Wir wollen aber noch ein paar andere Dinge ansprechen, nämlich z. B. die Frage, was das alles mit Marktwirtschaft zu tun hat.
Was wir durch eine Abschaffung der Erbschaftsteuer an Fehlentscheidungen am Markt herbeiführen würden, will ich Ihnen nachher gern erläutern.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich entschieden, dass die alten Regelungen zur Erbschaftsteuer verfassungswidrig seien.
Die Regierung, die Große Koalition, ist aufgefordert, bis zum 31. Dezember dieses Jahres eine verfassungskonforme Gesetzeslage herzustellen.
Wenn die Erbschaftsteuer fällt, was offensichtlich Ihr Ziel ist, Herr Dr. Wetzel, dann verliert das Land Baden-Württemberg 700 Millionen € pro Jahr.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Stimmt nicht! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP – Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE zur FDP/ DVP: Steuern sind bei Ihnen ja Diebstahl!)
Dann können Sie gemeinsam mit Herrn Oettinger die Bildungsoffensive vergessen. Dann können Sie die Nullneuverschuldung vergessen. Wir müssen sowieso aufpassen, denn auch die Finanzmarktkrise wird unseren Haushalt noch Geld kosten. Wenn Sie die Erbschaftsteuer also abschaffen wollen, dann sagen Sie auch, wo Sie 700 Millionen € einsparen wollen.
Aber, Herr Dr. Wetzel, ich bin mit Ihnen natürlich auch einig: Die bisherigen Entwürfe, die die Große Koalition vorgelegt hat, sind eine Katastrophe. Sie sind sehr kompliziert.
Sie stoßen bei der Wirtschaft natürlich auf große Skepsis. Eigentlich muss man sagen: ein Bürokratiemonster.
Am 2. September gab es einen weiteren Gesetzentwurf: „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens“. Er hat auch schon wieder 50 Seiten.
Auf jeden Fall behaupte ich, mit diesem Entwurf zur Erbschaftsteuer und zur Schenkungsteuer, den die Bundesregierung vorgelegt hat, haben CDU/CSU und auch die SPD ihr Recht verwirkt, über Bürokratieabbau jemals wieder zu reden.
(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Dr. Fried- rich Bullinger FDP/DVP: Richtig! – Abg. Reinhold Gall SPD: Jetzt sagen Sie einmal, was Sie inhaltlich bei diesem Thema vorschlagen würden!)
Das kommt noch. – Ich möchte noch ein schönes Zitat von DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun bringen. Er hat gesagt: „Sie haben bei der Erbschaftsteuer alles falsch gemacht.“ Das ist eine Aussage des, sagen wir einmal, führenden Mittelständlers dieser Republik, die für Ihre Regierung schlimmer eigentlich gar nicht sein könnte.
Aber wir sind dankbar dafür, dass die Frau Bundeskanzlerin an dem Reformmodell jetzt etwas verändern möchte. Wir begrüßen das sehr. Aber sie hat noch nicht so richtig gesagt, was sie eigentlich ändern möchte. Die Landesregierung möchte auch etwas ändern, aber so richtig habe ich noch nicht erfahren, auch nicht vom Kollegen Herrmann, was sie eigentlich ändern möchte.
Zu diesem Entwurf habe ich von Herrn Dr. Wetzel das Urteil „Murks“ gehört; dem schließe ich mich an. Was auf dem Tisch liegt, ist Murks, und wir werfen es am besten in den Reißwolf.
Aus meiner Sicht muss man ein klares Konzept machen, ein Konzept, das einfach ist und das den Belangen des Mittelstands und der Familienbetriebe gerecht wird. Es muss insgesamt gerecht sein. Es muss aufkommensneutral sein. Vor allem darf es die Lage nicht noch weiter verkomplizieren.
Ich habe mir vor dieser Debatte einige Gedanken gemacht. Leider haben wir das in unserer Fraktion noch nicht abschließend besprochen.
(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Das merkt man! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist ja dann hochinte- ressant!)
Ich persönlich schlage Ihnen einen Steuersatz von 5 % für alle Erben vor, egal, ob der Erbe zur Familie gehört und welcher Verwandtschaftsgrad besteht. Wir schlagen einen Freibetrag von 250 000 € pro Nachlass und die Bewertung der ganzen Erbmasse nach Verkehrswerten vor. Durch die Höhe des Freibetrags wird so wie bisher der überwiegende Teil der Erbschaften steuerfrei gestellt.
Aber wir verkomplizieren die Unternehmensnachfolge nicht. Ich glaube, bei den momentanen Stundungsmöglichkeiten
Wie gesagt, Sie sind uns mit der heutigen Debatte etwas zuvorgekommen. Wir von den Grünen laden Sie zu einer Anhörung am 15. Oktober ein. Wir haben einige Experten dazu eingeladen.
Das kurz vorgestellte Konzept finde ich ganz gut. Aber ich stehe Verbesserungen aufgeschlossen gegenüber. Das Bessere ist der Feind des Guten. Sie sind alle herzlich eingeladen, sich am Diskussionsprozess zu beteiligen. Wir müssen eines sehen: Wir alle hier in diesem Haus sollten großes Interesse daran haben, dass wir noch in diesem Jahr ein gesetzesreifes Konzept durchbringen. Denn ansonsten fehlen uns, wie gesagt, 700 Millionen €.
Herr Kollege Schlachter, ist Ihnen bekannt, dass die Grünen bei ihrem letzten Bundesparteitag im November 2007 beschlossen haben, das Erbschaftsteueraufkommen insgesamt von 4 auf 8 Milliarden € zu erhöhen? Ihre Worte haben sich jetzt ganz anders angehört. Können Sie dem Beschluss des Bundesparteitags der Grünen zustimmen?
Ich habe von diesem Parteitagsbeschluss natürlich Kenntnis, aber ich habe in meinem letzten Satz ausgeführt: Das Bessere ist der Feind des Guten.
Wir entwickeln uns immer weiter. Sich heute Gedanken machen über das Leben von morgen – grüne Maxime.