Protocol of the Session on October 14, 2015

Politik“, ein Motto eines landesweiten Kongresses; der sehr gefragte E-Learning-Kurs „Mit Gender Mainstreaming zur Chancengleichheit“; verschiedene Publikationen und Bro schüren wie etwa „Bestimmen Sie mit. Informationen für kommunalpolitisch interessierte Frauen und Kandidatinnen für die Kommunalwahlen“.

All das sind wichtige Beiträge. Wir haben das auch einmal im Rahmen eines Frauenfrühstücks behandelt, und es ist beein druckend, zu sehen, was die Landeszentrale für politische Bil dung alles anbietet.

Frau Kollegin Böhlen hat die Kinderbetreuung angesprochen. Das war einmal Bestandteil eines Antrags der Fraktion der CDU aus dem Jahr 2012. Der Innenminister hatte damals si gnalisiert, dieses Thema aufzugreifen, was auch erfolgt ist.

Es ist aber auch interessant, in der Stellungnahme zu dem An trag, über den wir heute sprechen, zu lesen, dass wir uns in engen verfassungsrechtlichen Grenzen bewegen. Ich darf zi tieren:

Die Entscheidung, wer in die Gemeinderäte und Kreista ge gewählt wird, liegt aber letztendlich bei den Wählerin nen und Wählern. Das baden-württembergische Kommu nalwahlrecht wird durch die Persönlichkeitswahl geprägt. Die Wählerinnen und Wähler können durch Kumulieren und Panaschieren den Frauenanteil im Gremium wesent lich beeinflussen. Auf das Wahlverhalten der Wählerin nen und Wähler darf aufgrund der staatlichen Neutrali tätspflicht bei Wahlen kein Einfluss genommen werden.

Als jemand, der über die kommunalpolitische Schiene und nicht über die Parteipolitik in die Landespolitik gekommen ist, möchte ich noch einen Punkt ansprechen. Wir haben ge rade in Baden-Württemberg in den Gremien extrem hohe An teile von nicht politisch organisierten Wählervereinigungen. Ich selbst war bis 2010 auch in einer Freien Wählervereini gung, bin nicht über die Partei aufgestellt worden. Wir haben – umso häufiger, je kleiner die Gemeinde ist – oft die Situati on, dass es nicht einmal eine Parteiliste gibt. Man sollte bei diesen Themen nicht ganz außer Acht lassen, dass es gerade in Baden-Württemberg ein Erfolg ist, dass wir viele Menschen in die Kommunalpolitik bringen – Männer wie Frauen –, die eben nicht parteipolitisch motiviert sind. Ich denke, wir soll ten auch bei Entscheidungen gesetzlicher Art Rücksicht dar auf nehmen, wenn es um die freie Entscheidung dieser Listen geht, wie sie diese Listen besetzen.

Deswegen halte ich die Sollvorschrift für richtig und wichtig, doch darüber hinausgehend würden wir gerade in BadenWürttemberg diese Persönlichkeitswahl, diese Freien Wäh lervereinigungen mit weiter gehenden Maßnahmen nicht ent sprechend unterstützen.

Wie schwierig es ist, auch in diesem Bereich weiter zu gehen, darf ich an einem Beispiel aus Rheinland-Pfalz erklären. Denn dort hat das Landesverfassungsgericht eine Aktion, konkret einen Aufdruck auf den Wahlzetteln, gestoppt. Dort hieß es:

Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Auch der gegenwärtige Geschlechteranteil in der Vertretungs körperschaft hätte angegeben werden sollen, ferner das Ge

schlecht der Bewerber jedes Wahlvorschlags sowie der Ge schlechteranteil auf den ersten sechs Plätzen jedes Wahlvor schlags. Das war der Versuch, da noch weiter zu gehen. Das hatte aber das Landesverfassungsgericht entsprechend ge stoppt.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ja!)

Frau Kollegin Wölfle, Sie haben die Frage „Warum hat die FDP hier keine Regelungen?“ an Herrn Dr. Rülke gestellt, der jetzt nicht da ist. Ich darf Ihnen diese Frage gern beantwor ten. Bei uns ist es so, dass die Delegierten auf den Parteitagen die Entscheidungen treffen. Es gab immer wieder einmal ent sprechende Anträge, aber letztendlich entscheidend ist das Vo tum der Delegierten. Das wird nicht von einer Fraktion oder vom Landesvorstand vorgegeben, sondern es sind Entschei dungen der Delegierten, die darüber entsprechend befinden. Ich denke, deswegen ist es die Freiheit der Parteien, sich da für zu entscheiden. Die Wählerinnen und Wähler haben dann die Möglichkeit, darüber zu befinden, ob es richtig oder nicht richtig war.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Innenminister Gall das Wort.

Werte Frau Präsidentin, ge schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat sich im Vorfeld der Kommunalwahl 2014 intensiv mit dem Thema „Frauen in der Kommunalpolitik, in den Kommunalgremien“ befasst. Sie haben im Zusammenhang mit dieser Diskussion dann auch einige Veränderungen beschlossen und auf den Weg gebracht. Deshalb war es konsequent, dass man im Nachhin ein prüft: Was hat sich aus diesen Veränderungen ergeben?

