Protocol of the Session on October 10, 2012

Zur letzten Frage: Mindestens ein Drittel aller Staus gehen auf Baustellen zurück. Woher kommt das? Weil man quasi den Verkehr von 80 000, 100 000 oder 120 000 Autos pro Tag auf einer Autobahn jetzt auf der halben Fläche durch schleusen muss. Das bedeutet eine Verlangsamung des Ver kehrs, und das erzeugt in der Regel in den Morgenstunden oder am Freitag oder am Montagmorgen Staus, und das ärgert die Leute. Deshalb bin ich der Meinung: So schnell wie mög lich fertigbauen. Deswegen brauchen wir auch dringend die von uns eingeplanten Mittel. Das ist sozusagen das beste Stau bekämpfungsprogramm vor Ort.

Zu der Frage des Entwurfs von Haushalten: Vielen Dank, Herr Binder, vielen Dank für die gute Unterstützung beider Regie rungsfraktionen. Ich kann sagen, dass ich dadurch einen am bitionierteren Haushaltsentwurf habe, der jetzt ins Parlament

eingebracht wird, als der Bundesverkehrsminister einen vor weisen kann. Er kommt nämlich mit sehr viel schlechteren Zahlen ins Rennen. Ich bin gespannt, was da parlamentarisch noch geht.

Vielen Dank. – Eine weitere Frage des Herrn Abg. Köberle.

Herr Minister, Sie haben vorhin angemerkt, dass es ausschließlich Sache des Bundes sei, zu entscheiden, wie die Geldsumme, die insgesamt ins Land kommt, zwischen Neubaumaßnahmen und Sanierungsmaß nahmen aufgeteilt wird, um zwei große Schwerpunkte zu nen nen. Sie müssen aber wissen, dass es immer diese Aufteilung und diese Bundesvorgabe gab, es dann aber immer Verhand lungsergebnis war und letztendlich auch Ausdruck des Lan deswillens war, wie letztendlich gewichtet wurde. Andere Länder haben ähnliche Finanzierungsprobleme wie wir. Auch Bayern hätte nach den Bundesvorgaben kein Fenster für Neu beginne, auch Nordrhein-Westfalen hätte es nicht, verhandelt aber intensiv, will neu bauen und kommt auch zu einer ge meinsamen Entscheidung mit dem Bund, dass neu gebaut wer den kann.

(Abg. Winfried Mack CDU: Hört, hört!)

Deshalb ist es schon eine entscheidende Frage: Wollen Sie neu bauen, oder wollen Sie nicht neu bauen? Manchmal lohnt ein Blick in den Koalitionsvertrag, und es gibt auch viele Äu ßerungen von Ihrer Seite, die wir kennen, dass Sie eben nicht neu bauen wollen.

Deshalb geht auch die Rechnung mit dem Zahlenspiel, das Sie vor der abschließenden Haushaltsentscheidung ständig auf machen, nicht auf, dass Sie überall draußen im Land sagen können: „An uns liegt es überhaupt nicht; wir haben ja eine Priorisierungsliste vorgelegt“ – übrigens erst ab 2014, obwohl wir für einen Neubaubeginn 2012 kämpfen sollten, wenn wir es tun wollen. Aber Sie sollten schon einmal klar sagen: Wol len Sie das Bundesgeld schwerpunktmäßig für Erhaltungs maßnahmen ausgeben, oder wollen Sie es auch so machen, wie man es über Jahre und Jahrzehnte bei ähnlichen Finanzie rungsstrukturen und Vorgaben des Bundes gemacht hat, dass es auch immer wieder möglich wird, mit dringend notwendi gen Neubaumaßnahmen zu beginnen?

Jede Maßnahme, die bundesweit einmal begonnen wurde, ist auch vom Bund durchfinanziert worden. Es gab noch nie ei ne Maßnahme, die abgebrochen worden wäre und für die sinn los Geld ausgegeben worden wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Bitte, Herr Minister.

