Protocol of the Session on May 24, 2007

dass also genau das, was wir in den Debatten schon ein paar Mal gesagt haben, die Konsequenz sein würde?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das ist inhaltlich falsch!)

Machen wir uns nichts vor: Wir können nicht alle Schulen an jedem Ort halten. Das können Sie genauso wenig wie wir.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sachlich richtig!)

Also müssen wir jetzt schauen, wie wir Schulen mit einem bestimmten Qualitätsstandard erhalten können. Wir haben jetzt an die 700 Hauptschulen, die einzügig sind. Boris Palmer hat mitgeteilt, er hat jetzt Anmeldungen für vier Hauptschulen von noch nicht einmal 70 Schülern.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: 86! – Abg. Volker Schebesta CDU: In Tübingen!)

Da muss man doch sagen: Das kann nicht funktionieren.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Ich will nicht Ihre Ant- wort für Tübingen wissen, ich will sie für den länd- lichen Raum wissen!)

Selbstverständlich kommen wir da auch um gewisse Zentralisierungen gar nicht herum.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Gut! Jetzt sagen Sie es wenigstens! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gut, endlich! Der ländliche Raum wird aufgegeben! – Ge- genruf der Abg. Ute Vogt SPD: Sie schließen doch auch gerade Schulen im ländlichen Raum! – Gegen- ruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wir schlie- ßen doch keine Schulen! Wo hat das Land Schulen geschlossen?)

Darum kommen Sie genauso wenig herum wie wir. Es geht darum: Haben die Schulen dort mit einer zumutbaren Entfernung dasselbe qualitative Angebot wie Schulen in Großstädten, die natürlich aufgrund der größeren Schülerzahl ganz andere Möglichkeiten haben, die Einzügigkeit zu überwinden? Die entscheidende Frage, um die es geht, ist, ob wir eine vernünftige gemischte Struktur im ländlichen Raum haben, die die Qualitätsstandards erfüllt, die wir brauchen, aber auch mit den Ressourcen, die wir zur Verfügung haben, vernünftig umgeht.

Herr Abg. Röhm.

Herr Kollege Kretschmann, zwei Fragen habe ich. Die erste Frage lautet: Sie haben von „durchreichen“ gesprochen. Würden Sie hier in diesem Haus zugestehen, dass in Baden-Württemberg aufgrund des drei gliedrigen Schulsystems und dessen Durchlässigkeit wesentlich mehr Kinder nach oben aufsteigen, als – nach Ihrem Sprachgebrauch – „durchgereicht“ werden?

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das ist doch falsch!)

Zweite Frage: Sind Sie mit mir der Meinung, dass die Begriffe „aussortieren“ und „selektieren“ historisch belastet sind und eigentlich in einer Schuldebatte in diesem Haus nichts verloren haben? Wir distanzieren uns davon.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! – Zuruf von der SPD: Oje!)

Wir haben einen relevanten Aufstiegsweg nach oben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Wenn man das einmal konkret nimmt: Das ist von den Realschulen auf die beruflichen Gymnasien.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und von Haupt- schulen zum mittleren Bildungsabschluss!)

Ansonsten ist das Schulsystem immer im Großen und Ganzen nach unten und nicht nach oben durchlässig. Das ist einfach einmal ein Faktum.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Von der Hauptschule zum mittleren Bildungsabschluss! – Abg. Stefan Mappus CDU: Das stimmt doch nicht! Das ist un- glaublich! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Woher kommen dann die vielen Abgänger? – Unruhe bei der CDU)

Natürlich bestreitet niemand die Versuche, die hier in den letzten Jahrzehnten stattgefunden haben, um dieses Schulsystem durchlässiger zu machen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das sind Bildungsbio grafien! Von der Hauptschule zum mittleren Bil- dungsabschluss!)

Ich habe ja nur versucht, Sie zu überzeugen, dass wir jetzt an eine Systemgrenze gestoßen sind und das System einfach nicht mehr richtig funktioniert oder nur noch mit einem unvertretbar hohen Aufwand. In einer solchen Situation müssten

Sie einmal positiv begründen, warum Sie an dem System festhalten und warum Sie nicht einmal bereit sind, in Modellschulen andere Systeme, die wir und andere fordern, parallel dazu zu erproben. Nach der Probephase können Sie dann sagen: Das hat sich bewährt und das nicht. Das ist, glaube ich, eine Forderung, die wir jetzt eindringlich an Sie stellen müssen, dass Sie endlich einmal wenigstens diesen Schritt gehen, solche Modellschulen einzurichten.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Stefan Mappus CDU: Er hat noch etwas angesprochen! – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: „Aussortieren“ und „selektieren“! Die Begriffe sind historisch vorbelastet!)

Das ist schon weit hergeholt,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Historisch ist das ein vorbelasteter Begriff! – Weitere Zurufe von der CDU – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber an an- derer Stelle seid ihr sehr empfindlich!)

hier mit dieser Keule zu kommen, wenn man sagt: Dieses Schulsystem sortiert aus. Das tut es nun einmal.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: „Selektieren“! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Was heißt denn „selektieren“? Woran denken Sie bei „Selekti- on“?)

Was soll jetzt dieser Nebenkriegsschauplatz? Sie wollen doch nicht irgendjemandem unterstellen, wenn er von Selektieren an der Schule spricht, wo es darum geht, dass ein Gymnasiast an die Realschule kommt

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das hat nichts mit Selektieren zu tun! Selektieren ist menschenverach- tend! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Fassen Sie sich an die eigene Nase!)

oder ein Realschüler an die Hauptschule oder ein Hauptschüler an die Förderschule, dass das irgendwas mit Selektieren in der Nazizeit zu tun hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: „Selektieren“ wird gesagt! „Selektieren“!)

Das ist doch einfach abwegig und abstrus, Herr Kollege.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Dann sollten Sie das auch nicht sagen!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So, jetzt wird wieder sachlich geredet! – Heiterkeit – Beifall bei der FDP/ DVP)

Verehrter Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Hagen, ich muss dich leider enttäuschen. Also ich erlaube mir noch ein Stück weit Polemik, weil – –

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU – Abg. Ute Vogt SPD: Oh! Jetzt aber! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Nix Polemik!)

Herr Kretschmann, Sie werfen uns von der FDP/DVP vor, wir hätten keine Schulkonzeption. Aber, was ist das denn eigentlich, was wir hier von Ihrer Seite hören? Einerseits wollen Sie eine Regelschule, wollen Sie die Kinder acht Jahre lang gemeinsam erziehen.

(Abg. Renate Rastätter und Abg. Winfried Kretsch- mann GRÜNE: Neun!)

Neun sogar. Wenn man Sie jetzt fragt und darauf festnageln will, was das konkret bedeutet, dann winden Sie sich wieder heraus.

(Beifall des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Auf der anderen Seite wollen Sie gemischte Strukturen im ländlichen Raum. Ja, was wollen Sie denn eigentlich?

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Unruhe stiften! – Heiterkeit bei der CDU und der FDP/DVP – Gegenruf des Abg. Ni- kolaos Sakellariou SPD: Man muss einfach nur ein Windrad planen! – Heiterkeit – Unruhe)

Mit Genehmigung des Präsidenten möchte ich aus dem Schulleiterbrief, der heute ja schon mehrfach angesprochen worden ist, zitieren:

Die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes, das muss das Herzstück einer neuen Bildungspolitik sein.

Das trifft es genau, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU sowie Abge- ordneten der SPD und der Grünen – Zuruf von der CDU: Jawohl!)