Leuthard als Gegenleistung die Öffnung der Randzeiten ge fordert. Die Randzeiten sind ein Kernthema jeder Lärmdis kussion an jedem Flughafen der Welt. Sie betreffen nämlich die geschützten Nachtzeiten. Wenn diese infrage gestellt wer den, dann frage ich mich, warum eine Absichtserklärung un terschrieben wird, die von der anderen Seite völlig konträr aufgefasst wird.
Wenn wir diese Absichtserklärung unterstützen können sol len, dann müsste darin stehen, um was es geht. Da unsere For derungen in der Stuttgarter Erklärung präzise definiert sind – jedenfalls die wesentlichen Eckpunkte –, hätte in dieser Ab sichtserklärung festgehalten werden müssen, dass die Stutt garter Erklärung gilt. Warum sollten wir 80 % aller Anflüge eines Flughafens übernehmen, der in der Schweiz liegt?
Das schäbigste Angebot der Schweizer Regierung im Zusam menhang mit dieser Absichtserklärung ist Folgendes – ich be zeichne dieses Angebot als schäbig –:
Die Schweiz hat nämlich nach der Reduzierung der Zahl der Flugbewegungen vor einigen Jahren den deutschen Taxis ver boten, ihre Fluggäste in Zürich abzuholen oder nach Zürich zu bringen. Eine reine Schikane. In dieser Absichtserklärung macht die Schweiz freiwillig das Zugeständnis, dass deutsche Taxis wieder fahren dürfen – als Gegenleistung für die Aus weitung der Randzeiten des Flugbetriebs. Ich finde dieses An gebot schäbig.
Wir kennen die Fluglärmdiskussion auch aus Städten wie Ber lin, Frankfurt und München. Dabei geht es immer darum, den Fluglärm zu verlagern. Niemand ist aber in der Lage, die Be völkerung einfach vom Fluglärm zu befreien. Es geht immer um eine Abwägung: Belaste ich dieses Segment, oder entlas te ich dieses Segment?
In Zürich ist es eindeutig. In Zürich wird die Bevölkerung um einen innerschweizerischen Flughafen herum entlastet – zu lasten der Grenzbevölkerung auf deutscher Seite. Es gibt für uns keinen politischen Grund, dies zu akzeptieren. Wir ent scheiden, wie viel Lärm wir akzeptieren, und zwar freiwillig, aber nicht in Abhängigkeit davon, ob Taxis fahren dürfen oder nicht.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schön, dass bei diesem Thema über alle Fraktionsgrenzen hinweg Einigkeit besteht. Am 12. Oktober, als wir die letzte Debatte darüber geführt haben und als die gleichen Redner zu diesem Thema sprachen, haben wir die Stuttgarter Erklärung einhellig zur Grundlage erklärt. Ich glaube, das ist eine gute Grundlage für die Absichtserklärung.
Wir begrüßen, dass Herr Bundesverkehrsminister Ramsauer diese Absichtserklärung auf den Weg gebracht hat, dass man
jetzt einen Staatsvertrag anpeilt und dass wir heute das Sig nal geben, dass der Landtag von Baden-Württemberg die Stuttgarter Erklärung zur Grundlage nimmt.
Ich glaube, die Zahl von 80 000 Anflügen pro Jahr – im ver gangenen Jahr waren es über 130 000 Anflüge – ist ein Sig nal an die Schweiz, dass wir durchaus berücksichtigen, dass der Flughafen ein Wirtschaftsfaktor ist und dass der Flugha fen auch von deutschen Passagieren genutzt wird. Sie ist aber auch ein Signal an die Bevölkerung Südbadens, dass es ein Bekenntnis zum Schutz der Bevölkerung gibt.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, 80 000 An flüge pro Jahr entsprechen 219 Anflügen pro Tag. Während wir also diese Debatte führen, gehen zehn Anflüge über Süd baden. Ich glaube, das ist eine ganze Menge. Insofern ist es ein ganz wichtiges Signal, dass das Land Baden-Württemberg 80 000 Anflüge pro Jahr akzeptiert.
Darüber hinaus berücksichtigt man in der Stuttgarter Erklä rung – es wurde angesprochen – die Sperrzeiten und die Auf hebung des Warteraums RILAX.
Es gibt hier also so etwas wie ein Bäumchen-wechsle-dichSpiel. Am 12. Oktober 2011 hatte die CDU den Grünen den Ball zugespielt. Jetzt versuchen die Grünen, ihn wieder der CDU zuzuspielen, aber festzuhalten ist eine parteiübergrei fende Solidarität hier im Land Baden-Württemberg. Wenn sich dann Ministerpräsident Kretschmann und Bundesverkehrsmi nister Ramsauer unabhängig voneinander mit Frau Bundesrä tin Leuthard austauschen, dann, denke ich, ist das ein ganz gu tes Signal.