Unabhängig davon, werte Frau Kollegin Gurr-Hirsch, wann der Antrag im Plenum behandelt wird: Der Antrag war öffent lich. Deshalb hätte sich, wenn man es gewünscht hätte, jeder für sich damit befassen können. Wenn er heute behandelt wird, ist es in Ordnung. Die Behandlung muss nicht unbedingt zeit nah erfolgen, sondern muss immer rechtzeitig vor den nächs ten möglichen Weichenstellungen erfolgen, das heißt vor den nächsten Kommunalwahlen. Bis dahin ist allemal noch genü gend Zeit.

Wir haben die erhobenen Daten in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Landesamt – von dem wurden die Zahlen im We sentlichen erhoben – in der Landtagsdrucksache nochmals präsent gemacht. Bei allen abgefragten Zahlen zeigt sich, dass sich die Repräsentanz der Frauen in den kommunalen Gremi en, der Anteil der Frauen, im Vergleich zur letzten Kommu nalwahl 2009 durchaus verbessert hat. Einerseits bestätigt dies den durchaus positiven Trend der zurückliegenden Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, aber andererseits – das ist schon auch wahr – muss man sehen, dass es den erhofften großen Ruck auch diesmal nicht gab. Mit „großem Ruck“ war ein fach das Ziel gemeint, dass sich die Frauen etwa dem Bevöl kerungsanteil entsprechend auch in diesen Gremien wieder finden.

Immer noch entspricht der Frauenanteil in den Gemeinderä ten mit knapp 24 % und noch stärker in den Kreistagen mit

nur knapp 19 % bei Weitem nicht dem Frauenanteil an der Be völkerung unseres Bundeslands. Deshalb – ich denke, da sind wir uns einig – dürfen wir in den Anstrengungen nicht nach lassen, und deshalb ist es immer auch Aufgabe der Politik und demzufolge auch Aufgabe von uns, geeignete Rahmenbedin gungen zu schaffen, um Frauen ein kommunalpolitisches En gagement zu ermöglichen.

Einige haben deutlich gemacht, was sie unter Verbesserung der Rahmenbedingungen und Schaffung von guten Rahmen bedingungen verstehen, und vorhin hatten wir ein Beispiel da für. Wir haben nämlich mit dem Gesetz zur Änderung kom munalverfassungsrechtlicher Vorschriften jetzt u. a. beschlos sen, die Erstattung von Betreuungsaufwendungen während der Sitzungszeiten als eine dieser Rahmenbedingungen ge setzlich zu verankern. Leider haben Sie dieses Mal auch nicht – ich sage es einmal so – den Mumm aufgebracht, einer sol chen Regelung zuzustimmen. Denn das ist ein Teil der Mög lichkeiten, die es gibt, um voranzukommen.

(Vereinzelt Beifall – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU)

Da können Sie sich nicht herausreden. Sie hätten durch die Beantragung von Einzelabstimmungen an der einen oder an deren Stelle deutlich machen können, wer hinter welcher Po sition steht.

Aber ich will schon sagen: Den entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Situation, zur Erhöhung des Frauenanteils, können wir, können die Parteien, aber selbstverständlich, Herr Haußmann, auch die Wählervereinigungen selbst leisten, in dem – so fängt es nun einmal an – wir selbst mehr Frauen auf die Listen bringen. Frau Gurr-Hirsch, Sie haben durchaus recht: Die Besetzung von Listen wird nicht leichter, sie wird vielmehr immer schwieriger. Doch das gilt sowohl für Män ner als auch für Frauen. Da mache ich dieselbe Erfahrung wie Sie.

Deshalb war es allemal richtig, dass wir im Jahr 2013 in das Kommunalwahlgesetz eine Sollregelung aufgenommen ha ben, gemäß der beachtet werden soll, dass Frauen auf der Lis te Berücksichtigung finden. Ich will ausdrücklich sagen: Auch das war nur mehrheitlich von den Regierungsfraktionen hier so beschlossen worden. Die damalige Änderung hat die da malige und heutige Opposition

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es!)

deutlich abgelehnt. Aber wir haben die entscheidenden Wei chenstellungen vorgenommen – durchaus nicht ohne Erfolg, sondern mit Erfolg. Denn die Zahlen haben sich tatsächlich verbessert.

Jetzt habe ich natürlich mit großem Interesse die Äußerungen der Parteien und der Wählervereinigungen zu diesem Antrag gelesen. Ich muss sagen: Schöne Worte allenthalben, aber un ter Beweis gestellt, dass man es wirklich ernst meint, den Frauenanteil zu erhöhen, haben maßgeblich zwei Parteien bei den Listenaufstellungen. Das waren die Grünen und meine Partei, die SPD. Wir haben es durch diese Regelung geschafft, einen Frauenanteil bei den Kandidaten von etwa 30 % zu er reichen, aber – wie gesagt – schwerpunktmäßig durch das, was SPD und Grüne bei ihren Listenaufstellungen auf den Weg gebracht haben.

