Protocol of the Session on November 15, 2012

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig! Ja!)

Ein Grund für diese Frage liegt darin, dass längst in beiden Berufen – das gilt also ausdrücklich auch für den Pflegeberuf – Qualifikationen in Aus- und Weiterbildung vermittelt wer den, die auch im Bereich der Medizin angesiedelt sind.

In Deutschland scheidet bedingt durch Konvention, Recht sprechung, berufsständische Interessenvertretung das Dele gieren ärztlicher Assistenz an Pflegekräfte zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Erledigung aus. Juristisch liegt die Verantwortung für die Patientenbehandlung unverrückbar in der Hand des Arztes.

Internationale Vorbilder zeigen uns aber, dass es auch anders gehen kann, etwa mit einer Arbeitsteilung im Krankenhaus. In der Regel kommen dabei Pflegekräfte zum Einsatz, die über eine Zusatzausbildung einen Masterabschluss erworben ha ben. Beispielsweise arbeiten in den Rettungsdiensten in den USA 100 000 sogenannte Nurse Practitioners. In den Ret tungsdiensten werden dort kaum noch Notärzte eingesetzt, sondern überwiegend sogenannte Paramedics. Um neue Be rufe in der Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, brauchen wir aber neben der entsprechenden Ausbildung auch eindeu tige rechtliche Regelungen und eine in der Praxis für Rechts sicherheit sorgende Aufgabenverteilung unter Einbeziehung der Ärzteschaft.

Ich glaube, die Öffentlichkeit, die Bevölkerung wäre hierzu bereit. Wenn ich nur daran denke, was einem abends – wenn man einmal Zeit und keine Versammlung hat, kann man sich dies anschauen – an sogenannten Realityshows, Arztserien aus den USA vorgesetzt wird: Dort findet das alles statt

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Da finden ganz ande re Sachen statt!)

und wird seltsamerweise von der bundesdeutschen Bevölke rung auch kritiklos hingenommen.

Ein weiterer Punkt, ebenfalls Ausbildungsinhalte betreffend: Bei den neuen Ausbildungsmodellen, die Sie, Frau Altpeter, in der Antwort auf unsere Große Anfrage ansprechen, geht es weitgehend um das Thema einer generalistischen Ausbildung, die Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege ver eint. Ich bin ein großer Fan der generalistischen Ausbildung, aber zwei zentrale Probleme werden wir noch lösen müssen.

Zum einen hat sich herausgestellt, dass die unterschiedlichen Prüfungen in den Ausbildungen ein Hindernis darstellen. Die Absolventen haben eine gewisse Prüfungsmüdigkeit gezeigt und nicht alle im Modell möglichen Prüfungen absolviert. Die Konsequenz daraus wäre eine modulare Prüfung.

Ein zweites Problem liegt in der unterschiedlichen Finanzie rung der schulischen Inhalte. Die Fragen sind hier: Wer zahlt künftig den Theorieunterricht? Stellen wir die Krankenpfle geausbildung auf das duale System um? Wählen wir für die Altenpflegeausbildung ein Schulmodell, bei dem die Schul kosten ebenfalls über eine Umlage fließen? Hierauf müssen wir schnell Antworten finden, Frau Ministerin. Die CDUFraktion ist zur Zusammenarbeit bereit. Sie sehen hier eine ausgestreckte Hand dazu. Ergreifen Sie sie.

Zum Schluss noch ein allerletzes Wort – ich kann mir das nicht verkneifen –: Vor wenigen Tagen hat sich das Integrationsmi nisterium mit dem Hinweis zu Wort gemeldet, dass sich – ich zitiere – u. a. in der Ausbildung etwas tun müsse, um Senio ren aus anderen Kulturkreisen angemessen betreuen zu kön nen. Der Blick auf die ebenfalls von der demografischen Ent wicklung betroffene Migrantenbevölkerung ist wichtig und richtig. Da stimmen wir überein.

Nur eine Bitte, liebe Frau Ministerin, habe ich an Sie persön lich, nämlich dass das Thema Pflege weiterhin sehr sachkun dig im Sozialministerium und nicht auf Nebenkriegsschau plätzen innerhalb der Regierung – das dient der Sache nicht – behandelt wird. Hierum bitte ich Sie. Da haben Sie auch un sere Unterstützung.

