Guido Wolf

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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Debatte treten wir in die letzte Sit zungsrunde des Parlaments in dieser Legislaturperiode ein. Ich denke, da ist es angezeigt, noch einmal deutlich zu ma chen, worum es in der aktuellen Landespolitik geht. Nach den vielen Diskussionen, die wir in den letzten Wochen und Mo naten auch und gerade über die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen geführt haben, ist es angezeigt, noch einmal deut lich zu machen, dass es jetzt gilt, den Blick auf das Land Ba den-Württemberg zu richten, dass es gilt, den Blick auf die ei gentlichen Zukunftsthemen dieses Landes zu richten. Da will ich für die Opposition in diesem Haus deutlich machen, wo wir uns einen spürbaren Aufbruch in der Landespolitik in Ba den-Württemberg wünschen.
Ich möchte den Blick zunächst auf die Bildungspolitik in Ba den-Württemberg richten. Herr Ministerpräsident, Sie haben einmal zu Recht sinngemäß darauf hingewiesen, dass es noch nie vergnügungssteuerpflichtig war, Kultusminister zu sein, weil Kultuspolitik natürlich immer auch etwas ist, was sehr umstritten ist. Auch zu unserer Zeit gab es Kritik an der Bil dungspolitik.
Das haben wir nicht vergessen. Noch nie waren aber der Un mut und der Ärger in Sachen Bildungspolitik in Baden-Würt temberg so groß wie jetzt.
Ich spüre Ihre Unruhe. Vielleicht können wir aber konstruk tiv darüber diskutieren, was jetzt notwendig ist.
Erstens sehen wir dringenden Handlungsbedarf, Herr Kultus minister, in der Frage der qualitativen Weiterentwicklung der Gemeinschaftsschulen. Diese Schule war nie unser pädago gisches Konzept und wird es auch nie werden. Wenn aber ein Herr Professor Bohl, der nun nicht im Verdacht steht, gebore ner Gegner der Gemeinschaftsschule zu sein, den Finger in die Wunde legt und sagt: „Gerade die besonders schwachen Schülerinnen und Schüler sind die Leidtragenden dieser frei
en Lernmethoden“, dann spricht er etwas aus, was Sie sich nicht erhofft haben, wir aber immer befürchtet haben. Da muss es eine qualitative Weiterentwicklung dieser Schulen geben, und zwar schnell.
Wir brauchen eine Stärkung der Realschulen. Diese wollen wir wieder in den Mittelpunkt unserer Bildungspolitik stellen mit einer Orientierungsstufe in den Klassen 5 und 6 und dann einer Ausdifferenzierung in Hauptschulabschluss und Real schulabschluss. Wir brauchen auch wieder mehr Qualität in unseren Gymnasien – und nicht weniger.
Mit Blick auf die freien Schulen, auf die privaten Schulen in Baden-Württemberg möchte ich ausdrücklich anregen, dass wir es schaffen, den großen parteiübergreifenden Konsens in Sachen Finanzierung der Privatschulen in Baden-Württem berg zustande zu bringen. Wir wollen mit den freien Schulen, den Privatschulen auf Augenhöhe partnerschaftlich zusam menarbeiten.
Dafür brauchen sie verlässliche Strukturen für die Zukunft.
Wir wollen einen Aufbruch in der Sicherheitspolitik. Da hät te ich zunächst gern dem Innenminister, wenn er hier wäre, dafür gedankt, dass er sich fünf Jahre erfolgreich gegen das Lieblingsprojekt der Grünen, eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, gestemmt hat, das zu mindest vor der Wahl ausgebremst wurde. Im Wahlprogramm der Grünen steht es wieder drin. Unsere Polizei braucht poli tischen Rückhalt und kein Misstrauensvotum. Das muss das Signal an die Polizei in Baden-Württemberg sein.
Wir brauchen in Baden-Württemberg wieder eine gestärkte Polizei – 1 500 Stellen in den nächsten fünf Jahren.
Da kommen Sie gebetsmühlenhaft mit den 1 000 Stellen, die wir angeblich gestrichen hätten. Dabei wird vergessen, dass es sich um Arbeitszeitausgleich bzw. eine Verlagerung der Le bensmittelkontrolle an die Landratsämter gehandelt hat.
Im Übrigen haben wir neue Herausforderungen. Wir haben viele Flüchtlinge im Land. Wir haben viele Unterkünfte für Flüchtlinge, die Polizeikräfte stark binden. Wir haben Gefah ren der inneren Sicherheit. Deswegen brauchen wir eine star ke Polizei.
Ich hätte den Innenminister gern gefragt, warum er sich bei sei ner Präsentation der Kriminalstatistik voreilig auf das Thema Wohnungseinbruchskriminalität gestürzt und den Eindruck vermittelt hat, es gäbe dort einen deutlichen Rückgang. Das
ist in 24 Landkreisen nicht der Fall. Dort gibt es einen An stieg.
Es wird jetzt aber noch toller: All die anderen Zahlen, die auf einen deutlichen Anstieg der Kriminalität im letzten Jahr hin deuten, hat er nicht vorgestellt. Er will das erst nach der Wahl tun. Transparenz in Sicherheitsfragen sieht anders aus, meine Damen und Herren.
Wir wollen in diesem Land einen Aufbruch in Sachen Ver kehrspolitik. Beim Ausbau von Infrastruktur muss wieder mehr passieren. Der Straßenbau ist in den ersten Jahren Ihrer Regierungszeit eingeschlafen.
Bis zum Jahr 2015 gab es keine neue Landesstraßenbaumaß nahme, keine kommunale Straßenbaumaßnahme. Sie haben erst jetzt, auf der Zielgeraden, begonnen, neue Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Wir brauchen in den nächsten fünf Jah ren eine Offensive im Straßenbau und wieder einen Verkehrs minister, der auf Ausbau setzt und nicht auf der Bremse steht.
Insbesondere brauchen wir einen Verkehrsminister und eine Verkehrspolitik, die sich nicht in erster Linie darin gefallen, zu kontrollieren und zu bevormunden, sondern darin, die un terschiedlichen Verkehrsträger gleichrangig nebeneinander auszubauen. Es geht nicht darum, durch den überzogenen Bau von Radwegen die Menschen erziehen oder gar umerziehen zu wollen, sondern es geht um ein gleichmäßiges Ausbauen unterschiedlicher Verkehrsträger.
Die Bürgerinnen und Bürger sollen entscheiden, mit welchem Verkehrsmittel sie sich fortbewegen wollen.
