Es kann auch nicht sein, dass wir die Regierung nach all den vorangegangenen Diskussionen verpflichten, wenn es nicht läuft, noch einmal ein Netz und einen doppelten Boden sowie eine Diskussionsschleife einzulegen. Wir sind der Meinung, dass dies jetzt gut konzipiert ist und dass eine Sicherung eingebaut ist. Wir bitten jetzt in zweiter Lesung schlichtweg um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf zu dem Staatsvertrag.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die neue gemeinsame Einrichtung für Hochschulzulassung – Frau Kollegin Kurtz hat sie gerade eben als „neue ZVS“ bezeichnet – ist ein wichtiger Meilenstein, um das derzeitige Zulassungschaos an unseren Hochschulen zu beenden.
Sie bekommt zwei Aufgaben übertragen: Zum einen muss sie das tun, was heute die ZVS macht, und zwar für die Studiengänge, in denen die Studienplätze zentral verteilt werden, und zum anderen hat sie zusätzliche Serviceangebote zu schaffen. Dabei geht es insbesondere um die Koordination der Zulassung in den Studiengängen mit örtlichen Zulassungsbeschränkungen. Ich denke, der Weg, der da eingeschlagen wird, ist richtig. Darüber waren wir uns im Ausschuss alle einig.
Im Ausschuss haben wir noch den konkreten Termin für die Evaluation geändert. Er liegt zum einen früher, zum anderen ist er nicht mehr zeitlich offen, weil er nicht mehr davon abhängt, wann der Staatsvertrag letztlich in Kraft tritt. Wir begrüßen sehr, dass diese Evaluation im Jahr 2014 stattfinden wird, um zu sehen, was erfolgreich ist und was möglicherweise verbessert werden muss.
Positiv ist auch die Berichtszusage der Landesregierung über wichtige Daten wie z. B. die nicht besetzten Studienplätze. Heute sind an einzelnen Studiengängen in unseren Universitäten bis zu 10 % der Studienplätze unbesetzt. Die Zahlen sind bekannt, und man will sie verringern. Dass das Parlament relativ zügig über die Zahlen, die sowieso da sind, informiert wird, ist sicherlich auch wichtig und gut.
Wir können daher der neuen Zulassungsstelle nur viel Erfolg wünschen. Sie hat eine schwierige Aufgabe vor sich. Wir hoffen vor allem, dass die Softwareprobleme, die es in diesem Zusammenhang offensichtlich gibt, auf jeden Fall gelöst werden können, und wir hoffen natürlich auch, dass die Servicestelle im Jahr 2012, wenn wir die doppelten Abiturjahrgänge haben – das ist dann wirklich eine große Aufgabe für diese Servicestelle –, die damit einhergehenden Probleme bewältigen kann. Es gibt dann womöglich Schwierigkeiten.
Wir haben das Programm „Hochschule 2012“ sehr ingenieurwissenschaftlich ausgerichtet. Wir haben die geisteswissenschaftlichen Studiengänge nicht ausgebaut, haben aber auch dort möglicherweise mehr Bewerber. Vor diesem Hintergrund sind Aufgaben der Koordination – möglicherweise auch mit anderen Bundesländern – zu lösen; dies wird auf die neue Einrichtung zukommen.
Etwas verwundert sind wir über den Entschließungsantrag, und zwar insbesondere über den Tenor, der darin angeschlagen wird. Wenn man schon so direkt wieder von der Kündigung dieses Staatsvertrags redet, weiß ich nicht, ob man ihn dann auch wirklich will. Es ist klar, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass man dann, wenn sich ein Verfahren nicht bewährt, später irgendwann die Reißleine ziehen muss und diesen Staatsvertrag möglicherweise kündigt. Bevor man aber so etwas tut, muss man zumindest versuchen, mit unseren Partnern – das sind die anderen 15 Bundesländer – die Probleme auf der Basis des bestehenden Staatsvertrags in den Griff zu bekommen. Erst wenn das nicht gelingt, kann unseres Erachtens eine Kündigung wirklich in Betracht kommen.
Ich möchte auch daran erinnern, dass wir den Staatsvertrag nicht einfach ohne Ersatz kündigen können, da das Grundrecht auf freie Berufswahl nach Artikel 12 des Grundgesetzes zwingend gewahrt bleiben muss – eine Aufgabe, die heute die ZVS erledigt und die nun auf die Länder übertragen wird.