(Beifall des Abg. Peter Hauk CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Punktlandung. Vielen Dank für Ihre zumindest zeitweise ungeteilte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Vereinzelt Heiterkeit)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Frau Abg. Mielich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn auf den Anfang Ihrer Rede eingehen, Herr Kollege Rüeck. Sie haben als Erstes den vielen ehrenamtlich Pflegenden gedankt

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Allen!)

allen, aber da gehören natürlich die ehrenamtlich Pflegen den auch dazu – und ihnen ein herzliches „Vergelt’s Gott!“ ausgesprochen. Natürlich ist es sehr edel, wenn Sie das so sa gen. Gleichzeitig jedoch deutet dies auf den Kern unseres Pro blems hin. Wir sind in unserer Gesellschaft nämlich offenbar der Meinung, dass Pflege etwas ist, was etwas ganz Ehren wertes darstellt und was letztlich auch jeder tun kann. Pflege genießt jedoch nicht die gesellschaftliche Anerkennung, die sie verdient. Das ist unser Kernproblem, wenn es darum geht, dass wir zu wenig Pflegekräfte haben. Denn die Menschen, die diese Ausbildung absolvieren möchten, wollen hinterher gut bezahlt werden. Sie sind dann nämlich tatsächlich gut aus gebildet. Vor allem wollen sie, dass ihr Beruf gesellschaftlich anerkannt ist.

Sie alle wissen, dass bei uns ein Arzt eine ganz andere gesell schaftliche Anerkennung erfährt als eine Krankenschwester. Früher war der Arzt zumeist ein Mann, die Krankenschwes ter eine Frau. Diese Zuordnung ist mittlerweile passé; denn es gibt zunehmend mehr Ärztinnen als Ärzte, sodass sich vieles an diesem Bild verändert. Dennoch besteht die Hierarchie fort, und diese Hierarchie findet sich ganz besonders im Kranken haus. Ich glaube, es ist für uns eine ganz wichtige politische Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass sich daran etwas ändert. Wir können da etwas tun; wir brauchen dies nicht als Natur gesetz hinzunehmen. Wir haben Möglichkeiten, hier zu inter venieren, und das müssen wir auch ganz dringend tun.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Es gibt in der Tat – da haben Sie völlig recht; die Antwort auf Ihre Große Anfrage enthält hierzu auch einen sehr guten sta tistischen Überblick – eine spürbare Entwicklung gerade im Akutbereich, aber auch in der Altenpflege. Ich finde es span nend, dass es einen Berufsmarkt für gut ausgebildete Pflege kräfte gibt, aber keinen Markt für nicht gut ausgebildete Pfle gekräfte. Die Konsequenz, die wir auf politischer Ebene hie raus zu ziehen haben, muss also sein, dass wir weitere Fort schritte bei der Qualifizierung machen, damit möglichst vie

le qualifizierte Kräfte in die Akutpflege, aber auch in die Al tenpflege gehen. Das ist eine politische Konsequenz, die man aus der Antwort auf die Große Anfrage, wie ich finde, sehr gut ableiten kann.

Das Zweite: Es gibt einen Unterschied zwischen der Akutpfle ge, für die es deutlich mehr Pflegekräfte gibt, und der Alten pflege, in der zu wenig Pflegekräfte vorhanden sind. Da ha ben wir, meine ich, ein Riesenproblem. Denn wir müssen in der Gestaltung der Antworten auf die demografische Entwick lung – die ich sehr spannend finde – andere Wege gehen, wenn es darum geht, die Pflege im Alter zu organisieren.

Untersuchungen zeigen immer wieder – wir alle kennen die se Ergebnisse –, dass Menschen im Alter in der Regel zu Hau se versorgt werden wollen. Sie wollen so lange wie möglich in ihrem sozialen Umfeld bleiben. Das bedeutet in der Kon sequenz: Wir brauchen ganz andere Strukturen für die Versor gung älterer Menschen, wenn diese pflegebedürftig werden. Auch da müssen wir dafür sorgen, dass es in diesem Pflege mix, den wir anbieten, dem Mix aus ambulanter und stationä rer Betreuung, ehrenamtlicher und professioneller Betreuung, gelingt, Arbeitsverhältnisse zu schaffen, die für die pflegen den Personen attraktiv sind und die so gestaltet sind, dass die dort Tätigen nicht in Windeseile völlig ausgebrannt sind und ihren Job dann gefrustet aufgeben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das ist die eine Schiene. Die andere Schiene ist, dass wir na türlich auch dafür sorgen müssen, dass Pflegekräfte Karriere machen und ihr berufliches Profil verändern können. Eine Krankenschwester, ein Krankenpfleger mit einer dreijährigen Ausbildung darf nicht dazu verdonnert sein, bis zum Eintritt in das Rentenalter als Pflegekraft zu arbeiten. Diese Mitarbei terinnen und Mitarbeiter können möglicherweise auch ande re Ausbildungsgänge draufsatteln. Sie haben eben ausgeführt, dass überlegt werden sollte, solche beruflichen Phasen stär ker in Anrechnung zu bringen, etwa als Voraussetzung für ein Studium oder für eine Tätigkeit bzw. Weiterqualifizierung im Bereich des Pflegemanagements. Solche Möglichkeiten sind sehr wichtig, wenn wir für diesen Beruf werben wollen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen: Das Thema „Migration und Pflege“ ist ein ganz wichtiges Thema. Denn es gibt immer mehr Menschen, die hierhergekommen sind – in der ersten Generation, aber auch in der zweiten Generati on – und die beschlossen haben, nicht wieder in ihr Heimat land zurückzukehren. Migrantinnen und Migranten der ersten Generation sind oftmals noch in ihr Heimatland zurückgegan gen, diejenigen der zweiten Generation häufig schon nicht mehr. Auf uns wird aufgrund der daraus entstehenden wach senden Bedarfe die Herausforderung zukommen, die Pflege entsprechend zu organisieren und mit diesen Menschen ge meinsam Strukturen zu entwickeln, die gewährleisten, dass sie im Alter so leben können, wie sie dies wollen.

