(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP zum stellver tretenden Präsidenten Wolfgang Drexler: Jetzt weiß du, was du bist! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Tun Sie ihm doch nicht weh! Das ist gemein! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das sind die kleinen Gemein heiten!)
Sehr geehrte Frau Gurr-Hirsch, ich habe mich heute Morgen sehr gefreut, und ich bin auch jemand, der wirklich anerkennt, dass Sie persönlich in den letzten Jahrzehnten sehr wahr scheinlich alles, aber auch alles dafür getan haben, dass Sie für Ihre Liste vor Ort genügend Frauen motivieren konnten.
Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir es nicht dabei belassen können, dass es einzelne, hoch engagierte Frauen gibt, die sich in ihren Wahlbezirken dafür einsetzen, während in anderen Wahlbezirken diese hoch motivierten, engagierten Frauen wie Sie fehlen und wir dann Ergebnisse haben, wie sie Frau Wölfle eben vorgestellt hat.
Auch wenn der Frauenanteil in den kommunalen Gremien im Laufe der Jahre gestiegen ist, entspricht die Repräsentanz von Frauen in den Gemeinderäten und in noch stärkerem Umfang in den Kreistagen bei Weitem nicht dem Bevölkerungsanteil der Frauen von 51 %. Sie kennen die Zahlen. Sie kennen die baden-württembergischen Zahlen, die Frau Professorin Las kowski vor genau einem Jahr bei der Landtagsveranstaltung „Mittendrin und außen vor“ zu dem Ausspruch „Sie haben hier indische Verhältnisse“ veranlasst haben.
Ja, wir haben eine Bundeskanzlerin, wir haben Ministerinnen auf Bundes- und Landesebene, wir haben Bürgermeisterinnen
und Gemeinderätinnen. Doch die Politik ist immer noch weit gehend eine Männerdomäne. Obwohl das Grundgesetz Frau en die Gleichberechtigung garantiert und sich der Staat zu de ren Durchsetzung verpflichtet, stehen Frauen in der Politik weiterhin außen vor.
Der Frauenanteil in den Gemeinderäten in Baden-Württem berg beträgt 22 %; in den Kreistagen liegt er gerade einmal bei 16 %.
In Baden-Württemberg gibt es immer noch 38 frauenfreie Ge meinderäte. In einem bundesweiten Ländervergleich der Mit wirkung von Frauen in den Parlamenten liegt Baden-Würt temberg auf dem letzten Platz.
Andersherum gesehen könnten wir aber auch von einer dra matischen Männerquote von über 70 % in unseren kommu nalen Parlamenten sprechen.
Um genau zu sein: In 1 101 Gemeinderäten Baden-Württem bergs sitzen durchschnittlich 78 % Männer, in den Kreistagen sind es 84 %, und im Landtag sind es 82 % – und das bei ei nem Bevölkerungsanteil der Männer von 49 %.
In 38 Gemeinderäten bleiben Männer unter sich, und vier von fünf Mandaten gingen bei den letzten Kommunalwahlen an Männer.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, repräsentative De mokratie sieht für mich, sieht für uns anders aus.
Stellen Sie sich einmal die Reaktion vor, wenn nach den nächsten Wahlen das Geschlechterverhältnis punktgenau um gekehrt wäre.
Es gibt für Frauen keinen Grund zu falscher Bescheidenheit. Denn wir Frauen sind keine Minderheit, sondern wir stellen die Hälfte der Bevölkerung – 51 %.
Eine ausgewogene Mischung von Männern und Frauen in den Gemeinderäten und Parlamenten kommt uns allen und unse rer Demokratie zugute.
Baden-Württemberg braucht seine Frauen – erst recht in der Kommunalpolitik. Wir brauchen ihren Blick auf die Realität, ihre Kompetenz und ihre Kreativität in der politischen Wil lensbildung. Denn genau hier werden auch die Kandidaturen für die Landtags- und die Bundestagswahl vergeben. Fehlen Frauen auf kommunaler Ebene, fehlen sie auch auf Landes- und Bundesebene.
Aus gleichstellungspolitischer Sicht haben wir die Einführung einer gesetzlichen Quote für ein geeignetes Instrument gehal ten, um die Anzahl der durch Frauen und Männer wahrgenom menen Mandate in kommunalen Gremien anzunähern. Dies
umzusetzen war wegen verfassungsrechtlicher Bedenken lei der nicht möglich. Deswegen werden wir zusammen mit dem Koalitionspartner die auf der Basis des Grundgesetzes derzeit bestehenden Möglichkeiten mittels einer Sollformulierung in § 9 des Kommunalwahlgesetzes ausschöpfen. Baden-Würt temberg wird nun das erste Bundesland, das die geschlechter gerechte Aufstellung von Wahllisten gesetzlich einfordert. Da rauf bin ich stolz.
