Von Frau Kollegin Gurr-Hirsch haben wir schon gehört, dass wir in Baden-Württemberg die Möglichkeit haben, durch Ku mulieren und Panaschieren den Frauenanteil im Gremium we sentlich zu beeinflussen. Ich habe eine Liste der Freien Wäh ler und Freien Demokraten in Fellbach, der FD/FW, aus dem Jahr 2009 vorliegen. Diese Liste hat bei den Kommunalwah len 30 % erreicht, was kein schlechtes Ergebnis ist. Die Liste war annähernd paritätisch besetzt. Bemerkenswert ist, dass nur eine Frau, aber acht Männer aus dieser Liste in den Ge meinderat gewählt wurden. Auch so etwas können wir durch Kumulieren und Panaschieren erreichen.
Auf das Wahlverhalten der Wählerinnen und Wähler darf aufgrund der staatlichen Neutralitätspflicht bei Wahlen kein Einfluss genommen werden.
Der Grund für das Ablehnen einer starren Quote wird in der Antwort auf die Große Anfrage noch einmal ausdrücklich be
stätigt. Nach Auffassung des Innen- und des Justizministeri ums wäre die Einführung einer gesetzlichen Quote nicht mit der derzeit geltenden Verfassung vereinbar.
Es gibt eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Se nioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2011. Aus ihr wird wiedergegeben, dass 57 % der kommunalpolitisch aktiven Frauen die politische Kultur in der Arbeit nicht schätzten. Das betrifft die Redekultur, aber auch das Arbeitsklima, die Sit zungsdauer und auch die Parteidisziplin und den Fraktions zwang.
Auf die Frage, wie die Frauen am besten unterstützt werden können, sind die beiden größten Faktoren mit 24 % der Wunsch nach mehr Unterstützung durch die eigene Familie und mit 22 % die allgemeine Forderung nach mehr Transpa renz und Wertschätzung von Kommunalpolitik. Mehr Unter stützung gegebenenfalls auch gleichstellerischer Art durch die Partei fordern lediglich 19 %, den Abbau männerdominierter Strukturen lediglich 15 %.
Es gibt eine Vielzahl von Aktivitäten, auf die ich gar nicht im Einzelnen eingehen möchte. Aber auch für die FDP/DVP ist dieses Thema seit Langem wichtig. Die Liberalen Frauen ha ben jetzt einen Beschluss zur Selbstverpflichtung zur paritä tischen Besetzung der Listen gefasst – zumindest da, wo die FDP bei Kommunalwahlen antritt. Insofern sind auch Impul se von außen wichtig. Eine gute Einstiegsmöglichkeit wäre, mit einem ehrenamtlichen Engagement in Vereinen zu begin nen und dadurch Erfahrungen in Gremienarbeit zu bekom men.
Ein schönes und wichtiges Beispiel ist der Verein „Politik mit Frauen“, der jetzt das Jubiläum des zehnjährigen Bestehens gefeiert hat, mit inzwischen 109 Mitgliedern aus allen Partei en inklusive der Freien Wähler. In vielen Mentoringprogram men und Workshops werden hier auch gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung Strategien und Aktions pläne entwickelt.
Ein weiterer Aspekt: Frau Gurr-Hirsch hat bereits angespro chen, dass Frauen im Regelfall nach Beendigung ihrer Aus bildung und der Familienplanung in die Politik einsteigen. Das liegt auch daran, dass Männer sozusagen länger die Nestho cker zu Hause sind als Frauen, die eher mobil sind und da durch erst später den kommunalen Bezug erhalten. Das ist ein Aspekt, der vielleicht auch mit ein Grund ist, warum Frauen erst später in die Kommunalpolitik einsteigen.
Wichtig ist, was wir bei Kommunen mit einem Frauenanteil von über 50 % im Gemeinderat wie beispielsweise Birenbach oder Benningen am Neckar sehen: Diese Kommunen haben gezielte Programme, beispielsweise für Kinderbetreuungsan gebote. Da können Kommunen einige Aktivitäten entwickeln. Da bedarf es keines Landtagsbeschlusses, sondern die Kom munen können die Win-win-Situation, die sich aus einem hö heren Frauenanteil ergibt, selbst in Angriff nehmen. Hier spie len die Stichworte Kreativität und Motivation anstatt Quote eine Rolle.
Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen, werte Kollegen! Die SPD-Fraktion hat zu dem wirklich wichtigen Thema „Frauen in Kommunal parlamenten“ eine umfangreiche Große Anfrage gestellt, und ich nehme für mein Haus in Anspruch –
es wurde auch entsprechend erwähnt –: Wir haben sie sehr ausführlich auf rund 60 Seiten beantwortet, indem wir nicht nur Papier gefüllt haben, sondern ich denke, all das, was wir dort ausgeführt haben, hat deutlich gemacht, dass tatsächlich Handlungsbedarf besteht.
