Das sehe ich hier schon gefährdet. Denn man muss Folgendes sehen: Bei dem Aufkommen, das wir zurzeit haben – es sind bundesweit etwa 4 Milliarden €, und dieser Betrag wird sich aufgrund dieses Vorschlags nicht sehr verändern –, zahlt die Wirtschaft gerade einmal knapp 500 Millionen €.
Wenn man jetzt sieht, dass die Hauptsteuern, die Einkommensteuer und die Mehrwertsteuer, jeweils ca. 150 Milliarden € ausmachen, dann können Sie uns doch nicht weismachen wollen,
dass es für die Wirtschaft in Deutschland irgendwie relevant wäre, dass sie über die Erbschaftsteuer mit einem Aufkommen von nur 500 Millionen € belastet wird.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Für einzelne klei- ne Betriebe ist das sehr wohl relevant! Für die großen nicht, aber für die kleinen! – Gegenruf des Abg. Wolf- gang Drexler SPD: Wenn der Betrieb klein ist, kommt er doch gar nicht in die Besteuerung!)
Deswegen schlagen wir vor, in Richtung Stundung zu gehen. Die Erbschaftsteuer ist eine Substanzsteuer. Wir wollen nicht, dass Betriebe, die sich möglicherweise in einer Krise befinden, in Schwierigkeiten kommen,
weil sie nicht über die erforderliche Liquidität verfügen. Wir wollen also, dass man bei Schwierigkeiten die Steuern stundet. Deswegen ist es richtig, dass wir eine großzügige Stundungsregelung vorsehen. Aber die Vorstellung, wir könnten angesichts der Aufgaben, die wir haben – ich nenne hier nur die Kinderbetreuung; Sie haben selbst gesagt, Herr Noll, dass der Betrag von 100 Millionen €, den wir hierfür brauchen, nur schwer zu erbringen ist –, auf diese Steuereinnahmen verzichten, ist falsch. Wir brauchen diese Einnahmen für Infrastrukturmaßnahmen, für Bildung und Kinderbetreuung. Das ist der richtige Weg.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Diskussion hat ja zwei Facetten. Auf der einen Seite gibt es den Referentenentwurf zum Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht, und auf der anderen Seite steht die Frage der Übertragung von Zuständigkeiten auf die Länder.
Ich darf vielleicht zum ersten Punkt noch einige Sätze sagen. Sie wissen ja, dass ich selbst auch an den Sitzungen der Arbeitsgruppe teilgenommen habe, die diese Eckwerte festgelegt hat. Ich muss sagen: Ich stehe dazu. Ich selbst stehe dazu, und alle anderen, die in dieser Arbeitsgruppe mitgewirkt haben, stehen auch dazu.
Ich muss jetzt doch einmal einiges zur Erläuterung anführen. Wir haben ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig festgehalten, dass es nicht angeht, dass die verschiedenen Vermögensarten so unterschiedlich besteuert werden. Insbesondere ist festgestellt worden, dass das Betriebsvermögen weit unter seinem Verkehrswert und dass auch das Immobilienvermögen unter dem Verkehrswert besteuert wird. Das Bundesverfassungsgericht hat verlangt, den gemeinen Wert anzusetzen. Vorhin ist einmal gesagt worden, man wisse nicht, was das eigentlich sei. Diese Frage muss ich an das Bundesverfassungsgericht zurückgeben, denn dieser Begriff steht in dem entsprechenden Urteil. Jedenfalls hat das Bundesverfassungsgericht diesen Ansatz verlangt.
Es hat aber auch noch etwas anderes gesagt. Die Richter sagten, es könne Vermögensverschonungen geben, und zwar
dann, wenn eine Vermögensart in ihrer Nutzung dem Gemeinwohl diene. Es geht also nicht so sehr darum, den Erben zu verschonen, sondern es müssen die Zwecke des Gemeinwohls besonders im Vordergrund stehen. Da hat man eben beim Betriebsvermögen in erster Linie an die Arbeitsplätze und beim Immobilienvermögen an die Wohnungen gedacht.
Wir müssen aber eines sehen: Bisher haben die Erben der kleineren bis mittelgroßen Vermögen – die Erben der ganz kleinen Vermögen haben nichts bezahlt – die Zeche bezahlt. Wenn man z. B. ein Sparbuch vererbt hat, wenn man Aktien oder festverzinsliche Wertpapiere vererbt hat, so, wie das bei mittleren Vermögen häufig der Fall ist, dann sind die voll zum jeweiligen Kurswert angesetzt worden. Das ist sogar so weit gegangen: Wenn jemand im Frühjahr des Jahres 2000 gestorben ist und Aktien vererbt hat, dann konnte im Spätjahr 2003, wenn der Steuerbescheid gekommen ist, aus den Aktien nicht einmal mehr die Erbschaftsteuer bezahlt werden, weil tatsächlich der Tageskurs angesetzt wird.
Ja. – Es ist in der Tat so: Am stärksten belastet war das sons tige Vermögen, das üblicherweise zu den mittleren Vermögen zählt. Die ganz großen Vermögen – das wissen wir doch alle – sind doch in aller Regel in den Unternehmen. Machen wir uns nichts vor: Da ist nur ein relativ geringer Teil angesetzt worden.