Diese Verkehrspolitik macht natürlich aus Sicht der Grünen Sinn: Man bedenke, dass die Grünen im Bund in ihrer Klima schutzkonzeption im Januar festgelegt haben, bis zum Jahr 2036 alle Diesel- und Benzinfahrzeuge zu verbieten. Wer so etwas in seinen Konzepten schreibt und plant, verübt einen Generalangriff auf das Automobilland Baden-Württemberg. Dem treten wir entschieden entgegen, meine Damen und Her ren.
Wir wollen, dass Baden-Württemberg auch in Zukunft das Automobilland bleibt, natürlich indem hier in Baden-Würt temberg die umweltfreundlichsten Fahrzeuge gebaut werden, indem hier in Baden-Württemberg die autonomen Fahrzeuge gebaut werden, nicht aber, indem wir uns vornehmen, dass in Baden-Württemberg immer weniger Autos gebaut werden.
Winfried Hermann hat auf dem Mobilitätskongress 2014 ge sagt: „Wer in Baden-Württemberg noch auf das Automobil setzt, der macht sich lächerlich.“ Mit Blick auf den Arbeits markt in Baden-Württemberg kann ich nur sagen: Wer sich lächerlich macht, das ist Verkehrsminister Hermann mit einer solchen Aussage.
Wir wollen wieder eine Politik, die in Baden-Württemberg deutlich macht, dass eine Vielzahl guter, qualifizierter Arbeits plätze am Automobil, an den Zulieferbetrieben und damit am Automobilland Baden-Württemberg hängen, meine Damen und Herren.
Wir wollen, dass in Baden-Württemberg wieder eine Auf bruchstimmung spürbar wird, die auf Zukunftstechnologien setzt, dass Baden-Württemberg wieder das Innovationsland wird, nicht das Land der Bedenkenträger, sondern das Land der Hoffnungsträger, indem sich Politik gemeinsam mit Wirt schaft und Gesellschaft aufmacht, diesem Land auch wieder die Marke „Innovationsland Nummer 1“ zu geben.
Wir wollen eine Politik, die Zukunft nicht nur buchstabiert, nicht nur lebt, sondern auch gestaltet.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, es ist schon bemerkenswert, mit welchem Selbstbewusstsein Sie hier hinstehen
und sagen: „Baden-Württemberg geht es so gut wie nie zu vor.“
Das sagt ein Finanzminister, der in den letzten fünf Jahren
trotz bester konjunktureller Rahmenbedingungen mehr Schul den denn je gemacht hat. Ein Minister, der trotz bester kon junktureller Rahmenbedingungen 3 Milliarden € neue Schul den gemacht hat, sagt, Baden-Württemberg gehe es so gut wie nie zuvor.
Die Wirtschaft muss es geradezu als zynisch empfinden, wenn sich der Finanz- und Wirtschaftsminister mit den Federn der Wirtschaft schmückt, die in diesen fünf Jahren gute Arbeit ge leistet hat. Dieser Minister selbst hat die Wirtschaftspolitik in einem Finanz- und Wirtschaftsministerium zum Anhängsel der Finanzpolitik gemacht. Das darf es in Baden-Württem berg in der Zukunft nicht mehr geben.
Nein.
Dann noch ein dritter Punkt: Lieber Herr Minister, Sie haben die Gemeinschaftsschule zum Erfolgsmodell erklärt.
Sie haben die Polizeireform zum Erfolgsmodell erklärt.
Ich frage mich: Warum plakatieren Sie Ihre Erfolgsmodelle nicht?
Wo ist das Plakat pro Gemeinschaftsschule? Wo ist das Pla kat pro Polizeireform? Sie wissen, dass der Frust in der Poli zei und in der Lehrerschaft selten so groß war wie heute, mei ne Damen und Herren.
Frau Kollegin Sitzmann, wenn Sie das gute Miteinander mit den Kommunen ansprechen, dann würde ich Ihnen raten, sich jetzt nicht nur an der Vergangenheit zu ergötzen, sondern sich aktuell der schwerwiegenden Kritik aus dem Gemeindetag zu stellen, die da lautet: Wo sind die Finanzierungszusagen in Sa chen Anschlussunterbringung von Flüchtlingen? Da sehen Verlässlichkeit und Kooperation auf Augenhöhe anders aus, als es derzeit die grün-rote Landesregierung praktiziert.
Abschließend, lieber Kollege Schmiedel: Ja, es stimmt; bei dem, was Sie zur Familie gesagt haben, gibt es ganz offen sichtlich Unterschiede zwischen Ihrer Position und unserer Position. Wir wollen den Familien nicht vorschreiben, wie sie Familie zu gestalten haben. Wir sehen unsere Aufgabe, die Aufgabe der Politik darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, etwa durch Kinderbetreuungsangebote. Wir wollen auch nicht bewerten, ob es besser ist, Kinder zu Hause zu betreuen oder sofort wieder zur Arbeit zu gehen. Wir schaffen Rahmenbe dingungen, wir ermöglichen Wahlfreiheit, aber Ausdruck un serer Familienpolitik ist immer: Es entscheidet die Familie über Familie und niemals der Staat über die Familie.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie haben Ihre Ausfüh rungen mit der Feststellung begonnen, Baden-Württemberg sei ein schönes Land.
Moment! – Ich finde, Sie haben untertrieben. Denn z. B. auch Bayern ist schön. Baden-Württemberg ist ein einzigar tiges Land.
Es ist einzigartig, weil die Menschen es zu einem einzigarti gen Land gemacht haben. Das ist die Marke Baden-Württem berg.
Sie haben gerade davon gesprochen, Baden-Württemberg sei heute ein Genießerland. Das vermittelt den Eindruck, die Menschen in Baden-Württemberg hätten erst in den letzten fünf Jahren das Genießen gelernt.
Jetzt wollen wir doch wirklich einmal die Kirche im Dorf las sen. Das, was Baden-Württemberg in den letzten Jahren und Jahrzehnten an Heimat geworden ist, das, was Baden-Würt temberg in den letzten Jahren und Jahrzehnten an landschaft lich reizvoller Natur und Landschaft geworden ist, das, was Baden-Württemberg in den letzten Jahren und Jahrzehnten an Lebensraum mit Lebensqualität für die Menschen in BadenWürttemberg geworden ist, das ist es doch in erster Linie durch die Leistung der vielen Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger geworden.
Wollen wir doch bitte einmal diejenigen, die die Hauptakteu re in dieser Entwicklung sind, nicht aus den Augen verlieren.
Ich möchte an eine bemerkenswerte Rede von Frau Staatsrä tin Erler vor einigen Jahren – im noch nicht sanierten Land tagsgebäude – erinnern. Es ging um Protest, es ging um Stutt gart 21, es ging um Fragen der Bürgerbeteiligung. Damals hat Frau Staatsrätin Erler gesagt, der Protest um Stuttgart 21 sei eine moderne Form der Heimatliebe. Das habe ich nicht ver gessen. Ich habe mir damals auch Gedanken gemacht: Was will sie damit wohl zum Ausdruck bringen?
Will sie damit zum Ausdruck bringen, dass es die Menschen selbst sind, die ihre Heimat schützen wollen, die sich dafür starkmachen wollen, dass Heimat durch neue Technologie, durch Infrastruktur nicht nachhaltig verändert wird? Sie hat Protest gegen Stuttgart 21 als neue Form der Heimatliebe be wertet.
Ich frage mich, Herr Ministerpräsident, wie dieses Verständ nis dann plötzlich, Jahre später, gewissermaßen außer Kraft gesetzt wird, wenn es etwa darum geht, einen Nationalpark im Nordschwarzwald einzurichten, wenn es etwa darum geht, Windräder aufzustellen oder nicht aufzustellen. Da klingen dann die Äußerungen aus der Landesregierung völlig anders.
Frau Staatsrätin Erler hat im Dezember 2012 mit Blick auf den Nationalpark gesagt:
Es ist unredlich, wenn man den Menschen vormacht, sie könnten hier auf lokaler Ebene tatsächlich entscheiden.
Oder: Ministerpräsident Kretschmann hat gesagt:
Politik des Gehörtwerdens bedeutet, dass jeder gehört wird, aber nicht, dass jeder erhört wird mit seinem Anlie gen.
Ich bin sehr dafür, dass wir Protest, dass wir Kritik, dass wir Skepsis auch als eine Form der Heimatliebe betrachten, aber ich bin dagegen, dass die Landesregierung entscheidet, wann diese neue Form der Heimatliebe angebracht ist und wann nicht, meine Damen und Herren.
Herr Ministerpräsident, dieser Begriff der Heimat, den Sie am Anfang Ihrer Ausführungen geprägt haben, heißt auch, dieses Land richtig zu verstehen. Dieser Begriff der Heimat bedeu tet auch, die Menschen in diesem Land zusammenzuführen und nicht zu spalten. Ich glaube, gerade Naturschutzpolitik ist in besonderer Weise geeignet, diese integrative Kraft unter Beweis zu stellen.
Wir kritisieren beileibe nicht alles, was in den letzten fünf Jah ren an Naturschutzpolitik gemacht worden ist. In Teilen baut es auf dem auf, was durch frühere Regierungen angelegt wur de. Wir kritisieren aber, dass der Naturschutz auch gegen an dere in dieser Gesellschaft, vor allem gegen die Landwirte, ausgespielt wurde,
also etwa mit Blick auf Gewässerrandstreifen, auf das Um bruchverbot. Dort wurde Naturschutz gegen Landwirtschaft gestellt.
Da muss ich sagen: Wir brauchen in diesem Land wieder mehr Respekt vor dem Eigentum. Das ist eine klare Botschaft, die wir den Menschen vermitteln wollen.
Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, diese grün-rote Lan desregierung habe den Naturschutz vom Rand in die Mitte ge holt.
Der Kollege Reusch-Frey hat sich gar zu der Aussage verstie gen, man hätte hier den Naturschutz im Schlafwagen pur an getroffen.
Er hat es gewissermaßen mit einer enormen Dynamik vorge tragen. Ich finde, das vermittelt schon ein gerüttelt Maß an Selbstüberschätzung und mangelnder Selbstkritik.
Ich darf vielleicht noch einmal erwähnen, in welchem Zustand wir Baden-Württemberg, dieses Land, an unsere damalige Nachfolgeregierung übergeben haben. Das Land war in einem ökologisch guten Zustand. Nach schwierigen Jahren haben wir die Abfallproblematik hervorragend gelöst. Die Gewäs sersituation – darauf komme ich im Detail noch zu sprechen
war in besonderer Weise gut. Ich muss auch darauf hinwei sen, dass Umweltminister Untersteller – zumindest soweit ich mich daran erinnern kann und seine Reden richtig im Kopf habe –
im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes bemerkenswer terweise nie von einer Erblast gesprochen hat.
Im Unterschied zu vielen anderen Bereichen hat er nie von der Erblast gesprochen. So schlecht – und so viel „Schlafwa gen“ –, wie es hier vorgetäuscht wird, kann es also nicht ge wesen sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ganz ruhig bleiben, Dr. Rösler. Man muss das ertragen.
Man kann glauben, selbst gut zu sein. Man sollte aber nie auf hören, daran zu glauben, dass auch andere gut sein können, lieber Kollege Dr. Rösler.
Beim Bodenschutz sind wir Pioniere gewesen, etwa bei der Klärschlammentsorgung. Klärschlamm wurde nicht mehr auf den landwirtschaftlichen Feldern ausgebracht.
In Sachen Umwelt- und Naturschutz haben frühere, CDU-ge führte Landesregierungen mindestens genauso viel erreicht wie die jetzige. Ich nenne nur das Stichwort Erneuerbare-Wär me-Gesetz. Auch da erinnere ich mich an eine durchaus gute Zusammenarbeit. Kollege Untersteller, damals gab es auch Widerstände in der Gesellschaft. Wir sind aber diesen Schritt in Baden-Württemberg gemeinsam gegangen.
Unter der CDU-Regierung hat Baden-Württemberg als erstes Bundesland den Klimaschutz maßgeblich vorangebracht. Ich nenne das Landesklimaschutzkonzept 2020PLUS.
Ich verweise auf unser Naturschutzkonzept, auf dem Sie rich tigerweise aufgebaut haben. Naturschutz ist natürlich keine Herausforderung, die auf die Zeit einer Legislaturperiode be grenzt wäre; das ist ein fließender Prozess. Ebenso wenig eig net sich Naturschutz aus meiner Sicht für eine klassische par teipolitische Polarisierung. Da erwarten die Menschen, dass Regierungen auf dem aufbauen, was andere grundgelegt ha ben. Das haben Sie beim Naturschutzkonzept gemacht. Wir haben unter der CDU-Regierung damit schon wichtige Anlie gen wie den Moorschutz oder die Biotopvernetzung vorange bracht. Übrigens ist das vielleicht ein Ansatz, der uns von dem ihrigen etwas unterscheidet.
Im Bereich Naturschutz sind wir auch große Anhänger dezen traler Strukturen, Stichwort „ökologische Biotoptrittsteine“.
Es geht uns darum, mehrere ökologische Projekte miteinan der zu vernetzen anstatt zu zentralisieren, anstatt Sach- und Personalstellen zugunsten eines Großprojekts zu bündeln. Das mag uns im Ansatz unterscheiden. Es gibt aber viele Ansätze, um Naturschutz im Land voranzubringen. Wir setzen im Na turschutz ganz bewusst auf dezentrale Strukturen.
Ich nenne das Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Meine Da men und Herren, dieses Biosphärengebiet – –
Machen Sie sich doch einfach die Mühe, es anzuhören.
Es war nicht so schlecht; glauben Sie es mir. Das Biosphären gebiet Schwäbische Alb war nicht von Anfang an von allen umjubelt.
In der Region musste sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die damalige Landesregierung hat sich aber diese Zeit genommen. Am Schluss, lieber Karl-Wilhelm Röhm, lie ber Dieter Hillebrand, alle, die in der dortigen Region dabei waren, wollten mehr Kommunen mit dabei sein als am An fang. Das heißt, wir haben hier einen optimalen Beteiligungs prozess,
auch einen Prozess zunehmender Akzeptanz erreicht. So stel len wir uns das vor. Naturschutz geht nicht gegen die Men schen, sondern Naturschutz funktioniert immer nur im Ein klang mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern.
Wir haben damit unter einer CDU-Regierung ein von der UNESCO anerkanntes Gesamtprojekt geschaffen, ein Gesamt projekt, in dem Naturschutz, Flächennutzung und Tourismus vereint werden – aber eben vereint und nicht gegeneinander ausgespielt. Auch das mag uns unterscheiden. Das Biosphä rengebiet haben wir übrigens im Konsens mit den Menschen vor Ort eingerichtet.
Ich komme noch einmal auf den Gewässerschutz zu sprechen. Die Sanierung des Bodensees, lieber Uli Müller, ist in BadenWürttemberg eine einzigartige Erfolgsgeschichte geworden. Der Erfolg ist so groß, dass der grüne Kollege aus der betrof fenen Region inzwischen eine Erhöhung des Phosphatgehalts fordert, damit die Fische wieder wachsen. Meine Damen und Herren, das war Gewässerschutz von einer CDU-geführten Landesregierung. Auch das muss an dieser Stelle betont wer den.
Meine Damen und Herren, wir sind gern bereit, manches von dem, was in den letzten fünf Jahren im Naturschutz von GrünRot weiterentwickelt wurde, als Grundlage der künftigen Re gierungspolitik, für die wir dann Verantwortung tragen, zu
übernehmen. Ich biete gern an, die Bewahrung der Schöpfung nicht zum Inhalt einer großen parteipolitischen Schlacht wer den zu lassen. Denn es muss unser gemeinsames Anliegen sein, auch nachfolgenden Generationen eine Natur und Land schaft zu hinterlassen,
die ihnen gesunde Lebensverhältnisse ermöglicht. Das ist un ser Anspruch. Das muss der parteiübergreifende Anspruch in diesem Hohen Haus sein.
Gleichwohl will ich mit Blick darauf, was Sie aus unseren Vorlagen gemacht haben, einzelne Kritikpunkte benennen.
Beim EWärmeG haben Sie durch übertriebene Verschärfun gen der Vorgaben einem guten Ansatz die Akzeptanz geraubt, gerade auch in der Wirtschaft.
Ich finde, darüber sollten wir nochmals diskutieren.
Zum Nationalpark sage ich klar für meine Fraktion, um auch den Märchen, die manche immer wieder verbreiten wollen, entgegenzutreten:
Wir werden das Rad „Nationalpark“ nicht zurückdrehen.
Das Projekt Nationalpark war auch in unseren Papieren bein haltet.
Ja natürlich. Lieber Kollege Schmiedel, lassen Sie mich doch einmal ausführen. Moment mal. – Dass wir es natürlich ziemlich suboptimal fanden, wie Sie mit den Menschen in der betroffenen Region umgegangen sind, das mögen Sie uns, der Opposition, zugestehen.
Wenn sie uns nachhaltig weiter bringt, gern.
Das ist alles völlig im Einklang.
Einfach einmal zuhören! – Wir werden das Rad „National park“ nicht zurückdrehen. Den Nationalpark gibt es. Den hat ten auch wir schon in früheren Papieren. Ich will damit deut lich machen, dass es uns von Anfang an um den Prozess ging. Einen solchen Prozess damit zu beginnen, dass man sagt: „Nichts gegen die Bürger“, und dann am Ende zu sagen: „Die vor Ort haben sowieso nichts zu sagen, das ist eine nationale Entscheidung“, das hielten wir für den falschen Prozess. Ein solcher Nationalpark kann nur gelingen, wenn er die betrof fenen Menschen in der Region maximal beteiligt und auf die sem Weg mitnimmt, meine Damen und Herren.
Nehmen Sie doch einfach die Schärfe heraus.
Wir erheben uns nicht über die betroffene Bevölkerung.
Wir werden mit der Region noch einmal zusammensitzen und alle Formen der Optimierung besprechen, um die Akzeptanz zu erhöhen, aber im Bestand. Wir werden natürlich diesen Na tionalpark nicht wieder abschaffen. Das ist ja überhaupt kei ne neue Botschaft.
Das ist genau das, was in unserem Wahlprogramm drinsteht. – Jetzt etwas Geduld! Wir entwickeln das gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern und nicht mit Ihnen hier im Parla ment.
Nein. Ich habe gemerkt, das bringt uns nicht wirklich weiter.
Ansonsten haben Sie beim Naturschutz vor allem auf Gebo te und Verbote gesetzt.
Das unterscheidet uns auch. Wir sind der Überzeugung, dass man mehr mit Anreizsystemen arbeiten muss. Unser Ansatz war immer sehr stark der Vertragsnaturschutz im Schulter schluss mit der Landwirtschaft. Ich glaube, die richtigen An reizsysteme sind besser als Gebote und Verbote. Zu dieser Po litik des Miteinanders – nicht zu der Politik des Gegeneinan ders, des Gegeneinander-Ausspielens – wollen wir auch in Sa chen Naturschutz zurückkehren.
Wir wollen, dass unsere Landwirtschaft nicht eingeteilt wird in die Guten und die weniger Guten, um nicht zu sagen, in die Guten und die Schlechten. Wir schätzen sehr, dass es viele ökologische und biologische Landwirte im Land gibt, die sich genau dieser Produktionsform verschreiben, und wir wollen das ausdrücklich auch gefördert wissen.
