Insofern sehen wir es ein Stück weit mit Sorge, dass man im Jahr 2013 herangeht, Ausschreibungen durchzuführen, und hofft, dass man im Jahr 2016 für jede Strecke möglichst vie le Wettbewerber hat. Das sehen wir mit großen Sorgen. Wir sind gespannt, wie Sie die entsprechenden Streckenaufteilun gen vornehmen. Wir erwarten, dass Sie im Ausschuss die Stre ckenaufteilungen konkret darlegen und auch aufzeigen, wie Sie im Sinne der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit so wie im Sinne der versprochenen Transparenz den Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft bei den entsprechenden Entschei dungen auch in Zukunft beteiligen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 23. März 1933, also vor nunmehr etwas über 80 Jahren, hielt Otto Wels im Reichstag eine Rede, die in die Geschichts bücher eingegangen ist, eine Rede zum sogenannten Ermäch tigungsgesetz der Nationalsozialisten. Dass Ihnen, sehr geehr ter Herr Kollege Hauk, etwa 80 Jahre später nichts Besseres einfällt, als in einer Haushaltsdebatte ein Nachtragshaushalts gesetz als „Ermächtigungsgesetz“ zu bezeichnen, ist eine un glaubliche verbale Entgleisung.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Dann streichen Sie doch das Wort „Ermächtigung“ aus dem Gesetz! – Gegenrufe von den Grünen und der SPD)
Haushaltsrechtliche Ermächtigungen sind bei Haushaltsgeset zen der Normalfall; das gibt es seit Jahrzehnten.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt nicht! – Abg. Peter Hauk CDU: Aber es gibt kein Gesetz, das im Kern daraus besteht!)
Deshalb ist es unglaublich, dass Ihnen bei diesem Tagesord nungspunkt zum Nachtragshaushalt nichts Besseres einfällt als diese verbale Entgleisung.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Ste fan Fulst-Blei SPD: Da ist eine Entschuldigung fäl lig!)
Im Übrigen habe ich, auch was Ihre Versuche einer inhaltli chen Annäherung an das Nachtragshaushaltsgesetz anbelangt, den Eindruck, dass Sie nicht besonders gut darüber Bescheid
Sie haben insbesondere nicht verstanden, was „Haushaltsrei fe“ bedeutet. Haushaltsreif ist eben nicht die Polizeistruktur reform. Wir bereiten diese Reform für einen Zweiten Nach trag in der zweiten Jahreshälfte vor. Dies ist schon seit Mona ten so angekündigt. Haushaltsreif ist auch nicht der National park, der im nördlichen Schwarzwald geplant wird. Dazu ist ja noch gar nicht das entsprechende Gesetz verabschiedet, und es ist noch nicht einmal die räumliche Abgrenzung festgelegt.
Haushaltsreif ist eben auch nicht die Veranschlagung der Kos ten für die Unterbringung von Flüchtlingen gewesen; darauf ist mehrfach hingewiesen worden.
Deshalb bleibt es bei dem Fahrplan, den die Landesregierung schon vor Monaten angekündigt hat: Wir werden einen um fangreichen Nachtrag vorbereiten, in dem die Themen Steu erentwicklung, Polizeistrukturreform und gegebenenfalls auch Nationalpark – je nachdem, wie die weiteren Beratungen ver laufen – sowie auch das Thema „Anpassung der Beamtenbe soldung“ korrekt und sauber veranschlagt werden.
Ich weise nur einmal darauf hin, dass die aktuellen Steuerein gangszahlen keinen Hinweis darauf geben, dass wir da etwas unterschätzt hätten, und ich weise darauf hin, dass wir mit Wasserstandsmeldungen zu vermeintlichen Überschüssen vor dem Rechnungsabschluss haushaltspolitisch nicht vernünftig operieren können. Deshalb ist das Vorgehen der Landesregie rung sowohl politisch als auch haushaltsrechtlich völlig rich tig und zeugt ebenso von Respekt gegenüber dem Parlament.
Wir haben jetzt mit dem Entwurf eines Nachtragshaushalts die Voraussetzungen geschaffen, um die Frage der Fahrzeug finanzierung und der Ausschreibung der Verträge im Schie nenpersonennahverkehr anzugehen. Wenn man sich detailliert damit befasst, sieht man, dass es im Kern, nämlich bei der Fra ge, wie weit Eigentum an Fahrzeugen gestaltet werden soll, als Option zwei Wege gibt: Zum einen kann das Land selbst Eigentümer werden, zum anderen kann eine Landesgesell schaft Eigentümerin werden.