Wenn wir uns die verschiedenen Bereiche, Ebenen und auch die Akteure betrachten, sehen wir, dass dies unterstrichen wird. Ich habe jedenfalls bei der bisherigen Diskussion nicht gehört, dass jemand der Auffassung gewesen ist, dass der jet zige Zustand gut sei und nicht der Verbesserung bedürfe.
Fakt ist, der Frauenanteil in den baden-württembergischen Kommunalparlamenten – ich benutze jetzt einmal ausdrück lich und gern den Begriff „Parlamente“; der eine oder andere wird wissen, warum ich dies tue – befindet sich in der ganzen Bandbreite von null Frauen in Kommunalparlamenten bis hin zu erfreulicherweise fast 54 % in einer Gemeinde im Wahl kreis des Landtagspräsidenten. Der Vergleich mit anderen Bundesländern zeigt auch, dass im Süden des Landes insge samt Nachholbedarf besteht. Aber man erkennt an den Zah len anderer Bundesländer auch,
dass wir da nicht allein Nachholbedarf haben. – Sehr richtig, Frau Gurr-Hirsch, das gilt natürlich auch für kommunale Gre mien innerhalb der Europäischen Union.
Dabei muss man schon deutlich sagen, wenn wir den Schnitt der Beteiligungen von Frauen in Kommunalparlamenten in anderen europäischen Ländern betrachten: Dort ist er deutlich höher als bei uns. Deshalb, denke ich, sollte es unser gemein sames Ziel sein, hier einen wesentlichen Schritt auf dem Weg voranzukommen, diese Situation zu verändern.
Dabei kommt es jetzt tatsächlich auf das an, was an der einen oder anderen Stelle unternommen wird. Es ist, glaube ich, überhaupt keine Frage, dass es da kein Patentrezept gibt, son dern dass es eine Vielfalt von Möglichkeiten und vor allem eine Vielfalt von Handlungsoptionen gibt, die man dann na türlich auch wahrnehmen muss.
denn wenn Parteien dieses Thema nicht anfassen, wer soll es denn dann regeln, auf den Weg bringen? Wer außer den Par teien soll sich denn dieses Themas annehmen und das Thema in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken?
Meine Damen und Herren, ich bin auch sehr erfreut über die Antworten, die die Parteien gegeben haben. Wir haben das in der Antwort auf die Große Anfrage aufgelistet. Zumindest das, was schriftlich eingereicht worden ist, darf zuversichtlich stimmen. Wenn ich aber den einen oder anderen Zwischenruf aus den Reihen der Fraktion der CDU gerade bei dieser De batte gehört habe, habe ich schon Zweifel, ob dies wirklich ernst gemeint ist.
Meine Damen und Herren, ich habe jetzt von Möglichkeiten und Faktoren gesprochen. Ich bin der Auffassung – meine Fraktion ist dieser Auffassung, die Regierungsfraktionen sind dieser Auffassung –, dass eine der Möglichkeiten tatsächlich die paritätische Besetzung der Kommunalwahllisten mit Frau en und Männern ist. Ich meine, das ist eine wichtige Möglich keit.
Hier haben wir, Grün und Rot, eine Vorreiterrolle eingenom men. Jetzt will ich einfach einmal hoffen, dass uns dies dann bei der Kommunalwahl auch entsprechend honoriert werden wird.
Ich bin aber schon der Auffassung: Wohlformulierten Ab sichtserklärungen müssen auch Taten folgen. Wir haben Ta ten folgen lassen, indem meine Partei und die Grünen bei dem jeweiligen Aufstellungsprozedere Vorsorge getroffen haben.
In einzelnen Kommunen – das will ich anerkennen – gibt es seit vielen Jahren entsprechende Bestrebungen – Frau GurrHirsch, beispielsweise in unserem Wahlkreis, dem Stadt- und Landkreis Heilbronn –, und seit vielen Jahren gibt es entspre chende Aktivitäten der Landeszentrale für politische Bildung, der Volkshochschulen und einzelner Städte und Gemeinden. Dies gilt im Übrigen auch für die Stadt und den Landkreis Ludwigsburg, den Wahlkreis des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Claus Schmiedel. Auch in anderen Städten und Gemein den gibt es vielfältige Anstrengungen in dieser Richtung.
Ich denke schon, wir sollten uns einmal sehr intensiv damit beschäftigen, wie man es in Berlin, wie man es in RheinlandPfalz geschafft hat, den Frauenanteil so deutlich zu erhöhen. Wir sollten uns einfach einmal Zeit nehmen, die Best-Prac tice-Beispiele in Augenschein zu nehmen, und dann schauen, in welchen Bereichen und in welcher Form – jedenfalls in ähn licher Weise – sie bei uns in Baden-Württemberg auf kommu naler Ebene verwirklicht werden können.
