Protocol of the Session on February 5, 2015

Ich bin mir sicher, dass wir mit dem Bildungszeitgesetz auch die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes insgesamt steigern werden. Voraussetzung hierfür wird sein, dass wir aktiv bei Arbeitgebern, aber auch bei Arbeitnehmern für das Bildungs zeitgesetz werben.

Ich weiß – Sie haben es deutlich gemacht, Herr Paal –, Wirt schaftsvertreter haben Vorbehalte gegen das Bildungszeitge setz. Es heißt, es verursache gerade in der Verwaltung zu ho he Kosten. Aber den Kosten muss der Nutzen gegengerech net werden. Die Erfahrungen aus den zwölf Bundesländern mit teils lang etablierten Weiterbildungsgesetzen zeigen mir: Viele Befürchtungen der Verbände sind unbegründet.

Da wir uns als Sozialdemokraten dem Wirtschaftsstandort Ba den-Württemberg verpflichtet fühlen, waren wir zu Zuge ständnissen in Richtung Wirtschaft bereit. So ist es nicht mög lich, Ansprüche auf Bildungszeit ins Folgejahr zu übertragen. Auch gibt es die Ausnahmeregelung für kleine Unternehmen. Ich freue mich, dass die Arbeitgeberseite dies wahrnimmt und wir so am Dienstag in der „Stuttgarter Zeitung“ lesen konn ten: „Arbeitgeber loben Bildungszeitentwurf“.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Paal CDU: Die Überschrift war falsch!)

Die Überschrift war gut. – Meine Damen und Herren, mit dem Bildungszeitgesetz fördern und wertschätzen wir das ge sellschaftliche Engagement der Bürger unseres Landes. Mit diesem Gesetz fördern wir den Wirtschaftsstandort BadenWürttemberg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich dem Kollegen Dr. Rülke das Wort.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Nach der mittlerweile legen dären Novelle der Landesbauordnung haben wir wieder ein mal einen wunderbaren Beweis für die Wirtschaftsfreundlich keit dieser Landesregierung. Herr Kollege Storz, ich glaube kaum, dass die Interpretation zutrifft, die Wirtschaft lobe die ses Gesetz. Die Wirtschaft lobt vielleicht, dass diesem Gesetz der eine oder andere Giftzahn gezogen worden ist. Sie kön nen aber sicher sein: Wenn die Wirtschaft zu wählen hätte, ob dieses Gesetz in Kraft treten soll oder nicht, wäre die Ent scheidung sehr eindeutig.

Welche Überlegung liegt diesem Gesetz zugrunde? Offen sichtlich ist die Regierungskoalition der Meinung, die Wirt schaft in Baden-Württemberg tue zu wenig für die Weiterbil dung, der Wirtschaft in Baden-Württemberg sei Weiterbildung nicht wichtig, die Wirtschaft in Baden-Württemberg habe gar nicht verstanden, dass Weiterbildung ein wesentlicher Stand ortfaktor sei. Da bedarf es jetzt der überragenden Wirtschafts kompetenz von Grün-Rot, um der Wirtschaft zu erklären, dass sie eigentlich selbst ein Interesse an Weiterbildung haben müs se.

Wie sehen denn die Realitäten in diesem Land aus? Das Ins titut der deutschen Wirtschaft hat im Jahr 2014 festgestellt, dass 86 % der Unternehmen in Deutschland betriebliche Wei terbildung angeboten haben. In einem Gesamtvolumen von 33,5 Milliarden € wurden in diesem Jahr von der Wirtschaft selbst Weiterbildungsangebote finanziert. Das ist eine ProKopf-Investition von über 1 100 € im Jahr. In Baden-Würt temberg haben 75 % der Beschäftigten zwischen 18 und 64 Jahren im Jahr 2012 ein Weiterbildungsangebot wahrgenom men. Dafür zahlen die Unternehmen im Land 4 Milliarden €.

Dieses Bewusstsein ist offensichtlich vorhanden. Die Unter nehmen in Baden-Württemberg wissen selbst ganz gut, was sie an ihren Beschäftigten haben. Die Unternehmen in BadenWürttemberg wissen, wie wichtig die Qualifikation ihrer Be schäftigten ist. Dafür brauchen sie keine grün-rote Landesre gierung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie, Herr Minister, sagen: „Dieses Gesetz hat keine gro ßen Auswirkungen; erfahrungsgemäß nutzen nicht einmal 2 % der Beschäftigten die Freistellungsansprüche“, stellt sich die Frage: Warum machen Sie dann dieses Gesetz?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ge nau!)

