Meine Damen und Herren, die Liste der grün-roten Freiheits einschränkungen im Bildungsbereich ließe sich noch fortsetz ten. Man könnte zum Bildungsplan gehen, wo Sie ja auch den Kolleginnen und Kollegen nicht zutrauen, selbst zu entschei den, was wichtig ist; vielmehr meinen Sie, das müsse man durch die entsprechenden Leitperspektiven von vornherein kategorisieren. Man könnte noch etwas zur Pädagogik an den Gemeinschaftsschulen sagen, wo Sie – sogar per Gesetz – im mer vorschreiben, wie unterrichtet werden muss.
Wir Freien Demokraten bedauern, dass die Regierungsfrakti onen unseren Vorschlag zu einem stabilen Schulfrieden nicht nur nicht angenommen haben, sondern mit ihrer Bildungspo
litik tatsächlich Freiheit vor Ort beschnitten und dadurch Un zufriedenheit, mithin Unfrieden, erzeugt haben.
Wir Freien Demokraten bleiben dabei: Baden-Württemberg braucht einen stabilen Schulfrieden, denn Baden-Württem berg braucht verlässliche Rahmenbedingungen, und BadenWürttemberg braucht mehr Gestaltungsfreiheit vor Ort. Die Landtagswahl wird deshalb auch eine Abstimmung über den Schulfrieden und über Freiheit im Bildungswesen in unserem Land.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Als ich An fang der Woche den Debattentitel „Schulpolitik in BadenWürttemberg – Freiraum und bessere Chancen für alle“, der von der CDU benannt wurde, gehört und gelesen habe, habe ich natürlich gerätselt, mit welchem Inhalt die CDU heute Morgen hier in unserem Plenarsaal in die Öffentlichkeit ge hen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir über Frei räume und bessere Chancen für alle sprechen, dann sprechen wir ganz sicher darüber, was seit 2011 in unserem Bildungs- und Schulsystem an Möglichkeiten entstanden ist, und wir sprechen vor allem von dem Anspruch, den die Regierung und die Regierungsfraktionen verfolgen, nämlich wirklich jedem Kind unabhängig von seiner sozialen Herkunft bessere Chan cen in diesem Land Baden-Württemberg zu geben.
dürfte jedem, der die baden-württembergische Bildungs- und Schullandschaft der letzten Jahrzehnte beobachtet hat, relativ klar sein. Denn wo war denn der Freiraum für Schulen, gera de für weiterführende Schulen, gerade für Haupt- und Werk realschulen im ländlichen Raum, die seit Jahren eklatante Schülerrückgänge zu verzeichnen haben und die keinerlei Möglichkeit hatten, darauf zu reagieren und ein passendes pä dagogisches Konzept zu entwickeln? Sie haben damals jegli chen Freiraum für pädagogische Weiterentwicklungen an die sen Schulen verhindert.
Muss ich dann zynischerweise den Freiraum so verstehen, wie Sie ihn offensichtlich bis 2011 verstanden haben,
nämlich dass Bürgermeister und Gemeinderäte natürlich den Freiraum hatten, dann, wenn keine Schüler mehr da waren, Schulstandorte zu schließen? Herzlichen Dank für diesen Frei raum auch im Namen der Städte und Gemeinden, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Oder meinen Sie mit Freiraum die Möglichkeit, Ganztags schulen einzurichten? Meinen Sie damit, dass Sie seit gut 30 Jahren einen Schulversuch gepflegt haben, durch den Sie Kommunen dazu gezwungen haben, sehr viel Geld zu inves tieren, um nur eine Ganztagsbetreuung – keine Schule, aber eine Ganztagsbetreuung – an vielen Horten einzurichten? Mei nen Sie, dass das Freiraum war, vor allem im Hinblick darauf, dass wir in Baden-Württemberg mit die schlechteste Ausstat tung an Ganztagsschulen haben? Vielen Dank für diesen Frei raum, lieber Herr Wacker!
Oder meinen Sie mit Freiraum eventuell die Frage, ob sich El tern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nicht zwingend für Sonderschulen entscheiden sollten, son dern auch für allgemeinbildende Schulen sowohl im Grund- als auch im weiterführenden Schulbereich entscheiden konn ten? Meinen Sie, dass die Eltern das Gefühl hatten, hier auf Freiräume zu stoßen, wenn sie den Eindruck hatten, als Bitt steller zum Schulamt und zu den Schulen zu gehen, um Inklu sion zu erhalten? Lieber Herr Wacker, sprechen Sie einmal mit diesen Eltern über den Freiraum, den sie von CDU und FDP/DVP damals gewährt bekommen hatten.
Wenn wir jetzt zu den Fragen kommen, die Sie hier konkret angesprochen haben, dann kann ich Ihnen sagen, dass Frei raum im Bildungsbereich äußerst wichtig ist, dass Freiraum insbesondere dort wichtig ist, wo Schulen, Schulgemeinschaf ten mit Schulträgern und vor allem auch Eltern und Schüler gemeinsam tragfähige und stabile und insbesondere qualitäts volle Konzepte für die Zukunft erarbeiten. Da, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, hatten Sie bislang keinerlei Ant worten.
Deshalb hatte ich eigentlich angenommen, dass Sie heute ver suchen würden, die wenigen Aussagen, die Sie in Ihrem Re gierungsprogramm zur Zukunft der Bildungslandschaft in Ba den-Württemberg beschlossen haben, hier vorzustellen. Denn wenn wir uns das einmal genau anschauen, dann stellen wir fest, dass auch die CDU inzwischen – das kann man durch aus einmal positiv hervorheben – verstanden hat, dass das dreigliedrige Schulsystem aus demografischen, aber auch aus weiteren Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Qualität, nicht aufrechterhalten werden kann. Deswegen ist das schon ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Wenn ich dann herauszufinden versuche, wo denn die Beson derheiten liegen, dann sehe ich, dass über die Gemeinschafts
schule gesprochen wird. Es wird ein vermeintlicher Bestands schutz für Gemeinschaftsschulen gegeben. Meine sehr geehr ten Damen und Herren, wo ist denn der Freiraum für pädago gische Konzepte, wenn Sie Gemeinschaftsschulen zukünftig zwingen werden, Noten zu erteilen, wenn Sie Gemeinschafts schulen zwingen werden, leistungsdifferenzierte Kurse oder gar Züge anzubieten?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Rückfall in die Zeit Ihrer Regierung. Da gab es keinerlei pädagogischen Freiraum.
Wenn dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, immer wieder auch von einem erfolgreichen Bildungssystem in Ba den-Württemberg bis 2011 gesprochen wird, dann kann ich Ihnen bestätigen, dass die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer, die Schulleiter alles da für getan haben, mit den bestehenden Strukturen bestmögli che Ergebnisse zu erzielen. Aber Sie haben eines eklatant ver säumt: In der Zeit, als die Veränderungsnotwendigkeit bereits augenfällig war, haben Sie den Schulen nicht die Möglichkeit gegeben, hierauf adäquat zu reagieren. So komme ich heute noch in Schulen, denen damals im Rahmen von Schulversu chen die Möglichkeit gegeben wurde, z. B. integrativ zu un terrichten. Wir haben uns z. B. über die Schule in Friesenheim bereits intensiv unterhalten.
Ich glaube, die Rückmeldungen aus dieser Zeit zeigen: Sie hatten nicht den Mut, diesen Weg weiterzugehen, denn Sie ha ben blockiert, Sie haben die wirkliche Schulentwicklung im Land Baden-Württemberg nicht zugelassen, und Sie haben damit an vielen Stellen in diesem Land Baden-Württemberg bereits dafür gesorgt, dass weiterführende Schulen nicht mehr überall in der Fläche des Landes vorhanden sind. Sie haben diesem Land Baden-Württemberg durch Ihre Konzepte nach haltig geschadet.
Nicht nur, was die Schulstandorte angeht, auch, was die Qua lität angeht, ist Baden-Württemberg in den letzten Jahren zu rückgefallen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Der Rückgang in nationalen und internationalen Leistungs vergleichen ist bereits Anfang der Jahre 2000, 2001 zu beob achten gewesen; denn in dieser Zeit waren bereits verschie dene Problemstellungen in diesem Bildungsbereich bekannt. Ich nenne Ihnen als ein Beispiel, dass Baden-Württemberg im IQB-Ländervergleich 2012 in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften auf Platz 9 bzw. Platz 10 lag.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: CDU-Bilanz! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und Ihre Antwort ist Gemeinschaftsschule! Sie Träumer!)
Wir müssen Baden-Württemberg erfolgreich in die Zukunft führen. Ihr Weg war der Weg in das letzte Tabellendrittel. Wir wollen, dass Baden-Württemberg an der Spitze der Länder steht.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: So sieht es aus! – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Da sind Sie auf einem guten Weg mit der Gemeinschaftsschule!)
Deswegen hat diese Landesregierung vor allem in den Berei chen, die Sie schmählich vernachlässigt haben – nämlich ins besondere im frühkindlichen Bereich, aber auch im Bereich der Grundschule –, Investitionen vorgenommen.
Deswegen hat diese Landesregierung über 1 Milliarde € mehr für Bildung im neuen Haushalt veranschlagt, als dies in der Vergangenheit bei Ihnen der Fall war.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir über die Zukunft in Baden-Württemberg und Ihre bildungspolitischen Konzepte sprechen, dann stelle ich Folgendes fest: Die Ge meinschaftsschule soll quasi in ein gegliedertes Schulsystem zurückgeführt werden; das wäre dann ein Modell wie ein Ver bund. Die Realschule würde ebenfalls eher in Zügen geführt werden.