Protocol of the Session on January 27, 2016

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ja!)

Denn bislang steht am Ende überall nur, dass Sie kürzen wol len.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Alexan der Salomon GRÜNE: Sehr gut!)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Kern.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Titel der Aktuellen Debatte ist in der Tat bemerkenswert: „Auf die Lehrer kommt es an“. Das kann man nur als späte sozialdemokratische Reue und Ein kehr verstehen.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Fünf Jahre Grün-Rot, das waren fünf Jahre Politik gegen die Lehrer in Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Und so wird Ihre Regierungszeit zahlreichen Lehrerinnen und Lehrern in Baden-Württemberg auch in Erinnerung bleiben.

Tatsächlich gab es zuvor keine Landesregierung, die ihre bil dungspolitischen Ziele bzw. Träumereien so schonungslos auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer ausgetragen hat wie die grün-rote, und es wird – diese Prognose wage ich – wohl auch erst einmal keine nach ihr geben.

Als Opposition ist es aber unsere Pflicht, Ihrem offenbar sehr kurzen Gedächtnis hinsichtlich der grün-roten Zumutungen für die Lehrer einmal auf die Sprünge zu helfen.

Erstens: Grün-Rot kürzte die Eingangsbesoldung für neu ein gestellte Beamtinnen und Beamte um 8 %.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Zweitens: Trotz vollmundiger Versprechungen hielt Grün-Rot an der erzwungenen sechswöchigen Arbeitslosigkeit für an gehende Lehrerinnen und Lehrer fest.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Drittens: Obwohl sich Grün-Rot noch vor der Landtagswahl 2011 dem schwarz-gelben Vorhaben einer Klassenteilersen kung auf 28 Schüler anschloss, wollte Grün-Rot nach der Wahl nichts mehr davon wissen

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: 25!)

und sprach einem abgesenkten Klassenteiler jede Wirksam keit ab. Dabei hätten gerade kleinere Klassen nicht nur bes sere Arbeitsbedingungen für Lehrer geschaffen, sondern auch mehr Möglichkeiten für individuelle Förderung eröffnet. Ge nau deshalb hat ja die Gemeinschaftsschule als einzige wei

terführende Schule auch das Privileg eines Klassenteilers von 28 von Ihnen erhalten.

Viertens: Ohne jede Bedarfserhebung verschrieb sich GrünRot dem Sparziel von 11 600 zu streichenden Lehrerstellen und nahm den Schulen mit den Kürzungen viel Gestaltungs spielraum. Über zweieinhalb Jahre hinweg hielt Grün-Rot die ses Schreckgespenst aufrecht, wohl nicht zuletzt deswegen, um die Botschaft auszusenden: „Lehrer, der einzig sichere Ha fen für euch ist die Gemeinschaftsschule; bewerbt euch bes ser dort, denn überall sonst wird gekürzt.“

Fünftens: Die Mittel, die in die teuren Gemeinschaftsschulen investiert wurden, fehlen natürlich an anderer Stelle. Offen sichtlich wird das bei der Schulbauförderung. Während der Neu- und Umbau von Schulgebäuden gefördert wird, wie er bei der Gemeinschaftsschule wegen der neuen Pädagogik not wendig ist, gibt es für eine schlichte Sanierung von Schulge bäuden nichts. Dabei bräuchten viele Schulgebäude dringend eine Sanierung. Und ein guter Gebäudezustand hat wahrlich mit guten Arbeitsbedingungen zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sechstens: Keine Landesregierung hat den Lehrern so miss traut wie die grün-rote. Mit der Abschaffung der Verbindlich keit der Grundschulempfehlung gehöre der „Sortierwahn der Lehrer“ der Vergangenheit an,

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Wollen Sie die wie der einführen?)

freute sich die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, San dra Boser. Aus ihrer Sicht geht es bei der Grundschulempfeh lung also nicht um die professionelle Beratung durch die Leh rer über den weiteren Schulweg der Kinder, sondern um ei nen „Sortierwahn der Lehrer“ –

(Zurufe von der CDU: Hört, hört! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Eine Unverschämtheit!)

das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Siebtens: Als sich die Lehrerverbände zu deutlicher Kritik an der grün-roten Bildungspolitik genötigt sahen, beschimpfte sie der SPD-Fraktionsvorsitzende als – Zitat – „Heulsusen“.

(Zurufe von der FDP/DVP und der CDU, u. a.: Hört, hört! – „Auf die Lehrer kommt es an“!)

