Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich be antworte für die Landesregierung die Fragen des Kollegen Wacker wie folgt:
Zunächst einmal ist die Notwendigkeit, dass wir uns alle an der Haushaltskonsolidierung beteiligen müssen, Ausgangs punkt aller Maßnahmen in allen Fachressorts. Da fängt das Problem schon an, ein Problem, bei dem Sie nicht mit dem Finger auf andere zeigen sollten.
Es ist eine nicht zu verleugnende Tatsache, dass diese Landes regierung im Hinblick auf die Schuldenbremse unter dem Druck, unter dem Zwang steht, den Haushalt schuldenfrei zu gestalten, und dabei eine Deckungslücke, ein strukturelles De fizit im Haushalt zu beseitigen hat, das von Ihnen in Ihrer Fi nanzplanung hinterlassen wurde und sich auf ursprünglich 2,5 Milliarden € im Jahr belaufen hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Entscheidun gen in diesem Zusammenhang nicht auf große Freude stoßen, wenn es darum geht, Zahlungen zu verringern bzw. Leistun gen zu kürzen, ist nicht verwunderlich. Sie wissen, dass wir zum Haushalt 2013/2014 im Bildungsbereich eine Streichung von Lehrerstellen beschlossen haben, die letztlich aber be gründet werden kann, da in diesem Zeitraum – wie schon in der Vergangenheit in Ihrer Regierungszeit und wie auch in Zu kunft – die Schülerzahlen stark abnehmen werden.
Für die Erfüllung des Sparziels für das Schuljahr 2014/2015 spielt auch eine Rolle, wie hier ein Sparbeitrag erzielt werden kann. Es wurde in der Tat über eine vollständige Abschaffung der Altersermäßigung diskutiert. Ich glaube, es ist durchaus beachtenswert, dass wir in den letzten Wochen und Monaten in Gesprächen mit den Lehrerverbänden, aber auch mit vie len Lehrerinnen und Lehrern, Schulleiterinnen und Schullei tern festgestellt haben, dass eine vollständige, ersatzlose Strei chung der Altersermäßigung, was die Lehrerinnen und Leh rer und ihre Arbeitsqualität angeht, eine äußerst schwierige Maßnahme gewesen wäre.
Deswegen freut es mich, dass wir es geschafft haben, auf der Ebene der Regierungsfraktionen einen Kompromiss zu schlie ßen, der beinhaltet, dass eine Lösung gefunden wurde, die der Arbeitsleistung der Lehrerinnen und Lehrer, aber auch den Problemen und der konkreten Belastungssituation, die aus die ser Arbeitsleistung resultieren, gerecht wird. Deswegen ist, glaube ich, die beschlossene Verschiebung der Altersermäßi gung auf 60 bzw. 62 Jahre ein vertretbarer, wenn auch nicht wünschenswerter Kompromiss.
Lassen Sie mich dazu ergänzend sagen: Auch hier gilt wieder der Satz, dass man nicht mit Steinen werfen sollte, wenn man im Glashaus sitzt. Wenn ich mir die Dramaturgie der letzten 15 Jahre anschaue, dann waren es die Vorgängerregierungen unter CDU-Führung, die schrittweise Einschnitte bei der Al
tersermäßigung vorgenommen haben. Sie wissen genau wie ich, dass ursprünglich alle Lehrerinnen und Lehrer im Alter von 55 Jahren zwei Stunden Ermäßigung hatten. Dies wurde schrittweise zurückgeführt bis zu dem aktuell gültigen Stand, nämlich eine Ermäßigungsstunde ab 58 Jahren und zwei Er mäßigungsstunden ab 60 Jahren.
Ich sage auch ganz deutlich: Wir nehmen die Belastungssitu ation der Lehrerinnen und Lehrer – das war Teil Ihrer Frage – sehr ernst.
Die Belastungssituation stellt sich für die Lehrerinnen und Lehrer so dar, dass es für sie mit zunehmendem Alter immer schwieriger wird, ihre Dienstpflichten zu erfüllen, weil sie merken, dass die Erbringung ihrer Arbeitsleistung an Gren zen stößt. Deswegen hat schon die Vorgängerregierung im Be reich der Gesundheitsvorsorge und der Prävention zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Damals war ursprünglich von einem Finanzierungsvolumen von 4,2 Millionen € ausgegangen wor den, das letztlich dann aber auf 3 Millionen € reduziert wur de.
