Protocol of the Session on May 24, 2007

Wenn wir wohnortnahe Schulen wollen, dann brauchen wir Standorte mit integrativen Modellen, mit moderner Pädagogik, mit der Perspektive, dass dort alle einen mittleren Bildungsabschluss erreichen können –

(Abg. Volker Schebesta CDU: Wie groß sollen die Schulen sein?)

auch wenn das vielleicht nicht alle schaffen; aber die Chance sollte da sein. Dann bekommen wir auch eine gute Mischung von Schülern und Schülerinnen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Welche Mindestgröße stellen Sie sich vor?)

Ich werde darauf zu sprechen kommen. – Denn Sie müssen doch eines sehen: Die Hauptschulen und die Förderschulen – die in dieser Debatte oft vergessen werden – sind die Schulen, in denen nur noch die am meisten benachteiligten Kinder und Jugendlichen unserer Gesellschaft zu finden sind. Die Hauptschule ist die Schule der Migranten geworden.

Wenn wir sagen: „Wir brauchen Integration durch Bildung“, dann müssen wir die Schüler und Schülerinnen zusammennehmen. Dann dürfen wir die benachteiligten Kinder und die Migranten nicht mehr ohne ein positives Anregungsmilieu unter sich lassen. Dann müssen wir eine Schule haben, in die alle gemeinsam länger gehen können, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Und jetzt noch die Größe!)

Lesen Sie den Artikel über den Schulleiter Bosch und seine Schule in der heutigen „Stuttgarter Zeitung“. Auch Sie, Kollege Röhm, sollten den Artikel lesen. Es sind die engagiertesten Schulleiter, es sind die Schulen, die Preise gewinnen. Nicht die einzelne Hauptschule ist doch das Problem, sondern das System, die Systemlogik, die in dieser Dreigliedrigkeit steckt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ja! Ausleselogik! – Abg. Volker Schebesta CDU: Sagen Sie jetzt noch et- was zur Mindestgröße?)

Daher sage ich: Geben Sie jetzt endlich Ihre Blockadepolitik auf. Eine den Prinzipien der Demokratie und den Menschenrechten verpflichtete Schulpolitik kann dieses System nicht länger stützen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, da helfen auch keine Denkverbote. Ich meine, es ist eigentlich beschämend – Kollege Zeller hat gesagt, es ist eine Lachnummer –, dass solche Schulleiter, die jahrzehntelang alle Innovationen der Hauptschule konsequent umgesetzt haben, wie dumme Jungen in die Schulverwaltung zitiert werden und darüber belehrt werden, dass die Hauptschule doch wieder gestärkt werde. Genau das ist ein Schlag ins Gesicht dieser Schulleiter; denn sie haben alles getan, um diese Schulart zu stärken, und kommen jetzt zur Erkenntnis: Wir brauchen längeres gemeinsames Lernen. Ein Land sollte sich glücklich preisen, solche Schulleiter zu haben. Denn wenn wir ein Bildungssystem weiterentwickeln wollen, dann brauchen wir engagierte, mutige, motivierte Schulleiter und Schulleiterinnen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Genau!)

Hier haben wir diese.

Geben Sie deshalb Ihre Blockadepolitik auf. Wenden Sie sich endlich einer neuen Schulpolitik zu. Erlauben Sie neue Modelle vor Ort. Ich frage Sie, Herr Kultusminister Rau, warum Sie das nicht tun. Wo liegen die ideologischen Barrieren, die das verhindern? Hören Sie auch in Ihren eigenen Reihen auf einige, die deutlich aufzeigen können, warum wir diese Entwicklung brauchen. Dann, glaube ich, können wir auch in Baden-Württemberg, wie das in anderen Ländern bereits statt

gefunden hat, einen Aufbruch ins 21. Jahrhundert bekommen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold.

Liebe Frau Rastätter, verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, verehrte Damen und Herren! Mir klopft richtig das Herz, aber nicht vor Aufregung, sondern vor Empörung.

(Abg. Ute Vogt SPD: Oh!)