Offensichtlich sind die bisherigen Angebote – beispielsweise die Angebote der kommunalen Landesverbände, etwa des Städtetags – zugegebenermaßen nicht ausreichend und haben eben nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Deshalb bin ich schon der Auffassung, dass diese einmal evaluiert werden und hinterfragt wird, ob die Ansprache richtig ist, ob wir die rich tigen Zielgruppen erreichen, ob die richtigen Modalitäten an gewandt, die richtigen Medien benutzt werden oder ob es an dere, bessere Beispiele gibt.
Wichtig war der Hinweis, dass es nicht nur in Baden-Würt temberg und in Deutschland, sondern insgesamt auf der euro päischen Ebene Handlungsbedarf gibt. Aber die europäische Ebene hat jedenfalls schon einmal reagiert. Mit der Europäi schen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene hat sie klare Handlungsoptionen vorgege ben, um eine ausgewogene Mitwirkung von Männern und Frauen bei kommunalen Entscheidungsprozessen zu errei chen. Ich wüsste nicht, was man gegen ausgewogene Mitwir kungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten haben sollte.
Das Land war auch nicht ganz untätig. Aber auch diese Akti vitäten sollten auf den Prüfstand gestellt werden, wenn wir uns die bisherigen Ergebnisse anschauen. Wir haben finanzi elle Mittel bereitgestellt, beispielsweise für den Landesfrau enrat, zur Unterstützung von Kursen, Seminaren und Veran staltungen. Wir haben immer wieder Medien bzw. Publikati onen benutzt, um die Chancen – besser gesagt: die bislang nicht vorhandenen Chancen – der Frauen in den Kommunal parlamenten zu thematisieren. Wir sollten schon sehr ernst nehmen, was die Frauen in den einzelnen Studien als Antwort auf die Frage gegeben haben, was sie bislang davon abgehal ten hat, in Kommunalparlamenten ihr bürgerschaftliches En gagement einzubringen.
Ich bin dafür, dass wir eine Quotierung auf den Wahllisten vornehmen. Aber ich bin natürlich auch dafür, dass wir die Hindernisse auf der kommunalen Ebene, die die Frauen se hen, beseitigen.
Deswegen werden wir in einen intensiven Dialog mit den kommunalen Landesverbänden, mit den Städten und Gemein den eintreten. Wir alle können uns zur Aufgabe machen, bei der Wahrnehmung unserer kommunalen Mandate – ich habe keines mehr, aber einige von Ihnen haben noch eines; aber auch ich werde es mir zur Aufgabe machen, überhaupt keine Frage – das Unsrige dazu beizutragen, dass die Sitzungskul tur, die Sitzungszeiten, die Rahmenbedingungen in den Kom munalparlamenten geändert und verbessert werden, sodass sich Frauen dort auch entsprechend einbringen können.
Sie haben die Möglichkeiten und die Grenzen der Verfassung angesprochen. Ich bin dankbar dafür, dass dies in aller Breite so gesehen wird. Das heißt aber natürlich nicht, dass man die Hände in den Schoß legen kann. Deshalb unterstütze ich aus drücklich die Veränderung im Kommunalwahlrecht, die wir
morgen diskutieren werden, nämlich den Einbau einer Soll regelung, damit wir das Ansinnen im Vorfeld der Kommunal wahl flankieren und uns um all diejenigen bemühen, die auf der kommunalen Ebene Verantwortung tragen, und dass wir, das Landesparlament, begleitend hierzu die richtigen Signale in Richtung der Frauen in unserem Bundesland senden.
Ich will das Thema „Kumulieren und Panaschieren“ noch ein mal ansprechen, weil es von Vertretern von zwei Fraktionen genannt wurde. Natürlich ist es eine Möglichkeit, durch Stim mengewichtung den Anteil der Frauen zu erhöhen. Offensicht lich war es bislang so, dass dies immer zum Vorteil der Män ner geschehen ist. Deshalb bin ich schon der Auffassung, dass deutlich darauf hingewiesen werden muss: Wirklich aus schlaggebend bei der Frage, ob mehr Frauen gewählt werden oder nicht, ist, dass das Angebot stimmt.
Für das Angebot sind diejenigen zuständig, die die Listen auf stellen. Das sind in unserem Bundesland erfreulicherweise nach wie vor Parteien, aber auch Wählervereinigungen. Das heißt, es liegt in unserer Hand, ein entsprechendes Angebot – ich nenne es einmal so; Sie wissen, wie ich es meine – zu er möglichen und Chancen für Frauen zu eröffnen.