Protocol of the Session on June 28, 2012

Wir haben – das habe ich, meine ich, in meinen Ausführun gen gesagt – im Dezember des ersten Jahres nach dem Regie rungswechsel begonnen, auch auf der Arbeitsebene, auf der Gesprächsebene zusammen mit dem Ministerium für Wissen schaft, Forschung und Kunst entsprechende Gespräche zu füh ren. Wir waren da – ich sage das einmal so – im Geleitzug un terwegs. Wenn an der einen oder anderen Stelle eine Präzisie rung notwendig geworden ist – diese haben wir jetzt mit dem gewählten Begriff „Hochschule für Polizei“ vorgenommen –, dann haben wir das auch auf dieser Strecke jetzt gemeinsam erledigt.

Wir sind uns mit dem Wissenschaftsministerium völlig darü ber einig – und darüber waren wir uns von Anfang an einig –, dass die Struktur der Hochschule den anerkannten Regeln des Wissenschaftsrats Rechnung zu tragen hat. Das ist völlig un strittig. Dazu gab es in der zurückliegenden Zeit auch entspre chende Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Auch diese spiegeln sich jetzt in dieser Struktur wider.

Wir haben auch in anderen Bereichen Diskussionsprozesse. Das kann ja gar nicht anders sein. Bei einem solch großen Re formwerk sind wir jetzt zu einem, wie ich finde, außerordent lich guten Ergebnis gekommen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Also keine förmliche Mitzeichnung?)

Kollege Blenke, ist das eine weitere Zusatzfrage? Das wäre dann die letzte.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ich kann gern einen Kollegen fragen lassen!)

Bitte.

Es gibt die sogenannte Mitzeich nung, wenn andere Ressorts betroffen sind. Ich hatte Sie ge fragt, ob eine Mitzeichnung des Wissenschaftsministeriums stattgefunden hat. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

Sehen Sie – ich sage es aus drücklich noch einmal –, Sie denken in völlig bürokratischen Bahnen. Wir denken zielorientiert. Jetzt sage ich: Wenn die förmliche Mitzeichnung für das, was ich eben vorgetragen ha ben sollte, noch nicht vorhanden ist, werden wir auf dieser Basis eine förmliche Mitzeichnung auf jeden Fall gemeinsam erreichen.

Die Mündliche Anfrage ist somit erledigt. Oder gibt es weitere Zusatzfragen? – Ich se he keine weiteren Zusatzfragen.

Dann rufe ich die Mündliche Anfrage unter Ziffer 2 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. K o n r a d E p p l e C D U – T e m p o l i m i t s

Bitte, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich nehme den Ball von der Präsidentin gern auf.

Ich frage die Landesregierung:

a) Wie steht die Landesregierung zu einem generellen Tem

polimit von 30 km/h in Städten?

b) Wie steht die Landesregierung zu einem generellen Tem

polimit von 120 km/h auf Autobahnen?

(Abg. Thomas Blenke CDU: Und in Fußgängerzo nen, wolltest du fragen!)

Vielen Dank. – Ich darf für die Landesregierung Herrn Minister Hermann ans Redner pult bitten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank für die Frage.

Ich möchte zunächst eine grundsätzliche Aussage machen, die für beide Fragen gilt. Wir haben uns im Rahmen der Koaliti onsverhandlungen nicht auf ein generelles Tempolimit ver ständigt. Stattdessen haben wir gesagt: Wenn es auf Bundes ebene eine Initiative gibt, dann werden wir eine solche unter stützen. Im Übrigen werden wir im Land, bezogen auf die je weilige Situation, situativ angepasst, auf der Grundlage der derzeitigen Straßenverkehrs-Ordnung über unsere Behörden eine Regelung vornehmen.

Eines sollte auch klar sein: Das Land hat nicht die Kompetenz des Bundes. Ich werde dazu auch noch etwas im Einzelnen sagen.

Jetzt zur Frage des Tempolimits von 30 km/h innerorts: Da muss man zunächst einmal sagen: Entgegen der öffentlichen Debatte, die bisweilen von der „Bild“-Zeitung angestoßen wird, dass es sozusagen von Übel wäre, wenn demnächst über all maximal Tempo 30 gefahren werden müsste, ist es so, dass eigentlich ständig aus Kommunen Beschlüsse an uns heran getragen werden – eindeutig mehrheitlich, oft einstimmig, üb rigens vielfach auch aus Kommunen, die CDU-geführt sind –, mit denen gefordert wird: Wir wollen endlich Tempo 30 ha ben. Wir müssen dann regelmäßig erst einmal sagen: Es gibt in Deutschland aufgrund der jetzigen Straßenverkehrs-Ord nung leider die Situation, dass in der Kommune generell Tem po 50 gilt. Faktisch ist es aber so, dass auf vielen Teilen des Straßennetzes Tempo 30 gilt. Sogar auf bis zu 80 % des in nerörtlichen Straßennetzes gilt Tempo 30

