Protocol of the Session on July 27, 2006

c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu den Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Mai 2006, Az.: 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06 und 1 BvR 830/06 – Verfassungsbeschwerden der ARD-Landesrundfunkanstalten, des ZDF sowie des Deutschlandradios gegen die Festsetzung der Rundfunkgebühr im Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag – Drucksache 14/134

Berichterstatterin: Abg. Birgit Kipfer

Das Präsidium hat als Redezeit zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pauli.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Landtagsfraktion steht geschlossen hinter unserem dualen Rundfunksystem, und deswegen begrüßen wir, dass wir dem 15. KEFBericht entnehmen können, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio angekündigt haben, zum Ende der Gebührenperiode 2005 bis 2008 ein ausgeglichenes Ergebnis erzielen zu wollen.

Die zusätzlich notwendigen Wirtschaftlichkeits- und Sparmaßnahmen aufgrund des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags wurden bereits teilweise umgesetzt bzw. konkretisiert. Die Personalaufwendungen haben sich gegenüber dem 14. KEF-Bericht bei der ARD um 2,5 %, beim ZDF um 5,7 % und beim Deutschlandradio um 4,6 % deutlich reduziert.

Was die Ertragsaussichten anbelangt, sieht die KEF zwar noch Risiken in der Ertragsprognose. Aber auch bei den Erträgen, in der Werbung oder bei sonstigen betrieblichen Erträgen, gilt es noch Chancen zu realisieren.

Die ARD hat verschiedene anstaltsübergreifende Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit strategischen Strukturveränderungen und Kostenreduzierungen befassen. Beispielhaft möchte ich die Erarbeitung eines Steuerungsmodells zur Optimierung des Ersten Fernsehprogramms sowie die Intensivierung des gemeinsamen Rechtevertriebs anführen.

Uns in Baden-Württemberg interessiert naturgemäß das, was den SWR anbelangt. Die Gremien des Südwestrundfunks und des Saarländischen Rundfunks haben dem Konzept der beiden Intendanten zugestimmt, das Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken und das Rundfunkorchester Kaiserslautern zu einem gemeinsamen Klangkörper zu verbinden. Das SWR-Vokalensemble wird um ein Drittel reduziert, und nicht unerwartet, aber trotzdem punktuell bedauerlich sind die Kürzungen bei den Programmleistungen. Die mir unbekannte Kindersendung „Pinguin“ wurde ebenso eingestellt wie die SWR-Berichterstattung vom Börsenplatz Frankfurt. Die Reduzierung der bisherigen Nachrichtenformate in der Nacht auf ein durchgängiges Nachrichten

format und die Streichung der Beratungssendung „Lämmle live“ sind leichter vertretbar als zum Beispiel die Kürzungen bei Wissenschaftsformaten oder die Reduzierung der Termine der Sendereihe „Junger Dokumentarfilm“ – um nur einige Leistungseinschränkungen aufzuzählen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da der SWR fusionsbedingt schon seit Jahren seine Kostenstruktur optimiert, kommen hier nicht nur schwäbische Sparsamkeit, südwestdeutsche Kreativität oder badische Gründlichkeit zum Zuge. In diesem Sinne wird mein badischer Kollege Kößler nachher zu den Prüfungen beim SWR durch die Rechnungshöfe sprechen.

Nachdem die betroffenen Rundfunkanstalten Verfassungsbeschwerde gegen die Festsetzung der Rundfunkgebühr im Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingelegt haben, ist zu befürchten, dass alle Beteiligten letztendlich zu den Verlierern gehören könnten. Der Ständige Ausschuss empfiehlt, hierzu keine Stellungnahme abzugeben.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Mehrheitlich!)

Im Übrigen darf ich noch anfügen, dass wir die berechtigte Kritik aus der Bevölkerung aufgegriffen haben, um, wie bereits früher angeregt, Büro-PCs bei Handwerksbetrieben, Freiberuflern und Selbstständigen von der geplanten Gebühr ab 2007 zu befreien, da diese Gebührenbelastung in den meisten Fällen als ungebührliche Abzockerei aufgefasst werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Hier hat bereits die Regierung Teufel lediglich ein Kompromisspaket absegnen können. Wir als Baden-Württemberger waren grundsätzlich schon immer dagegen, und wir streben eine Korrektur spätestens im Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag an.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist aber neu!)

