Wir haben in diesem Jahr wieder 27 000 Bewerber. Die Situ ation hat sich überhaupt nicht entspannt. Wir müssen wieder feststellen, dass sich, obwohl Sie im letzten Jahr ein wenig ausgebaut haben, im Wesentlichen nichts verändert hat. Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen, die das verdeutlichen:
Allein im Regierungsbezirk Stuttgart bekommen 41 % der Be werber keinen Platz an einem beruflichen Gymnasium. Im
Landkreis Biberach sind es über 40 %, die keinen Platz erhal ten. Gerade in den ländlichen Räumen – das wissen Sie sehr genau –, wo die Bildungsübergänge nach Ihren Vorstellungen noch einigermaßen funktionieren – sehr hoher Zuspruch für die Realschule, relativ hoher Zuspruch auch noch für die Werkrealschule und die Hauptschule –, finden die jungen Leu te keinen Anschluss, wenn sie in ihrer Bildungsbiografie ei nen Schritt weiter gehen wollen. Das ist ein Problem.
Das Kostenargument, das Sie aufgeführt haben, ist eigentlich keines. Bei uns gilt eine Schulpflicht bis zum 18. Geburtstag.
Jeder junge Mensch mit mittlerer Reife muss, wenn er keinen Ausbildungsplatz hat, in eine berufliche Schule gehen.
Das ist der Fall. Und wo gehen die jungen Leute hin? Die gehen dann in die Berufskollegs, weil sie an den beruflichen Gymnasien keinen Platz bekommen. Dort erhalten sie dann über zwei Jahre hinweg eine Ausbildung, die hinterher jedoch nicht anerkannt wird. Das ist – das muss ich Ihnen sagen – wirtschaftspolitisches Missmanagement, aber keine Bildungs politik.
In diesen Tagen sind die Zahlen zur Ausbildungssituation be kannt gegeben worden: Die Zahl der Ausbildungsplätze ging in Baden-Württemberg um 3,9 % zurück, während die Zahl der Bewerber um Ausbildungsstellen um 2,4 % anstieg.
Das ist schön und gut. Im Prinzip ist das aber nur ein Voll ziehen dessen, was Sie durch die Absenkung des Klassentei lers ohnehin vorgesehen haben.
Das führt aber nicht dazu, dass die jungen Menschen wirklich mehr Chancen haben, in eine qualifizierte Ausbildung hinein zukommen. Das ist ein Armutszeugnis. Das muss ich Ihnen sagen.
Wir wissen, dass in Baden-Württemberg 18 000 Ingenieure fehlen. Die Absolventen beruflicher Gymnasien – jeder drit te Schüler an den beruflichen Gymnasien besucht ein Techni sches Gymnasium – sind eigentlich genau diejenigen, die wir in diesem Bereich brauchen, um in Zukunft tatsächlich wirt schaftlich bestehen zu können. Da kann ich – wir haben vor Kurzem eine Enquetekommission zu diesem Thema einge setzt – nicht verstehen, dass man im Hier und Jetzt zögerlich ist, dass man jungen Menschen Ausbildungsmöglichkeiten versperrt, die Zukunftschancen bieten könnten. Das ist sträf
Frau Krueger, Sie haben in der letzten Woche im Rahmen der Enquetekommission eine Erklärung unter der Überschrift „Be rufliche Schulen sind Garanten für die Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg“ abgegeben. Das kann ich unterschrei ben. Man muss hierfür aber auch die geeignete Politik machen und qualifizierten Jugendlichen einen Rechtsanspruch auf ei nen Platz an beruflichen Gymnasien einräumen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist kein angenehmes Thema, über das wir heute hier zu diskutieren haben.
Denn, Frau Ministerin Schick, ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass Sie persönlich überhaupt nichts für diese Situa tion können.
Einerseits motivieren wir junge Menschen zu Bildungsan strengungen. Ich hoffe, dass auch aus den Werkrealschulen, gerade im ländlichen Raum, durchaus Absolventen kommen, denen aufgrund ihrer Leistungen der Weg in ein berufliches Gymnasium offensteht. Wir dürfen aber andererseits nicht 35 % derer, die diesen Weg gehen wollen, zurückschicken. Das ist nicht in Ordnung.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut! – Abg. Wal ter Heiler SPD: Stimmen Sie dann zu? Sie sollten zu stimmen!)
