Protocol of the Session on April 11, 2013

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Es bleibt zu hoffen, dass Sie von Grün-Rot Ihre Standfestig keit in Ihren Bundesparteien wahren. Uns Liberale haben Sie in dieser Frage jedenfalls auf Ihrer Seite. Die Landesregierung wird nämlich auch jetzt, da es um die Bildungsfinanzierung durch Länder und Bund geht, dringend Verbündete brauchen. Dabei werden nicht nur die zahlreichen Versuche abzuweh ren sein, das sogenannte Kooperationsverbot zu kippen, son dern es muss über die noch ungeklärte finanzielle Seite der Föderalismusreform verhandelt werden, und zwar in dem Sinn, dass die Länder die ihnen allein zufallenden und ge wachsenen Aufgaben im Bildungsbereich überhaupt bewälti gen können.

Die Fraktion der FDP/DVP hält es deshalb für notwendig, die Länder mit einem höheren Anteil am Mehrwertsteueraufkom men zu beteiligen. Einen entsprechenden Beschluss hat unse re Fraktion bereits im Juli 2011 gefasst. Es ist erfreulich und für eine gemeinsame Position sehr hilfreich, dass auch die Landesregierung den Weg über einen höheren Mehrwertsteu eranteil – wohlgemerkt: keine Steuererhöhung – für den

zweckmäßigsten hält. Im Gegenzug können sich die Länder zu einem entsprechend höheren Anteil an den Bildungsaufga ben verpflichten. Hierzu könnte ein Staatsvertrag dienen, in dem auch andere Fragen, wie gegebenenfalls noch bestehen de Mobilitätshemmnisse, z. B. bei der Anerkennung von Ab schlüssen oder Lehramtsqualifikationen, geklärt werden.

Man muss in der Debatte immer wieder deutlich machen, dass im Zuge der Föderalismusreform klare Verantwortlichkeiten festgelegt wurden. Demnach sind für Bildung ausschließlich die Länder zuständig. Das verbirgt sich letztlich hinter dem etwas irreführenden Begriff „Kooperationsverbot“. Klare Zu ständigkeiten verhindern Mischfinanzierungen und die übli chen Schwarzer-Peter-Spiele, ob Bund oder Land schuld an dieser oder jener Misere ist. Dagegen ist mit unklaren Verant wortlichkeiten niemandem gedient – am allerwenigsten der Sache selbst.

Die Forderung nach einer höheren Beteiligung der Länder am Mehrwertsteueraufkommen, wie es der Änderungsantrag von Grünen und SPD verlangt, ergibt aus unserer Sicht nur Sinn, wenn man sich auch klar und unmissverständlich zur Verant wortung der Länder für die Bildung und damit zur Beibehal tung des Kooperationsverbots bekennt, wie es der CDU-An trag verlangt.

Der Änderungsantrag der FDP/DVP ist daher ein Vorschlag, diese zwei Seiten derselben Medaille zusammenzuführen. Das heißt, unser Änderungsantrag zielt nicht auf die Ersetzung des CDU-Antrags, sondern auf seine Ergänzung durch den we sentlichen Punkt des grün-roten Änderungsantrags ab. Neben dem Bekenntnis zum Kooperationsverbot und der Forderung nach einem höheren Anteil am Mehrwertsteueraufkommen enthält unser Änderungsantrag noch das Begehren, eine Selbstverpflichtung in Form eines Staatsvertrags anzustoßen, sowie die Aufforderung zur Entwicklung einer gemeinsamen baden-württembergischen Position aus dem CDU-Antrag und die Berichtsaufforderung aus dem grün-roten Antrag.

Wir Liberalen sind der Auffassung, dass ein von allen Frakti onen im Landtag getragener Beschluss ein gutes und wichti ges Signal wäre, das der Landesregierung in den bevorstehen den Verhandlungen den Rücken stärken würde. Deshalb bitte ich Sie alle sehr herzlich um Zustimmung zum Änderungsan trag der FDP/DVP-Landtagsfraktion.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Bauer das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich freue mich darüber, dass wir uns hier im Haus fraktionsüber greifend einig sind. Keinem von uns ist daran gelegen, die Kompetenzen der Bundesländer zu beschneiden. Alle beken nen sich dazu, dass die Kompetenzen der Länder erfüllbar sein müssen. Alle wissen, dass wir gemeinsam – Bund und Län der – in der Verantwortung stehen, das Nötige zu tun, damit Wissenschaft und Bildung vorangebracht werden und finan ziell abgesichert sind.

Differenzen gibt es lediglich bei der Frage, wie die Länder ih rer Verantwortung angemessen gerecht werden können. Es ist keine Überraschung, dass es in der Substanz um die Frage geht: Wo kommen die nötigen Mittel dafür her?

