Monika Stolz

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Last Statements

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion bekennt sich klar zum Ziel der Inklusion. Kinder mit und Kinder ohne Behin derungen können vom gemeinsamen Unterricht profitieren. Die schulische Inklusion ist ein wichtiger Beitrag für ein gleichberechtigtes Zusammenleben in unserer Gesellschaft.
Deshalb haben wir in unserer Regierungsverantwortung die Modellregionen zur Inklusion eingerichtet, deshalb haben wir bereits drei Jahre vor dem heute vorliegenden Gesetzentwurf eigene Eckpunkte zur Inklusion vorgelegt, deshalb haben wir uns für eine breite Beteiligung der Betroffenen eingesetzt, und deshalb bringen wir heute insgesamt 19 Änderungs- und Ent schließungsanträge ein – gerade weil uns eine gelingende schulische Inklusion am Herzen liegt.
Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler mit Behinderun gen an den allgemeinen Schulen nicht schlechter gestellt sind als an den sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszen tren. Wir haben immer gesagt: Inklusion muss richtig gemacht werden. Das Wohl der Kinder mit und der Kinder ohne Be hinderungen muss an oberster Stelle stehen. Hier darf es auch keine Kompromisse und keine Experimente mit ungewissem Ausgang geben.
An diesem Maßstab müssen sich die beiden heute vorliegen den Gesetzentwürfe messen lassen, wobei ich zunächst auf das Schulgesetz eingehe. Zu dem anderen Gesetz sage ich nachher noch einen Satz.
Die Frage ist: Sind die Weichen richtig gestellt? Ich will mit dem Positiven beginnen: In den Grundentscheidungen hat sich die Regierung den Positionen angenähert, die die CDU bereits seit Langem vertritt.
Nachdem jahrelang höchste, zum Teil illusorische Erwartun gen – Sie wollen es halt nicht wahrhaben –
geweckt wurden, ist das Elternwahlrecht nun klar auch im Hinblick auf das Mögliche begrenzt. Nachdem noch im An hörungsentwurf ein Vorrang der inklusiven Beschulung vor gesehen war, ist nun klar: Es gibt zwei gleichberechtigte We ge – nämlich Inklusion an Regelschulen und an den Sonder schulen –, um eben allen Kindern mit ihren unterschiedlichen Bedarfen Rechnung tragen zu können.
Nachdem die Grünen die Sonderschulen ja am liebsten abge schafft hätten, bleiben sie nun erhalten.
Nachdem das eigenständige Sonderschullehramt infrage ge stellt wurde, soll es nun weiterbestehen. Nachdem die Außen klassen vorher abqualifiziert wurden, bleibt dieser bei den El tern beliebte und akzeptierte Weg weiter möglich.
Ich konfrontiere Sie gern mit Ihrer Historie, aber nicht jetzt.
All das haben wir vor drei Jahren in unserem Eckpunktepa pier gefordert. Wir sind froh, dass die Landesregierung nun ebenfalls hier angekommen ist. Es war ja gerade für den grü nen Teil der Koalition ein schwieriger und langer Weg.
Jetzt komme ich zu den andere Punkten: Das Gelingen der In klusion ist mit diesen Grundentscheidungen aber noch nicht gesichert. Die inklusive Beschulung muss auch verantwort lich umgesetzt werden. Ist das hohe Niveau der sonderpäda gogischen Förderung auch an den allgemeinen Schulen ga rantiert? Bleiben die früheren Sonderschulen erhalten, oder bluten sie langsam aus? Ist die Finanzierung solide und ver lässlich geregelt? Werden die Eltern unterstützt? Wird die Ver unsicherung, die bei Eltern und Schulen weiter gewachsen ist, endlich beseitigt? – All dies ist nicht der Fall.
In den schriftlichen Stellungnahmen und in der Anhörung im Ausschuss gab es eine breite Front der Zweifel und Befürch tungen. Zu viele Fragen sind ungeklärt, zu viele Probleme un gelöst. Ihr Gesetzentwurf wird an vielen Stellen als zu vage formuliert kritisiert.
Jetzt rächt sich eben, dass die Landesregierung jahrelang nicht vorangekommen ist
und die Gesetzgebung jetzt auf den letzten Drücker durchpau ken muss.
Ihnen ist die Zeit weggelaufen. Das sollen nun die Kinder und die Eltern, die Lehrkräfte, die Landkreise und die Schulträger ausbaden.
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion nimmt die Be troffenen ernst. Wir haben Respekt vor dem, was uns die Be troffenen zu sagen haben. Wir haben deshalb die vorliegen den 19 Änderungs- und Entschließungsanträge eingebracht, die insbesondere folgende Ziele verfolgen:
Erstens: Wir wollen, dass bei beiden Wahlmöglichkeiten – In klusion an der allgemeinen Schule und Besuch einer Sonder schule – die bestmögliche Förderung sichergestellt ist. Des halb müssen die personellen, sächlichen und räumlichen Res sourcen an den allgemeinen Schulen von gleich hoher Quali tät wie an den Sonderschulen sein. An den Regelschulen müs sen im Interesse der Kinder mit und der Kinder ohne Förder bedarf ausreichend Lehrer vorbereitet sein.
Zweitens: Wir wollen, dass die Sonderschulen nicht ausblu ten. Deshalb beantragen wir, dass die Einstellung und Veror tung der Sonderpädagogen an den allgemeinen Schulen erst dann erfolgen kann, wenn auch die Unterrichtsversorgung an den Sonderschulen gesichert ist.
Gerade Berufsanfänger brauchen den fachlichen Austausch an den Sonderschulen.
Drittens: Wir wollen, dass die Privatschulen, die 30 % der Schüler mit Behinderungen beschulen, dies zu fairen finanzi ellen Bedingungen tun können. Zwar bekommen die freien Schulen zusätzlich zum Klassenlehrer notwendige sonderpä dagogische Förderung bezahlt, aber sie müssen den Wegfall des Kopfsatzes hinnehmen; für die Finanzierung reicht das nicht.
Viertens: Wir wollen, dass die Außenklassen als gleichwerti ges Angebot der Inklusion neben der Beschulung in den Son derschulen und an der allgemeinen Schule angeboten werden.
Fünftens: Wir wollen die Eltern nicht alleinlassen. Sie sollen nicht als Bittsteller von Pontius zu Pilatus laufen müssen und an den Reibungspunkten von pädagogischer Förderung, Ju gendhilfe und Eingliederungshilfe verzweifeln.
Sogar das Herzstück des Gesetzentwurfs, die Bildungswege konferenz, ist noch immer eine Blackbox. Die konkreten Ent scheidungskriterien, an welche Schule ein Schüler mit Behin derung empfohlen wird, sind für die Beteiligten nicht erkenn bar. Hier sind Konflikte vorgezeichnet.
Wir wollen deshalb den Eltern Elternlotsen durch den dichten Verwaltungsdschungel und einen Landesombudsmann zur Streitschlichtung zur Seite stellen.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat sich mit dem Gesetzentwurf auf den Weg gemacht, aber sie ist noch nicht am Ziel. Dem Gesetz zum Ausgleich kommunaler Auf wendungen stimmen wir zu, weil hier wesentliche Dinge wirklich auch geregelt sind.
Aber dem Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes können wir so nicht zustimmen. Zwar werden wichtige Grundentschei dungen richtig getroffen, aber zu viele Probleme sind unge löst. Wir stimmen dem Gesetz zu, wenn die Regierungsfrak tionen bereit sind, gemeinsam an einer Verbesserung des Ge setzes zu arbeiten, und wesentliche Punkte unserer Anträge unterstützen. Sonst können wir dem Gesetz nicht zustimmen.
