Protocol of the Session on May 5, 2010

Welches Weltbild haben Sie eigentlich? Welches Menschen bild steht hinter dem, was Sie hier sagen?

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Quatsch mit Soße!)

Sie haben vorhin von „Durchstarten“ gesprochen: Beginnt für Sie der Mensch erst beim Abitur? Warum nicht gleich beim Doktorhut oder beim Nobelpreis?

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Bravo! Sehr gut! – Abg. Reinhold Gall SPD: Was soll denn der Unsinn? – Zuruf der Abg. Marianne Wonnay SPD)

Richtig ist, dass nach dem Abgleich der Bewerberzahlen rund 60 bis 70 % der Bewerber als tatsächliche Bewerber für einen Platz an den beruflichen Schulen, an den beruflichen Gymna sien übrig bleiben. Woher aber wollen Sie wissen, dass die an deren rund 30 % die duale Ausbildung – so, wie Sie das im mer darstellen – nur als zweite Wahl empfinden?

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Woher beziehen Sie dieses Wissen?

(Zurufe der Abg. Norbert Zeller und Gunter Kauf mann SPD)

Könnte es nicht auch so sein, dass junge Menschen ihre Ent scheidungen durchaus rational treffen und bis heute davon

überzeugt sind, dass z. B. auch das Handwerk goldenen Bo den hat?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wir reden doch von de nen, die sich bewerben! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Denken Sie etwa nur an die Aussage, die das IW, das Institut der deutschen Wirtschaft Köln, am 29. April 2010 zum The ma Handwerk getroffen hat:

In der schwersten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik hat sich das Handwerk als Stabilitätsanker erwiesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Auch das kann ein Grund für junge Menschen sein, den Weg in die duale Ausbildung zu suchen und zu finden.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist doch völlig unstrit tig! – Zuruf des Abg. Gunter Kaufmann SPD)

Denken Sie deswegen einmal darüber nach, ob Ihr Bild von jungen Menschen und von Menschen insgesamt eigentlich richtig ist.

Wir von der CDU sind sehr froh darüber – ich bin sicher, auch die Wirtschaft in Baden-Württemberg ist dies –, dass es nach wie vor eine große Zahl junger Menschen gibt, die diesen Weg einschlagen. Auch das heißt Durchstarten in eine erfolgreiche Berufswelt,

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

und das ist gut für unsere Wirtschaft.

Aber nun zu Ihrem Gesetzentwurf. Immerhin finden sich in der Begründung zwei richtige Aussagen. Das ist schon einmal etwas.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Nicht so überheblich!)

Erstens ist dies die Aussage, dass die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems von zentraler Bedeutung ist. Das ist wohl wahr. Das ist richtig.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Gut er kannt!)

Genau deshalb verfolgen wir in unserer Bildungspolitik die Devise: Kein Abschluss ohne Anschluss.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Schon wieder Wolkenku ckucksheim! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje!)

Das Zweite, was Sie richtigerweise festgestellt haben, ist, dass die beruflichen Gymnasien zu Recht als vorbildliche Einrich tungen gelten – und zwar als bundesweit vorbildlich; das möchte ich ergänzen. Mancher Schulleiter in einem SPD-re gierten Bundesland wäre froh, er dürfte Schulleiter in BadenWürttemberg sein

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das glaube ich eher nicht! – Zuruf von der SPD: Namen!)

aber sicher –, an einer Schule, die integrativ und leistungs stark ist und die durchaus auch als Garant für die Durchläs sigkeit des Systems für Bildungsgerechtigkeit sorgt. Ich fin de es zunächst einmal schön, dass Sie das auch erkannt ha ben.

Damit sind wir aber mit dem, was richtig ist, leider auch schon am Ende.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Allein schon mit Blick auf Ihre Behauptung, durch die Um setzung dessen, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf fordern, werde der Landeshaushalt jährlich mit 5 Millionen € belastet, frage ich mich allen Ernstes: Wo haben Sie Rechnen gelernt? In einem beruflichen Gymnasium in Baden-Württemberg je denfalls kann es nicht gewesen sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es ist relativ einfach: Wenn man den Dreisatz beherrscht, kann man feststellen, dass die Absenkung des Klassenteilers von 32 auf 31 an den beruflichen Gymnasien in Baden-Württem berg zum kommenden Schuljahr rund 50 neue Klassen und damit zusätzliche Plätze in einer Größenordnung von 1 600 Plätzen erfordert.