Wir haben zwischen der Schweiz und Deutschland schon ganz andere Zeiten gehabt. Wenn man einmal 513 Jahre zurück geht, in das Jahr 1499, dann ist festzustellen, dass man sich damals auch gestritten hat. Da hat man aber nicht diskutiert, sondern da gab es seinerzeit den Schwabenkrieg um Grenz konflikte. Da hat man neun Monate lang gestritten und Krieg geführt. Die Schweizer Eidgenossen haben gegen die Habs burger und den Schwäbischen Bund gewonnen. Aber im Grenz gebiet hatte sich überhaupt nichts verändert. Man sieht also: Wir sind auf einem guten Weg in die Diskussion.
Frau Dr. Splett hatte am 12. Oktober angesprochen, dass man in Baden-Württemberg eine nachhaltige Verkehrspolitik wünscht. Dazu gehört mit Sicherheit die Stuttgarter Erklärung, dazu gehören natürlich auch andere Punkte, über die wir mor gen debattieren werden. Ich glaube, es ist ein wichtiges Sig nal auch nach Berlin und in die Schweiz, dass die Stuttgarter Erklärung die Grundlage für den Landtag von Baden-Würt temberg ist.
Herr Präsident, sehr ge ehrte Damen und Herren! Fluglärm ist ein Thema, das derzeit bundesweit rund um Flughäfen für Diskussionen sorgt: Den ken Sie an die Demonstrationen in Frankfurt, in Berlin oder an die Diskussionen in München. Aktuell ist es auch ein The
ma in Baden-Württemberg, auch wenn der Flughafen, der bei uns derzeit für die meisten Diskussionen sorgt, in der Schweiz liegt.
Die Anflüge auf den Flughafen Zürich werden seit Jahrzehn ten ganz überwiegend über deutsches Staatsgebiet geführt, und die Menschen in Südbaden fordern mehr Lärmschutz und eine gerechte Verteilung der Belastungen – nicht mehr und nicht weniger.
Es ist nicht zu bestreiten: Der Fluglärmstreit belastet die nach barschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Ba den-Württemberg. Aber klar ist auch: Trotz dieser Auseinan dersetzung arbeiten wir seitens der Landesregierung in vielen Bereichen, gerade auch im Verkehrsbereich, hervorragend mit der Schweiz zusammen, so, wie es sich eben für gute Nach barn gehört. Auch über die Parteigrenzen hinweg ist zu sagen, dass Baden-Württemberg ein sehr gutes nachbarschaftliches Verhältnis mit der Schweiz pflegt. Die erste Auslandsreise un seres Ministerpräsidenten im vergangenen Jahr führte auch in die Schweiz.
Was gibt es Neues zu diesem Thema? Es wurde ja angespro chen, dass wir über die Thematik schon einmal debattiert ha ben. Aber es gibt jetzt einen aktuellen Anlass für diese Debat te: Bundesverkehrsminister Ramsauer und seine Schweizer Kollegin Leuthard haben vor wenigen Tagen am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos eine Absichtserklärung un terzeichnet. Deutschland und die Schweiz wollen auf der Grundlage von Eckwerten unverzüglich einen Staatsvertrag zur Beendigung der Auseinandersetzungen abschließen. Nach der Vorstellung des Bundesverkehrsministers soll der Staats vertrag im Sommer dieses Jahres unterschrieben werden.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung und die ge samte Region wurden von dieser Meldung überrascht. Wir waren vorab nicht informiert, geschweige denn eingebunden. Natürlich ist der Bund für die Regelung der Anflüge auf Zü rich über deutsches Staatsgebiet zuständig und letztlich auch politisch verantwortlich. Natürlich hat er deshalb auch das Recht, in dieser Sache politisch initiativ zu werden. Aber bis her entsprach es gutem Brauch, dass das Land und auch die Region dabei eingebunden wurden. Deshalb waren wir über das Vorgehen des Bundes in dieser Frage mehr als verwun dert. Wir haben uns geärgert.
Herr Minister Hermann hat deshalb in der vergangenen Wo che umgehend nach dem Bekanntwerden dieser Absichtser klärung Herrn Bundesverkehrsminister Ramsauer geschrie ben. Er hat mitgeteilt, dass wir erstens eine Beteiligung des Landes und der Region bei den nun anstehenden Staatsver tragsverhandlungen erwarten, dass wir zweitens, wie es auch im Koalitionsvertrag steht, hinter den Forderungen der Stutt garter Erklärung stehen und dass wir drittens für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen eine einseitige Verordnung zur Beschränkung der Anflüge im Sinne der Stuttgarter Erklärung erwarten.
Auch die Region hat ganz ähnlich reagiert. Am Montag – das wurde auch schon angesprochen – haben im Rathaus von Do
naueschingen unter dem Warteraum RILAX die politisch Ver antwortlichen in Südbaden, Landräte, Abgeordnete des Bun destags und des Landtags, Bürgermeister sowie Vertreterin nen und Vertreter von Bürgerinitiativen eine Resolution un terzeichnet, die die Stuttgarter Erklärung bekräftigt. Im We sentlichen sind es die Forderungen, die auch im Brief aus un serem Ministerium an das BMVBS gerichtet wurden. Auch ich habe diese Resolution unterschrieben und damit den Schul terschluss mit der Region hergestellt.
