Im Idealfall heißt das: Ein Patient wird zukünftig von einem multidisziplinären Team versorgt, und ein Teil dieses Teams, das aus Angehörigen unterschiedlicher Gesundheitsberufe be steht, wird zukünftig akademisch ausgebildet sein.
Hierfür schafft unserer Meinung nach eine primärqualifizie rende akademische Ausbildung, der Bachelor, die besten Vo raussetzungen. Zudem brauchen wir aber auch die Möglich keit – auch das muss klar sein – für eine akademische Weiter qualifizierung über den Bachelor hinaus.
Das betrifft nicht nur die in europäischen Nachbarländern be reits seit Längerem etablierte und auf eine akademische Grundlage gestellte Pflegewissenschaft. Angesprochen sind auch neue, interdisziplinäre Fächer wie das Gesundheitsma nagement. In der Geburtshilfe, der Physiotherapie und der Er gotherapie können seit einer Gesetzesänderung vom Oktober 2009 die ersten Modellversuche unternommen werden, um auch in diesen Berufsfeldern primärqualifizierende Studien gänge anzubieten.
Unser Antrag zielte darauf, zu erfahren – das wollten wir wis sen –, wie die Ergebnisse der Untersuchung sind, die der Wis senschaftsrat angeführt hat. Er empfiehlt ganz klar, 10 bis 20 % eines Ausbildungsjahrgangs in den Gesundheitsfachbe rufen an staatlichen Hochschulen akademisch zu qualifizie ren.
Wenn wir diesen Maßstab anlegen – das Ministerium für Wis senschaft, Forschung und Kunst sagt das in seiner Stellung nahme zu dem vorliegenden Antrag –, besteht in Baden-Würt temberg ein deutlicher Bedarf an Studiengängen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir jetzt angehen müssen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor gut einem Jahr haben wir hier im Plenum schon einmal über das Thema „Akademisierungsperspektive der medizinnahen Berufe“ diskutiert. Grundlage war damals ein CDU-Antrag. Jetzt diskutieren wir auf der Grundlage ei nes Antrags der Grünen.
Ich will ganz kurz rekapitulieren: Vor einem Jahr haben wir als Fakt festgestellt, dass es in der Tat eine Zunahme der Zahl von Studiengängen in medizinnahen Berufen gibt – ausbil dungsintegriert, grundständig, aufbauend; alles ist vertreten. Wir haben auch Modellstudiengänge, die weitergeführt wer den. Es gibt vielfältige Kooperationen zwischen Universitä ten und Fachschulen, und es gibt weitere Überlegungen an den Standorten der Dualen Hochschule. Wir haben auch auf das Landespflegegesetz verwiesen, das eben auch Durchgän gigkeit ermöglicht.
Zwischen uns bestand damals bei diesem Thema große Einig keit, dass die demografische Entwicklung einen steigenden Bedarf an akademisch ausgebildeten, medizinnahen Berufen nach sich zieht. Einig waren wir uns vor allem – das hat Kol legin Mielich gerade angesprochen –, was die Notwendigkeit von interprofessioneller Zusammenarbeit betrifft. Das ist die Realität.
Wir haben darüber hinaus festgestellt, dass die Möglichkeit einer akademischen Ausbildung die Attraktivität und die Per spektive der medizinnahen Berufe befördert.
Die Ministerin hat uns damals zugesagt, über weitere Überle gungen zu berichten. Wir warteten damals auf die Ergebnis se des Wissenschaftsrats, wie er hier die weitere Entwicklung sieht.
Jetzt sind wir ein Jahr weiter. Die Stellungnahme des Wissen schaftsrats liegt vor. Er sieht einen Bedarf von 10 bis 20 % akademisch ausgebildeter Fachkräfte für die sektorübergrei fende interdisziplinäre Versorgung und auch für spezialisier te Tätigkeitsprofile. Der Wissenschaftsrat sagt auch – ich zi tiere wörtlich –:
... hält es der Wissenschaftsrat für notwendig, die für die hier empfohlene Akademisierung der Gesundheitsfachbe rufe erforderlichen Mittel bereitzustellen.
In der Stellungnahme zu diesem Antrag der Grünen teilt das Ministerium mit – damals wurde man auf die noch ausstehen den Empfehlungen des Wissenschaftsrats verwiesen –, dass
frühestens drei Jahre nach Beginn der derzeit laufenden Mo dellstudiengänge überhaupt entschieden werden könne. Im Übrigen arbeite man an einem Konzept der Masterstudien gänge. Ich deute das so, dass heute, ein Jahr danach, keine we sentlich neuen Fakten zu diesem Thema auf dem Tisch liegen.