Wenn man dann aber in den Haushalt schaut, wird man auch feststellen, dass dies im Endausbau gut 11 Millionen € kostet. Jetzt würde ich einmal sagen: Das ist auch noch wenig. Aber nach Ihrem Gesetzentwurf müsste man mindestens 120, viel leicht auch 150 neue Schulklassen einrichten. Dann beweg ten wir uns keineswegs bei einem Volumen von 5 Millionen €, sondern redeten über 27 Millionen € oder gar 36 Millionen €. Das, meine Damen und Herren, ist schon ein „geringfügiger“ Unterschied.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das stimmt nicht!)

Das stimmt schon. Sie wissen genau, dass man pro Klasse 4,5 Deputate braucht und dass Sie ein Deputat mit 50 000 € veranschlagen müssen. Wenn Sie das hochrechnen, kommen Sie auf 27 bis 36 Millionen €.

Ich finde schon das gut, was wir bisher getan haben. Wir ha ben uns in den vergangenen Debatten, auch bei Antragsbera tungen im Landtag, immer dazu bekannt, dass wir die beruf lichen Gymnasien ausbauen wollen, und dies tun wir auch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Ursula Haußmann SPD: Was ist mit den Lehrern und Leh rerinnen?)

Man muss aber natürlich sehen – Stichwort Lehrer, völlig rich tig –: Man kann den Ausbau nicht beliebig weit treiben, und man kann ihn nicht über einen solchen Gesetzentwurf betrei ben, weil auch erst einmal die Lehrer da sein müssen. Das wis sen Sie so gut wie wir.

Ich will noch einmal darauf hinweisen: Über 11 Millionen € für die Klassenteilerabsenkung aufzubringen ist angesichts der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise schon eine enor me Leistung.

Eine kleine Bemerkung am Rande: Was, glauben Sie, würden denn die Schulträger zu Ihrem Gesetzentwurf sagen? Wenn wir nur von 150 zusätzlichen Klassen ausgehen, bedeutet das für die Schulträger 450 zusätzliche Klassenzimmer plus Funk tionsräume. Mich würde interessieren, was Ihr Parteikollege Ivo Gönner dazu meint.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Lehmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor zwei Jahren hat unsere Fraktion hier einen Antrag eingebracht, wonach jungen Menschen mit mitt lerer Reife ein Rechtsanspruch auf einen Platz in einem be ruflichen Gymnasium gewährt werden soll. Ein Jahr später – nämlich im letzten Jahr – hatten wir im Landtag eine Debat te über dieses Thema. Zu unserem Antrag wurde dann ein Än derungsantrag der Regierungskoalition eingebracht. Man wollte über die Einführung dieses Rechtsanspruchs und über die Erhöhung der Zahl der Klassen nicht abstimmen. Vielmehr wurde der Antrag eingereicht – ich zitiere –,

die Landesregierung zu ersuchen, den kontinuierlichen und bedarfsgerechten Ausbau der beruflichen Gymnasi en im Rahmen der Möglichkeiten, unter Berücksichtigung der Erfordernisse des dualen Systems, fortzuführen.

Man hat sich also auch im letzten Jahr darum gedrückt. Man hat lediglich 30 zusätzliche Klassen eingerichtet, um den Be darf aufgrund des doppelten Zugangsjahrgangs aus den Gym nasien zu decken. Aber man hat das Problem, dass die mittle re Reife für junge Menschen zunehmend eben kein Abschluss mit Anschluss ist, nicht gelöst. Ich würde sagen, die Telekom hat entsprechende Antworten darauf: Bei beruflichen Gymna sien gilt für viele, nämlich für ein Drittel der Bewerber, die die Voraussetzungen für eine Aufnahme erfüllen: „Kein An schluss unter dieser Nummer.“ Das ist die Losung, die Sie hier ausgeben.

Das ist ein unhaltbarer Zustand, und zwar deswegen, weil Sie immer wieder von Bildungsgerechtigkeit sprechen, dies aber nicht einlösen. Bildungsgerechtigkeit heißt: Wenn Sie zu Ih rem dreigliedrigen Schulsystem stehen, dann müssen Sie auch dafür Sorge tragen, dass die Anschlüsse funktionsfähig wer den. Das heißt, wer einen mittleren Bildungsabschluss und die Qualifikation dafür hat, dem muss der Hochschulzugang auch über den direkten Weg über ein berufliches Gymnasium er möglicht werden.

(Zuruf der Abg. Andrea Krueger CDU)

Wir haben in diesem Jahr wieder 27 000 Bewerber. Die Situ ation hat sich überhaupt nicht entspannt. Wir müssen wieder feststellen, dass sich, obwohl Sie im letzten Jahr ein wenig ausgebaut haben, im Wesentlichen nichts verändert hat. Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen, die das verdeutlichen: