Protocol of the Session on July 27, 2006

Sie haben die KEF infrage gestellt, Sie haben dieses unabhängige Verfahren infrage gestellt, und dem gilt es entgegenzutreten. Deshalb begrüße ich es, dass die Anstalten nun in Karlsruhe gegen diesen „Gebührenbescheid“ klagen werden. Das ist der richtige Weg, vor allem vor dem Hintergrund, dass dann aus der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei ein Brief mit dem Inhalt an die Intendanten ging, sie mögen doch bitte von einer Klage absehen. Dies ist nun wirklich nicht der richtige Weg, um weiterhin einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland zu gewährleisten.

Es geht die Ministerpräsidenten – auch Herrn Beck – schlichtweg nichts an, ob die Sender klagen oder nicht! Es geht in Wirklichkeit nicht um diese 21 Cent, die sich natürlich in der Summe für Sender als Millionen darstellen, sondern es geht hier um die grundsätzliche Frage, ob die Ministerpräsidenten und die Landesparlamente zukünftig hier eingreifen dürfen oder ob die unabhängige Kommission weiterhin ernst genommen und auch weiterhin vom Bundesverfassungsgericht geschützt wird.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk – und deswegen ist dieser Brief von Herrn Beck wirklich kontraproduktiv – muss politisch unabhängig bleiben und darf nicht der politischen Willkür ausgesetzt werden.

Was geschieht nun durch diese Absenkung der vorgeschlagenen Gebührenerhöhung? Kollege Pauli, Sie haben darauf hingewiesen: Es wird am Programm gespart, und es wird oft an den Programmbereichen gespart, die der Erfüllung des kulturellen Auftrags des Rundfunks dienen. Das ist eine Entwicklung, die wir nicht gutheißen können, die Sie aber mit zu verantworten haben.

Jetzt heißt es, dann solle man beim Sport sparen. Wenn Sie sich beispielsweise die Berichterstattung über die Fußballweltmeisterschaft angeschaut haben, konnten Sie erkennen, dass diese Berichterstattung ein klarer Erfolg für die öffentlich-rechtlichen Sender war. Stellen Sie sich nur einmal vor, die gesamte Berichterstattung hätte ausschließlich bei den Privaten stattgefunden; womöglich hätten die Leute auch noch dafür bezahlen müssen. Die Berichterstattung über das, was in diesem Land rund um die Weltmeisterschaft geschehen ist, wäre in diesem Maße nicht möglich gewesen. Deshalb muss der Sport auch zukünftig beim öffentlichrechtlichen Rundfunk seinen Platz haben, obwohl wir wissen, dass die Geldsummen, die man dafür bezahlen muss, immer höher werden.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Schauen Sie einmal, wie beliebt die „Sportschau“ im Vergleich zur Vorgängersendung „ran“ ist! Die „Sportschau“ kommt bei den Leuten an, und deswegen können wir seitens

der Politik nicht einfach fordern, bei der Sportberichterstattung zu kürzen.

Eine weitere Forderung lautet, die Zahl der Sender zu reduzieren. Wir haben schon gehört, was sich Herr Steinbrück und Herr Stoiber darunter vorgestellt haben: arte soll wegfallen, womöglich auch noch 3sat und das Deutschlandradio; das brauchen wir dann angeblich alles nicht mehr. Aber genau das sind die Sender, die wichtig sind, um die Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu erhalten, und diese Sender werden durch nichts, was die Privaten im Angebot haben, auch nur ansatzweise ersetzt werden.

(Beifall bei den Grünen)

Deswegen ist der Ansatz, bei den Programmen zu sparen, der völlig falsche Ansatz.

Man kann natürlich darüber nachdenken, ob es künftig wieder ein einheitliches Programm geben sollte, beispielsweise ein Nachtprogramm, oder ob jeder Sender wie SWR 1 ein eigenes Programm haben muss. Auch hier gibt es sicherlich Sparmöglichkeiten. Das heißt nicht, dass wir Reformen verhindern wollten. Reformen müssen auch im öffentlichrechtlichen Rundfunk sein. Aber, meine Damen und Herren, führen Sie diese Debatte mit den Rundfunkanstalten in einer fairen Weise, und regeln Sie dies nicht durch die Hintertür einer Gebührenerhöhung. Das ist der völlig falsche Weg. Schaffen Sie keine Fakten durch die Hintertür.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen klaren Bildungsauftrag, und den gilt es mit der entsprechenden Vielfalt zu erhalten.