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

dort gilt Tempo 30 –, obwohl die Höchstgeschwindigkeit in der Regel 50 km/h beträgt. Städte und Gemeinden bemühen sich seit mindestens zwölf Jahren – ich glaube, das geht schon so lange –, ebenso wie verschiedene Fraktionen im Deutschen Bundestag, an der Formulierung dieser Regel etwas zu än dern. Denn es ist absurd, dass man, wenn die Regel besagt, es gilt Tempo 50, aber die überwiegende Mehrheit der Straßen nur mit Tempo 30 befahren werden dürfen, die Regel nicht ändert. Aber niemand traut sich, die Regel zu ändern, weil er immer die Sorge hat, dass die „Bild“-Zeitung und der ADAC eine Kampagne machen, die unterstellt, dass man nun inner orts überall Tempo 30 fahren müsse.

Darum geht es aber gar nicht. Es geht eigentlich darum, die Regel richtig und angepasst zu formulieren. Da bin ich per sönlich der Auffassung – diese Meinung teile ich mit vielen anderen Verkehrsministern –, dass die Anpassung der Regel eigentlich korrekt wäre, wenn man sagte: Grundsätzlich gilt in einer Gemeinde, also innerorts, Tempo 30, und auf Durch gangsstraßen oder auf Straßen, an denen es keine Probleme mit Fußgängern und auch sonst keine Sicherheitsprobleme gibt, gilt dann Tempo 40 oder Tempo 50.

Wenn ich z. B. sage, ich bin für eine andere Regelgeschwin digkeit, dann meine ich auf gar keinen Fall, dass man überall Tempo 30 einführt, sondern ich meine nur, dass in Wohnge bieten selbstverständlich Tempo 30 gilt und es bei Durchfahr ten, abhängig von der jeweiligen Situation und der Sicher heitslage, über Tempo 30 hinausgehen kann.

Warum ist das so? Dafür gibt es viele Gründe. Es gibt aber ein paar, wie ich finde, sehr durchschlagende Gründe, verstärkt Tempo 30 einzuführen. Der wichtigste Grund ist, dass wir heute sehr gut abgestützt wissen, dass man, wenn man bei ei ner Geschwindigkeit von 50 km/h angefahren wird, ein sehr viel höheres Todesrisiko hat, als wenn man von einem Auto mit einem Tempo von 30 km/h angefahren wird.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist Phy sik! – Zuruf des Abg. Konrad Epple CDU)

Ja, das ist Physik. Aber offenbar ist das nicht bei allen Po litikerinnen und Politikern angekommen. – Von zehn Men schen, die mit Tempo 50 angefahren werden, haben nur drei wirklich eine Chance zu überleben. Bei einem niedrigeren Tempo – Tempo 30 – ist die Chance zu überleben sehr viel höher, und zwar deutlich höher: Sie ist um das Dreifache hö her.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Und bei Tempo 15?)

Man könnte auch sagen: Das ist ein echter Beitrag zur Ver kehrssicherheit. Wenn man bedenkt, dass in der Bundesrepu blik Deutschland jährlich etwa 600 Menschen als Fußgänger so angefahren werden, dann könnte man, wenn man das hoch rechnet, auch sagen: Wenn wir es schafften, dass wir überall Tempo 30 hätten, könnten wir die Zahl der Menschen, die nach einem Zusammenprall mit einem in dieser Geschwin digkeit fahrenden Fahrzeug sterben, etwa um die Hälfte redu zieren. Ich finde, das allein rechtfertigt schon die Anstrengung, dass wir da zu einer anderen Lösung kommen.

Ich will noch einen weiteren Aspekt nennen: Das ist der Lärm schutz. Wenn wir statt Tempo 50 nur Tempo 30 auf einer Durchfahrtsstraße einführen, dann hat das dieselbe Lärm schutzwirkung, als würden wir das Verkehrsaufkommen hal bieren. Sie können lange für Umgehungsstraßen kämpfen, um einen solchen Effekt zu finden. Deswegen ist es auch unter Lärmschutzgesichtspunkten wichtig, so etwas zu machen.

Das sind aus unserer Sicht also zwei wichtige Gründe, die ei ne Rolle spielen.

