Protocol of the Session on July 25, 2007

Übrigens beklage ich auch, dass Herr Tiefensee nicht begriffen hat –

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es!)

Gott sei Dank hat es Frau Merkel begriffen –, dass es sich um ein Projekt für Deutschland in Europa und nicht allein um ein baden-württembergisches Projekt handelt.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Bernd Hitz- ler CDU – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Deutschland 21!)

Natürlich ist es auch ein baden-württembergisches Projekt. Frau Merkel hat gesagt: „Das ist ein für Deutschland wichtiges Projekt.“ Herr Kretschmann, Sie reden über Föderalismus. Von uns geht mit unserem Entschließungsantrag das klare Signal an den Bund: Wir können nicht immer nur Zahlmeis ter sein, insbesondere bei verkehrlicher Infrastruktur. Vielmehr haben wir als wirtschaftsstarke Region jetzt auch einen Anspruch. In diesem Fall verstehe ich unter Region im europäischen Sinn das Land Baden-Württemberg. Jetzt sind wir einmal dran, dass in unsere Infrastruktur stärker investiert wird.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Bernd Hitz- ler CDU)

Herr Kretschmann, es waren doch Sie und Ihre Freunde in Berlin, die letztendlich denen, die wie Herr Tiefensee so zögerlich an das Projekt herangegangen sind, den Hebel geliefert haben. Das lief nach dem Motto: Das ist alles möglicherweise nicht das Gelbe vom Ei. Diese Botschaft haben die Grünen während der Zeit der rot-grünen Regierung geschickt transportiert; man muss ja dankbar sein, dass die SPD es nicht wirklich begraben hat. Aber das wirkt ja nach. Deswegen ist das, was Sie hier immer populistisch vom Milliardengrab und jetzt vom Schwabenloch von sich gegeben haben,

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

in den Köpfen in Berlin und in Europa nach wie vor vorhanden und wirkt natürlich gegen uns. Sie haben gegen die Interessen des Landes Baden-Württemberg Politik gemacht.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Christoph Palmer CDU)

Sie reden vom Bluten und sagen, das Land müsse bluten. Ich möchte das Bild aufgreifen. Baden-Württemberg ist in der Tat, wenn man es rein geografisch betrachtet, in Europa nicht mehr im Zentrum. Durch die EU-Osterweiterung hat sich geografisch einiges verschoben. Aber fragen Sie einmal beim Statis tischen Landesamt nach. Da gibt es wunderschöne Schaubilder, die zeigen, worauf ich richtig stolz bin: Die Region, nämlich das Land Baden-Württemberg, ist die Exportregion Nummer 1, die Innovationsregion Nummer 1. Wir sind wirklich das wirtschaftliche Herz Europas. Das Herz braucht aber – das weiß jeder – leistungsfähige Zu- und Abflüsse, wenn es richtig pumpen soll. Wir können unsere Innovationskraft doch nicht dauerhaft erhalten, wenn wir einen der wichtigen Infrastrukturpunkte, nämlich die Anbindung über die Schiene, nicht so gestalten, dass er europatauglich ist.

Um das Bild weiterzuspinnen: Selbstverständlich ist es bei einem Kreislauf wichtig, dass die Pumpe funktioniert. Gott sei Dank funktioniert sie noch, und wir wollen dafür sorgen, dass sie weiter kräftig pumpt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die Zufuhr muss genauso funktionieren. Aber selbstverständlich muss das ganze Netz funktionieren.