Aber ich sage noch einmal: Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich Verschonungsregelungen ermöglicht.
Nun haben die beiden Regierungsfraktionen in Berlin erklärt, dass sie sowohl das Betriebsvermögen verschonen wollen als auch auf der anderen Seite das bisherige Steueraufkommen von 4 Milliarden € halten wollen. Die ganze Reform sollte aufkommensneutral sein. Jetzt muss ich natürlich sagen: Wenn der gleiche Betrag herauskommen soll – das haben sowohl die CDU als auch die SPD getragen; ich sage das, damit hier kein falscher Zungenschlag hereinkommt: das haben alle gesagt –, dann muss, wenn einer weniger bezahlt, ein anderer mehr bezahlen.
Nun sage ich noch einiges – da bin ich auch einmal falsch in der Zeitung zitiert worden – zum Mehraufkommen. Das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer wird steigen,
aber nicht wegen der gesetzlichen Regelungen, sondern weil mehr vererbt wird. Das Aufkommen ist in den letzten Jahren laufend gestiegen und wird in den kommenden Jahren noch ganz beträchtlich steigen.
Nun hat man für die vier Vermögensarten verschiedene Regelungen gefunden. Für das übliche Vermögen, also für die festverzinslichen Wertpapiere, Sparbücher usw., bleibt es wie bisher.
Beim Betriebsvermögen wird man zunächst einmal den gemeinen Wert suchen. Das ist bei einem Unternehmen nicht ganz leicht. Man wird also den Wert simulieren, den man er
zielen würde, wenn man das Unternehmen verkaufen würde. Das ist bei einer Aktiengesellschaft, bei einer Publikumsgesellschaft relativ einfach. Bei einem Familienunternehmen aber ist das natürlich relativ schwierig.
Dann ist eine Riesendiskussion entstanden. Es war nämlich ganz klar, dass man zwischen produktivem und nicht pro duktivem Vermögen unterscheiden wollte. Dann haben unsere Unternehmer – auch die großen Mittelständler – plötzlich gemerkt, dass alles Vermögen, das sich im Ausland befindet, als nicht produktives Vermögen gilt. Ich war mit großen Mit telständlern aus Baden-Württemberg zusammen. Sie waren plötzlich gegen diese Unterscheidung. In Bezug auf das nicht produktive Vermögen haben sie immer den Picasso an der Wand genannt. Das sieht jeder ein. Aber viel stärker wäre natürlich ins Gewicht gefallen, dass jede Auslandsniederlassung als nicht produktives Vermögen gegolten hätte.
Deswegen hat man diese Abschmelzung, die zunächst auf 100 % festgelegt war, wegfallen lassen und gesagt: Wir verzichten jetzt darauf, diese Unterscheidung zwischen produktivem und nicht produktivem Vermögen vorzunehmen, und nehmen pauschal an, 15 % des Vermögens seien nicht produktiv. Deswegen werden 85 % abgeschmolzen. Das heißt, 85 % des Betriebsvermögens werden nicht versteuert, und 15 % werden der Steuer unterworfen.
Nun gibt es allerdings Bestimmungen, von denen wir bei einer auch glauben, dass sie eine zu lange Frist beinhaltet. Das Betriebsvermögen soll nämlich 15 Jahre gehalten werden. Wir wollen noch einmal versuchen, ob man diese Frist auf zehn Jahre senken kann. Die Abschmelzung erfolgt über zehn Jahre, aber dann soll das Vermögen weitere fünf Jahre gehalten werden.
Wer wird bei dieser Reform, wenn sie kommt, gewinnen, und wer wird verlieren? Die mittelständischen Unternehmen und die kleinen, die immer wieder genannt werden, werden eher besser behandelt als vorher.
Es kann sein, dass der eine oder andere große Mittelständler, der nur seine Produktion in Deutschland hat, eventuell mehr bezahlt. Wichtig ist aber: Von den 4 Milliarden € – das ist zumindest die Berechnung, die heute aufgestellt ist – zahlen die Unternehmen noch weniger als vorher.
Bisher betrug ihr Anteil 14 %, nach den neuen Berechnungen sind es 12 %. Das sind natürlich immer Prognosen. Kein Mensch weiß, wie es wirklich sein wird. Aber in der Tendenz wird es sicher so sein.
Verlierer werden die Besitzer größerer Immobilien sein. Denn damit die Reform nicht so durchschlägt, hat man die Freibeträge erhöht. Nun ist natürlich ein Freibetrag von 500 000 €
für die Ehepartner und von 400 000 € für die Kinder eine schöne Sache. Aber wenn jemand ein großes Immobilienvermögen vererbt, wird sich das nicht niederschlagen. In der Tat, wenn jemand ein großes Immobilienvermögen erbt, dann kann er stärker besteuert werden, als das bisher der Fall war.
Die Landwirtschaft ist faktisch kaum betroffen. Bei den Landwirten werden wohl nur die ganz großen Betriebe, von denen es in Baden-Württemberg praktisch keine gibt – es gibt sie in anderen Ländern, vielleicht in Bayern oder in MecklenburgVorpommern; aber da sind es in aller Regel keine privaten Betriebe –,