Aber nicht nur diese Landwirte sorgen für regionale Produk te, nicht nur diese Landwirte erhalten Kulturlandschaft in Ba den-Württemberg. Das tun auch die 90 % konventionell ar beitenden Landwirte. Da wollen wir wieder eine Politik, die allen Landwirten in diesem Land vermittelt, dass wir sie för dern wollen, dass wir sie unterstützen wollen und dass sie für uns alle gleichwertig sind. Auch das gehört zu einer fairen Landwirtschafts- und Naturschutzpolitik.
Zu einer lebenswerten Heimat, zu lebendigen ländlichen Räu men, zu einem Land, in dem die Menschen in Stadt und Land sich wohlfühlen, gehört aber mehr, meine Damen und Herren. Dazu gehören ausgewogene Lebensverhältnisse in Stadt und Land.
Das hat uns in Baden-Württemberg immer stark gemacht, dass wir nicht nur Politik für die Großstädte, für die Zentren und Metropolregionen gemacht haben, sondern dass wir immer auf diese Balance geachtet haben: Politik für die Großstädte in gleicher Weise wie Politik für die ländlichen Räume. Dar an sollten wir festhalten.
Da hilft es auch wenig, wenn der stellvertretende Ministerprä sident eine Bemerkung gemacht hat, die er wahrscheinlich in zwischen schon mehrfach bereut hat, dass es egal sei, wenn im Schwarzwald einmal ein Tal zuwachse.
Das ist uns nicht egal. Wir wollen dieses Land in Stadt und Land mit gleichwertigen Lebensverhältnissen ausstatten und weiterentwickeln. Das muss die Marke Baden-Württembergs sein.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns verstärkt über Ge meinsamkeiten reden.
Lassen Sie uns verstärkt darüber diskutieren, wie wir partei übergreifend Kräfte mobilisieren, um die Schöpfung zu be wahren. Lassen Sie uns bei diesem Thema im Detail streiten. Lassen Sie uns darüber streiten, ob es besser ist, auf Gebote und Verbote einerseits oder auf Anreize andererseits abzustel len. Aber hören wir auf, uns gegenseitig vorwerfen zu wollen, wir hätten es nicht mit der Schöpfung, wir würden nicht in gleicher Weise Vorsorge treffen, dass Nachhaltigkeit in die sem Land spürbar wird, dass auch nachwachsende Generati onen in einer gesunden Welt, in einer gesunden Heimat leben können. Das muss Anliegen aller hier im Landtag vertretenen Parteien sein.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Asyldebatte, die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen, beschäftigt die Menschen in Baden-Würt temberg unverändert. Die furchtbaren Ereignisse der Silves ternacht haben natürlich auch noch einmal zu einem völlig neuen Bewusstsein, zu einem ganz anderen Umgang mit all diesen Fragen geführt. Ja, diese Ereignisse der Silvesternacht waren so etwas wie eine Zeitenwende.
Warum waren sie das? Weil viele Menschen nach den Ereig nissen in Köln, Hamburg, aber auch hier bei uns in Stuttgart das Gefühl haben, dass in dieser Flüchtlingsdebatte die Trans parenz fehlt. Warum sind diese Ereignisse erst Tage später in vollem Umfang ans Licht gekommen? Viele Menschen haben den Eindruck, dass die Risiken der Zuwanderung kleingere det worden sind, und viele Menschen wollen, dass wir jetzt die Probleme mit Asylsuchenden und Flüchtlingen bei all den Chancen, die wir bei dieser Diskussion nicht ausblenden, klar benennen.
Unsere Große Anfrage hat für diese neue Debatte wichtige Fakten geliefert. Herr Ministerpräsident, bei allem, was die se Landesregierung und was auch Sie immer wieder vorge ben, in dieser Frage richtig zu tun, hat diese Große Anfrage natürlich schon bemerkenswerte, ja bedrückende Erkenntnis se an den Tag gebracht.
15 000 Asylbewerber sind aktuell unregistriert in Baden-Würt temberg unterwegs,
Personen, von denen niemand weiß, woher sie kommen, wer sie sind und was sie hier wollen. Das ist einer der Umstände, das ist eine der Entwicklungen, die wir hier in Baden-Würt temberg schnellstmöglich beenden müssen, und das ist die Verantwortung dieser grün-roten Landesregierung.
Die Menschen müssen wissen, wer sich in diesem Land auf hält.
Oder nehmen Sie ein anderes Beispiel: die Duldungen. Das betrifft Personen, die kein Asyl bekommen haben und auch keine Flüchtlinge sind, aber dennoch irgendwie hierbleiben. Ausweislich der Antwort der Landesregierung auf unsere Gro ße Anfrage sind rund 10 000 – exakt 9 638 – dieser gedulde ten Personen in Baden-Württemberg. Sie stammen aus einem sicheren Herkunftsland. Wir fragen uns schon, warum diese Menschen geduldet sind, wenn es bei ihnen daheim sicher ist.
Herr Kretschmann, Sie haben im TV-Duell treuherzig behaup tet: „Wir schieben die ab, die wir abschieben können.“ Nein, das tun Sie nicht. Eine unverändert hohe und noch wachsen de Zahl von Menschen, auch aus sicheren Herkunftsländern, halten sich hier ohne Aufenthaltstitel auf. Die Landesregie
rung schiebt nicht ab. Das kritisieren wir, Herr Ministerpräsi dent.
Sie verzögern unverändert die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen, obwohl Sie sich doch im Schulterschluss mit der Kanzlerin verständigt haben, all das umzusetzen, was im Paket enthalten ist, das die Große Koalition in Berlin ge schnürt hat. Aber vielleicht gibt es dafür ja auch eine Begrün dung.
Meine Damen und Herren, es ist schon bemerkenswert, wenn man sich nochmals die Rede des Ministerpräsidenten vor Au gen führt, die er im September 2014 im Bundesrat gehalten hat,
als es darum ging, die Zustimmung Baden-Württembergs zum Asylkompromiss I, nämlich zur Einstufung einiger Balkan staaten als sichere Herkunftsländer, zu gewinnen. Damals hat Winfried Kretschmann gesagt – ich zitiere –:
Uns ist es in langen und harten Verhandlungen gelungen, wirklich substanzielle Verbesserungen für die hier leben den Flüchtlinge zu erreichen. Wir konnten durchsetzen, dass die Residenzpflicht für Flüchtlinge deutschlandweit abgeschafft wird. Asylbewerber sind dann nicht mehr ge zwungen, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten.