Der Landes-Behindertenbeauftragte, Herr Weimer, hat uns bei der Anhörung zur Geschlossenheit aufgerufen. Sie haben un ser Angebot zur Zusammenarbeit weder gehört und schon gar nicht angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt besteht die Chance, Ei nigkeit nicht nur im Ziel, sondern auch in den wesentlichen Punkten der Umsetzung zu erzielen. Vertun Sie Ihre Chance nicht!
Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Ich will hier keiner Legendenbildung Vorschub leisten. Wir haben uns nach der Anhörung aus Respekt vor denen, die wir angehört haben, enthalten. Das als eine inszenierte Anhö rung zu betrachten, ist eine Respektlosigkeit gegenüber den Betroffenen, die das Parlament angehört hat.
Wir wollten die Argumente der Betroffenen prüfen; deswegen haben wir uns enthalten, deswegen haben wir weder abgelehnt noch zugestimmt. Wenn die Regierung zuhört, ist das das ei ne, aber auch das Parlament hört zu und muss sich dann auch ein eigenes Urteil bilden.
Herr Poreski, wenn Sie sagen, Sie konnten unsere Anträge nicht prüfen, sage ich Ihnen: Die haben Ihnen seit heute Mor gen vorgelegen.
Wenn Sie die Prüfung der Anregungen aus der Anhörung ab lehnen und für die Prüfung unserer Anträge Zeit brauchen, dann zeigt das, dass Sie nicht sachorientiert arbeiten und kein Interesse daran haben und dass im Übrigen Ihr PR-Gag einer Politik des Gehörtwerdens wieder einmal eine Farce war und Sie einholt.
Zum Thema Südtirol gäbe es natürlich viel zu sagen. Das war teilweise beeindruckend. Aber ich will ein Zitat der GEW nen nen – die wahrlich nicht unser Sprachrohr ist –, die das kom mentiert und sagt: „In Südtirol ist wenigstens dafür gesorgt, dass zwei Lehrer und eine Integrationskraft verbindlich prä sent sind.“ Sie sagen dann aber weiter, dass verlässliche und verbindliche Zusagen zur Versorgung der Schulen nach wie vor ausstehen. Das ist eben ein Teil dieser Unsicherheit, ob mit diesem vagen Gesetz auch wirklich Inklusion gelingt.
Wir wollen sicherstellen, dass die Reise am Wohl der Kinder ausgerichtet ist, sodass die Akzeptanz dieser Sache keinen Schaden nimmt. Das Gesetz soll ab dem kommenden Schul jahr gelten. Die Rechtsverordnung müsste eigentlich schon da sein. Wir wollen mehr Klarheit, in welchem Geist diese un tergesetzlichen Regelungen getroffen werden; da wollen wir sicher sein. Ich sage Ihnen: Wenn Sie unseren Anträgen, die diese Richtung vorgeben, zugestimmt hätten, wäre für uns die Richtung klarer.
Ich kann nur feststellen: Die Bedenken der Betroffenen haben Sie nicht interessiert. Einigkeit aller Fraktionen, das ist nur ein Lippenbekenntnis. Wir befürchten, dass es durch dieses Gesetz zu einer Vielzahl von Konflikten vor Ort kommen wird. Dadurch nimmt die inklusive Beschulung Schaden, und das ist das, was wir nicht wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Gesetz ist nur halb rund. Im Interesse der Kinder können wir uns halben Sachen
jedoch nicht anschließen, und wir können deswegen auch nicht zustimmen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kol legen! Die CDU-Fraktion steht zur Ausweitung der inklusi ven Beschulung; das ist ein richtiges und wichtiges Ziel. Von dem gemeinsamen Unterricht können Schülerinnen und Schü ler mit und ohne besonderen Förderbedarf profitieren. Er ist ein wichtiger Baustein für das Zusammenleben in unserer Ge sellschaft, auch über die Schule hinaus.
Deshalb hat die CDU in der Vergangenheit auch die Modell regionen installiert und Freiheiten gegeben, weitere Erfahrun gen zu sammeln, Möglichkeiten zu erproben und gute Wege im Interesse der Kinder zu finden. Denn in der Tat, Herr Mi nister, ist Inklusion ein schwieriger Prozess, der eben nicht von heute auf morgen bewältigt werden kann.
Wir stehen heute nicht am Anfang. Die Landesregierung hat sich allerdings mit der Gesetzgebung Zeit gelassen. Stattdes sen hat Grün-Rot in den vergangenen Jahren große Erwartun gen geschürt und Verheißungen in die Welt gesetzt. Das Er gebnis war – das haben Sie selbst gespürt –: Der Jubel hält sich in Grenzen. Stattdessen hat sich eine große Verunsiche rung bei Eltern, Kindern, Lehrern, Schulträgern sowie Stadt- und Landkreisen breitgemacht. Meine Damen und Herren, ge rade das schadet der Idee der inklusiven Beschulung.
Jetzt, kurz vor der Landtagswahl, wird in letzter Sekunde die Gesetzgebung durchgezogen.
Aber es zeigt sich auch vor der Landtagswahl: Die Landesre gierung hat scheinbar Kreide gegessen und von ideologischen Überfliegereien Abstand genommen. In zentralen Punkten ist endlich Vernunft eingekehrt.
Es gibt zwei gleichberechtigte Wege: Besuch einer allgemei nen Schule oder einer Sonderschule. Die Sonderschulen blei ben erhalten. Das grundständige Sonderschullehramt bleibt erhalten. Das Elternwahlrecht wird gestärkt, aber auf das Machbare begrenzt. Es besteht kein Anspruch auf eine be stimmte Schule oder eine bestimmte Schulart. Schließlich soll die Inklusion grundsätzlich mit Gruppenlösungen umgesetzt werden. Das wollten Sie, wenn Sie ehrlich sind, in weiten Punkten in der Tat erst einmal ganz anders.
Meine Damen und Herren, Inklusion ist kein Selbstzweck. Sie muss immer dem Wohl des einzelnen Kindes dienen. Gerade weil es um Kinder und Jugendliche mit besonderem Unter stützungsbedarf geht, muss Inklusion verantwortlich umge setzt werden. Dienen also diese Gesetzentwürfe dem Wohl der Kinder? Meine Damen und Herren, so nicht.
Erstens: Die Qualität der sonderpädagogischen Förderung ist in Gefahr. Baden-Württemberg hat ein anerkannt hohes Ni veau der sonderpädagogischen Förderung. Dieses muss auch in der Inklusion an den allgemeinen Schulen gewährleistet sein, denn nur dann gibt es zwei gleichberechtigte Wege.
Im vorliegenden Gesetzentwurf bleiben Art und Umfang der sonderpädagogischen Förderung an den Regelschulen aber völlig unklar. Es gibt keinen Anspruch eines Kindes auf eine bestimmte festgelegte Förderung. Die Frage stellt sich, ob am Ende eine minimale sonderpädagogische Förderung von we nigen Wochenstunden herauskommt und die Lehrkräfte an den Regelschulen möglicherweise alleine dastehen.
Unklar ist auch, ob überhaupt ein Anspruch auf ein sonderpä dagogisches Bildungsangebot festgestellt wird, wenn die Schulen in Zukunft nur in besonders gelagerten Fällen einen Antrag stellen dürfen. Was passiert, wenn Eltern aus Scheu und Unkenntnis keine Förderung beantragen?
Unklar ist auch, welche pädagogischen Ziele der zieldifferen te Unterricht verfolgt. Kinder mit Behinderungen – alle Kin der mit Behinderung; ich sage es ganz bewusst – brauchen ei genständige Bildungsziele, nicht die reduzierten, irgendwie abgeschwächten Ziele der allgemeinen Bildungsgänge. Ist das für alle Förderbedarfe auch gegeben?