Das Einzige, was in dem neuen Staatsvertrag wirklich freiwillig ist, ist das neue Serviceverfahren. Allerdings frage ich mich, ob es wirklich der richtige Weg ist, den Service gleich ganz abzuschaffen, indem man den Staatsvertrag kündigt. Der vernünftigere Weg scheint mir eher zu sein, den Service zu verbessern, wenn er nicht unseren Vorstellungen entspricht. Gleich mit der Kündigung in der Hand herumzurennen, wie es offenbar insbesondere unser Kollege Bachmann, aber leider vorhin auch Sie, Frau Kurtz, getan haben, wird sicher niemandem helfen, insbesondere nicht den vielen Abiturientinnen
und Abiturienten, die auf einen guten Service bei der Studienplatzwahl angewiesen sind, damit sie auch wirklich den Studienplatz finden, der zu ihnen passt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie in der ersten Lesung schon angekündigt, begrüßt auch die Fraktion GRÜNE die neue ZVS als Serviceeinrichtung, um den Hochschulzugang bundesweit zu erleichtern, zu verbessern und transparenter zu gestalten. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Deswegen werden wir heute dem Staatsvertrag zustimmen.
Wir haben diese Forderung seit 2003 gestellt. Wir waren immer der Auffassung, dass der Hochschulzugang, der ein sehr hohes Gut darstellt – es geht um die freie Berufswahl von Studierenden –, organisiert und geregelt werden muss, dass es im Verfahren Spielregeln geben muss, die dieses hohe Recht absichern. Denn wir haben es mit der Situation zu tun, dass junge Menschen einen Studienplatz suchen. Dabei drängen weit mehr Menschen auf diesen Markt, als Studienplätze vorhanden sind. Wir haben es mit einer Knappheitssituation zu tun. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass ein Höchstmaß an Durchschaubarkeit, an Fairness und Gerechtigkeit gewährleis tet ist.
Wir haben in den letzten Jahren erlebt – seit der Hochschulzugang dezentralisiert wurde –, dass der Zugang nicht geklappt hat. Die Verfahren haben zu Verzögerungen geführt, Studienplätze wurden nicht belegt bzw. zum Teil viel zu spät im Semester belegt, sodass es einen dringenden Korrekturbedarf gibt. Die Konzeption der ZVS-Serviceeinrichtung geht dabei in die richtige Richtung. Deswegen begrüßen wir dies.
Ich möchte auf zwei Punkte eingehen, die ich dennoch für problematisch halte. Der eine ist, dass man das Recht, sich zu bewerben, bei diesem Serviceverfahren auf zwölf Bewerbungen pro Studienanfänger begrenzt. Das klingt nach viel. Sich zwölfmal bewerben zu können scheint eine erkleckliche Anzahl. Doch angesichts der neuen Studiengänge, der vielen „Minibachelors“, die wir jetzt haben – wir haben allein über 900 Bachelorstudienangebote in Baden-Württemberg –, sind zwölf Möglichkeiten, die man hat, um sich zu bewerben, nicht mehr viel. Es ist nicht mehr so wie früher, dass die Studiengänge studentische Massen aufnehmen.
Die Beschränkung der Anzahl der Bewerbungen ist eine Einschränkung der Berufswahlfreiheit. Wir müssen schauen, ob das nicht eine unzumutbare Einschränkung ist.
Zweitens: Die Teilnahme an dem Verfahren ist für die einzelnen Hochschulen freiwillig. Auch das ist problematisch. Es gibt nämlich Verfahren der Koordination und der Vereinbarung, deren Gelingen davon abhängt, dass sich die Einrichtungen daran beteiligen. Es kann also passieren, dass dann, wenn nicht genügend Hochschulen mitmachen, das gesamte Verfahren zusammenbricht, weil die Koordination des Bewerbungsverfahrens – wenn nur ein Drittel der Hochschulen da
ran teilnehmen – zur Farce wird. Die Hochschulen, die teilnehmen, zahlen für das Koordinationsverfahren, und die Hoch schulen, die nicht mitmachen, riskieren, dass das ganze Projekt nicht klappt.
Deswegen ist Freiwilligkeit bei der Teilnahme an diesem Verfahren nicht der richtige Weg. Die Spielregeln und das Verfahren muss man gemeinsam verabreden. Die Ausgestaltung dessen, z. B. die Ausgestaltung des konkreten Zugangsverfahrens, kann gern in der Autonomie der Hochschulen bleiben. Aber die Verfahren müssen aufeinander abgestimmt werden. Denn es kann nicht eine Frage der Freiwilligkeit sein, ob eine Hochschule ihre Studienplätze besetzt. Es kann auch nicht im Ermessen der Hochschulen liegen, ob die Besetzung der Studienplätze im November oder im September erfolgt. Das muss koordiniert, abgestimmt und abgesichert werden.
Deswegen werden wir sehr genau hinsehen, welche Folgen die Freiwilligkeit der Teilnahme hat und ob die Ankündigung des Ministers eintrifft, der gesagt hat, das Angebot sei so attraktiv, dass die Hochschulen schon mitmachen würden.