Jetzt wundere ich mich schon, dass die „Herolde“ der Trans parenz und der Haushaltsklarheit ausgerechnet ausschließen wollen, dass das Land selbst, lieber Herr Hauk, Eigentümer wird. Sie reden damit einem Schattenhaushalt das Wort: Für den Fall, dass Eigentum beschafft werden soll, wollen Sie das an eine Landesgesellschaft geben. Damit bin ich – das muss ich sagen –
nicht einverstanden. Deshalb haben wir, die Landesregierung, ausdrücklich für die Option der Eigentumsbeschaffung – die im Nachtragshaushalt ja vorgesehen ist – beide Wege offen gelassen. Denn man muss in der Tat genau abwägen: Ist es richtig – auch unter dem Stichwort Finanzierungskonditionen
, dass das Land selbst Eigentum beschafft, oder ist es besser, dass das Land dies nicht selbst tut, sondern eine Gesellschaft dies tut, die vielleicht sachnäher ist, weil sie schon mit Ver kehrsfragen zu tun hat? Eine solche Abwägung ist vorzuneh men.
Deshalb haben wir den Nachtragshaushalt so formuliert, dass der Weg für die Option Eigentum – die nur eine Option unter mehreren ist – ausdrücklich offengelassen wird. Denn man muss in der Tat vertieft prüfen, was im Interesse des Landes haushalts – Wirtschaftlichkeit –, was mit Blick auf die sach liche Nähe zur Verkehrspolitik und was im Hinblick auf das Transparenzgebot der richtige Weg ist. Aber dass Sie quasi schon einen Weg ausschließen, der unzweifelhaft zu Transpa renz führen würde, das hat mich schon verwundert.
Schließlich stellt sich die Frage nach den langen Laufzeiten von Verpflichtungsermächtigungen. Sie haben nicht mit der Wimper gezuckt, als Sie in der Vergangenheit eine langfristi ge Bindung des Landes beim Schienenpersonennahverkehr eingegangen sind. Jetzt schaffen wir zum ersten Mal Trans parenz, indem wir diesem Hohen Haus die entsprechenden Auswirkungen aufzeigen.
(Abg. Winfried Mack CDU: Woher haben Sie denn das Geld für diese Verpflichtungsermächtigungen? Sie haben diese Milliarden doch gar nicht!)
Sie haben es intransparent gestaltet. Wir schaffen Transparenz. Das ist gerade auch im Hinblick auf das Parlament ein Rie senfortschritt.
Wenn Sie in der Sache einig sind – – Sie wollen wohl auch mehr Wettbewerb; bei Herrn Hauk habe ich wegen seiner Äu ßerungen zu Stuttgart leichte Zweifel. Die Landesregierung jedenfalls will mehr Wettbewerb, Ausschreibungen, um für die Kunden, für die Bürgerinnen und Bürger, für die Regio nen des Landes das Bestmögliche herauszuholen; deshalb ist der Nachtrag in dieser Sache richtig. Ich bitte Sie, insbeson dere auch in den anstehenden Ausschussberatungen zu dieser sachlichen Diskussionsebene zurückzukehren. Ich fürchte ein bisschen, dass die CDU-Finanzpolitiker Ihre Rede in den Aus schussberatungen sicher nicht nachzeichnen können, sehr ge ehrter Herr Kollege Hauk. Deshalb tun sie mir auch ein biss chen leid, denn in den Ausschüssen werden wir wieder in der Sache reden.
Ich glaube, in dieser Sache ist dieser Nachtrag in beiden Punk ten – Schienenpersonennahverkehr und Unterbringung der Flüchtlinge – richtig und für das Parlament transparent.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist im Zusammenhang mit dem Nachtragshaus halt zu Recht viel über die Verkehrspolitik gesprochen wor den, weil es in der Tat um eine der weitreichendsten Entschei dungen im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs geht, die wir in dieser Legislaturperiode fällen.