Lieber Herr Köberle, die neue Landesregierung baut, seit sie die Regierungsverantwortung übernommen hat, aus und neu, und zwar genau das, was bisher begonnen worden ist. Insofern muss ich Ihnen wirklich sagen: Als Ausschuss vorsitzender hätten Sie es mehrfach wahrnehmen können. Wir bauen aus und neu, und zwar laufend.

(Abg. Rudolf Köberle CDU: Neubeginn!)

Es kann nur um die Frage gehen, ob wir zusätzliche Neube ginne machen. Dazu gibt es eine ganz klare Antwort dieser Landesregierung. Wir sagen: Wir bauen, sobald wir die Gel der in Sicht haben und verantwortlich beginnen können. Wenn wir sehen, dass es durchfinanziert ist, fangen wir an. Deshalb gibt es die Priorisierung. Dazu haben wir gesagt: Die ersten fünf kommen im Jahr 2014, die zweiten im Jahr 2015. Das ist unser Vorschlag. Das wäre auf der Grundlage einer durch schnittlichen Finanzierung von mindestens 130 Millionen € auch möglich.

Ich will Ihnen schon einmal sagen: Wir haben jetzt bei der B 30 in Ravensburg endlich einmal Klartext geredet und ha ben auch gesagt: Wir machen die B 31 am Bodensee weiter. Da haben wir wirklich etwas vorgelegt und haben einen kla ren Vorschlag gemacht. Da jetzt zu sagen, wir wollten gar nicht, ist – so finde ich – wirklich ziemlich daneben. Denn wir haben ganz klargemacht, was wir wollen und wie wir uns vor stellen, wie es finanziert wird.

Allerdings hat – jetzt zitiere ich noch einmal den Bundesver kehrsminister – der Bundesverkehrsminister gesagt: „Moment einmal, du bekommst das Geld gar nicht in der angenomme nen Höhe; du bekommst viel weniger.“ Wer ist dann schuld? Der Bund!

Zu der Frage, wie die Gewichtung ist, was die Bayern machen und wie es im Verhältnis zum Bund ist, kann ich nur sagen: Der Bundesverkehrsminister und auch alle seine Staatssekre täre haben in mehreren Briefen, in persönlichen Gesprächen und jetzt auch wieder bei der Verkehrsministerkonferenz ge sagt: „Die Linie, dass wir in den nächsten Jahren das Geld überwiegend für den Erhalt der Straßen und für den Abbau des Sanierungsstaus brauchen, ist die richtige Linie.“

Ich war schon überrascht, wie häufig sozusagen O-Töne Her mann aus dem Mund des Bundesverkehrsministers und dem seiner Staatssekretäre gekommen sind und wie jetzt auch dort erkannt worden ist, dass man auf Dauer bei der Verkehrsin frastruktur nicht nur zulasten der Substanz Politik machen kann und dass es nichts bringt, immer neue Spatenstiche zu machen, wenn man nicht weiß, wie man den Sanierungsstau bei Brücken, bei Tunneln, bei den bisherigen Autobahnen und Bundesstraßen lösen kann, weil man in diesem Bereich eben Geld braucht, damit die vorhandene Verkehrsinfrastruktur auf Dauer gut funktioniert und auch modern ist und bleibt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Genau so ist es!)

Eine weitere Frage, Herr Abg. Rivoir.

Herr Minister, der Kollege Schnei der – er ist jetzt leider nicht hier – hat neulich in einer Presse mitteilung verkündet, es wäre nur eine Frage des guten Wil lens

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Er macht gerade Bankgeschäfte!)

ja, er macht vielleicht gerade Bankgeschäfte, genau –, dass jährlich 500 Millionen € an Bundesmitteln für Bundesfern straßen – z. B. für die Ortsumgehung in Unlingen – ins Land

fließen würden, und auch in den letzten Jahren seien Mittel in dieser Höhe nur für den Neubau in das Land geflossen. Dazu hätte ich einfach noch einmal die Frage, ob Sie diese Einschät zung teilen, auch was die Vergangenheit betrifft.