Schließlich: Was passiert bei den Gruppenlösungen? Denn die Zusammensetzung der Inklusionsgruppen richtet sich nicht nach der Art der Behinderung. Doch wie soll eine Förderung für ganz verschiedene Förderbedarfe tatsächlich aussehen? Aus gutem Grund gibt es bisher die verschiedenen Förder schwerpunkte der Sonderschulen.
Alle diese Fragen sind noch offen. Kinder, Eltern und Lehrer wissen nicht, welche Unterstützung sie tatsächlich bekommen.
Zweitens: Die Verteilung der Schüler und damit die Steuerung der Inklusion ist nicht hinreichend geregelt. Eine zieldifferen te Inklusion soll grundsätzlich in Gruppen erreicht werden. Zum einen ignoriert die Landesregierung, dass es eine funk tionierende Gruppenlösung bereits gibt, nämlich die Außen klassen. Faktisch sind die Außenklassen Inklusionsklassen.
Sie sind ein Erfolgsmodell mit stetig steigenden Schülerzah len und, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit großer Eltern akzeptanz. Das ist das Wichtige. Die Eltern müssen diesen Weg auch mitgehen.
Sie haben kein Verständnis für ideologische, theoretische Grundlegungen.
Diese Außenklassen ermöglichen eine hervorragende Mi schung von gemeinsamem Unterricht und sonderpädagogi scher Förderung. Es ist falsch, wenn der Gesetzentwurf die ses Erfolgsmodell versteckt und nur widerwillig fortbestehen lässt.
Richtig wäre ein Ausbau zu einem eigenen Weg der Inklusi on.
Zum anderen ist die Verteilung der Schüler durch die Bil dungswegekonferenzen nicht hinreichend geregelt. In den Bil dungswegekonferenzen soll entschieden werden, welche Schule ein Kind besucht. Sie sollen also einerseits die Eltern entsprechend dem Wohl des Kindes beraten, zugleich sollen sie aber auch eine Steuerung des Schulsystems leisten, indem Schüler in Gruppen zusammengefasst werden. Die Steuerung des Schulsystems wird also mit pädagogischen Entscheidun gen vermengt. Das wird zu Konflikten führen.
Diese Fragen müssen deshalb anhand von fachlich begründe ten und rechtssicheren Kriterien entschieden werden. Doch der Gesetzentwurf macht hierzu keinerlei Angaben und bleibt die hinreichende Konkretisierung schuldig.
Drittens: Schulen und Lehrkräfte sind auf die Inklusion nicht hinreichend vorbereitet. Die Landesregierung hatte über Jah re Zeit. Die Gesetzgebung wurde sogar um ein Jahr verscho ben, aber es ist nichts passiert. Gibt es ein Fortbildungskon zept für die Lehrer an den Regelschulen?
Wie viele Lehrer sind denn schon ausgebildet oder fortgebil det? Das Gesetz soll am 1. August in Kraft treten; die Ein schulungsverfahren laufen ja schon. Hinzu kommt: Es gibt nicht genug Sonderpädagogen. Wie viele stehen am Ende
wirklich für die Inklusion an den Regelschulen zur Verfügung, ohne dass die Sonderschulen ausbluten?
Auch diese Fragen sind offen.
Viertens: Die Privatschulen werden benachteiligt. Diese ver sorgen im Bereich der Sonderschulen fast ein Drittel der Schü ler. Auch die allgemeinen Privatschulen haben sich bereits sehr im Bereich der Inklusion engagiert. Doch die Privatschu len – allgemeine Privatschulen und Sonderschulen – werden weder bei der Schulentwicklungsplanung berücksichtigt, noch sind sie an den Bildungswegekonferenzen beteiligt. Auch bei der Finanzierung werden sie benachteiligt, auch wenn die Landesregierung jetzt nach der Anhörung etwas nachgebes sert hat. Die Privatschulen werden auf einem Teil der Mehr kosten für die Inklusion sitzen bleiben.
Man hat nicht den Eindruck, dass die Landesregierung die Pri vatschulen als wichtigen Teil gerade dieses Schulsystems an erkennt, ganz im Gegenteil.
Fünftens: Die Finanzierung auch der staatlichen Schulen steht auf tönernen Füßen. 28 % wird die Inklusionsquote betragen, so die Annahme in der Vereinbarung mit den Kommunen. Doch laut Schulstatistik lag der Anteil bereits im Jahr 2012 bei 29,7 %; an den Grundschulen beträgt die Inklusionsquo te sogar rund 50 %. Die Vereinbarung mit den Kommunen steht daher auf tönernen Füßen. Ich denke, Sie warten auf das Geld des Bundes, das Sie ja bei jeder Gelegenheit, bei jedem Thema immer wieder einfordern.
Die Kosten für die Schulbegleitung sind ein Punkt, bei dem es einen grundsätzlichen Dissens über Aufgaben und Finan zierung gibt. Dieser Streit wurde lediglich vertagt. Auch die Annahme, bei zunehmender inklusiver Beschulung bei den Sonderschulen sparen zu können, ist nicht nachvollziehbar.
Kurzum: Die CDU-Fraktion bekennt sich zum Ziel der inklu siven Beschulung.
Doch die beiden Gesetzentwürfe sind nicht ausreichend. Die sonderpädagogische Förderung ist in Gefahr, die Steuerung ist nicht hinreichend geregelt, Schulen und Lehrkräfte sind nicht vorbereitet, die Privatschulen werden benachteiligt, und die Finanzierung steht auf tönernen Füßen.
Wir fordern die Landesregierung auf, diese offenen Fragen zu klären, im Interesse aller Beteiligten und im Interesse der Idee der inklusiven Beschulung. Zentrale Fragen können nicht erst durch Ausführungsvorschriften geregelt werden. Wir haben deshalb beantragt, im Ausschuss eine Anhörung zu diesen of fenen Fragen durchzuführen. Denn Inklusion kann nur gelin gen, wenn sie gut gemacht wird und wenn sie alle Beteiligten mitnimmt.
Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Die Inklusion an unseren Schulen ist e i n zentraler Baustein für eine Gesellschaft, in der Men schen mit und ohne Behinderung ganz selbstverständlich zu sammenleben. Die CDU-Fraktion tritt für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung ein. Der Wegfall der Sonderschulpflicht und die grundsätzliche Mög lichkeit eines zieldifferenten Unterrichts sind richtig. Wir be grüßen daher, dass die Landesregierung nach langen Verzö gerungen
endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt hat und eine Finanzie rungsvereinbarung mit den kommunalen Landesverbänden wenigstens in Reichweite ist.
Wir begrüßen insbesondere, dass die Landesregierung in ei ner Grundsatzfrage lernfähig war und der Meinung der Fach leute und der CDU-Fraktion gefolgt ist, dass wir trotz der In klusion unsere hervorragenden Sonderschulen erhalten müs sen.
Viele aus den Reihen der Grünen und der SPD hätten die Son derschulen lieber heute als morgen abgeschafft.
Ich zitiere. Wir haben hier schon entsprechende Programme der Grünen zitiert. – Aber dieser Irrweg wäre fatal. Die Son derschulen bieten besondere Möglichkeiten der Förderung mit hoher Kompetenz und einen Schutzraum, den Regelschulen niemals werden bieten können. Sehr wichtig ist auch: Diffe renzierung ist nicht gleich Diskriminierung, sondern die An erkennung eines besonderen Förder- und Unterstützungsbe darfs.
Wer dagegen nur blind die Inklusionsquote erhöhen will, ver sagt gerade den Schwächsten diese Hilfe.