Wenn das Wort von der Weichenstellung in die Zukunft je ein guter Vergleich war, dann gilt das für die Entscheidung über den heutigen Nachtragshaushalt. Hierbei geht es in der Tat da rum, wie sich der Schienenpersonennahverkehr in den nächs ten zehn, 15 Jahren entwickeln wird, ob er gelingt, ob Wett bewerb gelingt und ob es uns gelingt, mit möglichst wenig Geld möglichst viel Schienenverkehr in Baden-Württemberg zu schaffen.
Dieser Nachtragshaushalt schafft die Voraussetzung für einen Paradigmenwechsel in diesem Bereich; das muss man ganz klar sagen. Insofern war es richtig, dass sich die Koalition Zeit genommen hat, ein Konzept dazu zu entwickeln, wie man die Fahrzeugfinanzierung unterstützen kann, wie man die Aus schreibung des Wettbewerbs so gestalten kann, dass er auch unter den erschwerten Bedingungen gelingt. Sie von der Op position haben auch heute selbst beschrieben, dass sich die Bedingungen verändert haben. Insofern ist dieser Nachtrags haushalt, glaube ich, im Bereich der Verkehrspolitik ein wirk lich wichtiger Schritt.
Ich will auf einige Vorwürfe eingehen, die von der Oppositi on vorgebracht wurden. Ihr Hauptvorwurf, Herr Hauk, war, dass der Haushalt nicht transparent sei, dass wir etwas in den Haushalt aufnähmen, ohne dem Parlament die Möglichkeit zu geben, darüber zu entscheiden. Ich finde, gerade aus Ihrer Sicht ist dies das ungeschickteste Argument, das Sie überhaupt bringen können. Denn seitdem es Regionalisierungsmittel gibt – inzwischen sind hier mindestens 10 Milliarden € ausgege ben worden –, haben Sie nie auch nur eine dieser mehr als 10 Milliarden € durch den Haushalt geschoben, das heißt, da rüber bestimmen oder diskutieren lassen. Nein, das geschah immer jenseits des Landeshaushalts. Das betraf das Geschäft der Nahverkehrsgesellschaft und ein Stück weit auch das der jeweils zuständigen Minister. Aber im Grunde genommen ha ben Sie eine Freiheit gehabt, von der ich nur träumen kann.
Sie haben mir zugeschrieben, ich hätte den Herrn Finanzmi nister über den Tisch gezogen. Im Gegenteil, wir haben ge meinsam dafür gesorgt, dass diese Mittel in den Haushalt auf genommen werden, dass sie sichtbar werden und dass der Ge setzgeber darüber Bescheid weiß.
Sie haben Verträge mit einer Geltungsdauer von zehn, 15 Jah ren abgeschlossen, die natürlich auch Verpflichtungsermäch tigungen enthalten haben. Das werde ich Ihnen noch einmal aufzeigen.
Warum haben wir denn in Baden-Württemberg solche Prob leme? Sie haben für die Zeit von 2003 bis 2016 einen großen
Verkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn abgeschlossen und damit Baden-Württemberg zu einer wettbewerbsfreien Zone auf Zeit gemacht. Es gab keine Ausschreibungen mehr, weil Sie der Deutschen Bahn fast alle Mittel, nämlich zwei Drittel des Mittelvolumens, und nicht nur eine üppige Entgeltgaran tie gegeben haben. Mit einem Kilometerpreis von 10,82 €, den Sie bezahlt haben, haben Sie übrigens selbstverständlich auch die Fahrzeuge mitfinanziert. Deswegen ist auch der Preis so hoch.
Sie haben damit noch etwas finanziert: Sie haben im Grunde genommen ermöglicht, dass die Bahn zusätzliche Einkünfte erzielt, nämlich über die Ticketeinnahmen, von denen Sie gar nicht wussten, wie hoch die sind. Aber heute wissen wir: Das ist ein ziemlich opulentes Einnahmegeschäft. Es geht um die einträglichsten Strecken, die es in diesem Netz des DB-Ver trags gibt. Das heißt, die haben zu den 10,82 € pro Kilometer noch die ganzen Einnahmen bekommen und waren üppig aus gestattet. Das haben Sie alles ohne Transparenz am Parlament vorbei geregelt. Das war alles in den Verträgen über viele Jah re und auch Jahrzehnte festgelegt, weil diese Verträge so lan ge laufen. Insofern ist es ausgesprochen ungeschickt, als CDU dies als Argument anzuführen.