dass es eben nicht zu einem nennenswerten Mittelabfluss kommt. Da stehen wir am Anfang der Diskussion. Ich bitte natürlich alle, sich konstruktiv daran zu beteiligen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dankenswerterweise haben alle Redner hier auch die Einzelauswirkungen bei der Nivellierung bzw. bei dem Mittelabfluss über diesen Fonds aus dem Land Baden-Württemberg gut dargestellt. Lieber Kollege Hoffmann, in der Tat sind die Grundlohnsummen bei uns hoch. Wir werden aber natürlich nur den mittleren Pauschalsatz aus dem Topf bekommen. Das heißt, wir alle – unsere Betriebe, die paritätisch dabei sind, und unsere Versicherten – zahlen schon aufgrund dieser Nivellierung über die Pauschale mehr in diesen Topf ein.
Jetzt kommt das Zweite dazu. Das ist das ganz Schreckliche. Sie wissen, dass wir da dezidiert anderer Meinung sind. Wir sind der Meinung, dass wir einen Risikostrukturausgleich tendenziell eher abbauen als aufbauen müssen, wenn wir Wettbewerb wollen. Wir dürfen vor allem nicht Morbiditätsstrukturen ausgleichen. Aber genau das wird jetzt passieren.
Was heißt denn das? Das heißt zum Beispiel, dass darin steht: „nach Alter, Geschlecht und Gesundheit“. Erstens einmal sind wir in Baden-Württemberg eine jüngere Gesellschaft. Also werden wir schon von daher mehr an die anderen Länder bezahlen müssen – zusätzlich zu dem, was durch die Nivellierung sowieso kommt.
Jetzt zu der Frage: Wie wird denn der Krankheitszustand definiert? Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Er wird durch Kosten pro Patient definiert. Jetzt sage ich einmal: Wir in Baden-Württemberg haben für bestimmte Behandlungen von chronisch Kranken sehr gute, effiziente und auch wirtschaftliche Strukturen – gerade durch einige baden-württembergische Sonderlösungen – gefunden. Wir werden letztendlich bestraft, weil diejenigen, die diese Aufgabe bisher nicht erledigt haben und bei der gleichen Krankheitsdiagnose viel mehr Geld ausgeben – –
Da wird nicht zwingend die Qualität verbessert, sondern da ist einfach die Struktur noch nicht angepasst, weil man zu lange Liegezeiten hat und sich, im Gegensatz zu uns, um einen Bettenabbau gedrückt hat. Da werden wir auch noch einmal verstärkt zur Kasse gebeten. Das heißt, der Abfluss von Geldern der Versicherten und der Betriebe hier im Land potenziert sich, weil die Parität weiter scheinbar aufrechterhalten wird. Damit wird sich der Mittelabfluss aus diesem Land massiv beschleunigen.
Wir wissen, dass wir gerade in diesen Bereichen des Gesundheitswesens inzwischen mehr Menschen beschäftigen, als in der gesamten Automobilindustrie in Baden-Württemberg tätig sind. Das heißt, wir machen hier Arbeitsplätze kaputt, und zwar nicht nur auf einer Seite.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ist es! – Abg. Wolfgang Drex- ler SPD: Herr Kollege, Sie regieren doch in Baden- Württemberg mit! Sie müssen dem doch nicht zu- stimmen! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD – Unruhe)
Ich komme zum nächsten Thema. Liebe Frau Ministerin, der Satz „Der Beitragssatz wird künftig vom Gesetzgeber einheitlich für die Bundesrepublik festgelegt“ ist richtig. Er zeigt wirklich den definitiven Marsch in ein staatliches Gesundheitssystem. Die Selbstverwaltungen sind gerade einmal noch Verwalter, aber keine Gestalter mehr. Wollten wir nicht immer gemeinsam mehr Dezentralität, mehr Subsidiarität und weniger Staatsnähe haben, weil die Staatsnähe immer zu mehr Kosten geführt hat?
