Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon richtig, wenn man fragt: Wo nimmst du die 600 Millionen € her, so du denn auf Erbschaftsteuer verzichten möchtest? Diese Frage ist schon richtig, wiewohl man ungeachtet dieser Frage der Haushaltsabdeckung bei der Erbschaftsteuer natürlich zu Recht die Grundsatzfrage stellt.
Unbestritten ist, dass sie die Voraussetzungen einer Steuer erfüllt. Eine Steuer soll die Aufgabenlast des Staates auf die Schultern, je nach Stärke dieser Schultern, verteilen. Das ist der Grundsatz, den man immer wieder beachten muss, wenn man über Steuern diskutiert.
Die Ausgangssituation ist die – das muss man auch immer wieder in Erinnerung rufen –: Es gab immer schon eine Erbschaftsteuer; sie wird jetzt nicht neu erfunden. Aber die Auflage des Bundesverfassungsgerichts, die Verkehrswerte zugrunde zu legen, erfordert jetzt Handlung. Wenn ich die Steuer erhebe und dabei an die Verkehrswerte gebunden bin, dann ist die Frage, wie ich im Interesse der Betroffenen sogenannte Verschonungsregeln einbauen kann, die dann auch noch verfassungsgemäß sein müssen.
Ich will eines vorweg sagen: Die Freistellung von 85 % des Betriebsvermögens ist jetzt der erste Schritt dieser Verschonung. Die 15 %, die übrig bleiben, sind sicherlich schon der erste Diskussionsgegenstand. Wie stark werden die Werte ansteigen? Wir haben sehr viele Fälle durchgerechnet. Die Mutmaßung, dass daraus ein Fünffaches wird, ist falsch. Da wird etwas an die Wand gemalt, was nach aller Voraussicht und nach dem, was man an bisherigen Fällen berechnet und zugrunde gelegt hat, so nicht eintreffen wird. In den allermeis ten Fällen wird es eine Verdoppelung geben.
Das Zweite: Wir müssen alle Angst von denen wegnehmen, die kleingewerblich tätig sind. Denn wenn sie bisher einen Freibetrag von 225 000 € hatten und jetzt einen Freibetrag von 150 000 € haben, dann muss man berücksichtigen, dass überhaupt nur eine Besteuerung von 15 % ansteht. Bei einem Betriebsvermögen von 1 Million € sind 15 % 150 000 €. Das heißt kurzum: Ein Betriebsvermögen wird bis zu einem Betrag von 1 Million € deshalb völlig steuerfrei sein.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber 1 Million Betriebsvermögen ist ein Zweimannbetrieb! Machen Sie sich das einmal klar! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)
Ich glaube, das ist ganz wichtig. Ich will jetzt die Zahlen nicht rechtfertigen. Ich will nur sagen, dass man damit vielen, vielen die Angst nehmen kann, deren Blick auf ein Grundvermögen von 1 Million € gerichtet ist.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Es geht nicht nur ums Grundvermögen! Es geht auch ums Betriebsver- mögen!)
Ums Betriebsvermögen, ja. Also der, der ein Betriebsvermögen bis zu 1 Million € hat, ist schon einmal steuerbefreit.
Frau Berroth, es ist ja nur ein Vorsatz. Ich trage Ihnen im Moment nur vor, dass für 1 Million € Betriebsvermögen Steuerfreiheit besteht. Das kann jeder jetzt einmal zur Kenntnis nehmen und auf seinen eigenen Betrieb herunterrechnen, was bei ihm schon einmal freigestellt ist. Es geht darum, dass man jetzt nicht nur Angst und Panik verbreitet, sondern sich entlang der Fakten orientiert. Nur darum geht es.
Ich würde erst einmal zu Ende vortragen, Herr Kluck, dann bin ich begeistert, wenn wir uns nachher noch ein bisschen auseinandersetzen können.
Das andere ist das, was man insgesamt an Verbesserungsvorschlägen im Bundesrat eingebracht hat. Sie kennen das, was Baden-Württemberg will, also eine Reduzierung der Behaltefrist. Mit Ihrer Aussage, Kollege Wetzel, das Fallbeil dürfe nicht heruntersausen, haben Sie absolut recht. Das wird mit Sicherheit im Endergebnis nicht so werden, wie es im ersten Ansatz drinsteht.
Ich habe gestern mit dem Kollegen Deubel, einem echten Finanzexperten, reden können. Er ist ja in dieser kleinen Kommission vertreten. Sicherlich gibt es auch noch die Möglichkeit, dass man bei der Frage, was Betriebsvermögen ist und wie es weitergeht, unterscheidet, ob der Erbfall eine Privatentnahme wird oder ob tatsächlich der Betrieb weitergeführt wird. Zur betrieblichen Fortführung können unter Umständen auch neu gegliederte Betriebsformen gehören. Es wäre ein Fortschritt, wenn auch der Tatbestand akzeptiert wird, dass Betriebsteile weitergeführt werden.
Dann wird sicherlich noch die Handhabung für den Fall geklärt werden können, dass dem betreffenden Betrieb ein Familienvertrag zugrunde liegt. Auch das ist dann eine Form, die sicherlich die entsprechende Freistellung erfährt.
Kurzum: Änderungen bei Verschonungsabschlag und Freibetrag sind eingebracht. Ich gehe davon aus, dass wir am 6., 7. Oktober wissen, was endgültig in den Bundesrat kommt. Dann wird die Landesregierung zu diesem Ganzen im Lichte dessen, was unsere Anträge waren, zu einer abschließenden Entscheidung kommen.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass man für 1 Million € zwei Agrargenossenschaften in Mecklenburg-Vorpommern kaufen kann, aber in Stuttgart nicht einmal ein Einfamilienhaus in Halbhöhenlage, und dass eine einheitliche Bewertung und ein einheitlicher Freibetrag dadurch völlig ungerecht sind für die Menschen in Süddeutschland, da dies für sie wertvernichtend wirken würde?
Herr Kluck, ich nehme das gern so zur Kenntnis. Ich gestehe aber, dass ich mich noch wenig um eine Immobilie in Mecklenburg-Vorpommern gekümmert habe.
welchen Betrag wir reden: Das bundesweite Erbschaftsteueraufkommen beträgt etwa 15 % des Bundesanteils an der Bürgschaft für die Hypo Real Estate.
Jetzt möchte ich aber auf die Gefahr hinweisen – und da muss ich sagen: das ist kein Schlechtreden und kein Angstmachen, sondern das ist sehr, sehr realistisch –, dass auf unsere Familienbetriebe hier in Baden-Württemberg, egal ob gewerblich oder landwirtschaftlich, ein Riesenproblem zukommt.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ist es! Darum geht es und nicht um ir- gendwelche Neiddebatten!)
Herr Finanzminister, ich prophezeie Ihnen auch: Spätestens Mitte des nächsten Jahres werden Sie bei uns vor der Tür stehen und sagen: Ich brauche soundso viele Finanzbeamte mehr, weil diese Neuregelung so, wie sie jetzt geplant ist – selbst wenn sie nachgebessert wird –, einen solchen Aufwand bei der Festsetzung macht, dass es mit der bisherigen Finanzverwaltung nicht zu leisten sein wird.
Deswegen wollen wir Sie daran erinnern: Noch im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart, dass die Vererbung von Unternehmen ganz von der Steuer freigestellt werden soll, wenn sie zehn Jahre weitergeführt werden. In der Frühphase hat man davon geredet, dass sie zunächst freigestellt werden und dass dann jedes Jahr 10 % der Steuerschuld erlassen werden, sodass sie definitiv, wenn der Betrieb zehn Jahre weitergeführt wird, nichts zu bezahlen haben. Jetzt soll auf jeden Fall etwas versteuert werden, und das soll auch gleich bezahlt werden.
Ich habe vorhin versucht, es klarzumachen: Diese ominöse Zahl von 1 Million € an Betriebsvermögen wird – schauen Sie doch einmal in Bilanzen – häufig bereits in einem Zwei- bis Dreimannbetrieb und nicht erst in einem normalen mittelständischen Betrieb in Baden-Württemberg erreicht.
Dann wird gesagt, es solle eine aufkommensneutrale Regelung geben. Sehr geehrte Damen und Herren, es handelt sich – deswegen war die Frage des Kollegen Kluck völlig berechtigt – um Aufkommensneutralität innerhalb ganz Deutschlands. Das würde aber bedeuten, dass es in Baden-Württemberg, wo wir die hohen Immobilienpreise haben, zu gewaltigen Mehreinnahmen kommen wird.
Da könnte man grundsätzlich sagen, das ist okay. Wenn es aber zum Tod von Betrieben und zum Verlust von Arbeitsplätzen führt, dann ist die Rechnung ganz schnell in die Hose gegangen.
Herr Dr. Prewo, wenn Sie etwas geerbt haben, wofür Sie nichts getan haben, dann mag das in Ihrem Fall so gewesen sein. Ich kenne viele Familienbetriebe. Ich weiß, dass die allermeisten Familienbetriebe deswegen so heißen, weil alle Familienangehörigen mitarbeiten,
Wir reden davon, dass Söhne und Töchter den Wert mit erarbeitet haben. Es ist auch eine Frage des Respekts vor dem Alter, dass man die Eltern so lange in ihrem Besitz belässt und sich nicht hineindrängt.