Ich halte es auf jeden Fall für begrüßenswert, dass sich der SWR nun für eine moderate Handhabung und insbesondere für eine Beschränkung auf die Grundgebühr einsetzen wird.

Wir werden als Landtagsfraktion diese Entwicklung auch weiterhin wachsam begleiten.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Reinhold Gall SPD)

Das Wort hat Frau Abg. Kipfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Rechnungshofbericht ist harmlos und kann der Aussage nichts entgegensetzen, dass der SWR ein Erfolgssender ist. Er findet Zuspruch bei den Menschen in unserem Land, sowohl im Dritten Fernsehprogramm als auch ganz besonders in seinen Hörfunkprogrammen. Selbst der Kulturkanal SWR 2 erreicht mehr Hörer als Vergleichbares anderswo. Da macht es sich bezahlt, dass der SWR auf neumodische Häppchenkultur in seinem Programm verzichtet hat.

Es war ein schwieriger Start nach der Fusion: teure Infrastruktur an drei Standorten. Mit dem SWR-Staatsvertrag

gab es auch mehr Anforderungen an das Programm. Mit einem ausdifferenzierten System von Regionalstudios hat der Sender es geschafft, die Menschen in ihrem regionalen Umfeld abzuholen. Für die meisten Zuschauer und Zuhörer macht gerade diese Regionalität die Attraktivität der Programme aus. Wir begrüßen das.

Der SWR ist innovativ. Das Jugendprogramm „Das Ding“ ist bundesweit anerkannt, und mit dem Programm „cont.ra“ wurde ein wichtiges Info-Format für den digitalen Empfang entwickelt.

Gleichwohl hat der SWR von Anfang an und über die Jahre gespart und spart in der laufenden Gebührenperiode weitere 150 Millionen € ein. Er hat Strukturen verändert und in erheblichem Umfang Personal eingespart, auch wenn ein Teil der Aufgaben nach außen verlagert wurde. Er wurde dadurch aber flexibler und schneller.

Erst recht musste gespart werden, als die KEF die Anmeldungen für die derzeitige Gebührenperiode um 40 % zusammengestrichen hat. Selbst wenn man unterstellt, dass ein Sender bei seinen Anmeldungen hoch greift, weil er erwarten muss, dass nicht alles kommt, was er sich wünscht, ist ein Abschlag von 40 % schwer zu verkraften, weil dies mitnichten die medienspezifische Teuerungsrate, die von der KEF selbst ermittelt wird, auffängt.

Dann haben wir, der Landtag, mit dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag den Ministerpräsidenten Folge geleistet und die von der KEF vorgeschlagene Erhöhung der Rundfunkgebühr zusätzlich noch einmal zurückgeschraubt. Ob das vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird, steht dahin. Wir wissen aber inzwischen, dass die Annahmen, die die Ministerpräsidenten ihrer Rechnung zugrunde gelegt hatten, nicht in allen Punkten eingetroffen sind.

Als Folge der neuen Regelung zur Gebührenbefreiung erwarteten die Ministerpräsidenten zum Beispiel einen Mehrertrag von 20 Millionen €. In Wirklichkeit ist eine Zunahme von Gebührenbefreiungen von fast 20 % zu erwarten, was nach den Berechnungen der KEF einen Minderertrag von 25 Millionen € nach sich zieht. Zusätzlich wurde von den Parlamenten die Berechnung der Gebührenbefreiung von den Sozialämtern auf die GEZ verlagert. Das haben wir alle mitgemacht. Das hat zwar die Sozialämter entlastet, aber die GEZ mit einem enormen Zusatzaufwand belastet – das war geradezu ein Jobmotor für die GEZ –, welcher auch über die Gebühren zu finanzieren ist. Statt der von den Ministerpräsidenten erwarteten Entlastung um 5 Cent ist dadurch ein Mehraufwand von 9 Cent pro Gebührenzahler entstanden.

