Protocol of the Session on November 9, 2011

(Abg. Nicole Razavi CDU: Das stimmt, ja!)

Vor lauter Feindbild sehen Sie nicht mehr durch den selbst verursachten Nebel.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Sie müssen lernen, die Positionen des Herrn Ministers Her mann differenziert zu betrachten.

(Beifall bei den Grünen – Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Es gibt Bereiche in der Verkehrspolitik, in denen er zu einer Minoritätentruppe gehört.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Aber beim Thema Neckar sitzen wir alle in einem Boot. Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, und er ist unser Kapitän. Das muss man anerkennen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Ich weiß gar nicht, was Sie da groß wollen. Er hat immer klipp und klar gesagt: Wir sind für den Ausbau; wir fordern das vom Bund.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Bei diesem Kapitän ginge ich aber schnell von Bord! – Weitere Zurufe)

Ja, natürlich! – Jetzt ist halt die Frage: Was macht der Bund? Da ist natürlich der Verkehrsminister bzw. die Landesregie rung gefordert.

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

In Berlin sitzen doch Sie in der Regierung.

(Zuruf von den Grünen: Noch!)

Diese Regierung hat den kompletten Ausbau infrage gestellt. Es ist doch Herr Ramsauer, das ist doch Ihr CDU/CSU-Spe zi, Ihr Südschienenfreund,

(Beifall bei den Grünen – Lachen bei der SPD)

der hier die Sache infrage stellt, und es ist nicht der an dieser Stelle sehr geschätzte Herr Verkehrsminister. Insoweit ist die Position klar. Deswegen können Sie beruhigt sein: Wir stim men diesem Beschlussantrag zu.

(Vereinzelt Beifall)

Wenn die CDU etwas Richtiges denkt, sind wir dabei.

Eine Kleinigkeit im Nachgang – ich brauche meine Redezeit gar nicht voll auszuschöpfen –: Wir halten es im Detail für fraglich, dass es sinnvoll ist, die Neckarschleusen sukzessive auszubauen. Wir brauchen dafür 17 Jahre. Das kann dazu füh ren, dass irgendwo am Oberlauf schon bald eine kaputte Schleu se zwischensaniert werden muss. Dieses Vorgehen halten wir also für fraglich. Deshalb meine Bitte an Sie, Herr Minister: Überlegen Sie noch einmal, in welcher Reihenfolge die Sa nierung – die natürlich der Bund bezahlen muss – vorgenom men werden soll, ob das aus finanziellen und technischen Gründen Stück für Stück neckaraufwärts, wie an einer Per lenschnur, erfolgen soll, oder ob es nicht sinnvoller ist, auch einmal eine flussabwärts liegende Schleuse vorab auszubau en.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Schön, dass wir uns wie der einmal einig sind!)

Sehen Sie, Frau Razavi, wir selbst kennen noch die Zeiten der Opposition. Sie müssen es noch ein bisschen lernen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wir stimmen dem Beschlussantrag zu. Die SPD steht natür lich, weil sie das unter Karin Roth initiiert hat, zu diesem Ne ckarschleusenausbau. Wir hoffen, dass er bald kommt und dass der Herr Verkehrsminister seinen Einfluss in Berlin gel tend macht, aber bitte auch Sie von der CDU.

Besten Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP er teile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits Anfang Juli hat auch die FDP/ DVP-Landtagsfraktion einen Antrag zu den Entwicklungsper spektiven des Verkehrswegs Neckar eingebracht. Wir waren also etwas früher an diesem Thema dran.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Oh! Jetzt gibt es ein Wettrennen: Wer war schneller?)

Wir haben diesen Antrag eingebracht, weil wir wissen, dass wir in der Region Stuttgart und in Baden-Württemberg eine leistungsfähige Schiffsverkehrsinfrastruktur benötigen, weil wir wissen, dass der Güterverkehr stark zunehmen wird und wir das nicht nur auf der Straße bewältigen werden, und weil wir wissen, dass wir mit dem Neckarausbau mit anderen Was serstraßen im Wettbewerb um knappe Haushaltsmittel stehen.

Im Zuge der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ist eine Neuklassifizierung des Wasserstraßennet zes in Planung. Demnach würde der Neckar in drei Netzkate gorien eingeteilt: bis Heilbronn als Vorrangnetz, bis Stuttgart als Hauptnetz und bis Plochingen lediglich als Nebennetz. Dies hätte zur Folge, dass bereits ab dem Nebennetz nur noch Erhalt bzw. Optimierungen im Vordergrund stünden, also bei spielsweise Brückenanhebungen, Anpassungen an Kurvenra dien oder Solbaggerungen, nicht jedoch die Verlängerung von Schleusenkammern. Dies würde bedeuten, dass Baden-Würt temberg und insbesondere der Wirtschaftsstandort Stuttgart vom Schiffsverkehr der Zukunft abgekoppelt würden.

Wir freuen uns, dass die Landesregierung auf eine sachgerech te Neugestaltung – darüber wurde auch schon ausführlich dis kutiert – der Klassifizierung der Wasserstraßen hinwirkt und sich für einen Schleusenausbau auf 135 m einsetzen wird. Wenn schon nicht bei der Modernisierung der Schieneninfra struktur Einigkeit vorherrscht, so liegt zumindest hier einiger maßen Konsens vor.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Eine völlig neue Situation!)

