint –, sondern dass es um die Frage geht, ob das Instrument der Volksabstimmung ein tat sächlich für die Menschen erreichbares Instrument politischer Willensbildung wird oder ob diese Möglichkeit wie in der Ver gangenheit lediglich auf dem Papier steht und es nur zum Schein eine plebiszitäre Beteiligungsmöglichkeit gibt. Wir müssen es doch schaffen, den Menschen den Glauben zu ge ben, dass unsere Verfassung tatsächlich in der Realität ange kommen ist.

Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel aus der Kommunalpoli tik. Wir haben die Parallelität von Bürgerbegehren und Bür gerentscheiden. In meinem Wahlkreis gab es einen wichtigen Bürgerentscheid über den Verkauf eines kommunalen Woh nungsunternehmens. Da ging es auch um die Wahlbeteiligung. Fast 80 % der Menschen, die an der Abstimmung teilgenom men haben, haben sich gegen den Verkauf dieser kommuna len Wohnungsgesellschaft ausgesprochen. Mit 24,4 % wurde jedoch das Quorum nicht erreicht. Heute wissen wir, dass wir, wenn wir den Verkauf verhindert hätten und damit dem Wil len einer großen Mehrheit der Bevölkerung gefolgt wären,

nicht die Zustände bei den Wohnungen hätten, die wir derzeit haben. Ich glaube, vox populi ist nicht immer der schlechtes te Ratgeber.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Bei Ihnen gerät immer wieder ein leichter Zungenschlag hin ein, der den Eindruck vermittelt, die repräsentative Demokra tie würde ausgehöhlt. Ich erinnere an die Debatte, die wir vor einem Jahr hier geführt haben. Dabei wurde vom Vertreter der CDU-Fraktion erklärt, in der Weimarer Republik sei das In strument der Volksabstimmung missbraucht worden, und des wegen könne es heute nicht angewendet werden. Ich glaube, wir sollten in der Jetztzeit ankommen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ich erinnere an den Beitrag von Herrn Sckerl in dieser Debatte!)