In diesem Bereich wurden bereits vielfach Maßnahmen ein geleitet, die von uns fortgeführt werden. Als Beispiel nenne ich, dass die Vorgängerregierung den Orientierungsrahmen für das Gesundheitsmanagement in der Landesverwaltung be schlossen hat. Seit dem Schuljahr 2012/2013 konnten dadurch landesweit zahlreiche Angebote zur Gesunderhaltung und Ge sundheitsprävention realisiert werden. Als Beispiele nenne ich die Fortbildungsmaßnahme „10plus – Motiviert und gesund bleiben im Lehrberuf“, die Begleitung in der Berufseingangs phase, die Fortbildungsmaßnahme „Ressource Ich – der Um gang mit sich selbst und anderen“, die u. a. auch Bewälti gungsstrategien für Stresssituationen ermöglichen soll, und auch die Fortbildungsreihe für das Schulleitungspersonal „Zu frieden und gesund arbeiten – Lehrergesundheit als Führungs aufgabe“.
Sie hatten auch gefragt, in welchem Umfang Einsparungen einträten. Durch die Verschiebung der Altersermäßigung wird ein Einspareffekt von ca. 450 Deputaten eintreten. Wir wol len allerdings auch prüfen, inwieweit die Maßnahmen, die ich gerade aufgezählt habe, frühzeitig intensiv und punktgenau für die Lehrerinnen und Lehrer, die unter Stresssymptomen leiden, eingesetzt werden, sodass die Probleme möglichst erst gar nicht entstehen.
Herr Minister, Sie haben eben schon das Glashaus angesprochen. Wie bewerten Sie die Vor gänge hinsichtlich des Umgangs mit der Altersermäßigung unter der alten Landesregierung? Damals wurde beispielswei se die Streichung der Altersermäßigung für Lehrkräfte an Haupt-, Real- und Sonderschulen als rechtswidrig eingestuft, sodass die alte Landesregierung zurückrudern musste. Wie be werten Sie das Verhalten der alten Landesregierung 2008, als Kultusminister Rau die komplette Streichung der Altersermä ßigung gefordert hat, im Zusammenhang mit den Aussagen, die heute vorgebracht wurden?
Frau Kollegin Boser, hier besteht in der Tat ein starker Wider spruch. Ich denke jedoch, wir sollten alle – das war damals vermutlich auch das Ergebnis des Überlegungsprozesses – nach intensiver Prüfung der Situation versuchen, die richtige Lösung zu finden. Ich unterstelle der früheren Landesregie rung, dass sie damals diese Gespräche auch geführt hat, dass sie damals auch zu der Erkenntnis gelangt ist, dass es besser ist, diese besondere Belastungssituation der Lehrer entspre chend anzuerkennen.
Ergänzend möchte ich noch anfügen, dass für Lehrerinnen und Lehrer natürlich auch die Möglichkeit besteht, ihr Deputat zu reduzieren und so auf die besondere Belastungssituation zu reagieren. Dies ist allerdings dann ebenso wie für andere Be amtinnen und Beamte mit entsprechenden Einkommensein bußen verbunden. Wir müssen auch immer sehen, dass die Lehrerinnen und Lehrer im Kontext der anderen Beschäftig ten im öffentlichen Dienst zu betrachten sind.
Deswegen glaube ich, dass die Maßnahme, die jetzt getroffen wird, zum einen den hohen Symbolgehalt der Altersermäßi gung aufgreift und den Lehrerinnen und Lehrern Wertschät zung für ihre Tätigkeit vermittelt und zum anderen auf die be sondere Belastungssituation in der späten Phase des berufli chen Lebens eingeht. Darüber hinaus gibt es weitere Möglich keiten wie z. B. die Reduzierung des Deputats im Alter von 58 Jahren. Ich glaube, dadurch können wir relativ gut auf die Belastungssituation der Lehrerinnen und Lehrer eingehen.
Ich will nochmals sagen: Ich bin froh, dass die frühere Regie rung damals unter Abwägung der Tatsachen zu diesem Ent schluss gekommen ist. Ich bin auch froh, dass wir hier diesen Kompromiss finden konnten. Ich glaube, die Lehrerinnen und Lehrer, die von dieser Maßnahme profitieren, werden, wenn sie den Vergleich zu einer vollständigen Abschaffung der Al tersermäßigung ziehen, sagen, dass die jetzt gefundene Lö sung für sie akzeptabel sei.
