Protocol of the Session on October 10, 2013

Alles richtig. Wir sind ja in einer konsensualen Debatte. Es besteht aber immer noch ein Problem, und wir wollen die Si tuation verbessern und dem Ziel näherkommen.

Migrantinnen und Migranten in Polizeiuniform, das muss das Ziel sein. Diese Zahlen müssen verbessert werden, denn sie sind ein Zeichen dafür, dass Integration gelingt und gelingen kann, und sie sind ein Zeichen dafür, dass wir eine Bürgerpo lizei haben. Denn es darf nicht sein, dass in unserer Polizei drei Millionen Baden-Württemberger nicht in entsprechen dem Umfang auch im Straßenbild, bei den Beschäftigten der Polizei, bei den Beamtinnen und Beamten tatsächlich reprä sentiert sind. Der Anteil der Migrantinnen und Migranten an der Bevölkerung muss sich auch in der Bürgerpolizei wider spiegeln. Dies wird auch die Akzeptanz der Polizei in den Be völkerungskreisen erheblich steigern.

Man muss sich nur einmal vorstellen: Es sind immer Extrem situationen, in denen die Polizei auftreten muss und in denen sie einschreiten muss. In diesen Extremsituationen ist die kul turelle Unterschiedlichkeit von besonderer Bedeutung. Die Sensibilität und die sprachliche Fähigkeit, sich in dieser Situ ation angemessen zu verhalten, wird erhebliche Vorteile brin gen.

Das Ziel muss ein Anteil von 25 bis 26 % Migrantinnen und Migranten im Polizeidienst sein. Im Moment sind wir nach den Zahlen, die ich habe, bei einem Anteil von 8 %. Aber der Anteil ist im Steigen begriffen. Wir sind bei den Neueinstel lungen, bei den anonymisierten Bewerbungen schon bei 16,3 %. Irgendwann wird also einmal ein Aufwuchs zu ver zeichnen sein. Der Anteil bei denen, die sich um eine Ausbil dungsstelle bewerben, liegt schon – auch das ist ein positives Signal bei den Angaben, die uns vorliegen – bei über 26 %.

Deswegen mein Appell aus diesem Raum heraus: Es genügt nicht, dass der Polizeisprecher der SPD-Fraktion einen Mig rationshintergrund hat. Wir brauchen auch Polizisten mit Mi grationshintergrund. Denn ein Polizeibeamter mit Migrations hintergrund in Uniform ist der Ausdruck von gelebter Integ ration in Baden-Württemberg. Wir laden Sie ein: Kommen Sie zur Polizei.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Blenke.

Herr Präsident, verehrte Kolle ginnen und Kollegen! Wir haben in Baden-Württemberg eine Bürgerpolizei, und diese Bürgerpolizei ist ein Spiegelbild un serer Gesellschaft. Die Polizei ist gerade deshalb bei uns so stark und so bürgerfreundlich, weil ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sich die unterschiedlichsten Lebensläufe, die unterschiedlichsten Wurzeln, Prägungen und Fähigkeiten ver einen. Das alles macht die Mitarbeiterschaft unserer Polizei so gut. Darüber haben wir – Kollege Sakellariou hat es eben schon gesagt – sicherlich auch breite Einigkeit hier im Haus.

In dieses Bild passen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund genau hinein. Sie haben seit Langem einen festen Platz in der Polizei, und man mag sie sich auch nicht mehr wegdenken.

Ich muss allerdings sagen: Die Aktualität der Aktuellen De batte, lieber Kollege Sakellariou, erschließt sich mir auch nach Ihrer Rede jetzt nicht so ganz.

(Abg. Walter Heiler SPD: Immer aktuell! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Überhaupt nicht!)

Zum einen haben wir hier erst vor einem Dreivierteljahr über einen absolut inhaltsgleichen SPD-Antrag debattiert,

(Zuruf von der SPD: Das ist eine lange Zeit!)

und zum anderen gibt es – Sie sagten es selbst – seit Mitte der Neunzigerjahre Migranten in der Polizei, und wir sind uns in der Zielsetzung völlig einig.

Was man aber noch Neues erwähnen könnte – das will ich ausdrücklich tun –, sind das Verdienst, der Einsatz und die Be deutung von Migranten oder Personen mit Migrationshinter grund auch in anderen Bereichen der öffentlichen Sicherheit – ich nenne einmal Feuerwehren, Rettungsdienste, Katastro phenschutz –, und dort in hohem Maß im Ehrenamt. Dort wer den zunehmend auch Personen mit Migrationshintergrund tä tig. Das ist ein Wert, den wir, finde ich, auch einmal deutlich hervorheben sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. An dreas Glück FDP/DVP – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das muss noch besser werden!)