Wir dürfen die Sonderschulen nicht ausbluten lassen, sondern müssen sie mit all ihren Stärken und ihrer Differenzierung er halten. In den Erprobungsregionen haben sich rund drei Vier tel der Eltern für eine Sonderschule entschieden. Auch die Au ßenklassen an den Regelschulen sind bei den Eltern und Leh rern in den letzten Jahren immer beliebter geworden, weil hier in der Tat Räume zur gemeinsamen Begegnung geschaffen werden, die für alle Schüler von großem Wert sind.
Die CDU-Fraktion tritt für zwei gleichberechtigte Wege ein: die Inklusion an den Regelschulen oder den Besuch einer Son derschule, demnächst eines sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums. Aber nicht die Ideologie, sondern das Wohl des Kindes muss dabei im Mittelpunkt stehen.
Wie kann die Umsetzung gelingen? Der Gesetzentwurf, der jetzt überall in der Presse diskutiert wird, bleibt in zentralen Punkten unklar, und die Gefahr des Scheiterns ist groß.
Erstens: Der Gesetzentwurf, wie er jetzt diskutiert wird, weckt unerfüllbare Erwartungen und lädt die Konflikte vor Ort ab. Auf der einen Seite verspricht er, dass Eltern das Wahlrecht zwischen Sonder- und Regelschule haben, dass es keine Schwer punktschulen gibt, dass Inklusion Aufgabe aller Schulen ist, und zwar für alle Arten von Behinderungen. So weit, so gut. Auf der anderen Seite können Eltern nicht eine Schulart, ge schweige denn eine bestimmte Schule wählen. Es sollen Grup penlösungen anstatt Einzelinklusion erreicht werden. De fac to, beschwichtigt der Minister die Kommunen, gebe es zu nächst also doch Schwerpunktschulen, aber davon rede man nicht so.
Damit weckt der Gesetzentwurf einerseits Erwartungen, die Sie aber andererseits – so sieht es aus – gar nicht erfüllen wol len. Die Kluft zwischen Wünschenswertem und Machbarem wird zu Enttäuschungen, schlimmstenfalls zu Rechtsstreitig keiten führen, und am Ende werden die Konflikte in den Bil dungswegekonferenzen, an den Schulen und in den Kommu nen aufbrechen. Gerichte werden dann gefordert sein, den Rahmen zu definieren.
Also: Seien Sie doch ehrlich, werden Sie Ihrer politischen Ver antwortung gerecht, und laden Sie Konflikte nicht vor Ort ab! Wir brauchen eine verlässliche, transparente Steuerung der Inklusionslösung. Regeln Sie also klar, wann und wie Schu len ausgewählt und wie Gruppenlösungen erreicht werden sol len. Ermöglichen Sie eine aktive Steuerung im Rahmen der
regionalen Schulentwicklung, und schaffen Sie vor allem Planbarkeit und Verlässlichkeit für Schulen und Schulträger.
Ehrlichkeit und Klarheit sind besser als vertagte Konflikte.
Zweitens: Ehrlichkeit ist natürlich auch in einem weiteren Punkt notwendig. Die Regelschulen sind nicht in dem Maß vorbereitet, wie es notwendig wäre. Trotz unserer zahlreichen parlamentarischen Anfragen ist nach wie vor unklar, wie die Lehrerinnen und Lehrer an den Regelschulen fortgebildet wer den sollen – dafür gibt es noch kein Konzept –, wie angehen de Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Ausbildung vorbereitet werden sollen, wann wie viele neu ausgebildete und fortge bildete Lehrkräfte überhaupt zur Verfügung stehen, wie Sie die Attraktivität des Berufs Sonderschullehrer erhöhen wol len, um mehr Berufseinsteiger zu gewinnen, und in welchem Umfang Sonderpädagogen nach dem Zwei-Pädagogen-Prin zip tatsächlich in den Klassen zum Einsatz kommen.
Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Wir wollen keine Inklusionsopfer durch schlecht vorbereitete oder überforder te Lehrer produzieren. Das haben weder die Lehrer noch die Kinder verdient.
Durch die massiven Verzögerungen bei der Umsetzung läuft Ihnen die Zeit weg. In nicht einmal einem halben Jahr soll die Inklusion an den Schulen Wirklichkeit werden. Obwohl das Gesetz zur Inklusion bereits um ein Jahr verschoben wurde, werden die Schulen ins kalte Wasser geworfen. Dafür tragen Sie die Verantwortung. Ihr Vorgehen ist fahrlässig und geht zulasten der Kinder mit und ohne Behinderung.
Drittens: Auch beim lieben Geld sind viele Fragen offen und Konflikte nur vertagt. Warum sollen nun 1 350 zusätzliche Sonderpädagogen ausreichen? Im letzten Mai waren noch 4 000 geplant. Was passiert eigentlich, wenn sich die Inklusi onsquote ganz anders entwickelt als prognostiziert? Reicht dann das zur Verfügung gestellte Geld?
Und wie weit trägt die Vereinbarung mit den Kommunen? Al lein der Streit um die Konnexität bei der Eingliederungshilfe wurde nur vorläufig zugekleistert. Kurz: Auch im Hinblick auf die Finanzierung sind wir von einer dauerhaft tragfähigen Lösung der Inklusion noch weit entfernt.
Die CDU-Fraktion tritt für das Ziel der Inklusion ein. Wir wol len zwei gleichberechtigte Wege –
Inklusion im Sonderschulbesuch, auch mit Außenklassen,
und eine Entscheidung zum Wohl des Kindes. Wir begrüßen, dass die Landesregierung sich gegen die Ideologen in den ei genen Reihen durchgesetzt hat und diese Auffassung teilt.
Doch viele Fragen sind ungelöst: bei der Regelung der Schul wahl, bei der Vorbereitung der Lehrerinnen und Lehrer sowie bei der Finanzierung der Inklusion.
Herr Minister, das Ziel ist richtig, aber die Umsetzung ist im mer noch Stückwerk.
Die CDU-Fraktion begrüßt die einhellige Zustimmung auch im Vorfeld. Die Einwände sind alle ausgeräumt. Kirchen und Verbände haben Stellung ge nommen und bejahen dieses Gesetz. Wir begrüßen dieses Ge setz ebenfalls. Wir denken, das Vorhaben wird der Bedeutung dieses Datums gerecht. Es wird ja immer darauf hingewiesen, dass die Reformation ein weltgeschichtliches Ereignis war, das Folgewirkungen auf Kultur und Gesellschaft hat und un ser Verhältnis zwischen Politik und Religion bis heute prägt.
Vielleicht darf man doch, obwohl es vielleicht selbstverständ lich erscheint, die einen oder anderen Kernsätze nennen, auch wenn wir kurz vor der Mittagspause stehen. Denn ich glaube, auch Selbstverständlichkeiten im Verhältnis zwischen Staat und Religion müssen immer wieder bewusst gemacht werden. Es muss immer wieder hinterfragt werden, wie man damit um geht.
Für Luther lag die Verantwortung für das Seelenheil zunächst beim Einzelnen, bei seinem Glauben und seiner Kenntnis der Bibel, und nicht bei der Kirche und auch nicht bei der Obrig keit. Genau diese Aufwertung des Einzelnen und seines Ge wissens hat nicht nur die Religion, sondern auch unsere Ge sellschaft und Politik bis heute geprägt. Liberale Demokratie und Menschenrechte bauen – nicht nur, aber ganz zentral – auf dieser Grundlage auf.
Wenn wir in die Welt schauen – auch im Vergleich zu den Re ligionen und Gesellschaften, die diese Grundlage nicht haben –, dann wissen wir, dass dieses Thema auch sehr aktuell ist. Es wird uns auch bewusst, was wir da an guter Grundlage be sitzen.
