Protocol of the Session on March 18, 2009

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das heute zur Novellierung anstehende Bestattungsgesetz ist vor nahezu 39 Jahren in diesem Hohen Haus beschlossen worden. Bei seiner Aktualisierung haben wir uns als oberstes Prinzip die über den Tod hinausgehende Würde eines jeden Menschen als Leitlinie gesetzt. Viele unterschiedliche Erwartungshaltungen sollen Berücksichtigung finden, ohne ein Laisser-faire aufkommen zu lassen.

Die Gesellschaft hat ihre Anschauung im Umgang mit dem Tod verändert. Auch auf die Bestattungsform der Muslime

geht die Novelle ein. So kann zukünftig der Sargdeckel abgenommen und in das Grab gelegt werden, solange keine gesundheitlichen Gefahren zu befürchten sind. Technisch ist dies ohne Mehrkosten möglich.

Im Hinblick auf die Kommerzialisierung durch die Zurschaustellung von Leichen und Leichenteilen haben wir eine neue gesetzliche Regelung eingeführt, wonach öffentliche Leichenöffnungen unzulässig sind, da sie mit der Pietät nicht vereinbar sind.

Nachdem Gedanken über die Bestattung in baden-württembergischen Binnengewässern geäußert wurden, regeln wir klar und unmissverständlich: Seebestattung hat nichts mit Binnenseen zu tun. Auch das Schwäbische Meer ist keine hohe See. Für meine Fraktion kommt es nicht infrage, den größten Trinkwasserspeicher des Landes für Bestattungen freizugeben.

(Beifall bei der CDU)

Neu im Gesetz ist das Bestattungsrecht – keine Bestattungspflicht – für Fehlgeburten. Hierauf müssen die Träger von Einrichtungen – das sind in der Regel Kliniken – mindestens einen Elternteil hinweisen. Falls von den Eltern eine Bestattung nicht gewünscht wird, müssen die Einrichtungen verstorbene Frühgeburten und Ungeborene bzw. Totgeborene unter würdigen Umständen auf ihre Kosten bestatten. Ein Begrabungsrecht auf dem eigenen Grundstück, wie es vorgeschlagen wurde, halten wir für problematisch. Zum einen hat nicht jede Familie ein eigenes Grundstück, zum anderen soll der Friedhof der öffentliche Raum der Trauer sein. Hierin stimmen wir mit den Leitungen der evangelischen und katholischen Kirchen in Baden-Württemberg überein.

Die Städte und Gemeinden weisen zunehmend Felder aus, in denen nicht bestattungspflichtige verstorbene Frühgeburten und Ungeborene bzw. Totgeborene ihre letzte Ruhe finden können. Insofern wird jede Gemeinde geeignete Angebote entwickeln. Die Kosten sind unterschiedlich, z. B. in Rottenburg unter 200 €, in Ettlingen 385 €. Bei Hartz-IV-Empfängern wird – ich kann hier das Beispiel des Landkreises Karlsruhe nennen – ein entsprechender Kostenanteil übernommen, sodass die Frage der Bestattung nicht an der finanziellen Leis tungsfähigkeit der betroffenen Eltern festgemacht wird.

Das Bestattungsrecht ist auch ein Ausdruck der Sensibilität gegenüber Kindern vor ihrer Geburt. Denn es handelt sich um werdende Menschen, auch wenn sie allein noch nicht lebensfähig sind. Darin sehen wir auch keine parteipolitische Frage. Das gilt auch für unsere Ablehnung, die Aufbewahrung von Urnen im häuslichen Bereich zuzulassen, obwohl dies in anderen Ländern anders geregelt ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es für uns keine inhaltliche Verbindung zwischen der Bestattung von verstorbenen Frühgeburten bzw. Totgeburten und der Urnenaufbewahrung außerhalb eines Friedhofs gibt.

Alle anderen Rechtsänderungen sind aufgrund anderer Vorschriften erforderlich.

Die CDU-Landtagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf vollumfänglich zu, dem Änderungsantrag Drucksache 14/4205-2 nicht.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Haußmann das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Novellierung des Bestattungsgesetzes, die wir heute beraten, ist aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion notwendig. Das bisherige Bestattungsgesetz ist in seinen Grundzügen nun schon fast 40 Jahre alt. In diesem Zeitraum waren viele Wertvorstellungen und viele gesellschaftliche Anschauungen über den Umgang mit dem Tod sehr starken Veränderungen, auf die der Gesetzgeber unseres Erachtens auch reagieren muss, unterworfen.

