Insofern wäre es ein wichtiger Beitrag zu einer neuen Ver kehrskultur, wenn wir auf Autobahnen weniger aufgeregt fah ren würden. Deshalb würde ich mich freuen, wenn es gelän ge, im Laufe der nächsten Jahre ein generelles Tempolimit einzuführen. Was die Höhe angeht, bin ich persönlich völlig offen. Wenn wir es schaffen, Tempo 130 hinzubekommen, bin ich für Tempo 130. Wenn wir Tempo 120 schaffen, bin ich auch für Tempo 120. Das ist für mich nicht die Frage. Ich glaube, wir tun uns damit etwas Gutes.
Wir würden auch Impulse setzen, was den Automobilbau an belangt. Es ist doch völlig klar, wenn Sie sich den Fahrzeug pool anderer Länder ansehen: Wenn man nicht mehr so schnell fährt, braucht man auch keine so hoch motorisierten und schweren Autos. Man kann auch unter Klimaschutzgesichts punkten leichtere Fahrzeuge bauen, klimafreundlich sein. Das wäre hierzu ein guter Beitrag.
Herr Minister, Sie haben das The ma Sicherheit als Begründung für die Temporeduzierung an geführt. Wir wissen, dass die Straßen und Autobahnen in Deutschland die sichersten in Europa sind. Als Vergleich wird häufig auch Österreich angeführt. Österreich hat ein generel les Tempolimit von 130 km/h, und trotzdem ist die Zahl der Getöteten auf den Autobahnen um 1,5 % höher als bei uns. Insofern glaube ich, dass diese Annahme nicht ganz schlüssig ist.
Das zweite Thema ist das Thema Lärmschutz. Herr Kollege Löffler hat vor einiger Zeit eine meiner Ansicht nach kluge Anfrage zum Lärmschutz entlang der Autobahn A 8 bei Stutt gart-Fasanenhof gestellt. Da hat Ihr Haus selbst auf die Fra ge, wie sich eine Geschwindigkeitsreduzierung auf den Stra ßenlärm auf diesem Autobahnabschnitt auswirken würde, ge antwortet, dass die Lärmreduzierung eigentlich nichts bringt, weil das menschliche Ohr dies nur ab 2 bis 3 dB(A) überhaupt wahrnehmen kann und die Reduzierung gerade einmal höchs tens in dieser Höhe wäre. Mit dieser Begründung haben Sie in diesem Abschnitt eine Temporeduzierung abgelehnt, weil eben das menschliche Ohr den erzielten Effekt nicht wahrneh men würde. Das passt nicht ganz zu dem, was Sie gerade aus geführt haben.
Wenn es der gleiche Fall gewesen wäre, dann hätten Sie recht. Aber es ist völlig zweierlei, ob ich von Tempo 50 oder Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt rede oder ob ich von 100 oder 120 km/h auf der Autobahn rede. Das ist der Hauptun terschied. Deswegen kann man das nicht vergleichen.
Noch einmal: Bei der A 8 haben wir die Situation, dass wir gerade mit etwa 25 Millionen € an Bundesmitteln eine flexi ble Temposteuerung einführen, und zwar mit großem Auf wand mit Schilderbrücken, die abhängig vom Verkehrsauf kommen ein flexibles Tempolimit vorgeben. Voraussetzung dafür, dass wir diese Anlagen vom Bund bekommen haben, war, dass wir im Gegenzug auf ein generelles Tempolimit auf dieser Strecke verzichten. Daher ist es schon einmal ziemlich schlecht, an dieser Stelle etwas anderes zu machen als das, was übrigens meine Vorgängerin geplant und verabredet hat. Wir werden das jetzt auch in Kürze in Betrieb nehmen. Wir werden dann schauen, welche Erfahrungen wir sammeln.
Die Besonderheit an dieser Stelle ist, dass die Grenzwerte in einem einzigen Haus in den oberen Stockwerken überschrit ten werden. Das muss man einfach wissen. Es gibt da schon eine Reihe von Lärmschutzmaßnahmen. Wir planen, bei der Belagserneuerung einen lärmarmen Belag aufzubringen, der mehr als 2 dB(A) Reduktion bringt. In diesem Zusammen hang – mit dieser deutlichen Reduktion – haben wir festge stellt, dass es bezogen auf diese Situation eine kaum bzw. ei
ne wenig wahrnehmbare Verbesserung bringen würde, zusätz lich Tempo 100 statt Tempo 120 einzuführen. Nochmals: Der große Unterschied beim Lärm ist: Zwischen Tempo 120 und Tempo 100 auf der Autobahn gibt es hinsichtlich des Lärms einen geringeren Unterschied als zwischen Tempo 50 und Tempo 30.