Die Reformation war auch Ausgangspunkt der Kirchenspal tung. Die politische Landschaft Deutschlands und Europas ist davon geprägt worden, bis hin zum 30-jährigen Krieg. Das hat das Verhältnis zwischen Politik und Religion, Staat und Kirche bestimmt. Die Lehre aus diesen Glaubenskriegen war, dass Glaubensfragen von staatlicher Herrschaft zu trennen sind. Der Einzelne sollte in der Wahl seiner Konfession frei sein; der Herrscher konnte Gesetzestreue einfordern, aber kein Glaubensbekenntnis. Wenn wir in die Welt schauen, sehen wir die ganz aktuelle Bedeutung dieser Gedanken.
Unser Staat ist trotzdem kein atheistischer, kein religions feindlicher Staat. Der liberale Staat der Gegenwart kann und darf heute nicht mehr beanspruchen, Fragen der Religion und der Weltanschauung für alle Bürger allgemeingültig zu beant worten. Aber er muss den Raum geben und Rahmenbedingun
gen schaffen, damit Fragen der Werte und ihrer Letztbegrün dung in der Gesellschaft auch Platz haben. Manche sagen heu te: Diese Wertevoraussetzungen, die der Staat braucht, sind heute immer weniger religiös begründet.
Manche wollen religiöse Fragen deshalb möglichst überhaupt aus dem öffentlichen Leben ausschließen. Ich halte das für grundfalsch. Mag auch die Bedeutung der Institution Kirche abgenommen haben, die Bedeutung von Religion und die Be deutung des christlichen Glaubens ist für die meisten in unse rer Bevölkerung hoch, nur die Formen haben sich geändert.
Deshalb darf die Politik religiöse Grundlagen unserer Gesell schaft nicht vernachlässigen und auch nicht beiseiteschieben. Dazu gehört z. B., dass sie das subsidiäre Wirken der Glau bensgemeinschaften in der Gesellschaft wertschätzt und auch ermöglicht. Das reicht hin zu den Wohlfahrtsverbänden, das reicht hin zu den Privatschulen; da könnte man schon auch konkreter werden und auch immer wieder kritisch hinterfra gen, ob diese Wertschätzungen und diese Rahmenbedingun gen in ausreichendem Maß gegeben sind.
Gedenktage sollten nie allein Tage des Rückblicks sein. Sie sollen auch Anlass sein, darüber nachzudenken, wie das Ge wonnene und Erlebte für die Zukunft nutzbar gemacht wer den kann. Ich denke an die Eigenverantwortung, die Luther eingefordert hat. Die Eigenverantwortung des Einzelnen droht in unserem Wohlfahrtsstaat durchaus zu verkümmern, wenn sich der Staat in überbordender Fürsorge vieler Belange des Einzelnen annimmt und ihn in einem immer enger werdenden Netz von Vorschriften in die Bevormundung treibt und, an dersherum, Eigenverantwortung in einer Fülle von Ansprü chen gegenüber anderen immer weniger gefragt scheint.
Ich bin sofort fertig. – Ich den ke, es lohnt sich, in der Politik auch parteiübergreifend darü ber nachzudenken. Vielleicht kann das Feiern der Reformati on auch entsprechende Impulse in die Politik hineingeben. Mit dem im Entwurf vorliegenden Gesetz wird zumindest das Fei ern gesichert, aber für inhaltliche Impulse in beide Richtun gen gibt es noch viele Möglichkeiten. Da sind durchaus auch die Landesregierung und die Fraktionen gefragt, sich gegen seitig Impulse zu geben.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Seit drei Jahren regiert die grün-rote Koalition,
und beim Thema Inklusion herrscht weiterhin Stillstand.
Nicht nur bei der Inklusion, ja. Aber das kann ich jetzt nicht ausführen. – Herr Minister, ich habe Sie oft kritisiert, und zwar zu Recht. Heute empfinde ich fast ein bisschen Mitleid mit Ih nen.
Sie stehen vor der schwierigen Aufgabe, die Inklusion, den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinder ten Kindern, umzusetzen. Aber Sie haben einen Koalitions partner, der utopische Erwartungen weckt und unbezahlbare Forderungen stellt, der Ihnen jedoch die notwendigen Res sourcen verweigert und stattdessen den Kommunen in die Ta sche langen will.
Herr Minister, wer solche Partner hat, braucht sich keine an deren Bremser zu suchen.
Die Grünen wollen nicht den Besuch einer Regelschule er möglichen – das ist unser Ziel –, nein, sie wollen ihn vor schreiben. Die Sonderschulen sollen als Schulart abgeschafft
werden, und alle Kinder mit Behinderungen sollen in Zukunft eine Regelschule besuchen. Im Papier „Umsetzung von In klusion in der Kommune“ der Landesarbeitsgemeinschaft Be hindertenpolitik des Landesverbands von Bündnis 90/Die Grünen heißt es:
Die sogenannten Schulkindergärten und Sonderschulen sind mit Artikel 24 und dem Diskriminierungsverbot des Artikels 5 UN-BRK nicht vereinbar. Sie sind eine päda gogische Fehlentwicklung.
Die Auflösung der Sondereinrichtungen wird ein länge rer Prozess mit verschiedenen Zwischenschritten sein. Daran wollen wir arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine völlige Miss achtung der hervorragenden sonderpädagogischen Förderung und Bildung an den Schulkindergärten und Sonderschulen.
Es ist eine Diffamierung der Lehrer und Erzieher, es ist eine Blindheit gegenüber den Bedürfnissen derjenigen Kinder, die dort besser gefördert werden können als auf einer Regelschu le, und es ist eine Missachtung des Wahlrechts der Eltern, die sich dann nicht mehr für die besonderen Fördermöglichkei ten einer Sonderschule entscheiden können. Kurz: Das ist grü ne Bevormundungspolitik auf dem Rücken der Schwächsten in unserem Land, und das ist unverantwortlich.
Es ist umso unverantwortlicher angesichts der Kosten der In klusion. Wir alle wissen, dass Inklusion teuer ist. Gelingende Inklusion, die Sie ja in Ihrem Koalitionsvertrag versprochen haben, braucht auch entsprechende Ressourcen: Investitionen an den Schulen, Schulassistenten, vor allem aber Sonderpäd agogen mit ihren besonderen Kompetenzen. Davon gehen al le Fachleute aus, die Vertreter der Lehrerinnen und Lehrer und auch Sie, Herr Minister, und zwar zu Recht.
Mit 4 000 Deputaten haben Sie den Bedarf für die Inklusion beziffert. Doch schon fällt Ihnen der eigene Koalitionspartner in den Rücken. Im April hieß es, dieser Ansatz sei zu hoch, da müsse noch einmal nachgerechnet werden. Herr Poreski, ich danke Ihnen, dass Sie Ihre Auffassung noch einmal bestätigt haben, die Vorstellungen des Kultusministeriums seien total überzogen, 200 Stellen seien Ihres Erachtens genug. Hier schließt sich dann der Kreis. Denn der Gedanke der Grünen ist: Wenn wir die Sonderschulen schließen, können alle bis lang dort beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer an die Regel schulen wechseln. Inklusion wird wie durch ein Wunder res sourcenneutral. Das ist die schöne grüne Welt.