Damit komme ich zu einem weiteren Thema: Selbstverständlich ist die Anbindung des übrigen Schienennetzes an diese europäische Magistrale genauso wichtig für das Funktionieren des gesamten Kreislaufs. Deswegen finde ich es auch unanständig, ständig einzelne Projekte gegeneinander auszuspielen.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Wir haben in diesem gemeinsamen Entschließungsantrag – Herr Drexler, ich bin Ihnen da sehr dankbar – ganz klar darauf hingewiesen, dass wir gerade deshalb, weil wir die Magistrale wollen und bekommen, für die Anschlüsse eine genauso hohe Priorität brauchen. Das gilt auch für die Südbahn von Ulm nach Friedrichshafen. Der Kollege Wetzel weist immer wieder darauf hin: Ihr müsst dann durch Elektrifizierung dafür sorgen, dass wir auch von Friedrichshafen aus nach Ulm zur Magistrale kommen. Wir sagen sowohl bei der Rheintalschiene als auch bei der Südbahn: Wir wollen diese Projekte, gerade weil die Magistrale kommt, mit der gleichen Priorität vorantreiben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Eine wirklich demagogische Art, die Sie entwickelt haben, liegt darin, dass Sie ständig, wenn Sie Zahlen nennen, einmal Gesamtzahlen für zehn Jahre nennen und dann wieder Zahlen für Einjahreshaushalte. Sie haben z. B. von den 15 Millionen € Regionalisierungsmitteln – die gar keine 15 Millionen € sind – gesprochen, haben aber nicht dazugesagt, dass sich dieser Betrag auf ein Jahr bezieht, und diesem Betrag das gegen übergestellt, was wir in über zehn Jahren an Geld aufwenden werden. Schon daran sieht man, dass Sie ohne Ende unseriös agieren.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das ist übrigens ein Thema, das hier viel zu kurz kommt. Dass es natürlich um eine riesige Investition geht, ist überhaupt keine Frage. Aber das Geld dafür müssen wir doch nicht morgen auf den Tisch legen, sondern es kommt darauf an, dieses über die Zeitschiene sauber zu finanzieren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Dazu sage ich im Teil meiner Rede zum Thema Finanzierung selbstverständlich noch etwas. Zunächst nur so viel: Es ist unredlich, immer eine Zahl für das Gesamtprojekt in die Welt zu setzen – die Menschen draußen verstehen das möglicherweise falsch –, wenn man dann an anderer Stelle wieder mit Zahlen aus einem Haushaltsjahr kommt. Da bitte ich Sie schon um mehr Redlichkeit.

Jetzt will ich aber zu dem eigentlichen Thema Stuttgart 21 – dem Teil, der noch so genannt wird, obwohl das Gesamtprojekt zu Recht Baden-Württemberg 21 heißt – kommen. Auch da sind Sie wieder demagogisch unterwegs, wenn Sie erzählen, es ginge nur um eine Differenz von fünf oder acht Minuten, die jedoch ausgeglichen würde, wenn Züge mit zwei Triebköpfen eingesetzt würden.

Der Ministerpräsident hat es schon gesagt: Es geht darum, dass die 60 km Trasse, die unter Stuttgart 21 zu verstehen sind, und zusätzlich Wendlingen–Ulm, wofür Sie angeblich sind – es geht nicht nur um den Kopfbahnhof –, entscheidend davon beeinflusst sind, ob Sie den Bahnhof „drehen“ können oder nicht. Das ist der Punkt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es!)

Herr Kollege Drexler hat es völlig richtig dargestellt. Die Frage ist nicht, ob es ein Kopfbahnhof ist, sondern die Frage ist, ob man den Bahnhof quasi drehen kann. Wenn das nicht geht, dann müssen Sie den Menschen da draußen einmal erklären, wie Sie die Trassenanbindung einer Hochgeschwindigkeitsstrecke durch die dicht besiedelten Gebiete in unseren Wahlkreisen – übrigens auch in Ihrem und unserem Kreis Esslingen – bewerkstelligen wollen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe der Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Brigitte Lösch GRÜNE)

An dieser Stelle wird doch eindeutig klar, dass Ökologie für Sie wirklich nicht mehr Menschenschutz darstellt. Sie sagen prinzipiell Nein und nehmen auf die Menschen, um die es da geht, überhaupt keine Rücksicht mehr. Denen würden Sie alles zumuten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Je nachdem, um welche Orte es geht, machen Sie übrigens dann doch Unterschiede. Am Rhein ist ein Tunnel vielleicht opportun, bei uns aber nicht. Da wenden Sie Ihr Fähnchen jeweils nach dem Wind.