Lassen Sie mich zum Thema Grundgesetzänderung noch ei nes voranstellen: Die Diskussion wird landauf, landab seit Langem geführt. Die ehemalige Bundesforschungsministerin Schavan hat sich positioniert und sich für die Abschaffung des Kooperationsverbots im Bereich der Hochschule verkämpft. Sie hatte dafür bekanntermaßen nicht die nötige Unterstüt zung. Auch für alle anderen Varianten von Grundgesetzände rungen, die im Raum stehen, gibt es nicht die erforderliche Zweitdrittelmehrheit. Das wissen alle.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: So sieht es aus!)

Politik besteht nicht darin, die Verhältnisse – klug oder weni ger klug – zu kommentieren, sondern darin, die nötigen und die möglichen Schritte zu gehen. Deswegen ist es richtig, dass wir pragmatisch bleiben und prüfen, wie wir jenseits der nicht vorhandenen Zweitdrittelmehrheiten die nötigen Schritte ge hen, um Bildung und Wissenschaft voranzubringen.

Der politische Terminkalender für das Jahr 2013 ist allen be kannt: Zumindest auf kurze Sicht wird sich an den Konstella tionen in Bezug auf eine mögliche Verfassungsänderung nichts ändern. Deswegen bitte ich Sie, den Weg mitzugehen, pragmatisch zu sein und zu prüfen: Was kann man jenseits und unterhalb der Schwelle einer Verfassungsänderung in der Sache für unsere Schulen, für unsere Hochschulen, für die Forschung tun?

Ich möchte betonen: Man kann, wenn man will, eine ganze Menge tun. Lassen Sie mich einmal beispielhaft für verschie dene Bereiche ausführen, was alles im Bereich Bildung und Hochschule für die gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern machbar ist.

Im Bildungsbereich ist es insbesondere möglich, hinsichtlich des Ausbaus der Ganztagsschulen, der Inklusion und der früh kindlichen Bildung gemeinsame Projekte aufzusetzen.

Im Hochschulbereich lässt sich das Studienplatzangebot si chern, der Hochschulbau weiter absichern, lassen sich die Sa nierungsmaßnahmen finanzieren, und wir müssen die ange messene technische Ausstattung, die Ausstattung mit Infor mations- und Kommunikationstechnik gemeinsam schultern.

Die Föderalismusreform I hat die Kompetenzzuordnung ge klärt und die Kompetenzen der Länder in diesem Bereich ge stärkt. Sie hat allerdings nicht den zweiten Schritt getan und die Länder mit der entsprechenden Finanzkraft ausgestattet, um diesen Aufgaben allein nachkommen zu können. Deswe gen brauchen wir in diesem Bereich das gemeinsame finanzi elle Engagement von Bund und Ländern.

Lassen Sie mich ausführen, was im Bereich der Hochschulen möglich ist.

Erstes Beispiel: Ausfinanzierung, Weiterfinanzierung des „Hochschulpakts 2020“. Ich werde mich direkt im Anschluss an diesen Tagesordnungspunkt auf den Weg nach Berlin ma chen, wo wir gemeinsam mit der Bundesforschungsministe

rin über genau dieses Paket verhandeln werden. Es geht dar um, die Ausfinanzierung des Hochschulpakts II vorzunehmen und anzudiskutieren, wie es in Richtung 2020 weitergeht.

Unsere Hochschulen brauchen in diesem Bereich dringend Planungssicherheit und sind darauf angewiesen, dass wir hier umgehend – Wahlkampf hin oder her – klar Schiff machen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Zweites Beispiel: Hochschulbau. Die durch den Wegfall der Ge meinschaftsaufgabe Hochschulbau benötigten Kompensations mittel werden – so ist es vorgesehen – sukzessive zurückgefah ren. Die Bundesregierung hat kürzlich einen Antrag vorgelegt, für das Jahr 2014 und befristet auf dieses Jahr die Kompensati onsmittel für den Hochschulbau noch einmal aufrechtzuerhalten. Wir erwarten ein Entgegenkommen des Bundes, damit die Mit telhöhe nach oben korrigiert wird und mindestens 900 Millio nen € für diesen Bereich zur Verfügung gestellt werden. Wir er warten auch, dass die Gewährleistung dieser Mittel bis mindes tens 2019 verlängert wird. Das ist das zweite Beispiel.

Ein drittes Beispiel, das im Hochschulbereich möglich wäre, betrifft das BAföG. BAföG wird bekanntermaßen zu 65 % durch den Bund und zu 35 % durch die Länder finanziert. Es wäre möglich, die Finanzierung des BAföG komplett vom Bund übernehmen zu lassen. Aufseiten der Länder würden da durch etwa 1 Milliarde € pro Jahr frei. Diese Mittel könnten zweckgebunden – gern auch per Staatsvertrag – als weitere Mittel dem Hochschulbereich zur Verfügung gestellt werden.

Ein weiteres Beispiel, das aufzeigt, was der Bund tun könnte, betrifft die Finanzierung von Overheadpauschalen im Bereich der Drittmittelforschung sowohl für die Forschungsprogram me des Bundes als auch die Forschungsprogramme der Deut schen Forschungsgemeinschaft. Auch das ist eine Finanzie rungsmöglichkeit des Bundes, ohne dass eine Verfassungsän derung notwendig ist.

Lassen Sie mich ein paar Beispiele aus dem Schulbereich er wähnen. Im Schulbereich sind die Handlungsmöglichkeiten des Bundes zwar geringer,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

aber dennoch vorhanden. Schule und andere gesellschaftliche Handlungsbereiche sind zunehmend miteinander verflochten, sodass der Bund in den Bereichen, in denen er eine eigene Ge setzgebungskompetenz hat, eine schulnahe Förderung vorneh men kann.

Lassen Sie mich das anhand der Beispiele öffentliche Fürsor ge, Sozialversicherung, Ausbildungshilfen, Gesundheit und außerschulische berufliche Bildung aufzeigen. All diese ge setzlichen Zuständigkeitsbereiche des Bundes greifen in den Schulbereich ein und ermöglichen es dem Bund, im Sinne der Schule tätig zu werden. Dies ist auch nach der Föderalismus reform I der Fall.

Für diese Bereiche gibt es eine Kooperationsermächtigung, die es dem Bund ermöglicht, im Bereich des Ausbaus der Ganztagsschulen und im Bereich der Infrastrukturmaßnahmen aktiv zu werden, die nötig werden, wenn Schule den ganzen Tag über stattfindet. Dann müssen nicht nur eine Kantine oder eine Mensa ausgestattet werden. Dann braucht man auch an dere Aufenthaltsräume, Seminarräume, Arbeitsflächen und

Lehrerzimmer, die die meisten Schulen heute nicht vorweisen können.

Außerdem bieten sich Möglichkeiten durch den Ausbau der Schulsozialarbeit. Die Schulsozialarbeit ist ein wichtiges Be tätigungsfeld im präventiven Bereich. Dadurch kann der Bund bis hin zum Bereich des Personals tätig werden und so unse ren Ganztagsschulen helfen, das notwendige Personaltableau aufzustellen, das diese für einen guten Ganztagsschulbetrieb brauchen.

Ein weiteres Betätigungsfeld betrifft den Bereich der Inklusi on. Wir werden unsere Schulen auf einem breiten Feld durch einen Ausbau der Barrierefreiheit ertüchtigen müssen. Ferner werden wir im Bereich der Eingliederungshilfe viele Mög lichkeiten brauchen, um Schulbegleiter, Schulassistenzen für Kinder mit Handicaps zur Verfügung zu stellen, die am Schul unterricht teilnehmen wollen.

Auch in diesem Bereich hat der Bund die Möglichkeit, Fi nanzmittel zur Verfügung zu stellen – sowohl für Investitio nen im baulichen Bereich als auch im Bereich des Personals –, um die Schulen zu unterstützen.

Das war ein kurzer Einblick in das breite Feld der Möglich keiten.

Ich appelliere noch einmal an Sie über alle Fraktionsgrenzen hinweg: Die Debatte um eine mögliche Verfassungsänderung – wie auch immer man dazu stehen mag – darf uns nicht da von abhalten, schon heute die notwendigen Schritte zu gehen und die notwendigen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern zu treffen, um konkrete Verbesserungen für Schulen, für Hochschulen und für die Wissenschaft auf den Weg zu bringen.

Ich erwarte und erhoffe mir Ihre tatkräftige Unterstützung auch im Hinblick auf die jeweiligen Fraktionen im Bundes tag und unsere Bundesparteien.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abg. Dr. Stolz das Wort.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Wer hat diese Gespensterdebatte angezet telt? Wen habe ich im Zusammenhang mit dem Kippen des Kooperationsverbots denn zitiert? Dabei habe ich doch die Kollegin Boser von den Grünen und Herrn Schmiedel zitiert. Wer hat diese Unsicherheit ins Spiel gebracht?

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Was für eine Unsicherheit? Wir finanzieren!)

Ich wäre froh, wenn im Zusammenhang mit dieser Gespens terdebatte von Ihrer Seite ganz klar gesagt würde, dass auch Sie eine Lockerung des Kooperationsverbots nicht wollen. Dann sind wir d’accord. Diese Debatte haben aber nicht wir angezettelt.

Gleiches gilt für den Kollegen Rivoir. Wir können die Aufga ben natürlich nicht allein erfüllen. Dass diese Äußerung aus gerechnet von baden-württembergischer Seite kommt, wun dert mich nicht.

In einer neueren Schrift des Instituts der deutschen Wirtschaft heißt es in der Überschrift eines Artikels: „Drei kleine Sün der“. Darunter heißt es: „Viele Bundesländer sparen, aber drei kleine Sünderlein entwickeln ihre Haushalte in eine andere Richtung.“ Diese, nämlich Baden-Württemberg, RheinlandPfalz und Hessen, vergrößern ihr strukturelles Defizit. Alle anderen verringern ihr strukturelles Defizit.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Sind Sie gegen Hochschulausbau?)

Ausgerechnet Baden-Württemberg geht so vor. Dann ist na türlich klar, dass man sagt: Das Geld reicht uns hinten und vorn nicht.