Sehr geehrter Herr Minister, Sie wissen natürlich, was jetzt kommt; das kann ich Ihnen nicht ersparen: Dieses ehrenamt liche Potenzial könnte man gerade auch für die Polizei nut zen. Deswegen auch hier: Es ist völlig kontraproduktiv, dass Sie ausgerechnet den Freiwilligen Polizeidienst, mit dem man das nutzen könnte, auflösen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Die Polizei selbst ist aber auf einem guten Weg. Das zeigen die verschiedenen Projekte, die es gibt. Ich finde es auch gut – das will ich ausdrücklich loben –, dass diese Projekte nicht nur von oben, von der Regierung, vom Ministerium verord net werden, sondern aus der Polizei selbst kommen: „Streife im Quadrat“ in Mannheim oder ein Migrantenwerbepro gramm, das, glaube ich, das Polizeipräsidium Karlsruhe ge rade entwickelt. Es kommt sicherlich nicht von ungefähr, dass das vor allem in den Großstädten beginnt. Aber ich will aus drücklich sagen: Das ist durchaus auch für die Dienststellen im ländlichen Raum von Interesse.

Wenn wir also heute bereits zwischen 15 und 20 % Polizeian wärter mit Migrationshintergrund haben, so ist das absolut po sitiv. Ein Mitarbeiter bei der Polizei, ein Polizist mit Migrati onshintergrund versteht oft die Muttersprache seines Gegen übers. Dies erleichtert ihm die Arbeit, weil er versteht, was der andere sagt, hilft aber auch, Barrieren abzubauen. Er ver steht vielleicht kulturelle Besonderheiten und kann dadurch sensibel auftreten. Und nicht zuletzt – das darf man auch nicht vergessen –: Er kann auch eine gewisse Vorbildfunktion für sein polizeiliches Gegenüber haben.

Deshalb will ich aber auch eines noch sagen, was für uns als CDU unabdingbar ist. Es darf bei den Einstellungen von Per sonen mit Migrationshintergrund, die wir sehr begrüßen, kei ne Abstriche bei den Anforderungen geben,

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch und Konrad Epple CDU)

insbesondere nicht bei den Anforderungen hinsichtlich der Sprachkompetenz.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Wieso denn?)

Jetzt warten Sie doch. Lassen Sie mich doch ausreden. – Herr Minister, Sie haben bei der letzten Debatte, die gerade ein Dreivierteljahr zurückliegt, ausdrücklich gesagt, dass Sie da auch entsprechende Nachqualifizierungsangebote machen wollen. Das ist in Ordnung; diese Auffassung teilen wir, das ist gut. Sie sprachen damals von einer zweiten Chance. Das ist absolut zu begrüßen. Aber Abstriche darf es da nicht ge ben. Am Ende muss stehen, dass der ausgebildete Polizist in Baden-Württemberg auch in Schrift und Sprache fließend Deutsch können muss. Das ist der Hintergrund, Frau Kolle gin Lindlohr, um den es geht.

Meine Damen und Herren, insgesamt als Fazit – die Kollegin Gurr-Hirsch wird in der zweiten Runde noch aus integrations politischer Sicht Stellung nehmen – möchte ich sagen: Mit bürger mit ausländischer Abstammung, die sich hier bei uns in Baden-Württemberg den Schutz der deutschen Rechtsord nung zum Beruf und auch zur Berufung machen, sind für mich ein Signal der Integration, das besser kaum vorstellbar ist. Das ist toll, und das muss man ausdrücklich so anerkennen.

In diesem Sinn vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Frau Abg. Häffner.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die Polizei ist eine Bürgerpolizei. Sie ge nießt in der Gesellschaft eine hohe Anerkennung, jeder ein zelne Beamte und jede einzelne Beamtin. Das Thema Integ ration ist bei der Polizei genauso zu Hause, wie es in der Ge sellschaft selbst schon vorhanden ist.

Gestern waren sich bei dem Thema Integration im Kern und in der Grundlage auch alle einig. So sind wir uns auch heute – Herr Kollege Blenke hat es bereits erwähnt – alle sehr ei nig. Dass Migranten Berufe erlernen, die den Staat repräsen tieren, ist ganz wichtig für die Integration selbst bzw. auch ein Zeichen nach außen hin, dass Menschen mit Migrationshin tergrund bei uns zu Hause sind.