Frau Razavi, Sie haben auch noch gesagt: Die Autobahnen sind die sichersten Straßen. Das ist eine Binsenweisheit. Das liegt daran,
dass die Autobahnen in der Regel zwei getrennte Fahrbahnen haben und der Verkehr sich nicht auf der gleichen Bahn be gegnet.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wenig Am peln! – Abg. Nicole Razavi CDU: Das ist aber euro paweit so! Das ist nicht nur bei uns so!)
Ja. – Deswegen sind Autobahnen generell sicherer als an dere Straßen. Je mehr Begegnungsverkehr und gemischten Verkehr es gibt, desto mehr Unfälle gibt es.
Wenn man eine solche Frage bekommt, muss man offen sichtlich manchmal auch so antworten. – Je mehr Begegnun gen es gibt, desto mehr Unfälle gibt es auch.
Jetzt haben Sie gesagt: Das ist eigentlich nicht wirklich das Problem. Ich sage ja nicht, dass wir mit einem Tempolimit die Zahl der Unfälle mit Todesfolge auf Autobahnen wesentlich reduzieren. Aber auf Autobahnen gibt es zahlreiche andere Unfälle. Wenn Sie einmal am Freitagnachmittag oder wann auch immer Verkehrsmeldungen hören, dann stellen Sie im mer wieder fest, dass es ständig Unfälle gibt, die zum Total stau führen.
Wir müssen ein Interesse daran haben, dass die Menschen ru higer fahren, mit reduzierter Geschwindigkeit fahren und dass sie sich ans Tempolimit halten. Denn die meisten Unfälle pas sieren, wenn man an engen Baustellen, wo Tempo 60 gilt, mit 90 oder 100 km/h fährt und aneinanderschrammt; dann kommt es zum Unfall. Darauf hinzuweisen ist uns auch wichtig.
Im Übrigen will ich nur darauf hinweisen, dass 1 % bzw. 3 % der Unfallopfer immerhin auch schon ziemlich viele Men schen sind, die man dann zumindest potenziell retten kann. Ich nehme das in jedem Einzelfall sehr ernst.
Herr Minister, ich möch te noch einmal auf das Thema „Tempo 30 oder Tempo 40 in nerorts“ zurückkommen. Sie hatten ausgeführt, dass Sie die ses Instrument grundsätzlich für erweiterbar, für öfter nutzbar halten. Es gibt ja sehr häufig dahin gehende Wünsche der
Kommunen; sie werden auch an uns herangetragen. Nun gibt es einen engen rechtlichen Rahmen. Sehr viel geht über das hinaus, was wir als Landesgesetzgeber bzw. -umsetzer vor Ort überhaupt machen können.
Es sind – Sie haben es angesprochen – Lärmschutzgründe oder besondere Gefahrenlagen, die solche Maßnahmen wie Tem po 30 auch auf Ortsdurchfahrten in Gemeinden ermöglichen, zumindest in begrenzten Bereichen. Es gibt aber auch städte bauliche Gründe, die es ermöglichen, dass Kommunen solche Streckenabschnitte mit Tempo 30 ausweisen. Diese städtebau lichen Gründe ermöglichen, das Netz von Straßen einzuteilen in Straßen, die schnelleren Verkehr erlauben, und solchen, auf denen langsam gefahren werden muss.
Würden Sie den Kommunen anbieten, dass Sie hier unterstüt zend wirken, dass die Kommunen auch in den Regierungsprä sidien nachfragen können,
Vielen Dank für die Frage. – Ich habe gehört, sie wüss ten das alles. Wir stellen fest: Es ist nicht so, dass alle Kom munen alles wissen. Das hängt schon davon ab, wer in der Kommune damit befasst ist, wie kundig er ist und auch da von, wie er ausgerichtet ist. Ich meine, lange Zeit haben sich manche Kommunalverwaltungen eher am fließenden Verkehr denn an der Lebensqualität orientiert. Das ändert sich gerade aber völlig. Das kann man feststellen. In vielen Kommunen gibt es Ansätze in dieser Richtung: „Sicherheit ist uns wich tig, aber auch die Lebensqualität in der Stadt. Wir bauen um. Wir bauen eine neue Mitte. Wir wollen auch an der Durch gangsstraße eine andere Verkehrsberuhigung und haben dafür ein Konzept.“
Wir werden erstens die Behördenvertreter nach der Sommer pause in Sachen Tempolimit genauer informieren und klarma chen, welche rechtlichen Möglichkeiten die StraßenverkehrsOrdnung bietet und wie man was nutzen kann. Dann werden wir insbesondere auch die Kriterien für die Lebensqualität in einer Stadt und die Möglichkeiten dazu unter die Leute brin gen.
Ich kann auch zusagen: Wenn endlich das neue Referat für Rad- und Fußverkehr und kommunale Verkehrskonzepte ein gerichtet wird – gerade läuft die Ausschreibung dazu –, dann haben wir im Ministerium die Möglichkeit, dies mit dem nö tigen Nachdruck zu unterstützen.