Jährlich werden 7,5 Millionen t auf dem Neckar transportiert. Das entspricht rund 300 000 Lkw-Ladungen zu je 26 t. Herr Kollege Marwein, ich möchte die Zahlen zu unserem Antrag hier noch einmal nennen: Für das Jahr 2025 rechnet man beim wasserseitigen Güterumschlag im Hafen Heilbronn mit rund 4,8 Millionen t, im Hafen Stuttgart mit 2,3 Millionen t und im Hafen Plochingen mit etwa 1 Million t.

Baden-Württemberg weist also ein enormes Steigerungspo tenzial auf; das haben wir gehört. Die Zahlen sind auch von Frau Kollegin Razavi genannt worden. Voraussetzung dafür ist natürlich der Ausbau der Schleusenlängen auf 135 m und die Sanierung der zum Teil über 80 Jahre alten Schleusenan lagen.

Ausdrücklich begrüßen wir in diesem Zusammenhang die als Ausgleichsmaßnahme vorgesehenen Fischtreppen. Viele der großen Neckarschleusen stehen zudem unter Denkmalschutz. Auch dies sollte beim Ausbau berücksichtigt werden.

Gleich mehrfach zeigt die Untersuchung „Entwicklungspo tenziale von Güterschiffen über 110 m Länge“ die Vorzüge von Schiffen mit 135 m im Containerverkehr auf. Diese Un tersuchung prognostiziert einen Anteil von 84 % für die 135-m-Schiffe im Containerverkehr.

Der wirtschaftliche und ökologische Aspekt wirkt sich gleich doppelt aus: Güterverkehr wird von der Straße auf das Bin nenschiff verlagert, und die größeren Schiffe sorgen für ge ringeren Verkehrslärm sowie den verminderten Ausstoß von klimaschädlichen Gasen und Luftschadstoffen.

Der im Generalverkehrsplan prognostizierte Zuwachs beim Güterverkehr spricht eine eindeutige Sprache: Das Verkehrs aufkommen auf der Straße wird um 35 % steigen, bei der Transportleistung wird ein Zuwachs von 76 % erwartet.

Für die Wasserstraßen stehen von 2012 bis 2015 Investitions mittel des Bundes in Höhe von 3,5 Milliarden € zur Verfü gung. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Landesregierung aktiv in die Diskussion um die Netzkategorisierung der Was serstraßen einbringt. Regionale und volkswirtschaftliche Kri terien, Umwelt- und Naturschutzaspekte und Ähnliches müs sen ebenso betrachtet werden wie das Verkehrsaufkommen.

Wir haben bereits angeregt, dass die Landesregierung über prüfen sollte, ob durch Vorfinanzierung des Neckarschleusen ausbaus eine Beschleunigung erreicht werden kann. Das Land muss sich aktiv in diesen Prozess einbringen. Reine Absichts erklärungen helfen nicht weiter. Das Jahr 2025 kommt schnel ler, als man denkt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Verkehrsminister Hermann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Her ren! Ich freue mich, bei dieser Debatte tatsächlich feststellen zu können, dass es über alle Fraktionsgrenzen hinweg einen hohen Konsens darüber gibt, dass wir für die Schifffahrt, die Binnenschifffahrt, die wichtige Wasser- und Transportstraße Neckar modernisieren und erhalten wollen. Ich danke für Ih re Unterstützung.

Alle Redner haben übereinstimmend festgestellt, dass diese Wasserstraße von ihren Kapazitäten her nicht voll ausgelastet ist. Früher wurden mehr Güter auf dem Neckar transportiert. Wir müssen uns jetzt natürlich Gedanken machen, wie wir es schaffen können, die möglichen Kapazitäten tatsächlich zu nutzen und die Güter dorthin zu bringen. Dazu gehört für mich, dass wir bei den Häfen auf Modernisierung setzen, dass wir – Stichwort „kombinierter Verkehr“ – inter- und trimoda le Terminals aufbauen, damit überhaupt Güter auf die Schif fe gebracht werden können. Wir müssen auch bei der Schiff fahrt auf die Containerisierung des Transports setzen. Dort ist die Zukunft, und so können wir dort auch die Zuwächse im Güterverkehr abwickeln.

Ich glaube, darüber gibt es einen hohen Konsens; dies habe ich jedenfalls aus den Redebeiträgen herausgehört.

Diese Grundeinschätzung war übrigens auch die Vorausset zung dafür, dass die Große Koalition vor einigen Jahren ein sehr umfangreiches Ausbaukonzept verabschiedet hat. Dabei war die klare Perspektive: Wir wollen den Neckar ertüchti gen. Aber nur wenige Jahre später hat die CDU/CSU-FDPBundesregierung dies komplett infrage gestellt. Sie hat es komplett infrage gestellt!

Frau Razavi, Sie arbeiten sich ja in jeder Rede und bei jedem Beitrag wieder liebevoll an mir ab. Ich bedanke mich dafür stets aufs Neue. Sie geben mir reichlich Gelegenheit, zu ant worten. Aber das ist nun zunächst einmal Ihr Problem. Eine unionsgeführte Bundesregierung hat beschlossen, den Neckar auszubauen, und die folgende Bundesregierung, in der die Union noch immer die Führung hat, sagt: „Wir stellen alles infrage.“ Es war doch ein der CSU angehörender Bundesmi nister, der im April im Deutschen Bundestag ein Konzept vor gestellt hat, demzufolge der Neckar gar nicht mehr ausgebaut werden sollte. Es ist ein Konzept mit sieben Stufen zur Nut zung und zum Ausbau vorgelegt worden, und dabei wäre der Neckar praktisch komplett herausgefallen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das haben wir auch moniert!)