Zum Thema Leistungsausweitung: Leistungsausweitung ist wunderbar, aber nicht ohne zusätzliche Finanzierung. Das ist gut, wenn man sagt: „Jetzt dürft ihr oder müsst ihr noch mehr machen“, ohne aufzuzeigen, wie es finanziert werden soll. Es wurde schon gesagt: Ziel jeder dieser Reformen war immer und ist, die Beitragssätze bzw. die Lohnzusatzkosten zu senken. Was macht man als Erstes? Man verordnet eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte, und zwar auch für diejenigen Krankenkassen – solche soll es im Land BadenWürttemberg noch geben –, die glücklicherweise einen Beitragssatz unterhalb des durchschnittlichen Beitragssatzes hatten, weil sie gut gewirtschaftet haben. Das bedeutet hier im Durchschnitt nicht nur eine Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte, sondern um mindestens einen Prozentpunkt, und zwar wieder für die Menschen und für die Betriebe, die Arbeitgeber.
Da kommen sehr viele Punkte zusammen, die in der Summe, wenn das in Kraft tritt, die Menschen wirklich zu einem bösen Erwachen kommen lassen werden.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was macht denn die Landesregierung mit Ihren Argumenten? Was macht denn die Landesregierung? – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sie sind doch in der Regierung, Herr Kollege!)
Die Bürokratiekosten steigen – das habe ich schon gesagt – von 1,3 Milliarden € auf 2,5 Milliarden €. Aber jetzt kommt etwas, was mich ein bisschen optimistisch stimmt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Schauen Sie sich doch nur einmal an, was die Arbeitsverwaltung, die Bundesagentur für Arbeit bei Hartz IV mit der Umstellung rein technisch mit der Informations- und Kommunikationstechnologie für Probleme hatte.
Alle Fachleute sagen uns: Das wird ein Projekt, das es noch zigmal komplizierter macht, und wenn es 2008 umgesetzt wird, werden wir ein Riesenproblem haben, und es könnte gar nicht mehr handhabbar sein. Jetzt könnten wir sagen: „Wir legen die Hände in den Schoß. Das können wir alles vergessen. Die kriegen das eh nicht hin.“ Aber gerade deswegen ist es wichtig, das im Vorfeld zu sagen.
Jetzt vielleicht noch ein paar spezielle Dinge. Wer denkt eigentlich darüber nach, was es bedeutet, dass wir Arbeitgeber vieler Beamter hier im Land sind? Ich spreche dies nur an, weil Sie immer so nett über die Privatversicherung herziehen. Dieses System hat schon durch Alterungsrückstellungen eine Generationennachhaltigkeit implementiert. Was hat es für Auswirkungen, wenn wir die Basis des Zugangs zu diesem System, in dem sich viele unserer Beamten befinden, zunehmend erodieren lassen? Das fängt schon damit an, dass es erst nach drei Jahren eine Möglichkeit des Wechsels geben soll. Auch eine Privatversicherung ist eine Solidargemeinschaft, die natürlich auf ständigen Zugang angewiesen ist. Darüber sollte man einmal nachdenken, und man sollte auch einmal den Beamtenbund fragen, wie er das sieht.
Die nächste Bemerkung betrifft den Rettungsdienst. Das sind die „kleineren“ Themen, die jetzt hinter dem Thema Gesundheitsfonds völlig verschwimmen. Da sagt man zum Beispiel: „Ach, jetzt verordnen wir gerade einmal eine Kürzung um 3 % bei den Fahrtkosten im Krankenkassenbereich!“, ohne darüber nachzudenken, dass gerade wir in Baden-Württemberg, die wir den Rettungsdienst sehr wirtschaftlich organisiert haben – bis an die Grenze der Machbarkeit –, dann wieder bluten müssen, wenn nach der Rasenmähermethode vorgegangen wird. Fragen Sie einmal das DRK und alle anderen Organisationen, die in diesem System arbeiten.
Eine letzte Bemerkung zum Nachdenklichmachen: Gestern Abend hat Herr Landrat Weber, der Vorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, zu mir gesagt: „Bitte, bitte, thematisieren Sie: 1 % Budgetkürzung bei den Krankenhäusern empfinden wir als Tritt in den Hintern“ – so hat er wörtlich gesagt.