Wir Grünen sehen diese Sollbestimmung mit stark appellati vem Charakter als ersten Schritt, dem weitere folgen werden. Hierzu gehört insbesondere die Fortführung von Aktionen und Maßnahmen, um Frauen zu motivieren, sich als Kandidatin nen zur Verfügung zu stellen. Statt die Verantwortung für Gleichstellung Individuen zuzuweisen, sollten diejenigen In stitutionen und Akteure in die Pflicht genommen werden, von denen erwartet werden kann, dass sie die Unterrepräsentation von Frauen aktiv identifizieren und gegen diese vorgehen, z. B. auch die Parteien.
Die Aufmerksamkeit muss darauf gelenkt werden, wie Akteu re und Institutionen sich verändern müssen, damit mehr Frau en partizipieren können. Außerdem müssen die Hindernisse beseitigt werden, die insbesondere Frauen davon abhalten, sich um ein kommunales Mandat zu bewerben. In diesem Zu sammenhang wäre es auch wichtig, eine bessere Datenlage zu haben, um die Vorgänge bei Wahlverfahren im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis wirklich analysieren zu können und dementsprechend Maßnahmen ergreifen zu können.
Die gleichberechtigte politische Beteiligung von Frauen ist seit jeher ein Ziel grüner Politik und gehört zu den Gründungs statuten unserer Partei. Diese konsequente Haltung hat sich mit Blick auf die Frauenanteile grüner Fraktionen in Parla menten, Ratsgremien und hier im Landtag als erfolgreich er wiesen.
Der Frauenanteil auf den Wahllisten der Grünen und auf grü nennahen Listen ist im Landesdurchschnitt mit Abstand der höchste aller Parteien. Bei Schwarz-Gelb sehen wir da extre men Nachholbedarf. Dass die CDU dies jetzt bei sich als Man gel erkennt und erspüren will, was Frauen umtreibt, das freut uns. Wir hoffen, mit der Erkenntnis wächst auch der politi sche Wille.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, setzen auch Sie sich dafür ein, dass bei den Kommunalwahlen 2014 durch pa ritätisch besetzte Wahllisten
der Weg für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an der politischen Willensbildung geebnet wird.
Mit Ih rer Zustimmung zu dem vorliegenden Beschlussteil könnten Sie heute diesen politischen Willen für mehr Geschlechterge rechtigkeit deutlich machen und Ihre in letzter Zeit gewach sene verbale Aufgeschlossenheit in politisches Handeln um setzen.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Die positive Entwicklung kann nicht darüber hin wegtäuschen, dass der Frauenanteil in Gemeinderäten und Kreistagen in Baden-Württemberg zu gering ist – und das, ob wohl die Kommunalpolitik genau die Themen anspricht, die die Lebensqualität von uns allen ausmachen: Wohnen, Arbei ten, Leben, Familien, Kinder, Senioren, Umwelt, Verkehrs planung, Stadtentwicklung, Integration, Kirche, Kultur, Sport und vieles mehr.
Wir haben ein Kommunalwahlrecht, um das uns viele andere Bundesländer, viele andere Länder beneiden. Ich darf aus der Antwort auf die Große Anfrage zitieren:
Die Entscheidung, wer in die Gemeinderäte und Kreista ge gewählt wird, liegt aber letztendlich bei den Wählerin nen und Wählern. Das baden-württembergische Kommu nalwahlrecht wird durch die Persönlichkeitswahl geprägt.
Von Frau Kollegin Gurr-Hirsch haben wir schon gehört, dass wir in Baden-Württemberg die Möglichkeit haben, durch Ku mulieren und Panaschieren den Frauenanteil im Gremium we sentlich zu beeinflussen. Ich habe eine Liste der Freien Wäh ler und Freien Demokraten in Fellbach, der FD/FW, aus dem Jahr 2009 vorliegen. Diese Liste hat bei den Kommunalwah len 30 % erreicht, was kein schlechtes Ergebnis ist. Die Liste war annähernd paritätisch besetzt. Bemerkenswert ist, dass nur eine Frau, aber acht Männer aus dieser Liste in den Ge meinderat gewählt wurden. Auch so etwas können wir durch Kumulieren und Panaschieren erreichen.