Dafür haben Sie sich gerühmt: für etwas, bei dem wir heute dringend Veränderungen bräuchten und was heute Teil des Problems ist, Herr Ministerpräsident.
Aber es geht noch weiter. In der damaligen Rede hat Winfried Kretschmann gesagt:
Außerdem haben wir einen wichtigen Fortschritt bei den Geldleistungen errungen. Das Asylbewerberleistungsge setz sieht bislang einen Vorrang für Sachleistungen vor. Das ist beschämend, weil die Flüchtlinge sich dadurch Dinge des täglichen Bedarfs wie Essen oder Kleidung nicht selbst aussuchen können. Das ändert sich nun: In Zukunft wird es einen Vorrang für Geldleistungen geben.
So Winfried Kretschmann im September 2014, als es darum ging, endlich weitere Balkanstaaten zu sicheren Herkunfts ländern zu erklären. Das war der Preis, den Sie verhandelt ha ben, und dafür tragen Sie die Verantwortung, Herr Minister präsident.
Meine Damen und Herren, wir brauchen endlich eine konse quente Politik, die auch eine nachhaltige Reduzierung der Flüchtlingszahlen gewährleistet, und eine Politik, die Sicher heit in Baden-Württemberg, insbesondere auch rings um die Flüchtlingsunterkünfte, gewährleistet.
Deshalb geht es erstens darum, dass wir die Polizei stärken. Wir wollen 1 500 neue Stellen bei der Polizei einrichten, denn in der Flüchtlingskrise brauchen wir mehr Polizei.
Zweitens: Wir werden die Einführung der Gesundheitskarte stoppen. Der Städtetag hat es am Montag nochmals klar ge sagt: Mit der Gesundheitskarte verlieren die Kommunen die Kontrolle über die Kosten der medizinischen Behandlung.
Drittens: Wir werden uns für Transitzonen einsetzen. Das wollten CDU und CSU vor Monaten. Die SPD hat es ausge bremst. Wir brauchen die Kontrollen an den Außengrenzen, um schnelle Rückführungen zu ermöglichen.
Viertens: Wir werden die Geldauszahlung an den Erstaufnah mestellen stoppen, indem wir den konsequenten Umstieg von Geld- auf Sachleistungen vorantreiben und falsche Anreize in unserem Land endgültig abschaffen.
Fünftens: Wir werden das verschärfen, Herr Ministerpräsi dent, was Sie im September 2014 fälschlicherweise heraus verhandelt haben, nämlich die Residenzpflicht. Diese brau chen wir zwingend und dringend. Während eines Asylverfah rens muss jederzeit die Möglichkeit bestehen, zu wissen, wo sich ein Asylbewerber aufhält, um das Verfahren auch be schleunigen zu können.
Sechstens: Wir werden uns für weitere sichere Herkunftslän der einsetzen.
Meine Damen und Herren, während Herr Kretschmann und die Grünen immer davon gesprochen haben, das sei reine Symbolpolitik, hat sich bei den Balkanstaaten gezeigt, dass die Zugangszahlen seit dem Moment, in dem diese Staaten si chere Herkunftsländer waren, drastisch zurückgegangen sind. Das muss jetzt fortgesetzt werden mit Staaten aus Nordafri ka: Marokko, Algerien, Tunesien. Auch sie müssen zu siche ren Herkunftsländern erklärt werden. Herr Ministerpräsident, kein neuer Kuhhandel, keine taktischen Verzögerungen, Zu stimmung jetzt! Das erwarten wir von Grün-Rot in BadenWürttemberg.
Herr Ministerpräsident, kommen Sie zu einer glaubwürdigen Politik zurück.
Wenn Sie nach all dem, was Sie 2014 mit Blick auf die Resi denzpflicht herausverhandelt haben, gestern in der Zeitung er klären,
die Bundesregierung müsse endlich die rechtliche Grundlage für eine Wohnsitzauflage schaffen,
dann muss ich sagen: Hier redet ein Grüner schwarz, ohne da bei rot zu werden. Glaubwürdigkeit sieht anders aus, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Innenminister, ich finde es bemerkens wert, aus dem Munde eines sozialdemokratischen Innenmi nisters Kritik an die Adresse einer CDU-Fraktion zu hören, die sich in diesen Tagen und Wochen nicht nur ausschließlich mit Fragen der Flüchtlingspolitik befasst, sondern auch damit, dass immer mehr Kinder ohne Frühstück oder mit falscher und schlechter Ernährung in die Schule kommen.
Dies wirkt sich zudem negativ auf das Lernverhalten aus. Dass wir uns hierüber Gedanken machen – und nicht nur aus schließlich über Flüchtlinge reden – und Sie dies kritisieren, ist bemerkenswert.
Dies erklärt manche demoskopische Entwicklung in den letz ten Tagen.
Mit Verlaub, Sie müssen mir – –
Keine Aufregung! Nein, Herr Lede Abal, ich gestatte keine Zwischenfrage.
Sie müssen mir – –
Man merkt, Sie werden unruhig.
Sie müssen uns nicht den Unterschied zwischen Wohnsitz pflicht und Residenzpflicht erklären.
Herr Schmiedel, es ist gut, dass Sie noch einmal deutlich ge macht haben, dass Sie nur für die Wohnsitzpflicht, aber nicht für die Residenzpflicht eintreten. Wir sind für die Residenz pflicht,
weil wir Asylbewerber in jeder Phase des Verfahrens benöti gen, um das Verfahren zu beschleunigen. Wir wollen nicht, dass sie sich im ganzen Land aufhalten können, wir wollen Zugriff, und zwar jederzeit.
Herr Innenminister und Herr Schmiedel, zu all Ihren Tabellen und Skizzen, was die Personalsituation bei der Polizei angeht und was die Präzision von Zahlen angeht, ist zu sagen: Es gibt auch eine von der Polizei selbst erstellte Übersicht, nicht ei ne von uns gemachte, die die Neueinstellungen der letzten Jahre belegt. Ergebnis: Da ist nichts passiert.
Sie hätten im Zuge – – Hier ist die von der Polizei gefertigte Darstellung – –
Sie hätten im Zuge – –
Moment!
