Protocol of the Session on April 10, 2013

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ein Kalender macht noch keinen Frühling! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das war ein richtiger Schmie del!)

Frau Kollegin, ich kann Ih nen nochmals sagen, dass der Herr Minister – ich meine, es war im November oder Dezember letzten Jahres – in einer Pressekonferenz einen umfassenden Vergabekalender vorge legt hat,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Und im Ausschuss?)

aus dem Sie ersehen können, wann welche Strecke in den Wettbewerb geht. Der Vergabekalender, den noch die Vorgän ger präsentiert hatten, war mit geltendem Recht nicht in Ein klang. Deswegen konnte man ihn nicht anwenden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Maier das Wort.

(Abg. Winfried Mack CDU: Dem können wir die gleiche Frage noch einmal stellen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Nachtrag ist eine solide Rechtsgrundlage für künftige Vergaben im Schie nenpersonennahverkehr.

Lieber Kollege Hauk, ich weise den ungehörigen Vergleich mit einem Ermächtigungsgesetz zurück, besonders für meine Fraktion, die Fraktion der SPD.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir zwei Ziele erreichen. Wir wollen nicht alle Themen der Politik aufgrei fen; das ist nicht Ziel dieses ersten Nachtrags. Das ist doch immer genau so angekündigt worden.

Wir wollen zwei Ziele erreichen. Erstens wollen wir die haus haltsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausschreibung und Vergabe von Verkehrsleistungen schaffen. Vorrangiges Ziel des Landes ist es, einen funktionierenden Wettbewerb im Be reich des Schienenpersonennahverkehrs zu ermöglichen – zum Vorteil des Landes.

Zweitens wollen wir sicherstellen, dass die Mehrkosten der Stadt- und Landkreise bei höheren Flüchtlingszahlen erstattet werden können.

Von großer finanzieller Tragweite wird es sein, wie das Ergeb nis der Ausschreibungen im Schienenpersonennahverkehr aus fällt. Einen großen Verkehrsvertrag mit einem Kilometerpreis von 10,82 € können wir uns nicht mehr leisten. Attraktive und marktgerechte Angebote bekommen wir allerdings nur bei ei nem funktionierenden Wettbewerb. Das wird nicht einfach. Denn der Bieterwettbewerb von früher kommt heute nur noch selten zustande. Zum einen kommt es zeitgleich bundesweit wie auch in Baden-Württemberg zu einer regelrechten Verga bewelle, und zum anderen sank die durchschnittliche Zahl der Bieter in den letzten Jahren kontinuierlich.

Die Landesregierung muss daher im Interesse des Landes Schritte einleiten, um den Wettbewerb anzustoßen, um die An gebote attraktiv zu machen. Dazu gehört eine zeitversetzte Ausschreibung, dazu gehören Fahrzeugfinanzierungsmodel le, die den Wettbewerb unter potenziellen Anbietern unterstüt zen und befördern.

Ergänzend zum Grundmodell der Kapitaldienstgarantie kann auch das VRR-Modell – das Modell des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr – angeboten werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Das ist bei großen Ausschreibungsnetzen mit hohen Investitionen in die Fahrzeugbeschaffung der Fall.

Mit diesem Nachtrag werden wir anzubietende Fahrzeugfi nanzierungsinstrumente durch Garantien und Verpflichtungs ermächtigungen abdecken und damit auf eine solide rechtli che Grundlage stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Die Vorarbeiten zu diesem Gesetzentwurf waren weit umfang reicher und komplizierter, als es den Anschein hat. Ich weise auch die Behauptung zurück, die Regierung sei seit zwei Jah ren untätig gewesen. Zwei Jahre sind wir noch gar nicht im Amt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie schon!)

Es gab zig Verhandlungen und einiges zu bedenken. Wir konn ten – das muss ich auch ganz klar unterstreichen – nicht auf die alten Pläne der Vorgängerlandesregierung zurückgreifen.

Die Pläne gibt es. Es waren Vorbereitungen erfolgt. Das ging sogar so weit, dass mein Kollege Mack im Rahmen einer Re gierungsbefragung erwähnt hat, dass man mit Garantien ar beiten wollte.

Die alten Pläne hatten aber nicht das Thema Fahrzeugfinan zierung aufgegriffen, und sie unterscheiden sich grundlegend, was die Marktsituation betrifft. Die Marktsituation hat sich nach der Krise geändert. Man musste darauf eingehen und sich damit auseinandersetzen. Wir haben lange darum gerungen, nur die Modelle auszuwählen und anzubieten, die das Risiko und den Aufwand für das Land in engen Grenzen halten.

Im Übrigen sind die Vorgaben nicht zwingend. Der Wettbe werb kann offen gestaltet werden. Anbieter, die ohne diese Garantien auskommen, sind trotzdem herzlich willkommen. Sie sind uns sogar die Liebsten, weil wir da überhaupt keine Risiken eingehen.

Auf den Vorwurf der Verzögerung der Ausschreibung entgeg ne ich noch einmal, dass es mir bei dieser wichtigen Aufgabe mit ihrer enormen finanziellen Tragweite lieber ist, eine gründ liche statt einer schlampigen und schnellen Arbeit abzuliefern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Man muss allerdings noch etwas Wasser in den Wein gießen. Wir haben jetzt die Vorbereitungen für den Wettbewerb ge troffen. Interessant wird es natürlich, wenn die Wettbewerbs teilnehmer da sind. Dann sehen wir, wie die Maßnahmen tat sächlich gewirkt haben. Dazu können wir jetzt natürlich noch nichts sagen.

Mehrkosten muss das Land auch bei der Flüchtlingsunterbrin gung tragen. Es ist zu erwarten, dass die Entwicklung der Flüchtlingszahlen gegenüber dem bisherigen Haushaltsansatz für 2013 – er beträgt 75,2 Millionen € – zu höheren Kosten erstattungen an die Landkreise führt.

Das Ministerium hat richtig gerechnet: Wir hatten 2011 7 913 Flüchtlinge. Wir haben vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Zahlen bekommen – allerdings nur für kurzfristi ge Zeiträume. 2013 kamen bis jetzt 2 333 Flüchtlinge. Auf das Jahr hochgerechnet sind das etwa 9 000.

Wir hoffen natürlich, dass sich die Flüchtlingszahl wieder auf ein normales Maß einpendeln wird. Es ist kein gutes Zeichen, wenn viele Flüchtlinge zu uns kommen; denn dann stimmt ir gendwo anders in der Welt etwas nicht. Die genaue Höhe der Zahl der künftigen Flüchtlinge steht allerdings nicht fest.

Wir haben die Mehrausgaben im Haushalt verteilt, indem wir die globale Minderausgabe hiermit belastet haben und so fle xibel mit diesen Zahlen umgehen können.

Eine Diskussion über die Flüchtlingszahlen wird Kaffeesatz leserei sein. Flüchtlingszahlen entwickeln sich nach Situatio nen in der Welt. Die meisten Flüchtlinge kommen derzeit aus Syrien. Wir hoffen, dass dieses Problem möglichst rasch ge löst wird. Wir sind auf jeden Fall bereit, die Mittel zur Verfü gung zu stellen und unsere Aufgabe, Flüchtlingen Asyl zu ge währen, die uns nach dem Grundgesetz obliegt, zu erfüllen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Die SPD-Fraktion steht dahinter, dass das Urteil des Bundes verfassungsgerichts, wonach die Mittel nach dem Asylbewer berleistungsgesetz unzureichend sind und erhöht werden müs sen, richtig umgesetzt wird. Die SPD-Fraktion steht auch da hinter, dass wir die Bedingungen für die Flüchtlinge in Deutsch land verbessern.