Dann möchte ich doch noch darauf aufmerksam machen, dass wir auf der Albhochfläche unter dieser Regierung gerade ein 30 km langes Autobahnstück völlig neu bauen. Es ist also in der Tat so, dass hier mächtig und gut gebaut wird. Meine Fra ge wäre nun, ob dieses Neubaustück der A 8 auch von Spar maßnahmen des Bundes betroffen ist.

Die dritte Frage, die ich noch hätte, wäre, wie es denn im Mo ment mit dem Albaufstieg bei Mühlhausen aussieht, der ja in der Planung ist und zu dem Ihnen die IHK Ulm auch vorwirft, dass Sie das nicht voranbringen würden. Wie ist denn der ak tuelle Stand der Dinge beim Albaufstieg von Mühlhausen bis zur Albhochfläche?

Vielen Dank.

Bitte, Herr Minister.

Ich habe diese Äußerungen in Oberschwaben schon mehrfach gehört. Ich halte das für eine Art Voodoo-Konzept: Du musst nur den guten Willen haben, dann fließt Geld.

Es mag sein, dass es in manchen Ländern auf dieser Erde so funktioniert, aber bei uns nach meinen Beobachtungen nicht, auch wenn Sie noch so oft rufen, noch so lange Listen ma chen. Sie müssen konkret Politik machen, Sie müssen mehr Geld im Haushalt zur Verfügung stellen, damit wir vorankom men.

Der Betrag von 500 Millionen € liegt weit über dem, was über viele Jahre überhaupt zur Verfügung stand. Wir hatten über all die Jahre so zwischen 200 Millionen € und maximal 280 Mil lionen € für Aus- und Neubau – in all den Jahren. Nur für Son dermaßnahmen ging es einmal ein bisschen hoch, sonst eher herunter. Es ist bei Weitem nicht so wie behauptet.

Unlingen ist so ein Fall: Es handelt sich um eine lange ver sprochene Umgehungsstraße. Sie ist schon seit Langem im Vordringlichen Bedarf und ist jetzt bei uns nach hinten ge rutscht, aber nicht, weil sie völlig unwichtig wäre, sondern weil es ein Unterschied ist, ob ich 8 000 Fahrzeuge auf der Umgehungsstraße habe oder 25 000. Das ist einer der gravie renden Punkte, warum das eine nach hinten und das andere nach vorn gekommen ist.

Richtig ist: Der Ausbau der A 8 läuft. Ich werde alles tun, damit es auf diesen Hauptachsen nicht zu Verzögerungen kommt. Das darf nicht passieren. Dort wäre der Verkehr am meisten beeinträchtigt und beschädigt.

Zum Thema Albaufstieg muss ich sagen: Die Finanzierung ist wirklich ein Riesenproblem. Für dieses Großprojekt werden inzwischen etwa 500 Millionen € angesetzt. Hierzu muss ich sagen: Angesichts eines angesetzten Neubauvolumens von 60 Millionen € bis 70 Millionen € pro Jahr kann man sich aus rechnen, wie lange es komplett den ganzen Haushalt BadenWürttembergs für Neubaumaßnahmen blockieren würde, wenn wir so ein Projekt angingen. Außer diesem Projekt würde sonst nichts mehr passieren.

Deswegen muss ich sagen: So etwas kann nicht mehr aus dem Kontingent von Baden-Württemberg finanziert werden. Das muss als europäische Achse, als deutsche Achse behandelt werden und muss außerhalb unseres Kontingents vom Bund separat finanziert werden, egal, mit welcher Form der Finan zierung. Wir müssen da vorankommen. Das ist für mich eines der Engpassprojekte, eines der Projekte, bei denen ich es am ärgerlichsten finde, dass wir heute noch keine Fertigstellung haben. Da haben viele jahrzehntelang zu wenig getan.

Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Eine weitere Zusatzfra ge des Herrn Abg. Haller.