Natürlich brauchen wir Migrantinnen und Migranten, die die Pflegeausbildung machen. Es ist, finde ich, ein ganz merkwür diger Verdacht, den Sie da haben, dass das unqualifizierte Leu te sein könnten.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Also bitte!)

Sie werden genauso qualifiziert wie alle anderen auch, sie sprechen genauso gut Deutsch wie alle anderen auch. Das ist eine ganz normale Ausbildung. Der ganz besondere Charme daran ist ja – –

(Glocke der Präsidentin)

Frau Kollegin Mielich, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich will den Satz noch zu En de sprechen, dann kann Herr Rüeck sehr gern seine Frage stel len. – Der ganz besondere Charme daran ist doch, dass wir die Pflegeausbildung insgesamt auf viel mehr Schultern verteilen, u. a. auch auf die Schultern der jungen Menschen mit Migra tionshintergrund.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Mielich, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls im Protokoll meine Ausführungen nachzulesen, dass ich nicht davon gesprochen habe, dass Migranten unqualifizierte Aus zubildende wären, sondern dass ich darum gebeten habe, dass dieses Thema innerhalb der Landesregierung qualifiziert im – aus meiner Sicht logisch nachvollziehbar – Sozialministeri um behandelt wird?

Eine zweite Frage, wenn ich darf: Wären Sie bereit, hinzuneh men, dass es auch möglich ist, hier im Landtag Mundart zu sprechen? Ich kann Ihnen sagen: Ein „Vergelt’s Gott!“ ist auf Hohenlohisch der höchste Dank, den man einem Menschen – egal, ob er ehrenamtlich oder bezahlt tätig ist – sagen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Gut!)

Kollege Rüeck, ich hatte Ihre Ausführungen, die Sie unmittelbar vor den meinigen gemacht haben, tatsächlich anders verstanden. Ich hatte es in keinster Weise so verstanden, dass Sie meinen, dass das Sozialminis terium das verantwortliche Ministerium sein sollte.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Doch!)

Wenn Sie das so gemeint haben, dann haben Sie sicherlich recht. Ich hatte das anders verstanden.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gut!)

Ich hatte es wirklich so verstanden, dass Sie der Meinung wä ren, dass Menschen mit Migrationshintergrund möglicherwei se keine ausreichende Qualifikation hätten.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Nein! Da müss ten wir uns beide gut genug kennen!)

Ich finde ein „Vergelt’s Gott!“ völlig in Ordnung. Ich finde nur, dass es gerade im Bereich der Pflege immer wieder dar auf hinausläuft, dass es dabei bleibt. Ein „Vergelt’s Gott!“ ist wunderbar, aber eine vernünftige Bezahlung ist mindestens genauso wichtig.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Da sind wir uns wieder einig!)

Das Wort für die SPDFraktion erteile ich Herrn Kollegen Reusch-Frey.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion sieht in der Pflege und im Besonderen in der Altenpflege eine große Zukunftsaufga be. Drei zentrale Herausforderungen möchte ich nennen.

Die erste Herausforderung ist die Vermittlung des Wertes der Pflege. Jeder Generation muss immer wieder neu die Bedeu tung der Pflege bewusst gemacht werden. Es ist eine dauer hafte gesellschaftliche Aufgabe, ein Gespür für den Wert al ter und kranker Menschen zu vermitteln und weiterzugeben. Bei uns Menschen ist es eben nicht so wie in der Natur. Drau ßen im finsteren Wald mögen sich manche den Wolf herbei sehnen,