Das Grundgesetz verpflichtet uns, politisch Verfolgten Asyl zu gewähren und sie menschenwürdig zu behandeln. Dazu sind wir wie auch die anderen Bundesländer verpflichtet. Wir sind auch bereit, dem nachzukommen. Ich gehe davon aus, dass niemand hier in diesem Saal dieser Änderung nicht zu stimmen wird. Die SPD-Fraktion trägt diesen Nachtrag mit.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Das hört sich aber anders an als „forciert“!)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegen den Nachtragshaushalt werden zwei Themen angerissen. Aus unserer Sicht ist die Zahl der Themen nicht ausreichend. Der Kollege Hauk hat einige Beispiele genannt.

Ich will noch etwas hinzufügen, was wir beim Nachtragshaus halt vermissen – das hatten wir bereits im Rahmen der Haus haltsberatungen angesprochen –: Dies betrifft die Zuschüsse für die nicht bundeseigenen Eisenbahnen. Hierfür waren im Haushaltsplan des Jahres 2012 über 20 Millionen € veran schlagt. Für die Jahre 2013 und 2014 ist jeweils 1 Million € etatisiert worden. In einer der letzten Diskussionsrunden ha be ich darauf hingewiesen, dass die nicht bundeseigenen Ei senbahnen – hierzu gehören z. B. auch die SWEG und die HzL, also landeseigene Unternehmen – mit diesen Mitteln nicht klarkommen werden.

Herr Kollege Schwarz, Sie haben hier schon einmal erklärt, das sei alles erledigt. Ich war diese Woche auf einem ÖPNVKongress. Ihren Gruß habe ich ausgerichtet. Ich darf Ihnen ei nen Gruß zurückschicken und Ihnen ausrichten, dass Sie noch Hausaufgaben zu erledigen haben. Die nicht bundeseigenen Eisenbahnen sind gespannt, woher die Mittel kommen sollen, die für die sicherheitstechnische Nachrüstung erforderlich sind. Dabei reden wir über Beträge, die die veranschlagten Haushaltsmittel übersteigen. Dabei geht es um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg.

Mit dem Nachtragshaushalt wird zum einen auf die Entwick lung der Asylbewerberzahlen reagiert. Hierzu kann ich Ihnen die aktuellen Zahlen aus dem Rems-Murr-Kreis nennen. Die Landräte werden jetzt sicherlich aktiv werden und mit gro ßem Engagement Lösungen suchen. Im Jahr 2008 hat der Rems-Murr-Kreis 185 Flüchtlinge beherbergt. Stand Ende Fe bruar hat er 630 Asylbewerber. Derzeit kommen jeden Monat etwa 36 Flüchtlinge hinzu. Eine solche Entwicklung hat Aus wirkungen auf die Landkreise.

Daher ist es meines Erachtens notwendig, im Ausschuss de tailliert darzulegen, warum Sie von dieser Entwicklung über rascht sind.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Fragen Sie einmal beim BAMF nach!)

Der Nachtragshaushalt ist zum anderen die Reaktion auf zu sätzliche Notwendigkeiten im Bereich des Schienenpersonen nahverkehrs. Ich will Ihnen sagen, dass wir, die Fraktion, ver suchen werden, hierbei grundsätzlich mitzugehen. Wir haben aber gerade wegen des Themas „Haushaltsklarheit und Haus haltswahrheit“, das hier mehrfach angesprochen wurde – ich verweise auch auf den Antrag mit dem Titel „Transparenz im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr“, den wir 2012 ge stellt haben –, die herzliche Bitte und die Forderung – das wer den wir im Ausschuss über entsprechende Änderungsanträge einbringen –, dass wir über das Verfahren, wie Sie es jetzt vor sehen, dass sozusagen jetzt der Nachtragshaushalt in Milliar denhöhe mit einer Laufzeit von Zahlungen über Jahrzehnte hinweg hier beschlossen wird und dann die Landesregierung im Grunde genommen selbst Entscheidungen treffen kann, sprechen. Dieses Verfahren entspricht nicht der Haushaltsklar heit und -wahrheit, das entspricht auch nicht der Transparenz, die auch der Verkehrsminister uns zugesagt hat. Deswegen ist es, wenn wir Garantien erteilen, notwendig, über das Verfah ren zu sprechen. Es kann nicht sein, dass das am Ausschuss oder am Parlament vorbeigeht.