Herr Minister, die späten Berufsjahre eines Lehrers – das habe ich erlebt – sind nicht immer belastend. Sie können auch beglückend sein.
Wir sollten daher nicht immer nur von Belastung reden. Das sei einmal deutlich gesagt. Das ist ein bisschen eine Unkul tur, die hier durch das Land geht.
Herr Kollege Wacker hat die Altersreduktion als Teil der Wert schätzung für Lehrer gekennzeichnet. Meine Frage ist: Inwie fern kommt Ihre Wertschätzung der Altersreduktion auch an deren Beamtengruppen und vor allem den tarifangestellten Lehrern und anderen Tarifangestellten in den Schulen – Sozi alarbeiter, Therapeuten, etc. – zugute, die ja – wenn man schon davon spricht, sollte dies nicht unerwähnt bleiben – vergleich bar belastet sind?
Herr Kollege Haller, Ihre Frage ist wohl vor dem Hintergrund Ihrer reichhaltigen beruflichen Erfahrung in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Dienstes aufzufassen. In der Tat stellt sich natürlich für andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes die Frage der Gleichbehandlung. Sie haben vollkom men recht. Die Wertschätzung des Berufs der Lehrerin oder des Lehrers kann nicht allein an der Frage der Altersermäßi gung festgemacht werden. Aber in Gesprächen und auch dann, wenn wir die Diskussionen über dieses Thema Lebensarbeits zeit und Lehrerarbeitszeit der letzten Jahre, sogar der letzten Jahrzehnte betrachten, stellen wir fest, dass das Thema Alters ermäßigung immer mit einem besonders hohen Symbolgehalt behaftet war und ist.
Ich glaube, es ist in einer politischen Bewertung der Aus gangssituation auch zu berücksichtigen, dass nicht durch „fal sche“ Symbolik auch ein doch zumindest so verstandenes Missfallen oder Unwerturteil abgegeben wird. Deswegen glau be ich, dass wir eine solche Betrachtung der Dinge zumindest in unsere Diskussionen einstellen müssen.
Herr Kollege Wacker hat vorhin noch eine Frage aufgewor fen, deren Beantwortung ich an dieser Stelle gern einflechten möchte. Natürlich sollten wir alle – das war auch schon Auf gabe mehrerer Kommissionen, die sich mit diesem Thema be schäftigt haben – die Frage der konkreten Belastungssituati on während einer Lebensarbeitszeit einer Lehrerin oder eines Lehrers durchaus einmal grundsätzlicher prüfen. Viele junge Lehrerinnen und Lehrer sagen mir, in der Berufseinstiegspha se ein volles Deputat gleich aus dem Stand zu schaffen ist schwierig, ist harte Arbeit, und es wäre vielleicht für eine hö here Qualität der Arbeit sinnvoll – so sagen mir junge Lehre rinnen und Lehrer –, da nicht gleich mit einem vollen Depu tat starten zu müssen.
Punkt 2: Man könnte natürlich darüber nachdenken, in der Phase, in der Lehrerinnen und Lehrer – ich sage es jetzt einfach einmal so – voll belastungsfähig sind – nennen wir es Anspar phase –, in der Phase zwischen dem 30. und dem 50. Lebens jahr – –
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Lebensarbeitszeit modell! Wunderbar! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Lebensarbeitszeitkonto!)
Herrn Kollegen Schebesta fällt immer etwas ein, es geht aber meist in den Schleier der Akustikkuppel hoch.
Also: Jedenfalls wäre es nach Aussage der Lehrerinnen und Lehrer, was die Belastbarkeit angeht, was auch die Erfahrung
angeht, möglich, in dieser Ansparphase auch über das Depu tat hinaus vielleicht Stunden zusätzlich zu leisten.
Somit bestünde durchaus auch die Möglichkeit, darüber nach zudenken, zu einem späteren Zeitpunkt, in einer Phase, in der die Belastbarkeit nicht mehr so hoch ist, quasi von diesem an gesparten Kapital entsprechend wieder etwas – ich sage es jetzt einmal so – abzuschmelzen.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, lade ich Sie ein – das ist wirklich eine offene Einladung – –
Herr Kollege Röhm, wenn das alles so einfach wäre, dann hätten wir das doch schon. Sie hatten ja lange genug Zeit, um das zu machen.
(Beifall bei der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Aber ihr habt euch nie einladen lassen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da haben Sie dagegen ge schafft, wenn auch nicht Sie persönlich!)