Wir kennen die Situation in den Krankenhäusern und die Probleme bei der Umstrukturierung im Rahmen der DRGs ganz genau. Bei der Bevölkerung wird sehr wohl verstanden, dass die Arbeitsbedingungen der Ärzte nicht akzeptabel sind und dass in dieses System ein Stück weit mehr Geld fließen muss. Was macht man? Man verordnet 1 % Budgetkürzung. Das ist wirklich nicht der Weg, mit dem wir in diesem Land nachhaltig und dauerhaft gute Strukturen bekommen können.
Wenn wir dann noch über eine Steuerfinanzierung reden: Es wurde bisher schon beschlossen, zur Finanzierung eine Steuer zu erhöhen. Das ist ja immer ein schönes Spiel: Steuern erhöhen für einen bestimmten Zweck. Kaum ist die Steuer da, sagt man: „Schön, dass es die Steuer gibt, aber diesen Zweck verfolgen wir nicht mehr, sondern das Aufkommen kassiert jetzt der Bundesfinanzminister.“ Wir se
hen es bei der Tabaksteuer: Das wurde versprochen und wieder weggenommen. Nun wird versprochen, „vielleicht“ werde es in der Zukunft eine Finanzierung der Krankheitskosten von Kindern über Steuermittel geben.
Ganz zuletzt sollte man daran denken: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte wird allein wegen der Medikamentenkosten wahrscheinlich eine Beitragssatzsteigerung um 0,8 Prozentpunkte notwendig machen. Auch Krankenhäuser müssen Investitionsgüter kaufen. Dies wird ebenfalls mehr Geld kosten und dem gesamten Gesundheitswesen Geld entziehen.
Angesichts all dieser Aspekte glaube ich, dass in der Debatte Gott sei Dank sehr deutlich geworden ist, dass wir unser Handeln streng an den Interessen des Landes Baden-Württemberg orientieren müssen. Schon den Eckpunkten, den grundsätzlichen Überlegungen zu einer Vereinheitlichung bzw. einem Fonds, der uns Geld kostet, alles nivelliert und die Versorgungsqualität nach unten fährt, können wir definitiv nicht zustimmen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss sich ja schon Sorgen um die Gesundheit von Ulrich Noll machen.
(Heiterkeit – Beifall der Abg. Helmut Walter Rüeck CDU und Michael Theurer FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nein!)
Im ersten Teil habe ich die Kritik an der Gesundheitsreform beschrieben. Ich will aber auch ein paar positive Dinge erwähnen,
Lieber Uli Noll, der Unterschied zwischen unseren Ansichten, die bei der Gesundheitsreform ja gar nicht so weit auseinander liegen, ist: Wir als CDU treten für die soziale Marktwirtschaft ein, während die FDP das Wort „sozial“ weglässt und das Thema Marktwirtschaft darüberstellt. Ich glaube, das ist wichtig zu wissen.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Heiterkeit bei den Grünen – Zurufe: Aha! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Jetzt begreife ich den Unterschied! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber den Leuten Leistungen vorenthalten, das ist dann sozial? – Un- ruhe)
Liebe Frau Mielich, Sie werden Gelegenheit haben, in der zweiten Runde zu antworten. Die Grünen waren sieben Jahre lang in Berlin an der Regierung beteiligt. Ganz am Anfang dieser sieben Jahre gab es eine Andrea Fischer. Wir erinnern uns: Sie hatte eine Halbwertszeit von zwei Jahren. Danach war sie nicht mehr Gesundheitsministerin. Die Grünen haben sich aus der Gesundheitspolitik verabschiedet, fünf Jahre lang Ulla Schmidt betreut, um anschließend zu kritisieren, dass in den letzten sieben Jahren kein gescheiter Gesundheitsreformentwurf gekommen ist. Das ist auch nicht richtig.
Ich nehme für uns in Anspruch, dass wir den Sozialismus im deutschen Gesundheitswesen verhindert haben
Wir brauchen keine beamteten Apotheker und Ärzte, die nach klaren Vorgaben des Staates arbeiten. Wir brauchen in diesem Bereich kreative freiberuflich Tätige und keine Staatsmedizin. Ich glaube, das ist auch in diesem Entwurf drin.