Achtens: Statt auf die pädagogische Freiheit setzte die miss trauische grün-rote Koalition auf Bevormundung der Lehrer. Das betraf nicht nur den Umgang mit Facebook, WhatsApp und Co., ohne dass für ein adäquates Ersatzmedium gesorgt worden wäre, sondern vor allem ureigene pädagogische Ent scheidungen. Den Gemeinschaftsschullehrern ist es von vorn herein nicht erlaubt, Noten zu geben, und wenn eine Nicht versetzung bei einem Schüler notwendig erscheint, gibt es auch dazu keine Möglichkeit mehr. Das ist den Realschulleh rern in der fünften Klasse künftig ebenso nicht mehr möglich. Kurse auf unterschiedlichen Leistungsniveaus sind auch nur in Ausnahmefällen erlaubt, obwohl sie die Schüler auf den Hauptschulabschluss vorbereiten sollen.

Zu groß ist offenbar die Angst von Grün-Rot, es könnte so et was wie ein Hauptschulbildungsgang entstehen, der am Ende vielleicht noch mehr Erfolg hat als die privilegierte Gemein schaftsschule. Wenn Sie keine Angst davor hätten, könnten Sie hier mehr Freiheit für die Lehrer zulassen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Neuntens: Dass sich eine Schule bei Aufnahme eines Schü lers nicht einmal dessen Grundschulempfehlung zeigen las sen darf, ist gleich eine doppelte Misstrauenserklärung –

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ein Skan dal!)

sowohl an die Lehrer der aufnehmenden Schule als auch an die Lehrer der Grundschule, die sich ihre Entscheidung sicher lich nicht leicht gemacht haben.

Die Liste der grün-roten Zumutungen gegenüber der Lehrer schaft ließe sich fortsetzen, beispielsweise um all das, was Grün-Rot nach der Kritik der Opposition und der Lehrerver bände wieder hat fallen lassen, wie beispielsweise den Ein heitslehrer auf Gymnasialniveau.

Namens der FDP/DVP-Landtagsfraktion möchte ich den Leh rerinnen und Lehrern mit ihren Verbänden danken, dass sie so unbeirrt für ihre Anliegen, aber auch für den Erhalt unseres vielfältigen Bildungswesens eingetreten sind, nämlich dieses Bildungswesens, das durch Qualität beste Erfolge hervorge bracht hat. Für diese Erfolge sind in erster Linie die Lehrerin nen und Lehrer dieses Landes verantwortlich.

Gestatten Sie mir, dass ich in diesem Zusammenhang auch einmal ein Wort über Professor Thorsten Bohl verliere. Die ser glühende Vorkämpfer der Gemeinschaftsschule wollte im mer den Lehrer abschaffen und durch den Lernbegleiter er setzen. Nun kommt Professor Bohl in seiner Eigenschaft als Chefevaluator der Gemeinschaftsschule zu dem Schluss, es komme eigentlich gar nicht so sehr auf die Schulart, sondern auf den Unterricht und damit auf den Lehrer an. Ja, herzlich willkommen in der Praxis, Herr Professor Bohl!

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Diese Erkenntnis hätte er nicht nur von Bildungswissenschaft ler John Hattie haben können, sondern er hätte einfach einmal Schülerinnen und Schüler zu diesem Thema befragen sollen.

So könnte nun auch die SPD versucht sein, sich beim zwei fellos grünen Projekt Gemeinschaftsschule vom Acker zu ma chen, weil es dort, wie von Bohl zu hören war, an einigen Stel len noch nicht rundläuft und weil es den Sozialdemokraten vielleicht dämmert, dass mit einer Bildungspolitik gegen die Lehrerinnen und Lehrer ein Bildungsangebot der Qualität auf Dauer eben nicht zu machen ist.

Namens der FDP/DVP-Landtagsfraktion fordere ich den Kul tusminister deshalb auf, nachdem Sie den ersten mutigen Schritt zur heutigen Debatte gegangen sind: Gestehen Sie ein, dass Sie sich mit Ihrer ideologischen Bildungspolitik in die sem Land verrannt haben. Hören Sie künftig lieber auf die Praktiker vor Ort, die Lehrerinnen und Lehrer. Wenn Sie de

ren pädagogische Freiheit achten, dankt Ihnen das unser ge samtes Bildungssystem.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Kultusminister Stoch das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben heute erneut Gelegenheit, über das aus meiner Sicht wichtigs te Thema der Landespolitik – nämlich die Gestaltung unserer Zukunft und damit Fragen der Bildungspolitik – zu sprechen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Ich bin der SPD-Fraktion sehr dankbar, dass sie in dieser Dis kussion einmal auf die Lehrerpersönlichkeit abhebt, auf die Lehrerinnen und Lehrer – über 100 000 an der Zahl –, die an den Schulen in Baden-Württemberg tagtäglich hervorragen de Arbeit leisten.

Wenn wir verantwortliche Bildungspolitik gestalten wollen, können wir dies nur, wenn wir die Unterstützung der Lehr kräfte an den Schulen haben und wenn die Lehrkräfte bereit sind, die notwendigen Veränderungen in unserer Bildungs- und Schullandschaft gemeinsam mit uns umzusetzen.