Aber es ist so: Eine verbindliche Regelung wäre wirksamer. Das ist zweifelsohne auch meines Erachtens richtig. Aber ich habe damals deutlich gemacht – dafür habe ich kein Lob er halten; das weiß ich auch –, dass verfassungsrechtliche Be denken bestehen und es verfassungsrechtlich nicht geht. Wie gesagt, die Urteile in Rheinland-Pfalz haben es deutlich ge macht.

Das heißt aber im Klartext: Wir müssen andere Anstrengun gen unternehmen, weil auch ich wirklich nicht daran glaube, dass wir bis zur nächsten Kommunalwahl eine entsprechen de Verfassungsänderung hinbekommen würden. Deshalb gilt es, alle anderen Anstrengungen zu unternehmen, um in die sen Bereichen ein Stück weit weiterzukommen, das heißt, den Frauenanteil in den kommunalen Gremien zu erhöhen.

Ich denke, wir sind uns darin einig: Der Frauenanteil muss ganz einfach höher werden, und er kann auch höher werden, wenn wir in diesen Anstrengungen nicht nachlassen, wenn wir beispielsweise im Vorfeld von Wahlen gegenüber Frauen deut lich machen, welche Einflussmöglichkeiten sie haben. Das Kommunalwahlgesetz von Baden-Württemberg bietet An haltspunkte dafür. Panaschieren und Kumulieren sind solche Möglichkeiten. Es muss deutlicher gemacht werden, dass je der Einzelne dazu beitragen kann, dass sich etwas ändert. Wie gesagt: Die eigenen Hausaufgaben, Frauen auf die Listen zu nehmen und sie entsprechend auf den Listen zu platzieren und ihre Notwendigkeit in kommunalen Gremien deutlich zu ma chen, die obliegen uns, die obliegen den Parteien und Wäh lervereinigungen. Wenn wir alle daran ein Stück weit mitar beiten, wird es auch gelingen, bei der zukünftigen Kommu nalwahl den Frauenanteil zu erhöhen.

(Vereinzelt Beifall – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Bullinger?

Gern.

Herr Minister, ich will eine Vorbemerkung machen und zwei Fragen an Sie rich ten. Ich bin seit 26 Jahren im Gemeinderat. Bei uns sind vier von neun Gemeinderatsmitgliedern starke Frauen, ohne dass es einer Quote bedurft hätte. Der Wähler hat es entschieden. Ähnlich ist es auch bei anderen Gemeinderäten.

Jetzt habe ich eine spezielle Frage, die in Diskussionen im mer wieder aufkommt: Warum wählen Frauen keine Frauen – oder nur selten? Gibt es darüber wissenschaftliche Erkennt nisse? Das war die erste Frage.

Die zweite Frage ist aber viel wichtiger: Sie, Herr Minister, haben mit Recht die Vorbildfunktion genannt. Man sollte vor bildlich vorgehen. Halten Sie es für besonders frauenfördernd, wenn von zwölf Ministern in Ihrer Regierung nur vier Frau en sind, von 14 Amtschefs, glaube ich, nur zwei Frauen sind und von acht Polizeipräsidenten kein einziger eine Frau ist? Halten Sie das für besonders vorbildlich?

Warum es so ist, dass Frauen Frauen nicht wählen, weiß ich nicht; ich bin ein Mann.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Ob es wissenschaftliche Untersuchungen gibt, weiß ich auch nicht.

Was die Vorbildfunktion anbelangt, können Sie sich tatsäch lich eine Scheibe von uns abschneiden. Ob die Quote vollum fänglich erfüllt ist oder nicht, sei dahingestellt. Jedenfalls sind wir in allen Bereichen, was den Anteil von Frauen betrifft, besser aufgestellt, als Sie in der FDP in all Ihren Gremien, ins besondere auch hier im Landtag, aufgestellt sind.

Weil sie das Stichwort Vorbild ansprechen: Ich betrachte mich diesbezüglich schon als Vorbild, wenn mir das gestattet ist; denn ich habe in 25 Jahren kommunaler Gemeinderatstätig keit und in 20 Jahren Tätigkeit als Fraktionsvorsitzender in meiner Fraktion immer eine Parität von 50 : 50 gehabt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Super! Super-Gall!)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags. Der Antrag ist ein reiner Berichtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen zu.

Damit ist Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.

Bevor ich die Tagesordnungspunkte 7 bis 9 aufrufe, müssen wir eine Abstimmung nachholen. Wir haben bei Tagesord nungspunkt 5 versäumt, über Punkt 5 b abzustimmen. Das werden wir jetzt nachholen und kommen damit zurück zum Thema „Auslaufmodell Jagdsteuer“.

(Abg. Karl Rombach CDU: Das können wir doch nächste Woche machen!)

Nein, nein, das machen wir jetzt.

Ich rufe also noch einmal Punkt 5 b der Tagesordnung auf: