Notwendig ist eine individuelle Förderung. Wir brauchen mehr Unterstützung; wir brauchen eine andere Lernkultur.
Alle Schülerinnen und Schüler brauchen mehr praktische Berufsorientierung, nicht nur Hauptschüler oder Werkrealschüler, sondern auch Realschüler und Gymnasiasten.
Meine Damen und Herren, Sachsen hat es uns vorgemacht. Dort gibt es kleinere Klassen. Dort haben wir auch motivierte Lehrkräfte.
Die Zweigliedrigkeit ist ein Erfolgskonzept. Ich frage mich: Wie muss es dann erst werden, wenn wir eine Schule für alle haben? Dann werden wir noch erfolgreicher sein.
Wir wissen doch aus unseren Schulbesuchen – Herr Schebes ta, Sie waren doch beispielsweise in Schleswig-Holstein, in Kisdorf, genauso dabei –, dass Schulen, die einen integrativen Stil haben, wesentlich erfolgreicher sind und dies erwiesenermaßen belegt haben. Zehn Bundesländer haben inzwischen die Hauptschule abgeschafft.
Meine Damen und Herren, es stellt sich die Frage: Herr Rau, sind Sie nun der Totengräber der einzügigen Hauptschulen, oder sind Sie ein Etikettenschwindler? Ich komme zu dem Ergebnis: Sie sind beides.
(Unruhe bei der CDU – Abg. Ulrich Lusche CDU: Sprechblasen, sonst nichts! – Abg. Helmut Walter Rü- eck CDU: Setzen, Sechs! – Abg. Dr. Friedrich Bullin- ger FDP/DVP: Sie als Miesmacher sind der Toten- gräber!)
Deswegen sage ich Ihnen klipp und klar: Tun Sie endlich unseren Kindern etwas Gutes. Lassen Sie unsere Kinder endlich gemeinsam lernen, und lassen Sie den Schulen und den Schulträgern, die diesen Weg beschreiten wollen, endlich die Möglichkeit, das zu tun!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Eine Aktuelle Debatte wird ja von Fraktionen beantragt, weil sich die Fraktionen etwas von dieser Debatte versprechen. Dass sich Grüne und SPD heute Morgen von einer Aktuellen Debatte über das Thema Werkrealschule etwas versprechen, liegt an der Pressekonferenz von Herrn Dr. Noll und Ihnen, Frau Dr. Arnold, in der letzten Woche.
Auch Sie werden nicht so viel Sand in das Getriebe der Regierungsarbeit streuen, dass diese nicht erfolgreich gestaltet wird.
Sie trauen sich abschließende Bewertungen, so wie Sie sie hier vorgetragen haben, auf der Grundlage von halbgaren Veröffentlichungen zu. Das ist ein wackliges Fundament.
(Abg. Ingo Rust SPD: Das sind Erfahrungen mit der Regierung! – Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)
Das zeigt sich auch darin, dass Sie in ein und derselben Rede zum Teil unterschiedliche Richtungen einschlagen. Zum einen lautet der Vorwurf oder die Feststellung – wie auch immer –, die Hauptschule werde abgeschafft, und auf der anderen Seite lautet die Aussage: Es ändert sich ja gar nichts. Dass das alles wacklig ist und dass es nicht auf der Grundlage eines tatsächlich vorgetragenen Konzepts beruht, wird daraus offensichtlich.
Wir setzen mit der Entwicklung des Konzepts einer neuen Werkrealschule die Ankündigung der Qualitätsoffensive Bildung vom letzten Sommer um, in der schon die Perspektive für zweizügige Hauptschulen in Richtung einer Werkrealschule aufgezeigt wurde. Wir schaffen die Hauptschule nicht ab, sondern wir geben den Hauptschulen die Möglichkeit, sich zu Werkrealschulen weiterzuentwickeln. Wir bilden keine Mittelschule wie Sachsen. Wir beziehen die Realschulen nicht mit ein. Deshalb ist dies eine Weiterentwicklung der Schulart Hauptschule; Hauptschule und Realschule arbeiten erfolgreich, mit unterschiedlicher öffentlicher Anerkennung.
Meine beiden Vorredner haben Sachsen angesprochen. Vor einiger Zeit habe ich an einer Veranstaltung teilgenommen, bei der, kurz nach der Veröffentlichung von PISA-E, der frühere Kultusminister und heutige sächsische Fraktionsvorsitzende Flath das Renommee von Sachsen – ich will es einmal so nennen – ausgeschlachtet hat, und das mit gutem Recht. Wären Sie dabei gewesen, so wäre es für Sie enttäuschend gewesen. Denn er hat deutlich gemacht, dass der Ausgangspunkt in Sachsen überhaupt keine pädagogische Überlegung zu der Frage, wie Schularten strukturiert sein sollen, gewesen ist, sondern dass Ausgangspunkt eine Entwicklung der Schülerzahlen war, die ganz anders als in Baden-Württemberg verläuft. Die Schülerzahlen in Sachsen waren um bis zu 50 % rückläufig, und zwar innerhalb kürzerer Zeit und nicht nur in einer Schulart.
Das also war der Ausgangspunkt. Flath hat von sich aus angesprochen, dass er natürlich um den Unterschied in der Schülerschaft weiß, dass nämlich in Sachsen die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund nur ein Zehntel der baden-würt tembergischen Zahl beträgt.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger und Heiderose Berroth FDP/ DVP: Das ist der Punkt!)
Wenn Sie sagen, es werde nichts anderes auf den Weg gebracht, so kann dies nur auf dem wackligen Fundament halbgarer Informationen gesagt werden.
Was ist bisher Werkrealschule? Fünf Stunden Zusatzunterricht in den Klassen 8 und 9 und eine zehnte Klasse an einer Hauptschule. Dabei ist nicht mit einbezogen, was z. B. den Weg einer zweijährigen Berufsfachschule erfolgreich macht: berufliche Grundbildung, Orientierung an groben beruflichen Kategorien wie z. B. „gewerblich“ oder „kaufmännisch“. Dies werden wir in das neue Konzept der Werkrealschule mit einbeziehen. Vor allem aber ist dies nicht dasselbe wie bisher, weil von Klasse 5 an in einer Schulart von vornherein mit Förderangeboten entsprechend dem Lernstand und dem Bedarf der Schülerinnen und Schüler auf zwei Abschlüsse, nämlich den Hauptschulabschluss und einen mittleren Bildungsabschluss, vorbereitet wird.
Damit wollen wir diese Wege an einer Schule offenhalten, wie sie bisher schon über berufliche Schulen offen sind. Wir wollen den Eltern deutlich machen, dass schon bisher 50 % der Hauptschüler einen mittleren Bildungsabschluss machen, aber die Grundschulempfehlung eben genau deshalb nicht eine Prognose über den Abschluss ist, den ein Schüler machen wird, sondern eine Prognose über das richtige Lernumfeld, um einen möglichst hohen Abschluss zu erreichen. Das wollen wir auch mit dem Namen „Werkrealschule“ deutlich machen, nämlich als deutlichen Hinweis, dass auf diesem Weg der mittlere Bildungsabschluss möglich ist.
Herr Zeller, Sie haben es auch in Ihrer heutigen Rede angesprochen, und wir waren uns in der Vergangenheit bei all den Reden über unterschiedliche Positionen in der Frage der Schulstruktur doch in folgendem Punkt einig: Wir wollen mehr individuelle Förderung. Wir sagen „noch mehr“, Sie sagen es ohne „noch“ – ist ja egal. Die Konsequenz eines durchgängigen Konzepts von Werkrealschule wird sein, dass wir eben keine Aufteilung in fünf Stunden Praxiszug hier und fünf Stunden Vorbereitung auf die zehnte Klasse und den Werkrealschulabschluss dort haben.
Vielmehr formulieren wir damit deutlich die Erwartung an die Schulen, im Klassenverband – mit welcher äußeren oder inneren Differenzierung auch immer – dem jeweiligen Förderbedarf zu entsprechen, also den Weg zu noch mehr individueller Förderung aufzumachen. Dies sollten Sie auch einmal anerkennen.
Aber ich habe inzwischen bei Ihnen die Hoffnung aufgegeben, dass Sie über den langen Schatten springen können, den Ihre erfolglose Konfrontation mit der Bildungspolitik von Annette Schavan und Helmut Rau wirft.
Land und Kommunen sind zwei wesentliche Partner derer, die für Schule und damit für die gute Schulbildung unserer Kinder verantwortlich sind. Schulträger von Hauptschulen brauchen angesichts des Rückgangs der Schülerzahlen eine Perspektive für Standortentscheidungen, die auch dem pädagogischen Anspruch gerecht werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Werkrealschule diese Perspektive sein kann. Erste Prämissen stehen. Gestalten wir das jetzt gemeinsam aus! Ich lade für die CDU-Landtagsfraktion im weiteren Prozess der Konkretisierung alle – von den Kommunen über die
kommunalen Landesverbände als unsere Partner, alle am Schulleben Beteiligten und auch Sie von der Opposition – ein: Gestalten wir die Werkrealschule so, dass sie eine gute Lösung ist für eine gute Schulbildung der Kinder, für einen gelungenen Übergang in den Beruf und für Standortentscheidungen, die dies ermöglichen.
(Abg. Peter Hofelich SPD: Jetzt aber! – Zuruf von der SPD: Jetzt kommt Sand ins Getriebe! Jetzt bröckelt’s!)
Sehr verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Zeller, hören Sie mir endlich mit Schleswig-Holstein auf. Wir haben es schon hundertmal gesagt: Die Bildungspolitik in diesem Land war eine rein politische Entscheidung. Wenn Sie sich einmal etwas näher darüber informieren würden,
wüssten Sie: Die Lehrer sind dort nicht richtig darauf vorbereitet, das Ganze ist völlig unterfinanziert, und es gibt auch keine gescheiten Curricula für das, was dort läuft. Nein danke, das wollen wir in unserem Land nicht.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Jörg Döpper CDU: Prima! – Abg. Norbert Zeller SPD: Ab- soluter Quatsch!)