Leider hat sie mit der Realität wenig zu tun. Alle wissen, dass es so nicht funktionieren wird, erstens weil für manche Kin der weiterhin die Sonderschule die bestmögliche Förderung bieten wird, zweitens weil die dezentrale Beschulung an Re gelschulen eben doch teurer ist, wenn man das jetzige Niveau
der Förderung erhalten will – das wollen wir –, und drittens weil die Förderquoten in allen Bundesländern stetig steigen. Es gehen mehr Kinder auf Regelschulen, aber die Schülerzahl an den Sonderschulen sinkt trotzdem nur wenig. Hier wird zu rechtgebogen, was nicht funktionieren kann.
Da ist es kein Zufall, dass die Grünen jetzt mit einer weiteren Idee vorgeprescht sind. Sie haben vorgeschlagen, dass die Schulämter zukünftig über den Einsatz der Schulassistenten entscheiden sollen. Schulassistenten sind Helfer, die von den Kommunen über die Eingliederungshilfe bezahlt werden. Da zu weiß man: Beim laufenden Schulversuch zur Inklusion ist der Grundsatzstreit zwischen Land und Kommunen, wer für welche Kosten aufkommen muss, weiterhin ungelöst.
Besonders strittig sind dabei die extrem steigenden Kosten für die Schulassistenten. Sind deren Aufgaben kommunale Sache oder Landessache? Oder geht es eben um sonderpädagogische Aufgaben, für die die Lehrer und damit das Land zuständig sein müssen?
Wie praktisch wäre es da, wenn zukünftig die Schulämter, al so das Land, gleich für die Kommunen mitentscheiden könn ten? Das wäre in der Tat praktisch. Weil es den Grünen jetzt dämmert, dass Inklusion teuer werden könnte, sollen nun die Kommunen die Lasten über die Eingliederungshilfe tragen.
Sie wollen das Geld anderer verteilen, und das Echo von kom munaler Seite ist auch entsprechend.
Das ist keine Partnerschaft zwischen Land und Kommunen, sondern das ist abenteuerlich und dreist.
Herr Minister, ich beneide Sie nicht. Ich beneide Sie nicht da rum, unter diesen Bedingungen Inklusion verantwortlich um setzen zu müssen.
Trotzdem kann ich Sie und die gesamte Landesregierung nicht aus Ihrer Pflicht entlassen. Sie alle sind dafür verantwortlich, die Inklusion an unseren Schulen voranzubringen, das hohe Niveau der Förderung nicht aufs Spiel zu setzen und dafür die notwendigen Ressourcen bereitzustellen. Dabei haben Sie un sere Unterstützung. Aber machen Sie es ehrlich. Sagen Sie, was geht und was nicht geht. Die Kinder und Eltern brauchen eine Lösung, die Schulen und die Lehrer brauchen Verläss lichkeit und Unterstützung bei Ihrer Arbeit, und die Kommu nen brauchen ein echtes Angebot, damit es mit der Inklusion endlich vorangeht. Wir warten schon zu lange. Handeln Sie endlich!
Der Herr Ministerpräsident hat auf dem Grünen-Parteitag ge sagt: „Wir, die Grünen, sind für Kinder und Kröten da.“ Herr Minister, machen Sie sich zum Anwalt der Kinder.
Herr Poreski, Sie haben gesagt, ich hätte eine Karikatur des Grünen-Papiers gebracht.
Meinten Sie damit, dass dieses Papier eine Karikatur sei? Ich habe aus diesem Papier zitiert. Wenn Sie das so empfinden, distanzieren Sie sich deutlich von diesem Papier. Dann wis sen wir auch, woran wir sind.
Herr Minister, im Grunde genommen ist uns allen klar, dass es schwierig ist, dieses Thema umzusetzen. Aber, Herr Pore ski, wir brauchen eine verständnisvolle Debatte – das haben Sie gesagt –,
doch wir brauchen auch Handeln, Regierungshandeln.
Denn nur zu debattieren bringt uns nicht weiter.
Herr Fulst-Blei, Sie haben ja kräftig reingelangt. Thema Mo dellversuche: Wir haben 2010/2011 diese Modellversuche auf den Weg gebracht. Sie haben sie auch verlängert. Aber Sie ha ben nichts weiterentwickelt. Wir haben Grundlagen gelegt,
jedoch nicht mit dem Ziel, Stillstand zu produzieren. Als Sie gemerkt haben, dass die Sache teuer wird, haben Sie das In teresse daran verloren. „Wir handeln“, haben Sie gesagt. Wa rum ist immer noch keine Vereinbarung mit den Kommunen vorhanden?
Es besteht Stillstand hinsichtlich einer Vereinbarung mit den Kommunen. Das ist ein zentrales Feld, auf dem Sie handeln müssen und bei dem Sie nicht nach den Konzepten der Oppo sition fragen sollten, sondern bei dem Regierungshandeln ge fragt ist. Wir können die Verhandlungen mit den Kommunen nicht führen.
Da herrscht Windstille, Stillstand. Ich gebe Ihnen gern unser Konzept, aber wir können natürlich als Opposition kein Re gierungshandeln praktizieren.
Wir würden es gern besser machen, aber Sie sind an der Re gierung. Sie sind am Zug.
Jetzt einmal zu dem „finanziellen Sauladen“: Was haben wir für eine Regierung, die in diesem starken, reichen Land Ba den-Württemberg, wo die Steuerquellen sprudeln wie nie, bei jedem Thema immer erst nach anderen ruft, nach dem Geld der Kommunen, nach dem Geld des Bundes? Sind Sie denn nicht einmal in der Lage,
Ihre Aufgabe zu erledigen?
Ich frage mich manchmal: Wozu brauchen wir eigentlich ei ne Landesregierung, wenn immer nur nach dem Bund und den Kommunen gerufen wird? Machen Sie das Land, die Landes regierung nicht überflüssig! Aber wir kommen noch dazu, dass wir diese Landesregierung als überflüssig erachten.
Lieber Herr Minister, dieses Thema ist nicht einfach,
aber der Ministerpräsident hat beim Grünen-Parteitag gesagt: „Der frische Wind ist spürbar.“ Bei diesem Thema spüren wir keinen Wind. Herr Minister, wenn Sie schon nicht mit den Grünen zusammen Gas geben dürfen, dann treten Sie wenigs tens in die Pedale.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Wie kommt der Ausbau der Inklusion vo ran? Uns eint das Grundziel, die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Menschen mit und ohne Behinderungen sollen in unserer Gesellschaft in allen Bereichen selbstverständlich zusammenleben,
so, wie es in der UN-Konvention formuliert wurde: „in allen Bereichen“.
Uns eint das Ziel, aber wir vermissen bei der Landesregierung den konkreten Ehrgeiz, hier wirklich weiterzukommen.
Wir vermissen den Ehrgeiz, über allfällige Sonntagsreden zur Vielfalt in unserer Gesellschaft hinaus mit konkreten Taten an Verbesserungen zu arbeiten. Dies vermissen wir in allen Be reichen der Politik für behinderte Menschen, nicht nur in der Schule.
Der gemeinsame Unterricht ist in der Tat ein Beitrag zu mehr Inklusion. Wir wollen, dass dieses Angebot ausgebaut wird. Wir wollen, dass für diejenigen Kinder, die in den Sonder schulen am besten gefördert werden können, auch dieses Bil dungsangebot erhalten bleibt. Wir wollen ein qualifiziertes Wahlrecht für die Eltern bei der Entscheidung für einen die ser beiden Wege. Der Inklusionsprozess soll nicht weniger, sondern mehr Wahlmöglichkeiten eröffnen, und wir wollen die Möglichkeit des inklusiven Unterrichts dabei nicht auf ei ne Schulart beschränkt wissen.
Uns geht es dabei nicht um Quantität, sondern um Qualität. Lediglich die Inklusionsquote zu erhöhen, mag in der politi schen Diskussion vordergründig Lorbeeren einbringen, hat per se jedoch mit bestmöglicher Bildung für Kinder mit und ohne Behinderung eher wenig zu tun. Das Wohl der Kinder muss bei allem im Mittelpunkt stehen.
Blicken wir einmal nach Berlin, von wo es aktuelle Meldun gen gibt. Berlin freut sich über eine Inklusionsquote von über 50 %, hat nun aber die flächendeckende Inklusion verscho ben. Was hören wir aus Berlin? Ich verweise auf die Presse berichte: Darin geht es um die Klassenlehrerin, die sich al leingelassen fühlt, es geht um die Sonderpädagogin, die sich „verbraten“ fühlt; es geht um die Schülerin, die mangelnde Vorbereitung von Lehrern beklagt; es geht um Schulen, die sagen: „Die Einstellung allein reicht nicht. Bei uns hat sich Resignation breitgemacht.“ So kann die Einführung von In klusion zum Wohl aller Beteiligten nicht laufen.
Aber wir brauchen gar nicht nach Berlin zu schauen. Wir ken nen auch Beispiele aus unserem Land. Da muss eine Grund schullehrerin ohne Vorbereitung ein behindertes Kind in ihre Klasse aufnehmen. Unvorbereitet soll sie mit vier Stunden sonderpädagogischer Hilfe dieses Kind allein fördern und wei ter begleiten. Das ist unverantwortlich, und das wollen wir nicht.
Wir wollen nicht, dass Inklusion auf dem Rücken der Kinder und auf dem Rücken der Eltern ausgetragen wird. Wir wol len, dass Qualitätsstandards eine wesentliche Rolle spielen und nicht nur die Quantität.
Wir brauchen ein pädagogisches Konzept, wir brauchen Fort bildungskonzepte für die Lehrer, wir brauchen ein starkes Un terstützungsnetz für Schulen und Lehrer, wir brauchen effizi ente Verfahrenswege, damit Eltern nicht im Dickicht langer Antragsverfahren verzweifeln, und wir brauchen Ressourcen. Wir haben Erfahrungen aus den Modellregionen, die zeigen, dass die zugewiesenen Lehrerstunden dort bei Weitem nicht ausreichend waren.
Aber welche Konsequenzen ziehen Sie daraus – Sie, die jetzt die Verantwortung haben? Mit welchen zusätzlichen sonder pädagogischen Ressourcen rechnet die Landesregierung? Wie groß wird die sonderpädagogische Unterstützung im täglichen Unterricht tatsächlich sein? Welche zusätzlichen Lehrerstun den wird es für die regulären Lehrkräfte geben? Die Regel schulen können die Inklusion mit den vorhandenen Ressour cen allein nicht stemmen.
Die Inklusion wird Lehrerstunden und Ressourcen benötigen. Vor dieser Aussage aber drückt sich die Landesregierung, weil sich die Koalitionspartner nicht einig sind. Gelten starre Aus sagen zum Stellenplan, oder soll zunächst der Bedarf für die Inklusion und für andere Aufgaben geklärt werden? Es ist Zeit für ehrliche Antworten.
Es fehlen viele Antworten: bauliche Veränderungen, Ausstat tung, Mittagsbetreuung, Schülerbeförderung, Schulbegleitung – wer stellt sie ein, wer bezahlt, wer entscheidet? Was ist seit der Debatte im Dezember passiert? Welche Schritte hat die Landesregierung unternommen, um die Inklusion im Schul terschluss mit den kommunalen Landesverbänden zu stem men?
Wir erwarten konkrete Antworten. Es bedarf einer bis zum Ende gedachten Konkretisierung der Prozesse und der Verant wortlichkeiten.
Herr Minister, in diesen Wochen beginnen die Informations veranstaltungen für die Einschulung in die Grundschule und den Übergang in weiterführende Schulen. In den Kommunen herrscht große Verunsicherung darüber, wie es nun weitergeht und was sie den Eltern raten sollen. Wie lange wollen Sie den Beteiligten denn diese Verunsicherung noch zumuten?
Herr Minister, in den Schulen stehen demnächst Zwischen zeugnisse an. Wie auch immer Sie zu Noten stehen: Beim The ma Inklusion kann im Zeugnis der Landesregierung nur ste hen: „Ehrgeiz und Tun ungenügend“ – eine glatte Sechs.
Herr Minister, Sie scheinen et was dünnhäutig zu sein.
Sie sagen, das Thema eigne sich nicht zum parteipolitischen Streit. Ja.
Sie kennen unsere Angebote zur Zusammenarbeit. Im nächs ten Satz sagen Sie, die Kritik der Opposition sei infam.
Ich bekomme das nicht zusammen.
Ich denke, Kritik ist angebracht. Herr Poreski hat allgemeine Punkte genannt. Ich vermute, dass dies die Eckpunkte sind. Ich sage aber ganz klar: Wenn das die Eckpunkte sind, dann sind das nur allgemeine Absichtserklärungen.
Herr Käppeler, wir erwarten nicht, dass schwierige Fragen – Sie bezeichnen das als bürokratisch; das ist sehr abwertend – binnen Monatsfrist geklärt werden. Sie hatten mehr als zwei einhalb Jahre lang Zeit,
diese Fragen anzugehen.
Regierungshandeln ist konkretes Handeln und muss über Ab sichtserklärungen hinausgehen. Regieren ist kein Ponyhof,
sondern harte Arbeit, und diese harte Arbeit muss geleistet werden.
Es geht nicht darum, dass wir erwarten, dass Sie hierzu sofort einen Gesetzentwurf vorlegen. Ich gestehe Ihnen zu, dass ein guter Gesetzentwurf Vorarbeit erfordert. Diese Vorarbeit muss aber konkret sein und geleistet werden. Es geht darum, Qua litätsstandards – –
Ich weiß, das Zuhören fällt schwer, wenn man feststellt, dass die Kritik gerechtfertigt ist.
Erforderlich sind Qualitätsstandards und Verfahrensabläufe, damit die Beteiligten wissen, wie etwas an welcher Stelle funktioniert und wer verantwortlich ist. Dies kann man nicht als eine bürokratische Abhandlung abtun. Nein, das ist das, was man von einer Regierung erwartet. Die Dinge dürfen nicht dem Zufall überlassen werden, wie es das Schulamt ge rade meistert, sondern es bedarf der Verlässlichkeit auch im Verfahren. Außerdem bedarf es ganz konkreter Aussagen in Bezug auf die Ressourcen. All das haben Sie bisher aber noch nicht geliefert.
Insofern kann ich nachvollziehen, dass man in seiner Hilflo sigkeit wiederum Geschichtsunterricht betreibt. Das nützt aber nichts. Sie stellen seit zweieinhalb Jahren die Regierung.
Sie haben Versprechen gegeben, Ansprüche an sich selbst for muliert und geben vor, deswegen gewählt worden zu sein. Diese Aufgaben haben Sie heute bzw. in diesen fünf Jahren zu erfüllen. Ihre Aufgabe ist es aber nicht, immer wieder Ge schichtsunterricht zu betreiben.
Wenn Sie schon Geschichtsunterricht betreiben, dann machen Sie es bitte richtig. Die Außenklassen sind bereits 1996 als Kooperationsklassen eingeführt worden. Jeder, der etwas vom Fach versteht, sagt, dass das in die richtige Richtung geht, ins besondere für Kinder mit geistiger Behinderung.