Unsere Gesellschaft ist sehr viel pluraler geworden. Die Antworten auf die Frage, in welchen Formen sich Trauer und der Umgang mit dem Tod vollziehen sollen, fallen heute wesentlich vielfältiger aus als noch vor 40 Jahren. Deshalb begrüßen wir den Gesetzentwurf der Landesregierung grundsätzlich und werden wir diesem Gesetz auch in der Schlussabstimmung unsere Zustimmung erteilen.

Allerdings haben wir als SPD-Fraktion an einigen Stellen kritische Fragen, auf die ich nachher noch eingehen werde. Zuvor will ich auf die Bedeutung des Friedhofs- und Bestattungswesens eingehen.

Wie menschlich eine Gesellschaft ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt sich auch darin, wie sie mit dem Tod und ihren Toten umgeht. Ein Friedhof ist mehr als eine Ansammlung von Grabsteinen. Friedhöfe sind öffentliche Orte des Erinnerns und der Trauer. Die schrecklichen Ereignisse in Winnenden und Wendlingen in der letzten Woche, deren Opfer wir heute Morgen gedacht haben, haben uns vor Augen geführt, dass die Trauer und das Gedenken an Verstorbene nicht nur eine Privatangelegenheit derer sind, die einen lieben Menschen verloren haben, sondern etwas sind, an dem wir alle teilhaben. Man kann den Schmerz von Angehörigen über den Verlust eines lieben Menschen nicht lindern, aber man kann Menschen helfen, diesen Schmerz zu bewältigen, wenn wir ihnen einen Rahmen für diese Trauerarbeit zur Verfügung stellen. An dem öffentlichen Ort Friedhof können die Trauernden auch die Anteilnahme der Gemeinschaft erfahren.

Deshalb ist es richtig, dass die Novellierung des Bestattungsgesetzes an dem Grundsatz festhält, dass das Bestattungswesen eine kommunale Angelegenheit ist. Es ist deshalb nach wie vor richtig, dass die Gemeinden durch das Bestattungsgesetz gesetzlich dazu verpflichtet werden, Friedhöfe anzulegen und auch zu unterhalten.

Lassen Sie mich nun auf einige Aspekte des Gesetzentwurfs eingehen. Die Landesinnung des Bestattungsgewerbes BadenWürttemberg hat in ihrer sehr ausführlichen Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf kritisch angemerkt, dass die Gesetzesänderung in einigen Fällen einen sehr hohen Verwal

tungsaufwand verursachen würde. Tatsächlich hat man an einigen Stellen den Eindruck, dass dieser Gesetzentwurf sehr detailverliebt ist. Man muss sich auch die grundsätzliche Frage stellen, warum das nordrhein-westfälische Bestattungsgesetz mit gerade einmal 20 Paragrafen auskommt und das baden-württembergische Bestattungsgesetz über 50 Paragrafen beinhaltet.

Andererseits verkennen wir als SPD nicht – ich sage das auch ausdrücklich –, dass es beispielweise bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Einäscherung vorgenommen werden kann, Sicherungen bedarf – das ist ganz klar –, weil durch die Einäscherung sämtliche Spuren, die auch nach längerer Zeit auf einen nicht natürlichen Tod hinweisen können, unwiederbringlich beseitigt werden. Solche Sicherungen verursachen selbstverständlich einen Verwaltungsaufwand. Das ist sicher nicht zu leugnen.

Die SPD hält es deshalb für erforderlich, nach einem Jahr bis zwei Jahren eine Zwischenbilanz über die Erfahrungen mit dieser Gesetzesnovelle zu ziehen und gegebenenfalls zu überprüfen, ob im Sinne der Entbürokratisierung Änderungsbedarf besteht.

