Protocol of the Session on May 24, 2007

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Ich möchte einen Punkt besonders herausgreifen, den ich genauso sehe wie die Damen und Herren, die diesen Schulleiterbrief unterstützen: Es wird darauf hingewiesen, dass Staaten mit erfolgreichen Bildungsergebnissen vor allem im Vorschul- und im Grundschulbereich eine sehr intensive Politik

machen. Das, meine Damen und Herren, ist eines der großen Probleme, das auch in Deutschland – von unserer Seite aus auch in Baden-Württemberg – noch viel intensiver angepackt und gelöst werden muss.

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Es geht um die Startbedingungen. Hier will ich noch einmal auf Ihre Rede zurückkommen, Frau Rastätter. Wenn Sie sagen, in dieser Restschule seien ja nur Migranten, dann frage ich Sie: Was für ein Menschenbild haben Sie eigentlich? Sind Migranten etwa schlechter als wir?

(Unruhe – Oh-Rufe von der SPD und den Grünen)

Sind sie dümmer als wir?

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Nein! Es gibt nur einen Unterschied: Sie haben im Moment zum größten Teil andere Startbedingungen als die deutschen Kinder, und das ist das Hauptproblem. Das müssen wir in der Vorschulerziehung und in der Grundschule aufgreifen, und das heißt im Klartext: Sprachförderung, Sprachförderung und nochmals Sprachförderung.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Lebhafte Unruhe)

Wir sind hier schon auf dem richtigen Weg. Wir haben schon viele Maßnahmen ergriffen. Ich erinnere an den Orientierungsplan Kindergarten, in dem die Sprachförderung ein wesentliches Element ist. Ich erinnere an das Projekt „Schulreifes Kind“, in dem wir uns zum Ziel gesetzt haben, bis zum Jahr 2012 zu schaffen, dass in Baden-Württemberg jedes Kind, das eingeschult wird, schulreif ist, und zwar sowohl kognitiv als auch motorisch und sozial.

Aber eines möchte ich hier betont ansprechen: Wir haben möglicherweise in Zukunft einen etwas weiteren finanziellen Spielraum. Wir sollten schauen, dass wir die Ressourcen, die wir frei bekommen oder zusätzlich frei machen können, mit Nachdruck auch in den Kindergarten und in die Grundschule stecken, meine Damen und Herren. Das ist unser Wunsch. Das brauchen wir ganz dringend. Hier werden die Bildungsbiografien angelegt, hier müssen wir sowohl quantitativ als auch qualitativ noch mehr klotzen, als wir es bisher getan haben. Denn auch die Erzieherinnen – das hört man, wenn man in die Kindergärten hineingeht – sehen, dass das, was wir auf den Weg bringen, alles richtig ist, aber sie fühlen sich im Moment auch ein Stück weit überfordert.

(Zuruf des Abg. Stephan Braun SPD)

Wir müssen dafür sorgen, dass wir genug Erzieherinnen haben und diese sehr gut ausgebildet sind, damit wir die Grundlage für eine erfolgreiche Bildung legen.

(Zuruf des Abg. Stephan Braun SPD)

Diese findet im Kindergarten und in der Grundschule statt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle Schluss machen. Ich werde in der zweiten Runde noch etwas intensiver auf die Hauptschule eingehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich dem Herrn Minister für Kultus, Jugend und Sport, Helmut Rau.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Wochen hat Bundespräsident Horst Köhler in Berlin den Deutschen Hauptschulpreis – ausgelobt von der Bosch Stiftung und von der Hertie-Stiftung – verliehen. Diese Preisverleihung hat deutlich gemacht, dass in den Hauptschulen eine hervorragende Arbeit geleistet wird. Diese Preisverleihung hat auch deutlich gemacht, dass man sich gerade hier auch an guten Beispielen orientieren kann und viel aus ihnen lernen kann. Vorausgegangen war eine Preisverleihung auf Landesebene, und auch da haben wir ganz hervorragende schulische Arbeit kennenlernen dürfen.

Ich möchte aus der Rede von Bundespräsident Köhler nur eine kurze Passage zitieren:

Dabei hoffe ich, dass sich die neue Aufmerksamkeit nicht erneut vorwiegend in Diskussionen über Schulformen und -strukturen ergeht. Ausgangspunkt aller schulpolitischen Diskussion sollte vielmehr die Erkenntnis sein: es geht um die Menschen – und um das, was für die Bildung und Förderung dieser Menschen dringend benötigt wird.

Genau das ist der Ansatzpunkt unserer Bildungspolitik. Wir haben eine konsequente Reformpolitik in Baden-Württemberg auf den Weg gebracht, die im Mittelpunkt ihrer Bemühungen die Entwicklung von Schulqualität hat. Das ist der Rat aller Experten nach den beiden PISA-Studien, die uns bisher vorliegen. Der Bildungsplan von 2004 hat die Unterstützung der Schulen in ihrem Schulentwicklungsprozess zum Mittelpunkt der Bemühungen gemacht. Wir suchen die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, wir gehen neue Wege in der Gestaltung des Unterrichts, und wir haben den Schulen mehr Freiheit und mehr Verantwortung gegeben, damit sie ihre Entwicklungspotenziale im Dienste eines guten Unterrichts ausschöpfen können.