Sie hätten im Zuge der Haushaltsbe ratungen die Chance gehabt, unserem Antrag, jetzt mit einer ersten Tranche von 300 zusätzlichen Polizeimeisteranwärter stellen einzusteigen, zuzustimmen, um Sorge dafür zu tragen, dass die Polizei wirklich mehr Personal bekommt, welches sie dringend benötigt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist die letzte Doppelplenarsitzung in ei nem bewegten Jahr. In diesem Jahr hat uns sicherlich ein The ma in ganz besonderer Weise beschäftigt und auch alle poli tisch Verantwortlichen in diesem Haus herausgefordert: Mil lionen von Menschen sind auf der Flucht. Diese Bewegungen haben viele Fragen bei den Menschen aufgeworfen, Fragen nach dem Zusammenleben in unserer Gesellschaft, Fragen nach der Aufnahmefähigkeit unserer Städte und Gemeinden, Fragen schlicht und ergreifend auch nach der Veränderung in unserer Gesellschaft.
Unserer Fraktion war es immer wichtig, diese Fragen auch ernst zu nehmen, weil es uns wichtig ist, auf diese historische Herausforderung auch die richtigen Antworten zu geben und die Menschen in dieser außerordentlich schwierigen Situati on mitzunehmen. Ich glaube, das ist das Entscheidende, da mit Integration überhaupt gelingen kann.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Voraus setzung dafür, dass Integration gelingen kann, ist, in erster Li nie auch Überforderung vor Ort zu vermeiden. Deshalb, Herr Ministerpräsident, gehört zu einer gelingenden Integration na türlich unverändert auch, darauf zu achten, dass die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dadurch reduziert wird, dass wir eine konsequentere Abschiebungs- und Rückführungspra xis vollziehen. Insoweit gehört zu einer gelingenden Integra tion und zu einer konsequenten Rückführung auch, dass wir Fehlanreize wirksam abbauen.
Herr Ministerpräsident – das hat der Auftritt der Kanzlerin gestern in Karlsruhe auch deutlich gemacht –, Sie geben hier so gern den Kanzlerinversteher, aber wenn man Sie an Ihren Taten misst, dann stellt man fest, Sie blinken rechts und fah ren links.
Ich glaube, das ist das Problem, auch das Problem der Glaub würdigkeit der Asyl- und Flüchtlingspolitik dieser grün-roten Landesregierung.
Zur gelingenden Integration gehört in erster Linie, dass wir Flüchtlingsströme steuern, reduzieren, Fehlanreize abbauen und dass wir uns nicht in einem Ablenkungsmanöver ergehen und den Schwarzen Peter anderen zuschieben. Natürlich muss
das Bundesamt liefern, natürlich muss der Bund liefern. Aber in erster Linie geht es darum, die Hausaufgaben im eigenen Land zu erledigen.
Wir haben für eine gelingende Integration ein ganz konkretes Instrument, eine ganz konkrete Idee in das Gespräch gebracht, nämlich die Einführung eines Integrationsführerscheins. Denn es geht uns darum, dass nicht nur die Werte und die Rechts ordnung unseres Landes akzeptiert werden, sondern wir for dern bewusst ein, dass Menschen, die zu uns kommen, sich dieser Integration auch stellen.
Zur Erlangung eines solchen Integrationsführerscheins führ ten einerseits im Sinne eines theoretischen Teils Sprachkurse, Staatsbürgerkunde und Integrationsunterricht, den wir als ver bindlich betrachten. Der Integrationsführerschein böte ande rerseits auch die Chance eines praktischen Teils, nämlich dass sich die Menschen, die zu uns kommen, in den Vereinen ge meinnützig einbringen und dass dadurch eben auch soziale Kontakte entstehen können. Das ist für uns eine zwingende Voraussetzung, damit Integration gelingen kann. Das fordern wir auch von denen ein, die sich jetzt aufmachen, um in un serem Land zu leben.
Es geht um klare Regeln, es geht um klare Orientierung. Frei heit und Toleranz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Mei nungs- und Religionsfreiheit oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Das alles ist für uns nicht verhandelbar. Wir erwarten, dass jene, die zu uns kommen, sich diesen unseren Rechtsnormen und Werten auch unterordnen. Es gehört zu ei ner gelingenden Integration, dass sich die ganze Gesellschaft in dieser schwierigen Situation auch wirklich zusammenfin den kann.
Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir es auch sehr bedauert, dass die grün-rote Mehrheit unseren Anträgen auf Stärkung des Ehrenamts nicht zugestimmt hat. Wir hätten uns gewünscht, dass wir in dieser Situation, in der wir zwingend auf das Ehrenamt angewiesen sind, klare Signale auch einer Stärkung des Ehrenamts ausgesendet hätten.
Wir hätten uns gewünscht, dass wir jedem Landkreis einen Betrag von 100 000 € zur Verfügung stellen, damit diese Eh renamtsarbeit vor Ort konkret und unbürokratisch unterstützt werden kann.
Wir hätten uns gewünscht, dass wir den Kommunen die Mit tel zur Verfügung stellen, dass vor Ort Ehrenamtsbegleiter ein gestellt werden können. Jeder, der sich auf der kommunalen Ebene mit bürgerschaftlichen, mit ehrenamtlichen Strukturen befasst, weiß, dass das nur gelingen kann, wenn professionel
le Begleitung, wenn professionelle Unterstützung, wenn Su pervision gewährleistet sind.
Wer das nicht liefert, trocknet das Ehrenamt aus und überfor dert es. Das können wir uns im Sinne einer funktionierenden Integration überhaupt nicht leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deshalb sollten wir – ebendies erwarten wir auch von der Lan desregierung – die vor Ort entstehenden Strukturen, das hohe Maß an Hilfsbereitschaft, an Offenheit einerseits dankbar an nehmen, andererseits aber auch die Chance bieten, diese Strukturen weiterzuentwickeln. Dazu bedarf es einer stärke ren Förderung des Ehrenamts, der bürgerschaftlichen Kräfte, für die wir in unserer Gesellschaft von Herzen dankbar sind.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte gibt einmal mehr Gelegenheit, die große Dimension dieser Herausforde rung auch hier im Landtag von Baden-Württemberg zu dis kutieren. Sie gibt auch Gelegenheit, Übereinstimmung aller Fraktionen des Hauses in den Punkten deutlich werden zu las sen, bei denen auch ich der Überzeugung bin, dass Überein stimmung wichtig ist, um der Dimension der Herausforderung begegnen zu können.
Diese Debatte zeigt aber auch, wie sehr es noch einzelne Punkte gibt, bei denen nach meiner Überzeugung die Selbst
zufriedenheit dieser grün-roten Landesregierung, die Sie, Herr Ministerpräsident, hier soeben verkörpert haben,
den wirklichen Interessen der Menschen dieses Landes eben nicht gerecht wird.