Eine Bemerkung sei mir zum Schluss noch erlaubt. Wir haben in Bezug auf diese neue Einrichtung den Eindruck, dass die Skeptiker hier im Parlament nicht auf der linken, sondern auf der rechten Seite sitzen. Sie haben sich mit der ZVS sehr lange schwergetan.
Jetzt kommt es sehr verzögert zu diesem Staatsvertrag. Der baden-württembergische Wissenschaftsminister hat noch die Freiwilligkeit in den Vertrag hineinverhandelt.
Wir sind jetzt mit einem Antrag vonseiten der Regierungsfraktionen konfrontiert, der sagt: Falls es aber mit dem neuen Verfahren nicht klappt, dann bitte den Vertrag sofort kündigen. Er sollte vielmehr sagen: Falls es aber nicht klappt, dann sofort verbessern. Das muss doch der Auftrag sein! Wenn das Verfahren nicht funktioniert, dann sind wir alle in der Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass der Hochschulzugang besser, leichter und transparenter wird. Man kann doch nicht einfach hinnehmen, dass man sagt: „Probleme? Dann kündigen wir den Staatsvertrag.“ Und was dann?
Deswegen: Die Ambivalenzen gegenüber dem hier zu beschließenden Gesetz zu dem Staatsvertrag sitzen in diesem Haus auf der rechten Seite. Ich wünsche mir für dieses Haus und für die Studierenden, dass die Serviceeinrichtung den richtigen Rückenwind erhält und alle ihren Beitrag dazu leis ten, damit das verbesserte Zugangsverfahren auch eine Chance auf Erfolg hat.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlässlich der ersten Lesung des Gesetzes zu diesem Staatsvertrag war Kollege Walter so freundlich, aus einer Plenarrede aus meiner An
fangszeit als wissenschaftspolitischer Sprecher meiner Fraktion zu zitieren. Es ist mir eine hohe Ehre, dass schon jetzt aus meinen Werken zitiert wird. Dass gerade Kollege Walter dies tut, erfüllt mich mit großem Stolz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seinerzeit hatte ich erklärt, dass die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, die Kultusministerkonferenz und das Bundesbildungsministerium in das Haus der Geschichte gehörten. Gemeint waren natürlich die Institutionen in ihrer damaligen Ausprägung.
Lassen Sie mich dies mit einem Beispiel klarmachen. Der Wahlkampfzug von Konrad Adenauer steht im Haus der Geschichte. Aber nur, weil dieses Relikt aus längst vergangenen Bundestagswahlkämpfen dort steht, ist die Institution „Bundestagswahl“ noch lange nicht dort gelandet. Das ist ein Umstand, der uns im Augenblick sehr zufrieden macht.
Ähnlich ist es mit dem Bundesbildungsministerium. Es kommt darauf an, was man aus einer Institution macht. Zum Zeitpunkt der damaligen Rede stand ich wohl noch zu sehr unter dem Schock von Edelgard Bulmahn, aber je länger der Wechsel von Bulmahn zu Schavan zurückliegt, umso weniger erkennt man das Bundesbildungsministerium wieder. War früher zentralistische Gleichmacherei das Motto, so ist es heute die Anerkennung exzellenter Arbeit in den Ländern.
Als Baden-Württemberger sollten wir ein Ministerium, das den Bildungsföderalismus nicht mehr infrage stellt, sondern die Exzellenz unserer Universitäten im Ländle würdigt, nicht mehr abschaffen.
Wie sagt man als Wengerter? „Neuer Wein in alten Schläuchen.“ Ähnliches geschieht mit der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen. Sie wird in „Stiftung für Hochschulzulassung“ umbenannt. Damit gibt es einen neuen Schlauch, und der alte wandert ins Haus der Geschichte. Schon das ist etwas wert.
Aber welchen Wein wird es in diesem Schlauch geben? Wir Koalitionsfraktionen setzen darauf, dass in dem neuen Schlauch auch neuer Wein eingelagert wird. Die von der Stiftung geplante bundesweite Koordinierung der Zulassungsverfahren ist auf jeden Fall neuer Wein. Sie ist sinnvoll, denn die bisherigen Zulassungsverfahren – Kollegin Bauer hat es noch einmal erwähnt – hatten gelegentlich zu einigen Verzögerungen geführt.
In Zukunft sollen die Universitäten in Sekundenschnelle online Auskunft darüber erhalten, ob eine Studentin oder ein Student noch auf dem Markt ist oder bereits einen Studienplatz angenommen hat. An diesem System können sich die Universitäten freiwillig beteiligen, und das ist gut so. Den Oppositionsantrag, der die Universitäten zur Teilnahme zwingen woll te, haben wir bereits in der Ausschusssitzung abgelehnt.