Was Sie hier jetzt behaupten – unser Schulsystem sei ein Schulsystem, das nur Angst generiere, in das die Kinder nur reingehen, und sich dort aber nicht wohlfühlen würden –, das geht völlig an den Tatsachen vorbei.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Undemokratisch! Bravo!)

Sie sollten sich lieber einmal die neuesten Erhebungen des Deutschen Jugendinstituts in Köln anschauen. Dort können Sie nachlesen, dass sich die meisten Kinder in unseren Schulen sehr wohlfühlen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wolf- gang Drexler SPD: Es geht nicht um das Wohlfüh- len! Es geht ums Lernen! – Abg. Ute Vogt SPD: Es geht um Chancengleichheit!)

Deshalb steht die FDP/DVP grundsätzlich hinter unserem gegliederten Schulsystem. Es ist ein erfolgreiches Schulsys tem.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Jeder Zweite bekommt keinen Arbeitsplatz!)

Herr Schebesta hat einige Daten schon genannt. Ich möchte noch eines hinzufügen: Wir – Baden-Württemberg mit seinen Ergebnissen – sind laut PISA 2003 nicht nur national in der Spitzengruppe, sondern wir gehören auch international zum ersten Drittel der Länder mit den besten Lernergebnissen. Das bedeutet im Klartext, meine Damen und Herren: Zwei Drittel der Länder, die zum Teil andere Schulsysteme als wir haben, liegen hinter uns. Das sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich sagte eben, wir stehen grundsätzlich hinter unserem gegliederten Schulsystem,

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Die FDP/ DVP hat keinerlei eigenständige Schulpolitik! Sie ist ein Anhängsel der CDU!)

aber es muss sich öffnen. Es muss sich verändern und öffnen.

(Zurufe – Unruhe)

Wir sind dankbar für neue Ideen, die aus den Schulen kommen.

(Zurufe von der SPD: Oh! Ah! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ihr habt ja keine! – Unruhe bei der SPD)

Wir halten es auch für sehr sinnvoll, dass diese neuen Ideen ausprobiert werden können. Hier darf es keine Denkverbote geben. Das sehen wir zum Teil genauso wie Sie.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Die werden alle abgewie- gelt! Das ist doch falsch, was Sie sagen!)

Der Schulleiterbrief weist ausdrücklich darauf hin, dass die Hauptschule mit die innovativste Schulart in unserem geglie derten Schulsystem ist, und das völlig zu Recht.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Aber es wird gesagt: Wir haben vor allem ein soziologisches Problem, und wir haben auch ein volkswirtschaftliches Problem mit der Vermittlung der Hauptschüler. Wir alle wissen, dass sich die Ausbildungsanforderungen in den letzten 15 Jahren deutlich erhöht haben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Warum reagierten Sie dann nicht? Das ist ja unglaublich!)

Wir brauchen heute viel besser ausgebildete Hauptschüler als noch vor 15 Jahren. Das ist das eigentliche Problem, und das werden wir auch anpacken. Darauf werde ich im zweiten Teil meiner Rede

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wann denn?)

noch näher eingehen.

Was mich an dem Brief stört, den wir alle bekommen haben, ist: Er fordert längere gemeinsame Lernzeiten,

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

er fordert eine Umstellung des Systems, aber er sagt an keiner Stelle in irgendeiner Form konkret, wie das eigentlich vonstatten gehen soll.

(Beifall bei der FDP/DVP – Widerspruch bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist Aufgabe der Politik! – Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Das steht drin!)

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man nicht das hoch selektive alte System der Gesamtschule wolle. Man sehe genau, dass es in Deutschland im Moment noch keine flächendeckende Umsetzung eines neuen Schulsystems gibt. Auch wir sehen hierin nicht die Lösung. Es gibt nicht d i e Lösung, meine Damen und Herren.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es!)

In der Umgestaltung und der Abschaffung der Realschule liegt sie schon gar nicht. Darüber haben wir ja gestern diskutiert.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)