Protocol of the Session on October 9, 2013

Klar ist aber, dass wir die Priorisierung entsprechend dieser fünf Kriterien vornehmen werden. Wir haben auch schon ziemlich genau gesagt, wie wir uns die Gewichtung vorstel len. Einen gewissen Spielraum halten wir uns offen; wir müs sen einfach schauen, wie wir gute Abstufungen zwischen den einzelnen „Körben“ hinbekommen. Niemand braucht Sorge zu haben, dass wir uns damit eine politisch motivierte Wunsch liste zusammenstricken könnten. Das wäre schlicht unmög lich, wenn man sich auf Kriterien und einen engen Korridor für die Gewichtung festlegt und dann 158 Maßnahmen ver gleicht.

Ich möchte an dieser Stelle sagen: Wir hätten uns gewünscht, diese Prozesse hätten schon früher so transparent stattgefun den.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Denn wie war es denn in der Vergangenheit? In der Vergan genheit war nicht nachvollziehbar und nicht begründet, war um manche Maßnahmen begonnen wurden und manche im mer weiter nach hinten geschoben wurden. Das hatte oft po litische Gründe, die nicht unbedingt nachvollziehbar waren.

Wir gehen jetzt mit einem klaren, transparenten Verfahren vor, bei dem landeseinheitlich die gleichen Kriterien angelegt wer den. Dann kann man über die Ergebnisse diskutieren, aber es handelt sich um ein klares Verfahren, das für alle nachvoll ziehbar ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin.

Die vorgesehenen 60 Minuten für die Regierungsbefragung sind abgelaufen. Wir beenden damit Punkt 5 der Tagesord nung, die Regierungsbefragung.

Wir kommen zu Punkt 6 der Tagesordnung:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Finanzen und Wirtschaft – Vergaberecht – Möglichkeiten einer ökologischen und sozialen Beschaf fung im Land weiterentwickeln – Drucksache 15/3001

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Abg. Schwarz.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Bund, Länder und Kommunen geben für Waren und Dienstleistungen in jedem Jahr rund 360 Mil liarden € aus. Das sind 16 % des Bruttoinlandsprodukts. Durch eine ökologische und soziale Ausrichtung des Vergaberechts können wir demnach großen Einfluss auf eine faire, ökologi sche und soziale Gestaltung des Handels nehmen.

Mit dem Beschaffungswesen haben Land und Kommunen ein wichtiges Instrument zur Förderung des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit. Aufgrund der hohen Nachfrage der öffent lichen Hand kann ein ökologisch ausgerichtetes Beschaffungs wesen Produktinnovationen fördern und zur Verbreitung der Akzeptanz von umweltfreundlichen und energieeffizienten Produkten beitragen.

(Beifall der Abg. Jürgen Filius und Nikolaus Tschenk GRÜNE)

Für viele Bürgerinnen und Bürger ist es bereits heute selbst verständlich, beim Kauf von Produkten auf Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit zu achten, und, Herr Staatssekre tär, auch für viele Landesbehörden ist das schon heute selbst verständlich. Wir sind Ihnen dankbar, dass Sie zu unserem An trag eine so umfangreiche Stellungnahme vorgelegt haben, dass Ihr Haus und die anderen Häuser so umfangreich zusam mengetragen haben, was bereits heute in Landesbehörden und in kommunalen Behörden unter dem Gesichtspunkt sozialer, ökologischer und fairer Beschaffung getan wird. Wir denken, dass wir da auf einem guten Weg sind.

Umweltfreundliche Produkte sind oftmals nicht teurer als kon ventionelle Produkte. Denken Sie beispielsweise an Recyc lingpapier und nachfüllbare Druckerpatronen; das werden Sie im Privathaushalt oft selbst berücksichtigen. Auch auf Ener gieeffizienz werden Sie bei der Beschaffung Ihrer Produkte Wert legen, weil Sie damit unter dem Strich bares Geld spa ren.

Wenn wir über das Vergabewesen des Landes sprechen, müs sen wir also schauen: Wie können wir Gesichtspunkte von Umwelt und Nachhaltigkeit, quasi den ökologischen Fußab druck, noch stärker im Vergaberecht berücksichtigen? Der Bund, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt uns diese Mög lichkeit. Er sagt ganz klar: Es können zusätzliche soziale und umweltbezogene Aspekte in Landesgesetzen geregelt werden.

Zur ökologischen und sozialen Beschaffung gehört unseres Erachtens auch, dass Landesbehörden und Kommunalbehör den keine Waren, die durch ausbeuterische Kinderarbeit her gestellt worden sind, beschaffen. Ferner gilt, dass die ILOKernarbeitsnormen berücksichtigt werden, dass also keine

Zwangsarbeit stattfindet, dass die Entgeltgleichheit für die Be zahlung von Frauen und Männern eingehalten wird und dass ein Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf unterstützt wird.

Diese Grundsätze des fairen Handels müssen noch stärker im Vergabewesen Berücksichtigung finden. Einen Teil haben wir in Baden-Württemberg schon umgesetzt, und zwar mit dem Tariftreuegesetz, das der Landtag beschlossen hat. Damit ach ten wir zumindest darauf, dass gute Arbeitsbedingungen und ein Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen gegeben sind.

Wir alle zusammen haben durch die Änderung des Bestat tungsgesetzes, die ebenfalls durch den Landtag erfolgt ist, den Kommunen eine Handreichung gegeben, dass sie in ihren Friedhofssatzungen die Verwendung von Grabsteinen, die durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden sind, ausschließen können.

Auf diesen Wegen sollten wir weitergehen; denn wir sehen durchaus Handlungsbedarf, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Klimaschutzgesetz, das wir hier im Landtag verabschie det haben, sieht vor, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um 25 % und bis zum Jahr 2050 um 90 % gegen über dem Jahr 1990 zu reduzieren. Wenn es uns also mit dem Klimaschutz ernst ist, dann müssen wir auch schauen, wie bei den Beschaffungsvorgängen und Vergabeprozessen des Lan des und der Kommunalbehörden Umweltgesichtspunkte stär ker einfließen können. In unseren Augen müssen wir daher prüfen, ob wir uns auf den Weg machen, ein Landesvergabe gesetz zu erlassen. Andere Bundesländer haben das. Andere Bundesländer greifen den Aspekt der Tariftreue in Landesver gabegesetzen auf. Wir möchten gern anregen, die Aufnahme der ökologischen Aspekte und der Aspekte des fairen Handels in ein Landesvergabegesetz zu prüfen.

Wir sehen auf der anderen Seite schon, dass es derzeit sehr viele Labels und Nachweissysteme gibt. Auf dem Markt gibt es sehr viele Agenturen, die einen Nachweis für faire Beschaf fung anbieten. Für die Vergabestellen ist es nicht immer leicht, herauszufinden, wie das rechtskonform machbar ist. Deshalb sind wir dem Ministerium dankbar, dass es für Landesbehör den und für Kommunalbehörden Schulungsangebote gibt. Al lein durch die Information und durch eine stärkere Akzeptanz kann sehr wohl sehr viel erreicht werden. Schließlich brau chen die Vergabestellen eine verlässliche Arbeitsgrundlage. Sie müssen genau wissen, wie sie vorzugehen haben, um fair gehandelte Produkte zu erwerben und gemäß den Grundsät zen von Fair Trade vorzugehen. Das ist den Firmen, die sich beteiligen, ebenfalls wichtig. Auch Handwerksbetriebe, Zu lieferer und andere Unternehmen, die quasi auf der anderen Seite des Vergabeprozesses stehen, brauchen Rechtssicher heit.

Wenn wir uns jetzt aber anschauen, was andere Bundesländer gemacht haben, dann stellen wir fest, dass die eingeführten sozialen und ökologischen Standards bei der Vergabe durch die öffentliche Hand weiter gehende Impulse geben und auch die Bieter, also die Firmen und Handwerksbetriebe sowie die Zulieferer, sich dann stärker auf ökologische und soziale Kom ponenten sowie auf den Grundsatz des fairen Handels einstel len.

Das heißt, die Bieterseite, die Wirtschaft, ist auf diesem Weg bereits unterwegs, und diesen Weg wollen auch wir gern wei

tergehen. Wir wollen gern zusammen mit Ihnen prüfen, inwie fern ein Landesvergabegesetz Möglichkeiten schaffen kann, den Grundsatz des fairen Handels, der Nachhaltigkeit stärker im Vergabewesen zu berücksichtigen.

Wir brauchen in diesem Bereich Rechtssicherheit.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wir sehen aber sehr wohl, dass der derzeitige Rechtsrahmen noch weiterentwickelt werden kann. Das gehen wir gern mit Ihnen zusammen an.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Löffler das Wort.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ist mein Hemd jetzt fair hergestellt oder nicht?)

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das europäische Vergaberecht ist im Umbruch. Ökologische und soziale Kriterien dürfen künftig bei öffentlicher Beschaffung einfließen. Auch der nationale Gesetzgeber hat im GWB, dem Gesetz gegen Wettbewerbs beschränkungen, den Boden dafür bereitet. Meine Fraktion begrüßt es daher, wenn wir im Land das Vergaberecht in die se Richtung vorsichtig weiterentwickeln. Ich sage bewusst „vorsichtig“; denn trotz aller Reformbestrebungen bleibt das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Spar samkeit das Primat des Vergaberechts.

Wer wie das Berliner Vergaberecht Frauenförderung zum so zialen Vergabekriterium macht, wer aus ökologischen Grün den ein bestimmtes Gütesiegel fordert, diskriminiert, schränkt die Entscheidungsfreiheit der Bieter ein und verletzt europä isches Gemeinschaftsrecht. Wer für die Beschaffung soziale und ökologische Kriterien will, muss wissen, dass sie keinen ideologischen Wunschzettel erfüllen, sondern dass sie mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen müssen. Der Bieter muss alle Kriterien aus den Verdingungsunterlagen kennen, und die öffentliche Hand hat transparent und diskriminie rungsfrei damit umzugehen.

Nichts ist so unübersichtlich, nichts ist so zersplittert wie das Vergaberecht. Wir finden in Europa eine komplexe Rechtsma terie, gefolgt vom GWB auf nationaler Ebene, und unter schiedliche Vergabeverordnungen in den Ländern, die sich durch VOB/A, VOL/A, VOF weiter aufspalten und noch durch unterschiedliche Tariftreuegesetze flankiert werden. Dieser Flickenteppich führt nicht nur bei kommunalen Gebietskör perschaften zu Rechtsunsicherheit, auch für viele Unterneh men ist das Vergaberecht zu aufwendig, zu kompliziert. Von vielen Mittelständlern höre ich das Zitat des Sachsenkönigs Friedrich August III. bei seiner Abdankung: „Macht doch eu ren Dreck alleene!“

Was ist das Ergebnis? Weniger Angebote, weniger Wettbe werb, höhere Preise und Mehrbelastung für die öffentliche Hand. Ein länderübergreifendes, einheitliches Vergaberecht würde mehr Transparenz, höhere Rechtssicherheit, mehr Wett bewerb schaffen und die Haushalte nachhaltig entlasten. Aber ich mache mir keine Illusionen: Zu einer staatsvertraglichen Lösung bringen die Länder die Kraft nicht auf. Das bedaure

ich. Denn ein einheitliches Vergaberecht könnte helfen, die Länderhaushalte zu entschulden. Eine Initiative von Ihnen, Herr Staatssekretär, auf Bundesratsebene würde ich begrüßen.

Wir brauchen im Land eine klare Strategie, wie soziale und ökologische Beschaffung erfolgen soll. Das mag ein langer und steiniger Weg sein. Dafür sollten wir aber nicht wie die grün regierte Stadt Freiburg die Pflastersteine in Vietnam kau fen,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was? – Zuruf des Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE)

die sinnigerweise um den Platz der alten Synagoge verlegt werden. Ich laufe nicht über Pflastersteine, die Kinderhände hämmern mussten.

Bislang hat diese grün-rote Regierung noch kein schlüssiges Konzept für eine soziale und ökologische Vergabepolitik vor gelegt. Das zeigt die Antwort des Finanzministers auf die Gro ße Anfrage der Grünen.

Beispiel: Beim Einkauf technischer Geräte des Innenministe riums sind Stromverbrauch und Green IT ein Bewertungskri terium. Das finde ich gut. Beim Staatsministerium hingegen spielen Stromverbrauch und Green IT „durchaus eine Rolle“, ins Schwäbische übersetzt: „Uns ist das wurscht.“ Dafür er fahren wir aber, dass man im Staatsministerium Demetersaft und Bioweine trinkt und saisonale landestypische Speisen schätzt, die aus ökologischer Erzeugung und nachhaltiger Landbewirtschaftung stammen müssen.

Zu einer Strategie für eine ökologische Beschaffung gehört, dass sich die öffentliche Hand über Lebenszykluskosten, Schad stoffarmut, Material- und Energieeffizienz, Recycling sowie die Umweltintensität von Produktionsprozessen klar wird, sie in Produktgruppen klassifiziert und ökologisch innovations offen formuliert. Dafür könnten Datenbanken mit Zugriff für alle Vergabestellen eingerichtet werden. Unternehmen könn ten sich zertifizierten lassen und ihre ökologische Wertschöp fungskette transparent machen.

Bei den sozialen Kriterien haben sich die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und die ILOStandards bewährt. Daran müssen wir uns orientieren. Noch ist nicht entschieden, ob das von der SPD so heiß geliebte Ta riftreuegesetz gemeinschaftsrechtskonform ist. Jedenfalls ist es formal nicht mit den ILO-Kernarbeitsnormen vereinbar, da der gewünschte Mindestlohn erst bei Aufträgen über 20 000 € greift.

Alle Vergabekriterien haben sich Wirtschaftlichkeitsgesichts punkten unterzuordnen und sind dem Auftragsgegenstand zu zuordnen. Allgemeinpolitische Kriterien sind und bleiben ver gabefremd; denn sie führen zu Intransparenz und zu mehr Bü rokratie. Sie öffnen subjektiven Interpretationen Tür und Tor. Der Wettbewerb wird konterkariert, Korruptionsgefahr und Rechtsunsicherheit wachsen. Das brauchen wir nicht. Wir brauchen nicht nur eine schlanke Verwaltung, sondern auch ein schlankes Vergaberecht. So gesehen geht der Speiseplan des Staatsministeriums in die richtige Richtung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Storz das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Die Werbung im Einzelhandel kennt immer noch den Be griff „preiswert“, und damit ist gemeint, dass eine Ware oder Dienstleistung so gut ist, dass sie einen bestimmten Preis rechtfertigt. Dieser Begriff nimmt auf eine Erfahrung Bezug, die wohl jeder von uns in seinem Privatleben schon gemacht hat: Das billigste Angebot ist nicht immer das beste oder wirt schaftlichste. Das trifft besonders bei Gütern zu, die wir län ger nutzen. Es ist oft vorteilhafter, etwas mehr auszugeben, als in jedem Nutzungsjahr teuren Unterhalt zu bezahlen.