Fragen wirft auch die Neuregelung der Bestattungspflicht in § 30 dieses Bestattungsgesetzes auf. Es ist sicher dafür Sorge zu tragen, mit Tot- und Fehlgeburten angemessen umzugehen. Ob es jedoch sinnvoll ist, derart detaillierte Vorgaben zu machen, halten wir für fraglich. Uns stellt sich auch die Frage, wie die Informationspflicht der Träger, die ja explizit in diesem Gesetz festgelegt ist, die künftig mindestens ein Elternteil auf eine Bestattungsmöglichkeit hinzuweisen haben, gehandhabt wird. Die Antwort auf diese Frage ist insbesondere deshalb wichtig, weil die Neuregelung Schwangerschaftsabbrüche mit Fehlgeburten gleichstellt. Die schwangere Frau, die sich zu einem Abbruch entschließt – dazu gibt es ja auch eine Stellungnahme von Pro Familia –, hat jedoch das Recht auf Anonymität ihrer Entscheidung gegebenenfalls auch gegenüber dem Partner oder Ehemann, wenn sie dies wünscht. Dies darf keinesfalls dadurch unterlaufen werden, dass der Partner auf dem Umweg der Information über Bestattungsmöglichkeiten über den Abbruch informiert wird.

Auch die mit Blick auf unsere muslimischen Mitbürger vorgenommene Neuregelung des § 39 des Bestattungsgesetzes wirft einige aus unserer Sicht noch nicht befriedigend beantwortete Fragen auf.

Die Landesinnung Bestattungsgewerbe Baden-Württemberg hat in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die vorgesehene Neuregelung, nach der künftig der Deckel des Sargs bei der Bestattung abgenommen und neben dem Sarg in das Grab gelegt werden kann, eine Reihe von praktischen Problemen aufwirft. Das muss man sehr genau beobachten. Auch hier gilt aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion: Wir halten es für erforderlich, nach einem Jahr bis zwei Jahren eine Zwischenbilanz über die Erfahrungen mit dieser Neuregelung zu ziehen und zu überprüfen, ob Änderungsbedarf besteht.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Kretschmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich spreche zu unserem Änderungsantrag bezüglich der Aufhebung der Sargpflicht. In BadenWürttemberg leben inzwischen 600 000 Muslime. Diese Muslime wollen wir integrieren.

Was heißt nun „integrieren“ überhaupt? Integrieren kann man nur Verschiedenes. Und wen wollen wir integrieren? Wir wollen diese Muslime in unsere Gesellschaft integrieren. Das hat zur Voraussetzung, dass sie die deutsche Sprache beherrschen müssen, und ansonsten heißt „Integration“: Sie müssen sich in unsere Verfassungs- und Rechtsordnung integrieren und die Herrschaft der Gesetze anerkennen.

Das heißt aber umgekehrt auch, dass der Gesetzgeber solche Gesetze machen muss, die jeder Bürger guten Willens befolgen kann.

Wir haben in Deutschland die Tradition der Beerdigung in Särgen. Diese Tradition ist in keiner Weise irgendeine christliche Pflicht. Dagegen sieht der religiöse Ritus bei Muslimen eine Beerdigung ohne Sarg vor. Es ist für einen Muslimen ausgeschlossen, jedenfalls im Normalfall, sich im Sarg beerdigen zu lassen, sondern Muslime lassen sich in Leinentüchern in Gräbern beerdigen, in denen ihr Gesicht nach Mekka ausgerichtet wird.

Können wir unsere Traditionen gegen ihre religiösen Pflichten stellen? Ich sage klar: Nein. Warum sollten wir das überhaupt tun? Dafür gibt es doch gar keinen Grund, und dafür sind überhaupt keine Argumente vorgetragen worden.

Diese jetzt vorgesehene Lösung mit dem halben Sarg ist doch eine ganz unsinnige Regelung. Dafür gibt es doch gar keinen Grund. Warum sollen wir die Muslime zwingen, so eine „Halbsarglösung“ zu machen? Warum können wir ihnen nicht ermöglichen, sich nach ihrer Tradition in Leinentüchern beerdigen zu lassen?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dies hat wirklich den Geruch des Schikanösen und zeigt einen fehlenden Respekt vor den Riten anderer Religionen.

Die Folge davon ist: Der überwältigende Teil der Muslime lassen sich nicht hier beerdigen, sondern in das Herkunftsland überführen.

Ich frage mich: Kann sich jemand in einem Land beheimaten, in dem er sich nicht so beerdigen lassen kann, wie es seinem religiösen Ritus entspricht? Ich glaube, das kann er nicht.

Dass wir es den Muslimen noch nicht einmal im Tod, der uns alle gleichmacht, ermöglichen, den Freiheitsrahmen unserer Gesellschaft auszuschöpfen und sich so beerdigen zu lassen, wie es ihrem religiösen Ritus entspricht, ist ein Armutszeugnis. Dass das Gesetz das nicht vorsieht, finde ich einen erheblichen Rückschlag für die Integrationsbemühungen und ein ganz falsches Signal an die Muslime.