Frau Kollegin Mielich, Sie hatten damals, als unser Antrag besprochen wurde, bemerkt, dass Baden-Württemberg die Entwicklung verschlafen habe. Angesichts der Fakten, die da mals genannt wurden, kann ich das nicht nachvollziehen. Ei gentlich müssten Sie jetzt, nachdem keine neuen Fakten auf dem Tisch liegen, Ihrer eigenen Regierung mächtig Dampf machen.
Ich will aber gar keine Ministerschelte betreiben. Das über lasse ich Ihnen ebenso wie das Dampfmachen.
Zum einen sind die Ressourcen wichtig. Es muss Geld für die se akademischen Studiengänge zur Verfügung gestellt wer den, weil ein Bedarf besteht. Die Gründe sind schon genannt. Wir erwarten Aussagen der Regierung, welche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Vielleicht geschieht das nach her.
Zum Zweiten – das ist auch sehr wichtig, wenn auch nicht wichtiger als der erste Punkt – muss ein Bedarf festgestellt werden. Denn ein wachsender Anteil von Akademikern darf nicht am Bedarf vorbei ausgebildet werden.
Bei den jungen Leuten dürfen wir nicht Erwartungen erzeu gen, die möglicherweise nicht erfüllt werden können. Ich will als Beispiel Spanien nennen. In keinem anderen EU-Land ar beiten so viele Uniabsolventen unter ihrer Qualifikation, weil sie für die Arbeitsplätze – umgekehrt formuliert – hoffnungs los überqualifiziert sind.
Drehen Sie mir das Wort nicht im Mund herum! – Der Wis senschaftsrat hat eine Akademisierungsquote von 10 bis 20 % empfohlen. Aber wir müssen diesen Bedarf spezifizieren,
Also! Hören Sie mir erst einmal zu. – Wenn man einen re ellen Bedarf feststellt, muss man zusammenarbeiten. Dabei ist auch das Sozialressort gefragt. Das kann man der Ministe rin für Wissenschaft nicht allein überlassen. Denn das Sozial ressort ist für die medizinische Versorgung, die Frau Mielich breit ausgelegt hat, zuständig. Der Wissenschaftsrat kann nur aus seiner Wissenschaftssicht heraus Anforderungen nennen, aber der Bedarf muss anderweitig formuliert werden. Es ist also die Zusammenarbeit der Ressorts notwendig.
Wenn die Zahl der Hochschulabsolventen wächst – ich stelle eine wachsende Zahl nicht infrage; ich sage das, damit Sie nicht noch einmal dazwischenrufen müssen –, hat das eine Bedeutung für die Rekrutierung und Auswahl der jungen Menschen, für die Arbeitsteilung in den Unternehmen, für die Karrierewege und für die Kooperation und Konkurrenz in den Unternehmen, also in Krankenhäusern und Einrichtungen.
Ja. – Noch vier Sätze: Wir müs sen die zusätzliche Frage stellen: Was bedeutet der Zug zur Hochschulausbildung für die, die diesen Weg nicht einschla gen können? Was den Bedarf gerade im gesundheitlichen Be reich betrifft, müssen wir auch fragen: Was ist die Gesellschaft bereit zu zahlen?
Ich darf darauf hinweisen, nachdem Sie jetzt zwei Jahre re gieren, dass auch das Sozialressort die Personalverordnung für Pflegeheime immer noch nicht über die Rampe gebracht hat. Ich kenne die Probleme sehr wohl. Da geht es um die Fra ge: Was will wer bei den Fachkräften, die eingesetzt werden, bezahlen? Das zeigt die Probleme. Ich möchte darauf hinwei sen und der Regierung Mut machen, zwischen den Ressorts zusammenzuarbeiten. Sie geben bei Stuttgart 21 das „hervor ragende“ Bild einer Regierung ab, die gegeneinander arbei tet, und wir stellen fest, dass dies in vielen Fragen die Ent wicklung weiter hemmt.
Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Frau Kollegin Dr. Stolz, ich finde, das Parlament lebt von kontroversen Debatten, wenn man unter schiedlicher Meinung ist. Aber ich meine, gerade ist eine Chance vertan worden, zu zeigen, dass wir auch über die Frak tionen hinweg einen großen Zuspruch in dem Ziel haben, das