Herr Kollege Pauli, die Gebühren für die PCs haben wir auch miteinander beschlossen. Das ist geltendes Recht. Man kann nun darüber streiten, ob das zu Härten führt. Aber wir haben gehört, dass der Vorsitzende der KEF uns dargelegt hat, dass diese zusätzlichen Gebühren sich in einem einstelligen Millionenbetrag niederschlagen werden und nicht, wie von der Presse überall dargestellt, 120 Millionen € betragen werden, wie die Industrie uns das vormachen will.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Das ist leichter zu korrigieren!)

Dies ist ein Thema in den Medien, das wirtschaftspolitisch untermauert ist. Ich glaube, wir tun gut daran, wenn wir miteinander dafür sorgen, dass es bei einer Grundgebühr für die PCs bleibt.

Im Ergebnis steht der SWR unter einem erheblichen permanenten Spardruck, obwohl seine Einnahmen der Zahl nach steigen.

Die KEF bescheinigt in ihrem Bericht nun, dass die Rundfunkanstalten bis zum Ende der Gebührenperiode mit den jetzt zur Verfügung stehenden Einnahmen auskommen werden. Da kann man sagen: Na und? Die Rundfunkanstalten schaffen es also, damit auszukommen, ohne dass ein Zuschauer oder ein Zuhörer es wirklich merkt. Und man kann der Auffassung sein, mehr Wiederholungen im Fernsehen und sonstige Einsparungen im Programm, wie Herr Pauli eben dargestellt hat, sind keine Katastrophe.

Schlimm wäre es jedoch, wenn der Südwestrundfunk als Kulturträger nicht mehr die Rolle spielen könnte, die er hat. Er ist heute der einzige Garant für die kulturelle Fortentwicklung der Musik und im Wort. Wer, wenn nicht der SWR, würde zum Beispiel die Donaueschinger Musiktage oder die Schwetzinger Festspiele finanzieren? Wer, wenn nicht der SWR, hätte bei der Fußball-WM das Public Viewing auf dem Schlossplatz mit Musik umrahmen können?

Aber es gibt noch Wichtigeres zu finanzieren. Öffentlichrechtliche Sender müssen innovativ sein, nicht nur im Programm, sondern auch technologisch. Wir leben in einer Zeit gravierender technologischer Umbrüche, vergleichbar etwa mit der Zeit vor 25 Jahren, als die privaten Sender auf die Bühne traten. Ähnlich wie damals müssen wir dafür sorgen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei dieser Entwicklung nicht unter die Räder kommt.

Die Digitalisierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird so ziemlich alles umkrempeln, was wir bisher gewohnt waren. Welche digitalisierten Inhalte mittels der dafür vorgesehenen neuen Frequenzen übertragen werden, ist den neuen Empfangsgeräten ziemlich egal. Fernseher, PC, Laptop, Radio, Handy oder ein Gerät, das alles gleichzeitig kann, werden alle möglichen Angebote empfangen können. Folglich werden neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Abrufdienste, mobile Infodienste, Handy-Fernsehen auf DVB-T, DVB-H, DMB, Rundfunk, Telefon, Internet wird man sowohl terrestrisch als auch per Kabelanschluss oder über Telefonleitungen ins Haus holen können.

Unternehmen, die bisher nur die technische Infrastruktur zur Verfügung stellten, werden neuerdings auch zu Inhalteanbietern. Im Prinzip kann sogar jeder, der sich im Internet bewegt, zu einem eigenen Inhalteanbieter werden. Viele sind es schon und wollen sogar daran verdienen. Von einem dualen System im klassischen Sinne kann künftig kaum mehr die Rede sein. Denn der private kommerzielle Sektor wird sich aufteilen in eine bunte Landschaft vielfältigster Geschäftsmodelle mit Verschlüsselung und Pay-Diensten.

