Protocol of the Session on November 27, 2013

Deswegen gibt es dabei kein Schwarz und Weiß, kein „ganz richtig“ und „ganz falsch“, sondern in Abwägung all dieser Argumente und Elemente haben wir uns entschieden, diesen Weg zu gehen.

Was die finanziellen Folgen angeht, so stellt sich diese Frage eigentlich eher bezogen auf die sehr viel komplexeren und

auch teureren Geräte; denn Sie wissen, dass ein grafikfähiger Taschenrechner oder ein CAS-Gerät zwischen 150 und 200 € kostet, sodass der Einsatz von wissenschaftlichen Taschen rechnern, die deutlich günstiger sind, unter diesem Aspekt ei gentlich eine kostengünstigere Lösung ist.

Einen Punkt möchte ich auch noch ansprechen: Das alles än dert nichts daran, dass wir gemäß Bildungsplan auch bestimm te Hilfsmittel verpflichtend einzusetzen haben. Wir müssen immer zwischen der Anwendung bei der Prüfung einerseits und der Fertigkeit, mit verschiedenen Hilfsmitteln im Unter richt, im Prozess des Lernens, umzugehen, andererseits un terscheiden. Das wird nach wie vor der Fall sein. Das heißt, der Einsatz dieser Hilfsmittel wird auch zukünftig ein wich tiger Bestandteil des Mathematikunterrichts sein. Aber diese Hilfsmittel sollen eben nicht mehr im Prüfungsbereich einge setzt werden, weil wir glauben, dass wir unter den Aspekten, die ich angesprochen habe – Chancengleichheit, Sicherheit, Vergleichbarkeit der Prüfungsleistungen –, die besseren Er gebnisse erzielen und weil auch der Aspekt der besseren Leis tungen ohne Einsatz von Hilfsmitteln eine Rolle spielen soll te.

Es war eine schwierige Abwägung, und wir haben entgegen anders lautender Behauptungen die Mathematiklehrer dabei nicht im Unklaren gelassen. Das Kultusministerium hat in sei nen Fachkommissionen entsprechende Absprachen getroffen, hat mit den Fachleuten aus der schulischen Praxis gesprochen und hat auch diese Umsetzung besprochen. Wir werden, wenn es jetzt um die Umsetzung geht – wir haben noch einen ge wissen Zeithorizont vor uns – noch zahlreiche weitere Gesprä che über das Wie der Umsetzung dieses Beschlusses führen, und wir werden bei der weiteren Diskussion, nachdem sich Betroffene aus dem Bereich der Mathematik, aus dem Bereich der Fachlehrerschaft, gemeldet haben, auch mit diesen Betei ligten nochmals sprechen, um gemeinsam einen richtigen, von allen getragenen Weg zu finden.

Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Wacker das Wort.

Sehr geehrter Herr Minister, Ih re Entscheidung hat an den Schulen durchaus zu großen Irri tationen geführt, und auch die Fachwelt hat sich in weiten Tei len sehr kritisch geäußert, was offensichtlich daran lag, dass es keine umfassende Beratung mit der Fachwelt gab und dass auch keine Expertise in ausreichendem Umfang eingeholt wurde. So hat sich beispielsweise die Mathematik-Kommis sion Übergang Schule-Hochschule auf KMK-Ebene Ihrem Vorgehen gegenüber sehr kritisch geäußert.

Herr Minister, zu den Betrugsmöglichkeiten: Der grafikfähi ge Taschenrechner ist seit 2004 Bestandteil der baden-würt tembergischen Bildungsstandards und hat seither in der gym nasialen Oberstufe und auch bei den Abiturprüfungen Anwen dung gefunden. Damals wurden auch denkbare Betrugsmög lichkeiten erörtert. Aber bisher ist nicht bekannt, dass es solch eklatante Fälle des Betrugs auch tatsächlich gab. Vielleicht haben Sie Nachweise darüber, dass es tatsächlich solche Be trugsfälle unter Nutzung des Austauschs von Daten gab. Dann bitte ich aber, dies auch zu belegen und nicht einfach in den Raum zu stellen.

An den Schulen war es üblich, die grafikfähigen Taschenrech ner vorher zu resetten, d. h. Eingaben so zu löschen, dass ein

Austausch von Daten nicht möglich war. Außerdem weiß na hezu jeder, dass ein Austausch von Daten nur über eine Ka bellösung möglich ist und dass Daten nicht ohne Weiteres drahtlos an Taschenrechner übermittelt werden können. Inso fern ist das von Ihnen angesprochene Risiko ein theoretisches Risiko, und insofern ist Ihre Argumentation an dieser Stelle nicht nachvollziehbar.

Darüber hinaus gibt es eine klare Vorgabe der Kultusminis terkonferenz bezüglich der Bildungsstandards im Fach Ma thematik, in der von einer durchgängigen Verwendung digi taler Mathematikwerkzeuge im Unterricht und dann auch de ren Einsatz in der Prüfung die Rede ist. Das heißt, das spricht nicht gegen die Anwendung grafikfähiger Taschenrechner in der Prüfung.

Wie können Sie sich ferner erklären, dass der Freistaat Thü ringen den grafikfähigen Taschenrechner seit Langem auch in Abiturprüfungen zum Einsatz bringt und Nordrhein-Westfa len und Niedersachsen erst vor Kurzem eine Entscheidung da hin gehend gefällt haben, also offensichtlich einen völlig an deren Weg einschlagen als Baden-Württemberg? Warum ver lässt Baden-Württemberg hier die Linie der KMK?

Herr Kollege Wacker, die von Ihnen aufgestellte Behauptung, wir würden die Linie der KMK verlassen, trifft nicht zu. Dass andere Länder zu bestimmten Punkten andere Entscheidun gen treffen, ist im Bildungsbereich wohl nichts Ungewöhnli ches. Aber wenn wir bei der Analyse der Situation in BadenWürttemberg zu dem Schluss kommen, dass der Einsatz die ser Mittel im Rahmen der Prüfung zu Problemen führt, dann müssen wir uns mit den bei uns festgestellten Problemen be schäftigen.

Zur Frage der Chancengleichheit habe ich Ihnen meine Grün de – auch in Bezug auf die technische Weiterentwicklung die ser Geräte – vorgetragen. Wenn es um die Frage der Manipu lation geht, kann ich Ihnen sagen, dass wir deutliche Hinwei se darauf haben, dass Manipulationen vorgenommen worden sein könnten;

(Abg. Georg Wacker CDU: Könnten!)

wir haben aber keine Nachweise dafür. Allerdings gibt es Be richte Dritter, die von solchen Manipulationen oder Manipu lationsversuchen sprechen. Das muss uns zumindest hellhö rig werden lassen.

Dass diese Geräte im Rahmen ihrer technischen Weiterent wicklung, was z. B. Speicherkapazitäten und Ähnliches an geht, heute andere Möglichkeiten auch der Manipulierbarkeit bieten als noch im Jahr 2004, dürfte angesichts des dramati schen Fortschritts in diesem Bereich ebenfalls selbstverständ lich sein.

Das heißt, wir mussten diese Entscheidungen auf der Basis unserer gemachten Erfahrungen treffen. Ich denke, wir soll ten nicht die Frage, ob eine Entscheidung zu skandalisieren ist oder nicht, sondern die Auswirkungen auf den Lernerfolg der Jugendlichen im Blick haben. Wir fragen uns aufgrund der gemachten Erfahrungen, ob nicht durch ein Weniger an tech nischen Hilfsmitteln bessere Leistungen erzielt werden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU meldet sich.)

Herr Kollege Schebesta ist unzufrieden, wenn Sie sich jetzt melden.

(Abg. Georg Wacker CDU: Jeder kommt dran! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich kann die Meldung zu rückziehen, Herr Minister! – Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Jeder darf sich melden.

Das ist, finde ich, auch durchaus gerecht. – Aus diesem Grund soll ten wir in den Mittelpunkt stellen, wie wir durch einen sinn vollen Einsatz von Hilfsmitteln einen möglichst großen Lern erfolg gewährleisten können.

Das steht auch nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der KMK. Denn diese Hilfsmittel sollen weiterhin Gegenstand des Unterrichts sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen ler nen, mit diesen Geräten zu arbeiten und umzugehen. Aber die se Geräte sollen keine Conditio sine qua non im Rahmen der Prüfung sein, sondern durch den Einsatz der wissenschaftli chen Taschenrechner sollen die Jugendlichen in den Prüfun gen zeigen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie tatsäch lich haben, und zwar auch hinsichtlich eines in technischer Hinsicht vergleichbaren Niveaus.

Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. – Frau Kollegin Schmid.