Ganz klar ist aber auch eines – das haben wir hier auch schon öfter angesprochen –: Die Polizei hat ein Personalproblem, einen Personalmangel. In wenigen Jahren werden mehr als 40 % der Polizisten in Pension gehen, sie werden ihre Arbeit im Polizeidienst beenden. Diese Menschen müssen irgendwie ersetzt werden. Die Polizei steht hier auch in Konkurrenz mit der Wirtschaft und mit dem Handwerk.

Menschen mit Migrationshintergrund sind dementsprechend für uns eine Ressource, die wir ganz dringend als Personal nachwuchs brauchen. Wir haben hier also ein Problem, das wir angehen wollen.

Dabei ist mir sehr wichtig, dass wir die Menschen mit Mig rationshintergrund nicht nur als Arbeitnehmer sehen und ih nen Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, sondern dass wir die

Vielfalt schätzen, die Menschen mitbringen, die hier gemein sam in einer Gesellschaft leben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Es geht darum, dass wir die Qualitäten schätzen, dass wir uns gegenseitig bereichern und dass wir es auch als Bereicherung sehen.

Es darf nicht sein, dass in der Polizei tatsächlich Witze ge macht werden, wie mir berichtet worden ist. Es kann nicht sein, dass ein Kollege mit Migrationshintergrund anwesend ist und Witze über Ausländer gerissen werden. Das darf ein fach nicht sein. Das heißt, da gibt es noch einen Mangel an Integration. Wir sind noch nicht angekommen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Unruhe)

Das gibt es bestimmt auch in anderen Bereichen, aber das gibt es auch innerhalb der Polizei.

Zu einem weiteren wichtigen Aspekt: Herr Kollege Sakella riou ist vorhin auf den Kriminalbeamten in Reutlingen einge gangen, der als Bester seines Jahrgangs seinen Masterab schluss gemacht hat. In einem Artikel steht auch drin, dass es für ihn wichtig war, dass er aufgrund seiner Leistung aner kannt wird und nicht nur deshalb, weil er einen Migrations hintergrund hat. Auch dies ist ein wichtiger Aspekt. Wir müs sen den Menschen sehen und dürfen nicht unterscheiden zwi schen Menschen mit Migrationshintergrund und solchen oh ne Migrationshintergrund. Vielmehr muss zählen, was für Qualitäten er hat. Es muss heißen: Es steht ein Mensch vor mir, der etwas leisten will und sich in diese Gesellschaft ein bringen will.

Das heißt: Fremdes, Unbekanntes kommt in unser Leben. Wir haben interkulturelle Erkenntnisse, wir erwerben sie dadurch, wir brauchen aber auch interkulturelle Kompetenz.

In diesem Zusammenhang möchte ich ein ganz ausdrückli ches Lob an die Polizei aussprechen. In diesem Bereich ist die Polizei schon lange in einer Vorreiterrolle. Im Gegensatz zu anderen Verwaltungseinrichtungen haben wir hier tatsächlich das Thema Migration schon seit Jahren erkannt. Es wird dar an gearbeitet. In diesem Bereich wird auch weitergebildet und werden Fortbildungsangebote gemacht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es wurde auch die Ausnahmeregelung eingeführt, dass auch Migranten ohne deutsche Staatsangehörigkeit bei der Polizei arbeiten dürfen. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir das Ziel der doppelten Staatsangehörigkeit aus den Augen verlie ren sollten. Genau da müssen wir hin. Das wollen wir haben, und das ist auch eine wichtige Voraussetzung für viele Men schen; sie leben bei uns, wollen aber ihren Pass nicht abge ben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Herr Deuschle, gestern beim letzten Tagesordnungspunkt des Plenums, bei dem die Integration das Thema war, hat mich dann doch ein Stück weit erschreckt, dass Sie gesagt haben: „Am Ende der Integration sollte ganz klar die deutsche Staats bürgerschaft stehen.“ Ich frage mich: Wann ist Integration be

endet? Ich sehe Integration tatsächlich als einen Prozess. Ist es dann tatsächlich so, dass das Ziel darin bestehen muss, dass es am Ende eine deutsche Staatsbürgerschaft gibt?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Es kann!)

Es kann. Genau, Herr Zimmermann. Es kann.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber jeder Prozess endet! – Unruhe – Glocke des Präsiden ten)