Denn da gilt der berühmte Satz von Montesquieu: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ Das gilt für dieses Gesetz allemal.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Die Auswirkungen hingegen sind schon spürbar: Steigerung der Personalkosten um bis zu 3 %. Das ist kein positiver Standortfaktor. Baden-Württemberg ist Gott sei Dank ein Hochlohnstandort. Wir wollen uns hohe Löhne leisten; aber wir müssen auch wettbewerbsfähig sein.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Wenn Sie die Wettbewerbsfähigkeit durch solche Gesetze im mer wieder beschädigen, machen Sie auch eine Politik gegen die Arbeitsplätze in diesem Land.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sie wollen ein Problem lösen, das es in Baden-Württemberg gar nicht gibt. In Wahrheit machen Sie Klientelpolitik. Sie ma chen Klientelpolitik für die Gewerkschaften, weil Sie Frau Breymaier und ver.di versprochen haben: Wenn wir an die Re gierung kommen, machen wir dieses Gesetz. Damit tun wir etwas Gutes für ver.di. Damit tun wir etwas Gutes für die Mit glieder von ver.di, die dann weiter Beiträge zahlen, damit hauptamtlich tätige Funktionäre wie Frau Breymaier leben können. Das ist die eigentliche Ursache für dieses Gesetz: rei ne Klientelpolitik.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Es gab kein Lob der Wirtschaft aus Baden-Württemberg, son dern einen Gegenvorschlag der Arbeitgeberseite, einen Pakt für dauerhafte Vollbeschäftigung einzugehen. Das haben Sie abgelehnt. Es ist Unfug; es ist in höchstem Maß unverantwort lich, wenn die Wirtschaft einen Pakt für dauerhafte Vollbe schäftigung anbietet, dieses Angebot auszuschlagen und statt dessen ein solches Gesetz zu machen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf von der FDP/DVP: Ein Skandal ist das!)

Die Unternehmen in Baden-Württemberg haben ein erhebli ches Eigeninteresse an der Qualifizierung ihrer Mitarbeiter. Sie brauchen dafür keine Ratschläge und keine Gängelung durch Grün-Rot.

Das Einzige ist: Sie schaffen einen Markt für Bildungsurlaubs angebote. Die gibt es schon; sie sind im Internet nachzulesen. Ein Beispiel für Bildungsurlaub: Malta, Englisch lernen auf der Sonneninsel. So etwas können Sie anbieten. Ich rate Ih nen: Machen Sie im Neuen Schloss gleich noch ein Reisebü ro auf! Das würde ganz gut zum grün-roten Verständnis von Staat und Wirtschaft in Baden-Württemberg passen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

In § 7 lesen wir, in welchen Ausnahmefällen der Anspruch auf Bildungszeit abgelehnt werden kann: wenn z. B. weniger als zehn Personen in einem Betrieb beschäftigt sind oder wenn im Jahr mehr als 10 % der Beschäftigten Bildungsurlaub neh men. Was erreichen Sie damit? Das Einzige, was Sie damit erreichen, ist Bürokratie. Das ist ein Beitrag zur Bürokratie

flut in Baden-Württemberg. Nach Ihrem Tariftreuegesetz, das Sie gemacht haben, nach den Auswirkungen des allgemeinen Mindestlohngesetzes, das von Berlin kommt, ist das jetzt der dritte Bürokratiemoloch, der dem Land Baden-Württemberg zugemutet wird.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Sie halten sich selbst für eine Partei der Wirtschaftsversteher und eine Regierung der Wirtschaftsversteher. Auch Kollege Paal hat es schon angesprochen. Aber das Einzige, von dem Sie wirklich etwas verstehen, ist Bürokratie. Sie sind keine Wirtschaftsversteher, sondern Sie sind Bürokratieversteher. Dieses Gesetz ist das beste Beispiel dafür.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Heribert Rech CDU)

Wir, die Opposition, werden natürlich nicht für dieses Gesetz stimmen. Das ist völlig klar. Wir werden es nicht verhindern können,

(Lachen bei den Grünen)

weil Sie ja die Mehrheit haben, aber im Falle eines Regie rungswechsels – das sage ich Ihnen heute schon – steht für die ersten hundert Tage auf dem Programm, dieses Gesetz wieder vom Tisch zu wischen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, es lie gen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist da mit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/6403 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Finanzen und Wirt schaft zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Punkt 3 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes – Drucksache 15/6404

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Minister Dr. Nils Schmid. – Wo ist er?

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Heute darf der Staatssekretär!)

Oh, Entschuldigung! – Das Wort erhält Herr Staatssekretär Hofelich.

(Zuruf: Peter, mach es kurz!)

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Aufforderung natürlich gehört und darf Ihnen einfach in knappen Worten sagen, dass wir am 15. November 2012 hier im Landtag mit breiter Mehrheit das Landesglücksspielgesetz für Baden-Württemberg beschlos sen haben. Damit haben wir teilweise Neuland betreten. Uns

war bewusst, dass die darin getroffenen neuen Regelungen, insbesondere diejenigen für Spielhallen, durchaus ambitio niert sind, und zwar ambitioniert im Hinblick auf die Ziele, die wir mit diesem Gesetz verfolgen – nämlich namentlich ei nen verbesserten Schutz von Spielern und Jugendlichen vor den Gefahren des Glücksspiels –, ambitioniert aber auch des halb, weil absehbar war, dass die Regelungen einer verfas sungsgerichtlichen Kontrolle werden standhalten müssen. Das haben sie, jedenfalls in nahezu allen wesentlichen Punkten, auch getan.

(Beifall der Abg. Josef Frey und Andreas Schwarz GRÜNE)

In seinem Urteil vom 17. Juni 2014 – es ging um die Verfas sungsbeschwerden einzelner Spielhallenbetreiber – hat der Staatsgerichtshof die Gesetzgebungskompetenz des Landes für die neue gesetzliche Regelung für Spielhallen bestätigt.

Wichtige Bestimmungen wie das Verbot der Mehrfachkonzes sion oder die Vorgaben zu Abständen zwischen einzelnen Spielhallen – wir erinnern uns – sind vom Staatsgerichtshof für verfassungsgemäß erklärt worden. Damit hat das Herz stück der Bestimmungen des Landesglücksspielgesetzes für Spielhallen Bestand.