Bei der Rheintalstrecke, die ja mindestens so bedeutend, wenn nicht sogar bedeutender ist als die Strecke, um die es jetzt
geht, haben wir einen Vertrag mit der Schweiz, dass die bis 2016 ausgebaut sein muss. Das wird gar nicht möglich sein. Denn es ist noch gar nicht alles planfestgestellt.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wer hat denn den Vertrag geschlossen? Baden-Württemberg oder der Bund?)
Das, was Sie, Herr Ministerpräsident, gesagt haben, dass wir keine vier Gleise durch Städte legen könnten, bedeutet ja eine völlig andere Trassenführung mit Tunneln,
Ich sage Ihnen: Das, was Sie veranlasst haben, war ein Dammbruch für das ganze Land, und das wird psychologisch fatale Folgen haben.
Wie soll man in einer solchen Situation, in der Sie das Geld so raushauen, noch irgendein Gefühl dafür wecken, dass die ses Land in Wirklichkeit hoch verschuldet ist, dass es von einer Pensionslawine bedroht ist und dass wir eigentlich den Haushalt sanieren und die Schulden abbauen müssen? Wie wollen Sie das überhaupt noch irgendwo im Land schaffen, wenn Sie für dieses Projekt das Geld so rausschmeißen?
Schließlich, Herr Oettinger: Sie sind Vorsitzender der Föderalismuskommission. Diese Kommission soll die Finanzbeziehungen auf eine transparente, geordnete Grundlage stellen. Ein klarer Ordnungsrahmen mit klaren Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, mehr Eigenständigkeit und Gestaltungsfreiheit für die Länder soll geschaffen werden. Sie wissen am besten, dass dies schwierige Kompromisse zwischen Geber- und Nehmerländern erfordert. Sie haben ja versucht, mit dem intelligenten Vorschlag des Schuldenfonds Dynamik in den Prozess zu bringen. Jetzt finanzieren Sie aber mit gigantischen Summen Aufgaben, die ganz eindeutig in der Zuständigkeit des Bundes bzw. seines Unternehmens, der Bahn AG, liegen.
Bisher kannten wir nur den goldenen Zügel von Berlin, wo man sich mit Geld für Nichtzuständigkeiten in Kompetenzen der Länder eingemischt hat. Jetzt erfinden Sie neben diesem goldenen Zügel zusätzlich die goldene Schaufel von unten, mit der Länder trotz Zuständigkeit des Bundes Geld hineinschaufeln, damit sie Projekte durchbekommen.
Das heißt: Das ist ein Vorschlag für noch mehr Intransparenz und noch mehr Unordnung in den Beziehungen, obwohl doch gerade Sie als Vorsitzender dieser Kommission eigentlich da
für verantwortlich sind, mehr Transparenz und Ordnung hineinzubringen. Das ist wirklich ein ganz fatales Signal.
Was bedeutet dieses Signal eigentlich für die Nehmerländer? Das Signal bedeutet: Wir schwimmen im Geld und können uns alles leisten. Deshalb werden sie doch einen Teufel tun, etwa beim Länderfinanzausgleich Kompromisse einzugehen, wo sie doch auch den Geberländern ein Stück entgegenkommen müssten. Die gesamte Hauptlinie, die aufgebaut ist, geht doch durch das, was Sie hier machen, absolut in die Brüche. Durch diese Maßnahmen haben Sie Ihre Position sehr geschwächt und die gesamte Finanzföderalismusreform gefährdet.
Lassen Sie mich zum Abschluss Folgendes sagen: Stuttgart 21 wurde geplant, als Kopfbahnhöfe noch Zeitfallen waren, weil man Lokomotiven abhängen und rangieren musste. Jeder weiß, dass es heute Züge mit zwei Triebköpfen bzw. mit Lok und Steuerwagen gibt und dass wir deswegen eigentlich ganz andere Planungen brauchten. Das, was Sie machen, ist Folge eines rein linearen Denkens. In einer modernen Welt muss man eigentlich vernetzt denken – hier sowieso, da es um ein Schienennetz geht.
Gerade der wichtigste Bahnknotenpunkt, Stuttgart, fällt jetzt aus dem Integralen Taktfahrplan, einer genialen Erfindung, heraus, weil dieses Konzept mit einem Durchgangsbahnhof und acht Gleisen gar nicht mehr möglich ist. Reine Fahrgeschwindigkeiten werden sich nicht in wirklichen Reisegeschwindigkeiten niederschlagen, weil die Leute dort auf den nächsten Zug warten müssen, der 20 Minuten oder eine halbe Stunde später kommt. Am wichtigsten Knotenpunkt können Sie also diese geniale Erfindung, die in der Schweiz flächendeckend umgesetzt ist, nicht mehr anwenden. Das zeigt schon, dass dies kein Zukunftskonzept ist. Damit würden Sie für die Zukunft trotz steigenden Schienenverkehrsaufkommens ein Nadelöhr schaffen.
Herr Kollege Drexler, unsere Trassenführung zweigt im Bereich Obertürkheim/Güterbahnhof ab. Dort kann man genauso einen Tunnel bauen.
Nein. – Allerdings ist der kürzer und billiger. Deswegen ist das reine Polemik gewesen. Hier geht es um Alternativen. Die Vorteile, die Sie genannt haben, wären bei einer Alternative zum großen Teil höher, was die Zukunft betrifft. Eine solche Alternative wäre möglich, auch mit einem sanierten Kopfbahnhof und einer anderen Trassenführung,
wie wir sie vorgeschlagen haben. Aber der einzig vertretbare Weg bei solchen riesigen Projekten ist eine Parallelplanung, für die man eben auch ein paar Millionen hätte in die Hand nehmen müssen. Das ist nie erfolgt.
Deswegen bleiben wir dabei: Stuttgart 21 ist ein Prestigeprojekt. Es ist nur dem Pharaoneneffekt zuzuschreiben, dem Bestreben, sich riesige Denkmäler zu setzen. Der Unterschied besteht nur darin: Der Leuchtturm ist jetzt unter der Erde.
(Heiterkeit der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Da waren die Pyramiden billiger!)
Wenn ich mir das Preis-Leistungs-Verhältnis von Stuttgart 21 anschaue – für einen Zeitgewinn von fünf Minuten werden über 4 Milliarden € ausgegeben –, fällt mir nur ein Wort ein: Das ist unterirdisch.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben soeben von einem Meister der plakativen Falschdarstellung von Fakten eine populistische Rede erlebt,
Ich will deswegen versuchen, nicht alles zu wiederholen, was insbesondere auch vom Kollegen Mappus und vom Kollegen Drexler sowie einleitend selbstverständlich auch vom Minis terpräsidenten an Richtigem gesagt worden ist. Vielmehr will ich einmal im Detail auf Ihre populistische Art eingehen, zu allem Nein zu sagen. Das hat mit Grün nichts mehr zu tun. Denn Sie, Herr Kretschmann, blenden ökologische Prinzipien aus Ihrer Denkweise völlig aus. Das werde ich Ihnen Punkt für Punkt nachweisen.
Lassen Sie mich mit dieser Bemerkung beginnen: Schon die alten Römer wussten: Wohlstand kommt auf guten Straßen.
Das gilt inzwischen auch für die modernen Trassen, nämlich die Schienentrassen. Wenn man in die Historie zurückblickt, sieht man, dass Wohlstand, Prosperität und damit Arbeitsplätze und Entwicklungschancen für alle Generationen immer entlang der großen Verkehrsachsen entstanden sind.
Man braucht gar nicht einmal in die Historie zurückzublicken, sondern kann auch einfach einmal in die Région Alsace schau
en, nach Frankreich, dorthin, wo die Franzosen – ohne Bedenkenträger wie Sie – die betreffenden Trassen mutig und schnell geplant und realisiert haben. All diese Regionen haben sich übrigens auch finanziell beteiligt. Fragen Sie einmal Monsieur Zeller. Ihm ist es auch schwergefallen, die Gebietskörperschaften und die Städte ins Boot zu bekommen. Aber sie waren so vernünftig, diese alte Weisheit zu sehen. Das ist in Frankreich schon heute ganz konkret nachvollziehbar.
Sie wollen klüger sein als alle Europäer, die dies erkannt haben. Weshalb hat man denn dieses Programm von 2007 bis 2013 für die europäischen Magistralen aufgelegt? Wenn Sie einmal wirklich vorurteilsfrei mit Herrn Balázs und Monsieur Barrot gesprochen hätten, hätten Sie erkannt, dass die doch nur den Kopf darüber schütteln, dass wir an dieser Stelle, die Baden-Württemberg betrifft, das Thema so zögerlich und skeptisch angehen.