Herr Minister, die Verkehrs infrastruktur hängt ja nicht nur von den Mitteln ab, die quasi auf den Bundesverkehrswegeplan bezogen sind, sondern auch von GVFG-Mitteln. Wie bewerten Sie aktuell die Wahrschein lichkeit, dass GVFG-Mittel auch nach 2019 zur Verfügung stehen? Gibt es dafür bereits Anzeichen? Wie schätzen Sie an gesichts der derzeitigen Aussage, es sei fragwürdig, ob diese Finanzierungsmöglichkeit weiter so bestehen werde, die Mög lichkeiten der Weiterentwicklung insbesondere für den SPNV ein?

Bitte, Herr Minister.

Die Verkehrsminister aller Länder sind schwer beun ruhigt und spüren die Auswirkung der Aussage des Bundes: „2019 ist Schluss.“ Das wirkt sich schon heute aus, weil die meisten Schienenpersonennahverkehrsprojekte über zehn Jah re laufen. Der Bund sagt jetzt: „Wenn ihr nicht in der Lage seid, das Projekt bis 2019 abzuwickeln, dann bekommt ihr da für gar kein Geld, es sei denn, das Land übernimmt die Bürg schaft bzw. die Kosten.“ Es ist aber unmöglich, dass wir, das Land, die Kosten für Projekte übernehmen, die im Einzelfall über 50 Millionen € kosten. Dafür haben wir kein Geld. Das muss der Bund zumindest anteilig bezahlen.

Das führt dazu, dass wir in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen beobachten, dass es praktisch einen At tentismus gibt, z. B. bei S-Bahn-Ausbauprojekten; die Leute vor Ort wollen sie, man braucht sie, doch wir können nicht starten.

Jetzt ist etwas Interessantes passiert: Die Verkehrsminister konferenz hat Baden-Württemberg – also mich –, Bayern und Nordrhein-Westfalen beauftragt, dass diese drei Bundeslän der einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Aufhebung der Frist 2019 erarbeiten und ihn im Bundesrat einbringen. Das ist einstimmig beschlossen worden. Alle Vertreter – auch von der CDU, von der FDP und von der SPD – haben zugestimmt, dass wir einen solchen Entwurf erarbeiten. Ich habe die gro ße Hoffnung, dass dann, wenn wir alle mit vereinten Kräften die jeweiligen Bundestagsfraktionen entsprechend dazu brin gen, diesem Gesetzentwurf, wenn er den Bundesrat passiert hat, zugestimmt wird. Dann hätten wir einen richtigen Fort schritt erzielt; denn das ist aus meiner Sicht zwingend. Das GVFG-Bundesprogramm muss nach dem Jahr 2019 zwingend fortgeführt werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Rudolf Köberle CDU)

Vielen Dank, Herr Mi nister. – Es liegen keine weiteren Fragen vor. Alle Fragen der ersten Fragerunde sind nun beantwortet worden.

Wir kommen jetzt zum zweiten Frageblock. – Herr Abg. Wa cker für die CDU-Fraktion, bitte.

S c h u l s t a n d o r t e

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Seit Beginn dieser Legislaturperiode er fahren wir eine gravierende Veränderung der Schullandschaft in Baden-Württemberg.

(Abg. Hans-Martin Haller SPD: Das ist dringend nö tig!)

Auch durch Beschlüsse dieser Landesregierung werden die Schülerströme an unseren Schulen immer unkalkulierbarer. Beispielsweise durch den Wegfall der verbindlichen Grund schulempfehlung wird das Werkrealschulsterben im ländli chen Raum beschleunigt.

Die Zahl der Eingangsklassen ist unkalkulierbar geworden, gerade weil es in den Eingangsklassen an den Realschulen und Gymnasien mehr Schüler zu Beginn des neuen Schuljah res gegeben hat, obwohl wir einen demografischen Wandel haben. Auch dies ist eine Auswirkung der Beschlüsse der neu en Landesregierung. Aber die Privilegierung der Gemein schaftsschule hat natürlich auch Auswirkungen auf andere Schulstandorte. Vor allem dort, wo diese Gemeinschaftsschu len entstehen, sind in besonderem Maß die Nachbarkommu nen betroffen.