Wenn man Ihre Rede bewertet, dann stand und steht über al lem: „Wir, die grün-rote Landesregierung von Baden-Würt temberg, tun alles, wir sind bestens aufgestellt, und wenn es noch Probleme gibt, dann werden diese Probleme andernorts verursacht.“
Verehrter Herr Ministerpräsident, so einfach, wie Sie sich die Welt zeichnen, ist sie nun einmal nicht.
Auch diese grün-rote Landesregierung muss sich Defizite ih res Handelns hier und heute aufzeigen lassen.
Es ist eine große Herausforderung über alle Parteigrenzen hin weg. Ich will auch eindeutig einräumen, dass jede Regierung, die jetzt in der Verantwortung steht oder stünde, natürlich auch mit Überraschungen in dieser Entwicklung zu kämpfen hätte und jede Regierung damit auch ihre Probleme hätte. Aber, Herr Ministerpräsident, was mir in Ihren Ausführungen zu kurz gekommen ist, ist die Wahrnehmung der Stimmung in der Bevölkerung.
Wenn man täglich unterwegs ist und mit den Menschen redet, dann habe ich nicht den Eindruck – –
Frau Aras, man sollte vielleicht zuhören und auch Stimmung an der Basis wahrnehmen,
bevor man hier unkontrolliert dazwischenruft. Auch das ge hört zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Asylpolitik.
Wenn man diese Stimmung in der Bevölkerung wahrnimmt, dann ist natürlich auch so etwas wie Überforderung erkenn bar, da werden dann Sorgen und auch – –
Vielleicht bei Ihnen nicht, Frau Aras, oder Sie hören es nicht mehr.
Ich höre sie, und ich bin bereit, diese Sorgen und Ängste der Menschen auch zu thematisieren und nicht zu tabuisieren. Auch das ist unsere Verantwortung.
Den täglichen Bildern von Tausenden von Menschen, die zu uns kommen, müssen – das ist meine feste Überzeugung – auch Bilder gegenübergestellt werden von vielen Hundert Flüchtlingen, die auch wieder konsequent in ihre Heimat zu rückgeführt werden. Sonst laufen wir Gefahr, dass die Stim mung in der Bevölkerung schwierig wird, dass Stimmung kippt und dass die Menschen diese Überforderung täglich noch deutlicher zum Ausdruck bringen.
Wenn Sie mit den Hilfsorganisationen reden, wenn Sie mit den Flüchtlingskreisen reden, stellen Sie fest: Ja, da ist bis heute ein hohes Maß an Hilfsbereitschaft vorhanden. Aber die Grenzen der Belastbarkeit, die zum Teil überschritten sind, die werden formuliert, die werden zum Ausdruck gebracht. Wir sollten hier im Landtag von Baden-Württemberg nicht so tun, als ob es diese Stimmung im Land nicht auch gäbe. Das würde den Interessen der Menschen nicht gerecht.
Herr Ministerpräsident, die Deutungshoheit darüber, was ei ne Scheinlösung ist und was eine wirkliche Lösung ist, liegt, mit Verlaub, nicht allein in Ihren Händen. Ich glaube, da soll ten Sie auch ein bisschen selbstkritischer ans Werk gehen, üb rigens schon mit Blick auf Ihre eigene Partei.
Es ist ja nun wahrlich nicht so, dass nur wir in der CDU zu gegebenermaßen vielschichtige Stimmen dazu haben.
Schauen Sie doch einmal in Ihre eigene Partei. Da ist es doch genauso. Das bringt auch die Differenziertheit der Positionen in der Bevölkerung zum Ausdruck. Selbstgerechtigkeit, wie sie aus Ihren Worten sprach, ist an dieser Stelle fehl am Platz, Herr Ministerpräsident.
Aus unserer Sicht muss die Devise klar lauten: Ja, Verantwor tung wahrnehmen, aber eben auch Zuwanderung begrenzen.
Man muss hier deutlich ansprechen, dass es in dieser Form natürlich nicht endlos weitergehen kann. Das müssen wir der Bevölkerung auch vermitteln. Diese Zuwanderungsströme werden wir uns auf Dauer und in diesem Tempo nicht erhal
ten können. Wir brauchen Rezepte, um diese Zuwanderungs ströme auch zu begrenzen. Darauf wartet die Bevölkerung zu Recht, Herr Ministerpräsident.
Einfach Ruhe bewahren, Herr Lede Abal. Einfach Ruhe be wahren.
Ich spüre Ihre Nervosität.
Ich würde Ihnen raten – –
Wissen Sie, wenn es darum geht, ge meinsame Lösungen zu finden, dann muss man einfach ein mal zuhören können,
auch wenn es Ihnen schwerfällt.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir natür lich in erster Linie jetzt auch mit Blick auf Europa über alle Parteigrenzen hinweg deutlich machen, dass wir diese große Herausforderung nur meistern, wenn es gelingt, diese europä ische Solidarität auch wirklich einzufordern. Wenn es nur ei nige wenige sind, die in Zeiten solcher Belastungen die gro ßen Flüchtlingsströme aufnehmen, während sich andere weg ducken, dann hat das nichts mit europäischer Solidarität zu tun, und das kritisiere ich auch an dieser Stelle.
Wenn man jetzt – was in der Zielrichtung richtig ist – europä ische Kontingente einfordert, dann ist das natürlich ein rich tiger Zwischenschritt, aber das löst immer noch nicht das Pro blem, dass damit die Zuwanderung insgesamt für alle Betei ligten Grenzen der Belastbarkeit erreichen kann und in Teilen auch erreicht hat. Auch das gehört zur Wahrheit.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir mehr denn je darauf bestehen, dass die Außengrenzen auch wirk lich konsequent gesichert werden. Der Anteil derer, die un kontrolliert in unserem Land unterwegs sind, wird von Tag zu Tag größer. Das stellt den Rechtsstaat infrage, und das kön nen und wollen wir uns in unserem Land nicht erlauben, lie be Kolleginnen und Kollegen.
Verantwortung wahrnehmen heißt nach meiner Überzeugung, dem Rechtsstaat Geltung zu verschaffen und dem Anstieg der Zahl der nicht registrierten Flüchtlinge konsequent entgegen zuwirken.
Deshalb, meine Damen und Herren, hätten wir – – Ich bleibe dabei: Ich bedaure es unverändert, dass es neben manchem, was die Große Koalition in Berlin auf den Weg gebracht hat – was in der Umsetzung auch noch ein bisschen beschleunigt werden darf –, nicht gelungen ist, an den Außengrenzen Tran sitzonen einzurichten.