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Das ist es, was die vom Bundespräsidenten geforderte bessere Förderung der jungen Menschen bewirkt.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Ich will mich an dieser Stelle auch auf jemanden berufen, der sicherlich in ganz Deutschland ein herausragendes Ansehen genießt, nämlich auf Hartmut von Hentig. Hartmut von Hentig hat das Vorwort zu unserem Bildungsplan 2004 geschrieben, weil er sich mit dieser Arbeit identifizieren konnte. Er schreibt dort:

Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Erziehung und Bil dung … unter ausdrücklicher Berücksichtigung seiner be sonderen Begabung. … Kein Schüler, keine Schülerin

sollte die Schule verlassen, ohne wenigstens die „Ausbil dungsfähigkeit“ erreicht zu haben. Diese wird vor allem in dem der Hauptschule gewidmeten Teil des Bildungs plans 2004 gründlich neu bedacht.

Das ist eine Unterstützung von ganz außergewöhnlicher Seite. Wir erfüllen damit auch einen Auftrag unserer Landesverfassung. Der Gesetzgeber hat damals in Artikel 11 Abs. 1 formuliert:

Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Dem wird das Schulsys tem nicht gerecht!)

Das ist der Ansatz, den wir mit unseren Schulstrukturen genau abbilden.

(Zuruf von der SPD: Rauschender Beifall!)

Trotzdem befinden wir uns in einer Debatte über die Hauptschulen, die deutlich macht, dass wir die Frage der öffentlichen Akzeptanz kritisch zu bilanzieren haben. Was ist falsch gelaufen, wenn die Akzeptanz nachgelassen hat?

Das Erste – es ist einer der wenigen Punkte, in denen ich mit dem Kollegen Zeller übereinstimme – ist die Tatsache, dass die früher einmal gültige Gleichung „Hauptschulabschluss gleich Lehre“ nicht mehr aufgeht.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Die geht schon seit zehn Jahren nicht mehr auf! Wann merken Sie das denn endlich?)

Sie geht aber nicht deswegen nicht mehr auf, weil die Zahl der Hauptschülerinnen und Hauptschüler, die schwächer qualifiziert sind, zunähme, sondern sie geht deswegen nicht auf, weil die Zahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze über viele Jahre hinweg deutlich zurückgegangen ist.

(Beifall bei der CDU – Abg. Veronika Netzhammer CDU: So ist es! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Da muss man einmal fragen, woher das kommt!)

Aus dieser Entwicklung ist eine Art Dauerfeuer gegen die Hauptschule geworden. Das ist auch falsch gelaufen. Mit diesem Dauerfeuer wollte man einer Einheitsschuldebatte den Weg bereiten. Das ist aber eine deutliche Verwechslung von Ursache und Wirkung. Wir stehen in dieser Debatte

(Abg. Christine Rudolf SPD: An der Wand!)

sehr deutlich dafür, dieser Einheitsschuldiskussion nicht einfach nachzulaufen.

(Beifall bei der CDU)

Welche Befürchtungen stehen denn im Raum? Es stehen Befürchtungen im Raum, dass im Alter von zehn Jahren eine Festlegung bei den Kindern erfolge, die alle Ansprüche, die sie später aus dem Bildungswesen ableiten können, schon erschöpfend beantworte. Das ist doch überhaupt nicht der Fall. Das wissen Sie ganz genau.

Es gibt eine weitere Befürchtung, die natürlich auch bei den Briefschreibern eine Rolle gespielt hat, nämlich die, dass der Schülerrückgang zu einer Standortgefährdung führen könne. Daraus wurde die Illusion genährt, dass man durch ein Einheitsschulsystem besonders viele Standorte erhalten könne. Ich werde Ihnen nachher sagen, wie es sich wirklich verhält.

Welche weiteren Illusionen sind genährt worden? Die schlimms te Illusion ist die, dass sich mit dem Verschwinden der Hauptschule – genauer genommen: des gegliederten Schulwesens insgesamt – die Probleme der leistungsschwächeren Schüler einfach aufgelöst hätten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Abg. Norbert Zeller SPD: Das sagt doch kein Mensch! Wer hat denn das gesagt? – Weitere Zurufe – Unruhe)

Die Illusion wird genährt, dass sich für die Schularten Gymnasium und Realschule dann irgendwie doch nichts ändern würde, was auch nicht stimmt. Wer ein Einheitsschulwesen auf den Weg bringen will, muss auch das Gymnasium und die Realschule auflösen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Wer sagt so etwas? – Ge- genruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie! Sie sagen das! „Da wird alles sozial gerechter!“ Wunder- bar! – Zuruf von den Grünen: Das sagt doch kein Mensch! – Zuruf von der SPD: Sie haben gar nichts verstanden! Wer sagt das denn? – Gegenruf des Abg. Stefan Mappus CDU: Sie!)