Es ist deshalb die Frage zu stellen: Welche Zukunft hat bei dieser verwirrenden Vielfalt, die sich entwickeln wird, noch ein mit hoher journalistischer Professionalität hergestelltes öffentlich-rechtliches Programmangebot? Wir sagen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird unverzichtbarer denn

je, weil nur er jenseits von wirtschaftlichen Interessen ein umfassendes Angebot von Unterhaltung, Sport, Bildung und Kultur anzubieten in der Lage ist, weil ihm mehr denn je in dem entstehenden Urwald verwirrender kommerzieller Angebote eine Pfadfinderfunktion zukommen wird und weil er damit unverzichtbar zur Integration unserer Gesellschaft beitragen wird.

Deshalb wollen wir, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in allen elektronischen Medien der Zukunft ein Zugangsrecht hat – notfalls auch mit Must-carry-Regelungen – und es ihm erlaubt wird, auch hier zu investieren, wenn er autonom entscheidet, eine Plattform für sein Angebot zu nutzen. Es ist ihm zuzutrauen, dass er zum Beispiel neue Programmformate für Handy-TV entwickeln kann, vielleicht auch unter Nutzung seines enormen Programmvermögens – ein Archivmaterial, das ja schließlich öffentliches Gut ist –, sodass auch das „Mäusekino“ für die Nutzer, für die Plattformbetreiber und für die privaten Inhalteanbieter attraktiv wird. Denn nur die Gesamtheit eines Fernsehangebots auf dem Mobiltelefon wird dieser Empfangsmöglichkeit wirtschaftlichen Erfolg ermöglichen.

Wir halten es für richtig, dass der SWR – trotz harscher Kritik – in den digitalen terrestrischen Verbreitungsweg DVB-T investiert hat, weil ihm dieser Verbreitungsweg die Unabhängigkeit von kommerziellen Netzbetreibern sichert und ihm im Übrigen auch künftig Kosten sparen wird. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss teilhaben an der technologischen Revolution, die mit der Digitalisierung auf uns zukommt. Das sehen wir als Teil der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Entwicklungsgarantie.

Wir sind zuversichtlich, dass auch die KEF dieses künftige Angebot in ihrer Gebührenempfehlung berücksichtigen wird. Das sage ich im Hinblick auf diejenigen, die meinen, wir könnten die Gebühr auf dem heutigen Niveau deckeln und bräuchten sie nie mehr anzuheben. Die Diskussion steht dann an, wenn die Gebührenperiode zu Ende geht.

Kolleginnen und Kollegen, wir stehen medienpolitisch vor einer großen Herausforderung. Meine Fraktion wird sich dieser Herausforderung mit allen Implikationen stellen. Ich hoffe, Sie tun es uns nach.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gesetzgeber hat nicht umsonst eine unabhängige Kommission, die KEF, eingesetzt, um herauszufinden, welcher Bedarf bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten besteht. Bei der letzten Vorlage des KEF-Berichts hatten wir zum ersten Mal das Problem, dass die Ministerpräsidenten den Vorschlag der KEF abgelehnt haben.

Nach meiner Ansicht war das ein klarer Sündenfall; denn die Arbeit dieser unabhängigen Kommission ist damit gefährdet. Wie will sie zukünftig weiterhin unabhängig Vorschläge machen? Kollegin Kipfer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Vorschläge der KEF in der Vergangen

heit weit unter dem lagen, was die Sender selbst gefordert hatten; trotzdem haben sie dieses Geld nicht bekommen. Das war ein Akt der Willkür, weil das Bundesverfassungsgericht schon festgelegt hatte, dass der Vorschlag der KEF nur bei sozialen Verwerfungen abgelehnt werden darf. Aber Sie können mir doch jetzt nicht weismachen wollen, dass 21 Cent mehr pro Monat eine soziale Verwerfung erzeugt hätten.

Sie haben die KEF infrage gestellt, Sie haben dieses unabhängige Verfahren infrage gestellt, und dem gilt es entgegenzutreten. Deshalb begrüße ich es, dass die Anstalten nun in Karlsruhe gegen diesen „Gebührenbescheid“ klagen werden. Das ist der richtige Weg, vor allem vor dem Hintergrund, dass dann aus der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei ein Brief mit dem Inhalt an die Intendanten ging, sie mögen doch bitte von einer Klage absehen. Dies ist nun wirklich nicht der richtige Weg, um weiterhin einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland zu gewährleisten.