Sie können also nicht behaupten, in diesem Bereich sei nichts gelaufen. Ich würde nicht behaupten, dies sei infam, sondern sage: Das ist die Hilflosigkeit einer Regierung, die in diesem Bereich zu wenig getan hat.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Politik ist die Kunst des Möglichen. Das sollte aber mehr sein als Stillstand. Das gilt auch für die In klusion an den Schulen, also die gemeinsame Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung. Sie, die Landesregierung, sind mit vollmundigen Ankündigungen gestartet, aber erreicht ist bisher nichts. Es gibt in vielen Be reichen eine große Kluft zwischen Ihren Ankündigungen und Ihren Taten, aber nirgends ist die Kluft so groß wie im Bereich der Inklusion.
Sie haben angekündigt, den Anspruch auf Inklusion an einer Regelschule gesetzlich zu verankern. Sie haben ein Eltern wahlrecht versprochen – sogar ein uneingeschränktes, wie es im Wahlprogramm der Grünen steht. Sie haben die notwen digen personellen, räumlichen und sachlichen Ressourcen zu gesagt. Sie wollten sogar einmal die Sonderschulen und das eigenständige Lehramt Sonderpädagogik abschaffen. Es konn te Ihnen nicht schnell genug gehen.
Im Wahlprogramm der Grünen steht:
Im Gegensatz zur
schwarz-gelben –
Landesregierung, die bis zum Jahr 2013 an der Sonder schulpflicht festhalten will, wollen wir die Sonderschul pflicht sofort abschaffen.
Vor wenigen Tagen musste der Kultusminister nun eingeste hen: Die Inklusion kam nicht vor 2013, sie kommt auch nicht 2013, sie kommt frühestens zum Schuljahr 2015/2016.
2013, wie von der Vorgängerregierung geplant, war Ihnen nicht schnell genug, und jetzt vertrösten Sie Schüler und El tern, Schulen und Schulträger auf das Ende der Legislatur. Da bei haben Sie eine gute Ausgangsbasis vorgefunden. 2010 war Baden-Württemberg Vorreiter unter den Bundesländern. Uns ging es nicht darum, blind den Inklusionsanteil zu erhöhen, wie es andere Bundesländer getan haben. Das wäre einfach und unverantwortlich. Manche dieser Länder müssen ja auch schon wieder zurückrudern. Uns ging es um verantwortungs volle Lösungen, damit Kinder und Jugendliche mit Behinde rungen auch an einer Regelschule optimal gefördert werden können.
Wir wussten, dass diese Probleme komplex sind. Deshalb hat ten wir fünf Erprobungsregionen auf den Weg gebracht. Es gab einen klaren Fahrplan für die Umsetzung der Inklusion.
Wo stehen wir heute, zweieinhalb Jahre später? Auf jeden Fall gilt: Diese gute Ausgangsposition ist verspielt. Auf vollmun dige Ankündigungen folgte Stillstand.
Noch nicht einmal eine Optimierung der Verfahrensabläufe ist gelungen. Ihr Zeitplan ist aus dem Ruder gelaufen. Es herrscht Stillstand – Stillstand auf dem Rücken der Kommu nen und Landkreise, aber vor allem auf dem Rücken der Schü ler, der Eltern und der Lehrerinnen und Lehrer. Dafür trägt al lein die Landesregierung die Verantwortung. Baden-Württem berg war in der Poleposition, jetzt steht das Land in der letz ten Reihe. Sie haben bis heute kein Konzept vorgelegt und sind zentralen Entscheidungen ausgewichen.
Wie geht es weiter mit den Sonderschulen? Wie sieht die Wei terentwicklung zu sonderpädagogischen Bildungs- und Bera tungszentren konkret aus? Wie werden diese Sonderschulen in die regionale Schulentwicklungsplanung einbezogen? In klusion soll sich hoffentlich nicht nur an Gemeinschaftsschu len abspielen. Wie geht es mit den anderen Schularten weiter?
Sie haben sich zum Zwei-Pädagogen-Prinzip bekannt. Aber die Realität sieht anders aus. Die Ressourcen reichen nicht aus. Sie schieben die Verantwortung auf die Schulbegleiter und damit über die Eingliederungshilfe auf die Landkreise ab. Erforderlich sind zusätzliche Lehrerressourcen, um eine Über forderung der Lehrer in den Regelschulen zu vermeiden.
Eine optimale Förderung braucht auch die besondere Kompe tenz der Sonderpädagogen. Da haben Sie wenigstens Einsicht gezeigt. Das eigenständige Lehramt Sonderpädagogik wurde infrage gestellt, bevor Sie nach massiven Protesten aus der Fachwelt glücklicherweise zur Vernunft gekommen sind.
Wie sieht sonderpädagogische Förderung für Kinder aus? Welche Kinder werden erfasst? Wir wissen doch, dass Schü lerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf – etwa bei Autismus oder auch psychischen Störungen – bisher durch den Rost fallen. Hier sind keine sonderpädagogischen Res sourcen vorgesehen. Das ist doch ein Problem, das gelöst wer den muss und nicht einfach abgeschoben werden darf.
Ganz ärgerlich ist die Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen. Das ist ein gänzlich ungeklärtes Feld.
Sie haben nach dem Endbericht zum Schulversuch vernich tende Rückmeldungen bekommen. Die Schulträger finden sich dort mit ihren ungelösten Fragen gar nicht wahrgenommen. Wie geht es weiter mit den baulichen Maßnahmen, mit der Barrierefreiheit, mit den Richtlinien? Wie geht es weiter mit der Verteilung und Zuweisung der Sachmittel an die Schul träger, auch wenn mehr Lehrer an die Regelschulen gehen? Wie steht es mit der Ganztagsbetreuung von inkludierten Kin dern? Auch das wünschen sich Eltern, wenn sie ihre Kinder in der Regelschule haben.
Wie geht es weiter mit der Schülerbeförderung, der Schulweg begleitung? Kann man es hinnehmen, dass die Kosten bei den Schulwegbegleitern explodieren, die über die Eingliederungs hilfe finanziert werden müssen? Da müssen Gespräche geführt werden. Die werden aber nicht geführt, weil das Land keinen Vorschlag auf den Tisch legt. Sie drücken sich vor Entschei dungen.
Sie lassen die Kommunen und – was noch viel schlimmer ist – die Eltern allein und lassen offensichtlich lieber die Gerich te entscheiden.
Die CDU-Fraktion unterstützt nachdrücklich das Ziel der In klusion. Wir wollen eine Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Wir wollen, dass mehr Kinder mit Behinderungen eine Regelschule besu chen können. Wir wollen, dass der Weg über eine Sonderschu le für all diejenigen offen bleibt, die dort besser gefördert wer den können, und wir wollen damit eine faire Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen.
Im Herbst 2012 hat meine Fraktion ein Konzept zur Umset zung vorgelegt. Wir haben zugleich der Landesregierung Ge spräche angeboten, um das wichtige Vorhaben der Inklusion gemeinsam voranzutreiben. Dieses Gesprächsangebot erneu ern wir heute, weil es um die Kinder und Jugendlichen in un serem Land geht.
Aber aus Ihrer Verantwortung können und werden wir Sie nicht entlassen. Sie müssen in Ihrer Bildungspolitik Prioritä ten setzen und die entsprechenden Ressourcen bereitstellen. Inklusion ist nicht zum Nulltarif zu haben. Das wussten alle Beteiligten schon von Beginn an.
Sie, die Regierung, sind in der Pflicht zu handeln. Das sind Sie den Kindern, Jugendlichen, Eltern und Lehrern schuldig. Politik ist die Kunst des Möglichen; das ist mehr als Stillstand.
Herr Minister, Sie haben recht: Wir brauchen eine inklusive Grundverfassung. Aber durch halblebiges Nichtstun
wird die Akzeptanz der Inklusion, die wir laut Umfrage des VBE ja in großem Ausmaß vorfinden, geschwächt und auch aufs Spiel gesetzt.