Jeder, der sich hier integrieren will, hat die gleichen Rechte und Pflichten, aber er soll auch die Freiheiten haben, wenn er andere Freiheiten nicht beeinträchtigt, und das ist hier ja wohl nicht der Fall.

Ich muss sagen: Ich bin außerordentlich erstaunt und pikiert darüber, dass Sie ein solches Gesetz verabschieden, und das noch mit Zustimmung der Liberalen. Ich kann überhaupt nicht verstehen, was der Sinn dieser Vorschrift sein soll, außer den Muslimen das Signal zu senden: „Ihr gehört irgendwie nicht richtig hierher. Lasst euch doch nach dem Tod in eure Herkunftsländer überführen.“ Diese Menschen können sich hier nur beheimaten, wenn sie sich auch hier beerdigen lassen und wenn sie die Verehrung der Toten, die jede Gesellschaft pflegt, auch in dem Land praktizieren können, in dem sie gelebt haben.

Darum bitte ich Sie, noch einmal darüber nachzudenken und unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch und Reinhold Pix GRÜNE)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Sterben gehört zum Leben wie die Geburt, und zwar für jeden Einzelnen und jede Einzelne. Auch aufgrund der traurigen Aktualität ist, glaube ich, jedem bewusst, dass es hier um viel, viel mehr geht als um technische Details einer Gesetzgebung, sondern dass es um zutiefst emotional besetzte Fragen der Würde des Menschen über seinen Tod hinaus, aber natürlich auch der Selbstbestimmung über seinen Tod hinaus, der Würde des Umgangs mit der Trauer der Angehörigen geht. Es wird – die Kollegin Haußmann hat darauf hingewiesen – nie so deutlich wie an einem solchen Tag, dass es eines Ortes des gemeinsamen öffentlichen Trauerns bedarf. Das steht ja in unserer Kultur im Hintergrund der Regeln, die wir gefunden haben.

Es ist auch klar – ich bitte einfach darum –, dass es bei einem solch ernsten Thema nicht um Parteipolitik gehen kann, sondern dass es darum geht, zu fragen: Wo können wir all diese unterschiedlichen Interessen ein Stück weit auf einen gemeinsamen Nenner bringen? Der hier gefundene gemeinsame Nenner – das sage ich gleich zu Beginn, Herr Kretschmann – scheint den Liberalen nicht befriedigend zu sein.

Deswegen sage ich auch: Ich bin ziemlich sicher, dass wir uns relativ bald wieder damit befassen müssen – in der Erfahrung der Umsetzung, liebe Kollegin Haußmann –, ob wir mit diesen Schritten einer gewissen Erleichterung, einer gewissen Befreiung von bisherigen Zwängen tatsächlich den gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Kulturkreis, aber natürlich auch im Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, die unterschiedlich gewachsene Kulturen des Trauerns und der Bestattung haben, die teilweise – jeder, der sich vertieft damit beschäftigt, weiß das – verschiedene Hintergründe haben – das geht bis hin zu klimatischen Bedingungen, betrifft also die Frage, wann bestattet werden muss –, Rechnung tragen.

Daher glaube ich, dass man Vorschläge, wie sie der Kollege Wetzel gemacht hat, nicht als lächerlich oder emotional falsch darstellen sollte. Vielmehr halte ich es für richtig und wichtig, dass man sich in aller Tiefe überlegt, wo man einen gemeinsamen Nenner finden kann.

Ich beginne bei dem Thema der Beerdigung von Muslimen, die ja aus religiöser Überzeugung, von ihrem Kulturkreis geprägt, eine Bestattung mit Blick nach Mekka wünschen. Eine solche Bestattung, Herr Kollege Kretschmann, ist möglich. Dazu machen wir keine gesetzlichen Vorgaben. Aber wir geben den kommunal Verantwortlichen, die den Friedhof anzulegen und zu betreiben haben, schon heute die Möglichkeit, ein muslimisches Gräberfeld anzulegen, wo genau diese Aspekte berücksichtigt werden. Ich fordere alle, die auf kommunaler Ebene Verantwortung tragen, auf, zu überprüfen, ob das in ihrer Kommune tatsächlich ein Anliegen ist, dem man nachkommen kann – was das Gesetz nicht verbietet.