Meine Damen und Herren, die Eckwerte der Davoser Ab sichtserklärung sind eher unbestimmt. Darin stehen eben kei ne konkreten Zahlen oder Festlegungen. Genau deshalb ist diese Absichtserklärung der weiteren Ausformung zugänglich. Wir waren uns jedenfalls in Donaueschingen einig, dass sie mit den Inhalten der Stuttgarter Erklärung konkretisiert wer den kann und auch werden muss. Das heißt u. a., die Zahl der Nordanflüge auf maximal 80 000 pro Jahr zu begrenzen, die bestehenden Sperrzeiten beizubehalten – das ist ein ganz wichtiger Punkt – und den Warteraum RILAX bei Donau eschingen aufzuheben.
Meine Damen und Herren, wir wissen nicht, ob die nun an stehenden Staatsvertragsverhandlungen wirklich den Durch bruch bringen werden. Wir wissen aber: Land und Region werden politisch gemeinsam und in enger Abstimmung in die se Verhandlungen gehen, und wir werden uns für eine deutli che Entlastung hinsichtlich des Fluglärms für die Menschen in Südbaden einsetzen.
Wichtig ist mir auch die Allianz, die in der heutigen Debatte deutlich wurde. Wir sind uns über die Parteigrenzen hinweg einig. Alle Redner haben sich zur Stuttgarter Erklärung be kannt. Das erhöht natürlich unser politisches Gewicht. Ich denke, dass dieses Signal auch in Berlin und in Bern gehört werden wird. Die Debatte hat den Rucksack für die Verhand lungen, von dem vorhin die Rede war, nochmals deutlich mit klaren Inhalten gefüllt. Dafür danke ich Ihnen.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Wird noch einmal das Wort für die Fraktion GRÜNE ge wünscht? – Bitte schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, es war eindrucksvoll, zu se hen, wie von allen Parteien Zustimmung zu dieser Stuttgarter Erklärung signalisiert wurde. Die Durchführungsverordnung – um das noch einmal deutlich zu machen – ist ein wichtiger Bestandteil dieser Stuttgarter Erklärung; es geht nämlich um die Sperrzeiten. Dies wurde hier noch einmal bekräftigt. Die Forderung nach einer Auflösung des Warteraums über Donau eschingen wurde auch noch einmal bekräftigt. Ich denke, es ist ein gutes Zeichen – auch nach außen hin –, dass die Frak tionen hier im Landtag deutlich gemacht haben, dass die Wün sche, die von der südbadischen Bevölkerung vorgebracht wer den und die wir uns zu eigen gemacht haben und weiter mit vorantreiben, eine wichtige Grundlage für die Verhandlungen sind.
Wir hoffen, dass der Bund uns an den Verhandlungen betei ligt. Das ist ein ganz wichtiger Wunsch. Auch für uns als Par lamentarier ist es sozusagen existenziell, dass wir daran be
teiligt werden und auch in der Öffentlichkeit dokumentieren können, dass der Staatsvertrag mit unserer Beteiligung abge schlossen worden ist. Ich denke, es kann für die partnerschaft lichen Beziehungen mit der Schweiz nur gut sein, dass ein deutliches Zeichen aus der Bundesrepublik kommt, und zwar sowohl vom Bund als auch vom Land, dass wir dies wollen.
Deshalb kann ich hier auch vonseiten der Fraktion GRÜNE sagen: Vielen Dank für diese Einstimmung. Ich denke, es war eine gute Debatte. Wir konnten endlich auch der betroffenen Bevölkerung sagen, dass wir hinter dieser Erklärung stehen und dass wir hinsichtlich der Durchführungsverordnung hin ter ihr stehen.
Vielleicht noch einen Punkt: Lassen Sie uns die Bürgerinnen und Bürger beteiligen, und lassen Sie uns auch die Kommu nalpolitiker im südbadischen Raum und uns beteiligen.
Ich glaube, damit wird der Spruch, dass man die Bürger ernst nimmt und beteiligen soll, zur Wahrheit.
Herr Präsident! Heute sind eini ge Profis hier, was den Fluglärm angeht. Das hat die Debatte gezeigt.
Aber, Herr Kollege Winkler, wenn Sie sagen, die CDU lasse auf einmal Zweifel daran, ob die Randzeiten hinterher noch bestehen, will ich das einmal ausräumen. Völlig klar steht die CDU zu den Randzeiten. Das ist übrigens Teil der Stuttgarter Erklärung, von der wir die ganze Zeit reden. Da gibt es auch überhaupt keinen Interpretationsspielraum.
Übrigens hat der Bundesverkehrsminister das schon am nächs ten Tag in einer Telefonkonferenz mit den CDU-Bundestags abgeordneten aus Südbaden – Thomas Dörflinger, Andreas Jung und Siegfried Kauder – noch einmal ganz klargemacht. Das ist überhaupt keine Frage.