Die Verwaltung arbeitet in der Regel sehr selbstständig. Bis weilen wird ein Konfliktfall öffentlich. Dann heißt es: „Trotz des grünen Verkehrsministers gibt es kein Tempo 30.“ Dann überprüfen wir im Ministerium, warum es dort kein Tempo 30 gibt, und dann muss die Behörde im Einzelfall nachweisen, warum sie nicht Tempo 30 eingeführt hat. Manchmal stellt sich dann heraus, dass es gute Gründe für Tempo 30 gibt. Dann führen wir das ein. Das geschieht aber immer im Rah men der Straßenverkehrs-Ordnung.

Jetzt komme ich zum Tempolimit von 120 km/h auf Autobah nen. Ich sage es noch einmal: Auch wenn ich es wollte, habe ich als Landesverkehrsminister nicht das Recht, irgendein Tempolimit auf Bundesautobahnen einzuführen. Darüber ent scheidet allein der Bund.

Das Einzige, was wir machen können, ist: Wenn es Gründe gibt wie den Lärmschutz – zwingende Lärmschutzgründe – oder Emissionen – da wird es auf eine andere Art sehr viel schwieriger – oder sicherheitsrelevante Gründe – Einfahrten, Verengungen, das Fehlen von Standspuren usw. –, dann gibt es Tempolimits. Das haben wir auch auf einigen Straßen ge

rade im Großraum Stuttgart. Diese Tempolimits sind übrigens alle von meinen Vorgängern und den Behörden der Vorgän gerregierungen eingerichtet worden.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Sinnvoll!)

Ich bin überrascht, dass ich derzeit öfter in die Situation kom me, dass CDU-Abgeordnete – Bundestagsabgeordnete – oder auch CDU-Bürgermeister von mir erwarten, dass ich ein Tem polimit einführe. Ich muss dann mithilfe der Verwaltung fest stellen, ob das geht oder nicht. Häufig müssen wir im Einzel fall auch sagen: Unter den jetzigen rechtlichen Bedingungen geht es nicht – obwohl man das politisch gern wollte –, weil man nämlich immer einen guten, rechtsfesten Grund braucht. Wenn man den nicht hat, läuft man Gefahr, dass man vor Ge richt scheitert.

Wir haben uns entschieden, wir legen ein Tempolimit fest, wenn wir es rechtlich gut begründen können und wenn es rechtlich möglich ist.

Zur bundesweiten Debatte: Es ist schon ein Unikum, dass die Bundesrepublik Deutschland als einziges Land unter allen Ländern kein generelles Tempolimit auf den Autobahnen hat. Überall auf der Welt gibt es ein solches – außer in Bangla desch, und die haben keine richtigen Autobahnen.

(Heiterkeit)

Tatsache ist: Es ist in allen anderen zivilisierten Ländern der Welt, die Autos und Autobahnen haben, eine Selbstverständ lichkeit, aus Sicherheitsgründen ein Tempolimit zu haben.

Natürlich ist es oft auch eine Klimaschutzfrage. Je schneller ein Auto fährt, desto höher ist auch der Spritverbrauch. Es ist völlig klar, dass wir mit unseren hohen Geschwindigkeiten viel Sprit verbrauchen, den wir nicht verbrauchen würden, wenn wir generell langsamer fahren würden.

Für mich ist das Schlimmste auf der Autobahn, wenn ich mich an das Tempolimit halte und es kommt einer von hinten an gefahren, gibt Gas, hängt einem schon fast im Kofferraum und vermittelt einem das Gefühl, er hätte das Recht auf freie Fahrt. Das finde ich extrem stressig. Gleiches gilt, wenn man auf der Autobahn flott mit 130 km/h fährt und es überholt einer und man denkt, der ist doppelt so schnell wie man selbst, und man hat ihn kaum bemerkt. Diese Art von Rasen auf der Autobahn macht Stress.

Ich höre immer wieder von Leuten, die im Ausland auf Auto bahnen fahren, dass es dort viel weniger stressig zugeht als bei uns.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Die sind besser aus gebaut!)

Insofern wäre es ein wichtiger Beitrag zu einer neuen Ver kehrskultur, wenn wir auf Autobahnen weniger aufgeregt fah ren würden. Deshalb würde ich mich freuen, wenn es gelän ge, im Laufe der nächsten Jahre ein generelles Tempolimit einzuführen. Was die Höhe angeht, bin ich persönlich völlig offen. Wenn wir es schaffen, Tempo 130 hinzubekommen, bin ich für Tempo 130. Wenn wir Tempo 120 schaffen, bin ich auch für Tempo 120. Das ist für mich nicht die Frage. Ich glaube, wir tun uns damit etwas Gutes.