Manche vermuten, dass wir noch immer viele offene Stellen hätten; aber es dauert lange, bis wir die wenigen offenen Stel len besetzen.
Herr Minister, ich habe mir aufgrund der heutigen Fragestunde nochmals die Studie „Um weltauswirkungen von Geschwindigkeitsbeschränkungen“ des Umweltbundesamts aus dem Jahr 1999 durchgelesen. Das Umweltbundesamt kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Ausstoß von Stickoxiden und Kohlendioxid durch ein Tem polimit deutlich reduzieren lässt. Kennen Sie diese Studie? Kennen Sie die Inhalte dieser Studie?
Vielen Dank. – Ich kenne diese Studie. An der Studie ist sehr beeindruckend, was man durch ein Tempolimit alles erreichen kann. Es gibt bei dieser Studie aus heutiger Sicht aber ein Problem: Diese Studie stammt aus dem Jahr 1999, das heißt, sie ging bei den Berechnungen vom Fuhrpark der Neunzigerjahre aus. Wenn wir heute auf die Straße schauen, stellen wir fest, dass nicht mehr so arg viele Autos von damals gefahren werden.
Das heißt, wenn man aktuelle Informationen darüber, was ein Tempolimit bringt, haben möchte – wenn man z. B. heraus finden will, was ein Tempolimit auf den Autobahnen genau bringt –, dann müsste man dies mit dem heutigen Fuhrpark durchrechnen und müsste übrigens auch empirisch untersu chen, wie schnell die Autos heute fahren.
Auch das ist eine Einsicht, die man heute hat: In den Neunzi gerjahren ist man auf den Autobahnen im Durchschnitt lang samer gefahren. Heute fahren alle schneller. Das weiß jeder. Die Aufrüstung der Motoren in den letzten 20 Jahren ist ge waltig. Heute gibt es kaum mehr ein Auto mit weniger als 100 PS. Früher war ein Porsche sozusagen das einzige Auto, das dies hatte.
Herr Minister, Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie zur Anordnung von Tem polimits nur in Ausnahmefällen die Kompetenz haben. Mei ne Frage ist: Trifft das auch – ich gehe davon aus – auf das Überholverbot zu? Wie stehen Sie – das ist der Punkt – zu der Forderung nach einem generellen Überholverbot für Lkws, über das selbst im Speditionsgewerbe unterschiedlich disku tiert wird?
Wenn Sie mich nach meiner persönlichen Einschät zung fragen: Ich bin der Meinung, es wäre sinnvoll, wir hät ten ein solches generelles Überholverbot, wenn die Straße nur zweispurig ist, also wenn es Gegenverkehr gibt, oder wenn es auf der Autobahn nur zwei Spuren gibt. Dann sollen die Lkws auf ihrer Spur bleiben und nicht auf die andere Spur der oh nehin viel zu engen Autobahn fahren.
Wir können das aber auf Landesebene nicht generell einfüh ren. Das haben Sie richtig vermutet. Wir können es nur dort machen, wo Gefahr im Verzug ist und es aus Sicherheitsgrün den angeordnet werden kann. Soweit ich das überblicke, ha ben wir diese Möglichkeit weitgehend ausgeschöpft.
Sehr geehrter Herr Mi nister, ich habe folgende Frage: Bei der Debatte um Tempo 30 gab es im Land und auch hier im Landtag zwischen den Frak tionen durchaus unterschiedliche Positionen.
Von großer Bedeutung ist, welche Rolle die Kommunen spie len und wie die Rückmeldungen der Kommunen zu diesem Thema sind. Gab es innerhalb der letzten sechs, zwölf oder 18 Monate im Verkehrsministerium nennenswerte Rückmel dungen von Kommunen, die sich für oder gegen Tempo 30 auf ihren Gemarkungen ausgesprochen haben? Ist da feststell bar – sage ich einmal in aller Offenheit –, ob das parteipoli tisch zuzuordnen ist? Gibt es in nennenswertem Umfang Kommunen mit einer CDU-Mehrheit, die aus lokalem Inter esse heraus innerorts Tempo 30 einführen wollen? Wie ist die Rückmeldung bei Ihnen im Verkehrsministerium?
Wir führen darüber keine genaue Statistik. Wir fragen auch nicht die Mehrheiten bei den Kommunen ab. Aber man kennt ja einzelne Kommunen, Einzelfälle, auch Bürgermeis ter. Was auffällt, ist, dass in den Kommunen generell die Be reitschaft sehr viel größer geworden und gewachsen ist, Tem po 30 einzuführen. Jedenfalls landen bei mir selten Briefe mit dem Wunsch „Wir wollen es haben“, sondern meist Briefe, die geschickt werden, wenn dies nicht möglich ist, weil das Regierungspräsidium eine solche Maßnahme zurückgenom men hat.