Noch einmal: Bei dem Kernteil des Gesamtprojekts Stutt gart 21 handelt es sich um 60 km Trasse. In dieser Trasse liegt der Bahnhof Stuttgart, liegt aber auch der Fernbahnhof am Flughafen – vielleicht am besten „Europabahnhof“ zu nennen. Da folgt das nächste ökologische Prinzip, lieber Herr Kollege Kretschmann. Ich dachte immer, wir seien gemeinsam dafür, angesichts der Verkehrsbelastungen in den Bal

lungsräumen dafür zu sorgen, dass der individuelle Autoverkehr und insbesondere der Flugverkehr möglichst reduziert werden. Was ist denn dieser Fernbahnhof anderes als eine rea le und realistische, attraktive Alternative sowohl zum Auto als natürlich auch zum Flugzeug?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Wolfgang Drexler SPD – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Dagegen hat nie- mand etwas!)

Was ist daran denn nicht ökologisch?

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Wer ist denn da dagegen?)

Bezüglich Ihrer Prognosefähigkeit im Hinblick auf Großprojekte, verehrte Grüne und verehrter Herr Kretschmann, darf ich einmal an die Messe erinnern. Sie haben Stuttgart 21 damals auch deshalb abgelehnt, weil Sie sagten: Wenn wir die Messe nicht brauchen, dann brauchen wir auch den Tunnel dorthin nicht. Das respektiere ich. Als die Messe geplant wurde, haben Sie zum Thema Messe die Prognose abgegeben – wie übrigens auch Teile der SPD; nicht alle, Herr Schmiedel nie –, das alles werde in Zukunft überhaupt nicht mehr notwendig sein, sondern würde in Zukunft virtuell geschehen. Da gab es einen prominenten Mitstreiter, einen Herrn Späth, der diesen Trend ebenfalls vorhergesagt hat. Er hat allerdings jüngst – das habe ich selbst mitbekommen – Abbitte getan und gesagt: Ich habe mich an dieser Stelle getäuscht. Die Messeszene ist wirklich ein wichtiges, innovatives Thema, gerade auch in unserer Region.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Also privati- sieren!)

Lieber Herr Kretschmann, leisten Sie bei diesem Thema – wie auch Herr Späth – ebenfalls Abbitte und geben Sie zu, dass Sie sich zumindest in dieser Prognose getäuscht haben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich sage voraus: Mit Ihren Prognosen bezüglich der Wirkungen von Stuttgart 21, Baden-Württemberg 21

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Auch falsch!)

liegen Sie genauso falsch, wie Sie bei der Messe falsch lagen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE: Herr Kollege Noll, dann können wir die Messe doch privatisieren!)

Lieber Kollege Kretschmann, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Flächenverbrauch denn eigentlich kein Thema? Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung angekündigt – und wir unterstützen dies –, dass wir angesichts der demografischen Entwicklungen nicht immer mehr in die Fläche gehen dürfen, und zwar weder im Wohnungsbau noch im Gewerbebereich. An dieser Stelle haben wir nun ein Projekt, für das wir keine zusätzlichen Flächen brauchen, sondern alte Flächen recyceln und damit wieder zur Verfügung stellen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Das ist ein originär grünes Thema: Flächenrecycling.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Wir müssen keine neuen Trassen mit zusätzlichem Flächenverbrauch bauen. Das ist originär ökologisch, aber heutzutage leider nicht mehr grün.

Hätten Sie sich einfach einmal mit Herrn Heimerl als einem sehr vernünftigen, ökologisch und ökonomisch denkenden Menschen unterhalten. Eines seiner Prinzipien bei dieser gan zen Trassenführung war auch – das ist heute noch nicht angesprochen worden –, Trassen künftig zu bündeln.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Genau!)