Sie haben die beruflichen Gym nasien angesprochen. Mich würde erstens interessieren: Wer den dann an den beruflichen Gymnasien die gleichen Taschen rechner verwendet wie an den allgemeinbildenden?

Zweitens: Wird der Matheprüfungsteil, der ohne Hilfsmittel stattfindet, gleichwertig sein, also auf dem gleichen Niveau wie an den allgemeinbildenden Gymnasien sein, oder gibt es dort ein anderes Niveau? Wird der allgemeinbildende Teil dem beruflichen Teil angepasst?

War das unklar?

Ja.

Auf welchem Niveau wird der Mathematikprüfungsteil ohne Hilfsmittel stattfinden? Wird er auf dem Niveau der allgemeinbildenden Gymnasien stattfin den? Ist es vielleicht genau die gleiche Prüfung? Wie wird das vonstattengehen?

Um auf Ihre erste Frage zurückzukommen: Auch an den berufli chen Gymnasien wird dann nur der wissenschaftliche Ta schenrechner, der WTR, zum Einsatz kommen. Ich sprach vorhin von der Vergleichbarkeit der Abschlüsse. Diese wer den alle auf gleichem Niveau stattfinden – bei Einsatz der glei chen Hilfsmittel, um damit auch Vergleichbarkeit zu gewähr leisten.

(Zuruf der Abg. Viktoria Schmid CDU)

Der ist neu. Ja.

(Abg. Viktoria Schmid CDU: Genau!)

Das schafft auch eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den beiden Abiturprüfungen.

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Kern das Wort.

Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, dass die Entscheidung sehr wohl transparent gewesen sei und dass man auch die betroffenen Fachlehrer eingebunden habe. Gerade heute erschien eine Pressemittei lung des Philologenverbands Baden-Württemberg mit der Überschrift:

Philologenverband Baden-Württemberg... kritisiert nicht transparentes Vorgehen bei der Entscheidung über Ta schenrechnereinsatz in der Abiturprüfung ab 2017:

Die Unterüberschriften lauten:

Betroffene Fachlehrkräfte bei der Beurteilung der geplan ten Maßnahme nicht einbezogen

Auswirkungen auf Taschenrechnernutzung auch in der Sekundarstufe I ungewiss – Kostenfrage ungeklärt

Wie erklären Sie sich diese Pressemitteilung des Philologen verbands?

Diese Pressemitteilung des Philologenverbands erkläre ich mir damit, dass wahrscheinlich tatsächlich die Personen, die diese Pressemitteilung geschrieben haben und die möglicher weise auch in der Fachgruppe Mathematik aktiv sind, nicht einbezogen waren. Aber wir haben Fachleute aus der Praxis bei der Diskussion dieses Themas und auch im Vorfeld der Entscheidung mit einbezogen. Aber warum der Philologen verband da nicht beteiligt war bzw. warum der Philologenver band sagt, er sei nicht beteiligt gewesen – ich weiß ja nicht, für wen er spricht –,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Für den Philologen verband! – Minister Winfried Hermann: Die können doch nicht rechnen, die Philologen! Die können nur sprechen!)

kann ich Ihnen leider nicht sagen. Der Philologenverband saß als Philologenverband nicht am Tisch. Das kann ich bestäti gen.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Röhm das Wort.

Herr Minister, vielen Dank. – Ich habe nur eine Frage. Ich habe ein popeliges Handy; an dere haben ein Smartphone und sonstige Geräte. Beide Gerä te dürfen in die Schule mitgebracht werden; das kann man bis lang nicht verbieten. Sollte man aber nicht generell solche Ge räte in der Schule verbieten, um Ungerechtigkeiten zu vermei den? Benutzen darf man sie nicht; das ist klar. Aber der eine hat die Chance, damit, wenn er es benutzt, etwas zu machen. Ich hätte vielleicht bei Ihnen abgeschrieben – weil ich anneh me, dass Sie in Mathe gut waren –, wenn Sie neben mir ge sessen hätten.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Das ist die eine Frage. Es geht also um die Frage der Abschaf fung aus Gerechtigkeitsgründen. Sollten deshalb solche Ge räte an unseren Schulen nicht prinzipiell verboten werden?

Zweite Frage: Glauben Sie, dass die Kollegen, die bei Abitur prüfungen Aufsicht führen, durchaus in der Lage sind, eine Kabelverbindung zu erkennen, oder trauen Sie ihnen das nicht zu? Ich würde notfalls auch die Schere nehmen, um diese um gehend durchzuschneiden.

(Unruhe)