Wenn Bürgschaften an Unternehmen gewährt werden, sind Richtlinien zu beachten und muss der Ausschuss einbezogen werden. Deswegen wird die FDP/DVP-Landtagsfraktion ent sprechende Änderungsanträge zum Verfahren zur Beteiligung des Parlaments am weiteren Entscheidungsablauf einbringen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Konrad Epp le CDU)

Wir erkennen ausdrücklich an, dass sich der Markt im Schie nenpersonennahverkehr deutlich verändert hat, und zwar nicht nur wegen der Finanzkrise allein, sondern auch wegen der ent sprechenden Rahmenbedingungen. Deswegen ist es sicher lich geboten, sowohl über Garantien als auch über einen Fahr zeugankauf zu sprechen. Denn es gibt einfach fiskalische, fi nanzpolitische Notwendigkeiten. Wenn man es mit Leasing laufzeiten von Fahrzeugen von mehr als 25 Jahren und mit Vertragslaufzeiten von zwölf bis 15 Jahren zu tun hat, ist das in der Tat ein Thema, über das man diskutieren muss. Wir sind ausdrücklich bereit, darüber zu diskutieren. In Bayern wurde im vergangenen Jahr über einen Nachtragshaushalt eine Ver gabe über 200 Millionen € für den Ringzug West ermöglicht, indem man dort eine Garantieerklärung abgegeben hat.

Dennoch bleibt es bei der Kritik, und diese Kritik teilen wir ausdrücklich. Wenn man sich vergegenwärtigt – Kollege Schwarz hat darauf hingewiesen –, welche Vergaben bundesweit anste hen – wir rechnen jedes Jahr mit einem Volumen von 1,5 Mil liarden € für neue Fahrzeuge bundesweit –, dann sieht man, dass es jetzt, im Jahr 2013, schon unheimlich knapp wird für die Vergaben 2016. Wir sind eigentlich schon viel zu spät dran. Ich sehe mit großer Sorge, dass man zwar einerseits jetzt versucht, Garantien bereitzustellen, dass es aber andererseits aufgrund des engen Zeitkorridors möglicherweise Wettbewer ber gibt, die sich genau aus diesem Grund nicht in BadenWürttemberg bewerben. Wenn wir deswegen eine sehr gerin ge Zahl an Wettbewerbern bekommen, dann liegt das sicher lich nicht daran, dass man Garantien anbietet, sondern daran, dass Sie es schlicht und ergreifend nicht auf die Reihe bekom

men haben, das jetzt in dieser Dynamik, in dieser Schnellig keit vorzubereiten, die erforderlich ist, damit für die Wettbe werber auch in den zeitlichen Rahmenbedingungen Attrakti vität gegeben ist.

Insofern sehen wir es ein Stück weit mit Sorge, dass man im Jahr 2013 herangeht, Ausschreibungen durchzuführen, und hofft, dass man im Jahr 2016 für jede Strecke möglichst vie le Wettbewerber hat. Das sehen wir mit großen Sorgen. Wir sind gespannt, wie Sie die entsprechenden Streckenaufteilun gen vornehmen. Wir erwarten, dass Sie im Ausschuss die Stre ckenaufteilungen konkret darlegen und auch aufzeigen, wie Sie im Sinne der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit so wie im Sinne der versprochenen Transparenz den Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft bei den entsprechenden Entschei dungen auch in Zukunft beteiligen.