Herr Elitz hat vor kurzem in einem Interview darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, auch das Internet nutzen zu können, und zwar speziell für einen Sender, der im Wesentlichen von den Wortbeiträgen lebt. Deswegen müssen wir aufhören, hier den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu beschneiden. Er muss ein volles Internetprogramm anbieten können. Ansonsten käme das ja wirklich einer Beschränkung gleich, gegen die doch auch Sie, Herr Kluck, als Liberaler Ihr Wort erheben sollten.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Kommt gleich!)

Was wir zur Kenntnis nehmen müssen, ist die Tendenz, dass immer weniger Jugendliche Radio hören. Deswegen ist eine Information auch über das Internet für diese Sender schlichtweg wichtiger.

Kommen wir zu einer Frage, die heute nicht auf der Tagesordnung steht, Herr Kollege Pauli, über die wir uns aber ebenfalls unterhalten müssen: Was fällt zukünftig – das ist Sache des Landesmediengesetzes – in den Must-carry-Bereich, und was fällt in den Non-must-carry-Bereich?

In den letzten Jahren hatten wir eine Entwicklung zu verzeichnen, bei der öffentlich-rechtliche Sender hinausgeworfen wurden; dafür bekamen wir Reisesender oder andere Dinge, die nicht unbedingt zur Grundversorgung der Bevölkerung gehören. Dem müssen wir Einhalt gebieten, und deswegen müssen wir meiner Ansicht nach darüber nachdenken, ob nicht in dieser Frage das Landesmediengesetz geändert werden sollte.

Ein Punkt, den ich im Ausschuss schon angesprochen habe und zu dem ich mir ein Wort von Ihrer Fraktion, Herr Pauli, gewünscht hätte – Herr Stächele, dieses Problem betrifft auch Sie, und auch Sie müssten der Diskussion doch eigentlich bald überdrüssig sein –: Rundfunkstaatsverträge werden hier immer erst dann diskutiert, wenn sie von den Ministerpräsidenten schon unterzeichnet sind oder kurz vor der Unterzeichnung stehen.

Wir haben jetzt eine Föderalismusreform gehabt, in deren Vorfeld lang und breit diskutiert wurde, wie wir die Landesparlamente stärken können. Nun gehört die Medienpolitik zu unseren ureigensten Politikfeldern. Deswegen müssen wir in dieser Frage gestärkt werden. Zukünftig müssen Rundfunkstaatsverträge in den Landesparlamenten diskutiert werden, und erst dann dürfen sie ratifiziert werden; denn sonst können wir das ganze Verfahren vergessen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Reinhold Gall SPD)

Was mich in diesem Zusammenhang wirklich maßlos geärgert hat, ist eine Stellungnahme der Landtagsverwaltung zur Anfrage des Bundesverfassungsgerichts, ob der Landtag von Baden-Württemberg zu der Klage der öffentlich-rechtlichen Sender Stellung nehmen wolle. Dort heißt es nach langen Ausführungen im letzten Satz:

Daher ist davon auszugehen, dass dem Bundesverfassungsgericht von Regierungsseite ausführlich vorgetragen wird; es ist nicht ersichtlich, dass der Landtag noch zusätzliche Aspekte einbringen könnte.

Wenn man das so sieht, meine Damen und Herren, dann können wir den Landtag auch ganz und gar auflösen und sagen, wir haben stattdessen ja eine Regierung. Frei nach Gerhard Polt wäre zu fragen: Was brauchen wir einen Landtag, wenn wir eine Regierung haben? Bei ihm heißt es: Wir brauchen keine Opposition, denn wir sind schon Demokraten. Genauso verfahren Sie hier.

(Beifall bei den Grünen)

Deswegen geht mein Appell an alle Parlamentarier hier: Nehmen Sie Ihren Status ernst, und sorgen Sie gemeinsam mit uns dafür, dass Rundfunkstaatsverträge zukünftig hier diskutiert werden, damit wir Änderungsvorschläge einbringen können. Nur dann hat eine Diskussion in diesem hohen Haus überhaupt noch einen Sinn.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Günther- Martin Pauli CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Kluck.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als vor zwei Jahren – das ist schon eine Weile her – dieser Kompromiss bei der Erhöhung der Rundfunkgebühren um 88 Cent gefunden wurde, gab es schon viele Unkenrufe, das sei jetzt das Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und jetzt gehe das alles den Bach runter. Nun können wir feststellen, dass dies alles nicht eingetreten ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht gefährdet. Wenn man den Prüfungsbericht der Rechnungshöfe über

die wirtschaftliche Lage und die Haushaltsführung des Südwestrundfunks liest, dann sieht man – das muss auch jeder Skeptiker sehen, Frau Kipfer –, dass noch sehr viel Geld im System ist, das sogar nicht immer unbedingt sachgerecht ausgegeben wird.

(Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD – Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir Liberalen werden weiterhin darauf achten, dass sich die Belastungen der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler in Grenzen halten. Wir bescheinigen dem SWR durchaus, wie auch Sie es getan haben, dass er bezüglich der Einsparungen dabei ist, seine Hausaufgaben zu machen. Keine der düsteren Prophezeiungen, die uns gerade von den Grünen und insbesondere von Herrn Kuhn – er ist ja nun bei den anderen Propheten in Berlin – damals an die Wand gemalt wurden, ist eingetreten. Der SWR ist ein guter, ein hervorragender, bei den Hörerinnen und Hörern und bei den Fernsehzuschauern gut ankommender Sender. Das war alles richtig.

Nun zur Verfassungsbeschwerde. Herr Kollege Walter, warum soll der Landtag jetzt versuchen, mit Mehrheit eine Stellungnahme – Sie werden dann wahrscheinlich mit Ihrer Auffassung doch nicht darin vertreten sein – zu dieser Verfassungsbeschwerde abzugeben?

(Vereinzelt Heiterkeit)

Wir sehen dieser Verfassungsbeschwerde der ARD-Anstalten, des ZDF und des Deutschlandradios sehr gelassen entgegen. Ich will noch einmal betonen: Wir Liberalen stehen zum Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Warum soll er jetzt keine abgeben?)

Nein, wir brauchen keine abzugeben.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Warum nicht?)

Das will ich Ihnen gerade sagen. Hören Sie zu!

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Die FDP/DVP-Fraktion steht auch zur Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aber wenn alle öffentlichen Haushalte zum Sparen gezwungen sind, können wir auch von den Rundfunkanstalten Sparbemühungen erwarten.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Die von der großen Koalition getragene Regierung greift den Bürgerinnen und Bürgern schon jetzt so tief in die Taschen, dass wir nicht auch noch die Rundfunkgebühren überproportional steigen lassen können.

(Beifall der Abg. Dr. Ulrich Noll und Dr. Birgit Arnold FDP/DVP)

Was das Programm angeht: Kollege Pauli beklagte ja, dass gerade im Informationsbereich gespart werde. Das ist leider so. Mir wäre es lieber, wenn sich da der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf seinen Auftrag besinnen und lieber eine

Seifenoper weniger und dafür mehr Information senden würde. Aber da will er unbedingt mit den Privaten konkurrieren und spart deswegen vielleicht am falschen Ende.

Aber das ist seine Sache; das geht uns nichts an. Freiheit ist ein hohes Gut, und für Liberale ist die Rundfunkfreiheit ein sehr hohes Gut. Wer etwa die Gebühr zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik einsetzen will, muss mit unserem Widerstand rechnen. Denn das darf man nicht. Das verbietet schon die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 1994. Es hat noch einmal eindrücklich auf Artikel 5 des Grundgesetzes hingewiesen, der für die Festsetzung der Rundfunkgebühr ein Verfahren verlangt, das dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zur Erfüllung seiner Aufgaben im dualen System erforderlichen Mittel gewährleistet und ihn vor Einflussnahmen auf das Programm wirksam sichert.

Wir wissen, dass der Gebührenvorschlag der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten – abgekürzt KEF – die Grundlage für eine Entscheidung der Landesregierungen und der Landesparlamente ist. Aber es ist deshalb auch ganz normal, dass eine Empfehlung der KEF nicht einfach ungeprüft übernommen werden muss. Wir haben das Recht, davon abzuweichen. Das haben wir unter den Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vor dem Hintergrund einer vernünftigen Würdigung der Interessen der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler gemacht. Das war vielleicht das erste Mal, aber es wird hoffentlich nicht das letzte Mal gewesen sein. Daran wird auch die Empörung der versammelten Intendanten und von Herrn Walter nichts ändern.

Die Sender können trotz der niedriger ausgefallenen Gebühr ja mit zusätzlichen Mitteln rechnen. Ab 2007 – Kollege Pauli hat schon darauf hingewiesen – wird die im Rundfunkstaatsvertrag festgelegte Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkgeräte wirksam. Das sind internetfähige PCs, das sind bald vielleicht auch Handys usw. Privathaushalte wird das kaum betreffen. Denn sie haben meistens schon ein Rundfunk- und ein Fernsehgerät, sodass keine weitere Gebühr notwendig wird.

Aber ein Problem sehen wir – wie der Kollege Pauli – für die mittelständische Wirtschaft. Wenn ein Bäcker fünf Filialen hat und dort jeweils ein Computer steht, mit dem er die Bestellungen von der Zentrale regelt, dann sind diese Computer internetfähig, weil das Ganze ja per Mail gemacht wird. Dann würde diese Gebühr fünf Mal anfallen. Dies würde wirklich „sauteuer“.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)