Ich kann sehr wohl nachvollziehen, wie sich all die Eltern und Schüler fühlen, die fast ein halbes Jahr lang auf einer Warte liste stehen und nicht wissen, ob der Wechsel auf das berufli che Gymnasium klappt oder nicht. Mein eigener Sohn hat das mitgemacht.
(Zurufe von der SPD: Aha! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Frau Krueger, zuhören! – Abg. Walter Heiler SPD: Also stimmt die FDP/DVP zu! Dann können wir die Debatte beenden, Frau Krueger!)
Inzwischen ist er als Elektroingenieur in der Automobilindus trie tätig, denn er hat die Zulassung bekommen. Das jedoch würde ich mehr jungen Menschen wünschen.
Deswegen bitte ich Sie, Frau Ministerin Schick, alles daran zusetzen, dass wir es wirklich schaffen, in absehbarer Zeit al len jungen Menschen, die die entsprechende Befähigung ha ben, einen Platz an einem beruflichen Gymnasium zu sichern.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Lebhafter Widerspruch bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was soll denn das? Unglaub lich!)
Sie sollten eigentlich aus der noch gar nicht so lang zurück liegenden Vergangenheit gelernt haben. Morgen werden wir über Kommunalfinanzen diskutieren, und morgen werden wir über die Folge der vielen Rechtsansprüche diskutieren, die die rot-grüne Bundesregierung zulasten der Kommunen auf den Weg gebracht hat und die diese jetzt nicht schultern können. Das heißt, ein Rechtsanspruch allein hilft überhaupt nicht. Nein, es bedarf der richtigen organisatorischen Gestaltung und des Willens, solches umzusetzen.
Nun zu der Frage, was das Ganze denn kosten könnte oder müsste. Es wird – da gebe ich dem Kollegen Lehmann recht – nicht viel mehr kosten, weil man diese Schüler bis 18 Jah re sowieso beschulen muss. Ob sie jetzt in einer Vollzeitschu le im beruflichen Gymnasium oder in einer Vollzeitschule im Berufskolleg sind, das wird sich finanziell nicht viel nehmen – in Bezug auf die Räume übrigens auch nicht.
Man könnte die Ressourcen auch von ganz woanders holen, wenn nämlich unsere allgemeinbildenden Schulen es schaf fen, den Anteil der ausbildungsreifen Abgänger zu erhöhen. In dieser Hinsicht besteht, glaube ich, durchaus eine Chance. Dann wäre Lehrerpotenzial frei, das man an diesem sehr sinn vollen Ort, dem beruflichen Gymnasium, einsetzen könnte.
Eines ist mir wirklich wichtig: Allein durch ein Gesetz ist da gar nichts getan. Der heilige Besitzstand und der gesicherte Rechtsanspruch werden unser Staatswesen noch einmal zu grunde richten,
weil Menschen suggeriert wird: „Das steht euch zu“, ohne da zuzusagen: „Ihr müsst das dann auch bezahlen.“ Ein großer Teil der Menschen, die schließlich merken, dass sie das dann bezahlen müssen, stellen plötzlich nicht mehr solche Forde rungen nach einem Rechtsanspruch, sondern überlegen, ob sie so etwas wirklich brauchen. Das trifft für diesen Fall hier nicht zu, aber generell ist dieses Rechtsanspruchsgebaren...
nun wirklich das Grottenfalsche. Damit kommen wir nicht weiter. Wir kommen weiter, wenn die Schulverwaltung ein sieht, dass die Schaffung von mehr Plätzen hier die einzig richtige Lösung ist.
Eines muss ich noch sagen – ich bin auch finanzpolitische Sprecherin meiner Fraktion –: Ich habe es bisher nicht für nö tig gehalten, wenn mir der Entwurf eines Hauses vorgelegt wurde, zu fragen: Könnt ihr denn mit diesen Stellen auch eu re Aufgaben richtig erfüllen? Künftig werde ich das leider tun müssen.