Protocol of the Session on April 26, 2007

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Gute Rede!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Prewo.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Handwerk steht auf der Größenskala der Unternehmen ganz unten. Im Durchschnitt hat ein Handwerksbetrieb in Baden-Württemberg sechs Mitarbeiter. Wenn ein Großunternehmer ins Wirtschaftsminis terium kommt, dann ist das oft etwas ganz anderes, als wenn ein Handwerksmeister kommt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist wohl wahr!)

Das wird manchmal auch für große Rathäuser gelten. Das Handwerk ist aber in Wahrheit ein Leuchtturm unserer heimischen Wirtschaft. Die kleinen Unternehmen bestimmen die gesamte wirtschaftliche Landschaft, in Deutschland genauso wie in Baden-Württemberg und auch in der EU. 98 % der Unternehmen haben weniger als 50 Beschäftigte und 90 % weniger als zehn Beschäftigte. Dabei beträgt ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung immer noch gut 50 % und an der Wertschöpfung etwa 40 %. Das ist eine gewaltige Masse. Die Handwerksbetriebe im engeren Sinn machen in Baden-Würt temberg 25 % aller Unternehmen aus, sie bieten 20 % aller Arbeitsplätze und leisten ein Drittel der Ausbildung.

Das Handwerk ist aber nicht nur ein Leuchtturm in den gro ßen statistischen Zahlen. Das Handwerk, meine Damen und Herren, ist immer noch das „Gewächshaus“ des Unternehmertums.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr guter Satz!)

Ein Meister, der sich selbstständig macht, ein Geselle, der eine Ausgründung vornimmt, oder jemand, der im Generationenwechsel einen Handwerksbetrieb übernimmt: Dies sind typische Beispiele. Hier spielt sich auch ein großer Teil der wirtschaftlichen Dynamik ab. Auch das muss man immer wieder sehen. Dies ist eine echte Marktdynamik.

Im Grunde genommen werden im Handwerk auch die jungen Menschen geformt, die dann als Unternehmer ins Risiko gehen, und zwar nicht typischerweise auf der Basis von Finanzspekulationen, sondern gestützt auf ihr persönliches Können. Das ist das Risiko, auf das man sich im Handwerk verlässt.

(Beifall bei der SPD)

Darüber hinaus ist das Handwerk – entgegen seinem Ruf – äußerst innovativ. Es sind ja nicht nur die Tüftler, die aus dem Handwerk hervorgehen und von denen dann auch die große Industrie profitiert. Im Handwerk selbst verschmelzen Produktion und Service. Das werden Sie, Herr Pfisterer, aus der Erfahrung mit Ihrem Betrieb bestätigen können. Das merken wir jetzt gerade durch viele neue Produkte, die mit Service verknüpft werden: im Holzhandwerk, bei den erneuerbaren Energien, aber auch generell bei Sanierungen und überhaupt sehr stark im Bauhandwerk. An dieser Schnittstelle – Produktion und Service – ergeben sich heute die größten Marktchancen für neue Konzepte und neue Produkte.

Wenn Sie einmal Gelegenheit haben, einen Vortrag des Karlsruher Kammerpräsidenten anzuhören, werden Sie merken, was ein Handwerksbetrieb heute tatsächlich leistet: in der Produktentwicklung, hinsichtlich ständig neuer Servicelinien und übrigens auch im Bereich des Marketings sowie nicht zuletzt auch in der Mitarbeiterführung; denn die Mitarbeiter müssen immer selbstständiger und verantwortungsbewusster werden.

Bei aller Innovation und bei allem Pionier- und Unternehmergeist, meine Damen und Herren: Das Handwerk ist dabei – das wollen wir hier nicht vergessen – örtlich verankert. Es ist heimatverbunden.

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

Es ist bürgerschaftlich. Handwerksmeister sind in besonders hohem Maße in Vereinen engagiert. Sie sind ehrenamtlich tätig. Diese örtliche Verankerung bedeutet auch, meine Damen und Herren, dass man den Handwerker „festnageln“ kann, was die Qualität seiner Arbeit betrifft. Das ist eine Art Zertifizierung, die durch das tägliche Plebiszit der Bürger in den Dörfern und den Städten stattfindet. Das ist natürlich ein Stück unserer Landeskultur.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Thomas Blenke CDU und Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ich habe jetzt noch gar nicht von der Leistung der Handwerksbetriebe in Ausbildung und Erziehung gesprochen. Diese ist jedem bekannt.

Nun, das „Kleine“, das dem wirtschaftlichen Image des Handwerks anhaftet, ist eigentlich das Große – wenn man, wie in der Musik, die Ober- und Untertöne unserer Handwerkskultur betrachtet. Ohne ein gut aufgestelltes Handwerk gibt es bei uns kein blühendes Gewerbe – nicht in unseren Dörfern und Mittelstädten und auch nicht in den größeren Städten.

Im zweiten Durchgang werde ich einige Vorschläge und Anregungen an die Regierung richten.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin und meine beiden Vorredner haben bereits die zentrale Rolle und Bedeutung des Handwerks in Europa, aber auch hier in Baden-Württemberg betont. Ich möchte das anhand einiger Zahlen für BadenWürttemberg nochmals verdeutlichen.

Im Januar dieses Jahres hat das Handwerk in Baden-Würt temberg 760 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 125 000 Betrieben beschäftigt. Es wurden 56 000 junge Menschen ausgebildet, und es wurde ein Umsatz von 63 Milliarden € erwirtschaftet. Das zeigt, dass kleine und mittlere Unternehmen und insbesondere das Handwerk hier in Baden-Württemberg und auch in Europa eine große Rolle spielen.

Für uns ist das Handwerk ein wichtiger Bündnispartner, wenn es um den Klimaschutz geht, aber auch wenn es um Bildungsfragen geht. Die Vierte Europäische Konferenz für das Handwerk und Kleinunternehmen, die in der vergangenen Woche in Stuttgart stattgefunden hat, ist bereits eingangs angeführt worden. Lassen Sie mich zwei Zitate nennen, die bei der Berichterstattung über diese Konferenz wichtig sind:

Zum einen nannte die Bundeskanzlerin Bildung und Ausbildung eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft. Das Potenzial Europas werde künftig von gut ausgebildeten Fachkräften abhängen.

Zum anderen hat der Ministerpräsident dieses Landes auf dieser Konferenz gesagt:

Die wichtigste Form der Wirtschaftsförderung, die eine Landesregierung leisten kann, ist, eine ausreichende Bildung und Erziehung zu gewährleisten.

Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir uns auch mit den Forderungen, die das Handwerk an das Land, an die Politik stellt, intensiv auseinandersetzen. Wir sind uns einig mit dem Baden-Württembergischen Handwerkstag, dass wir im Land mehr Mut für eine bessere Bildung brauchen, dass wir dafür sorgen müssen, dass Jugendliche auch tatsächlich ausbildungsfähig sind, wenn sie die Schule verlassen.

(Beifall bei den Grünen)

Das ist eine ganz entscheidende Weichenstellung, damit sich Handwerk, Mittelstand und kleine Unternehmen in Zukunft auf dem europäischen Markt gut positionieren können. Inso

weit hat die Landesregierung noch ein großes Aufgabenfeld vor sich und sehr viel zu tun. Wir appellieren dringend an die Landesregierung, endlich aktiv zu werden und mutige Reformschritte zu ergreifen.

Was ich bei meinem Vorredner vermisst habe, ist eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den europapolitischen Positionen des Handwerks. Im Europaausschuss hat der Hauptgeschäftsführer des Baden-Württembergischen Handwerkstags wichtige Punkte formuliert. Ich erwarte, dass Sie in Ihrer Rede in der zweiten Runde und auch Sie, Herr Wirtschaftsminis ter, hierzu Stellung nehmen.

Das Handwerk hat unter anderem kritisiert, dass die besondere Situation, in der sich das Handwerk im Land befindet, viel zu wenig wahrgenommen wird, dass z. B. auch im Europabericht der Landesregierung darauf kaum eingegangen wird. Vom Handwerk sind zwei Punkte genannt worden, dass nämlich auf der einen Seite Konkurrenz durch ausländische Anbieter und auf der anderen Seite Konkurrenz durch die Schattenwirtschaft im Inland besteht. Darüber hinaus wurden weitere wichtige Forderungen erhoben.

Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP/ DVP, hätten z. B. gestern, als wir hier über das Tariftreuegesetz gesprochen haben, die Möglichkeit gehabt, einen wichtigen Schritt auf das Handwerk zuzugehen, die Forderungen des Handwerks zu erfüllen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr richtig!)

sodass sich die schwierige Situation, in der sich das Handwerk befindet, verbessert hätte. Diese Chance haben Sie ungenutzt verstreichen lassen. Sie haben hier auch verbal kräftig zugeschlagen und deutlich gemacht, dass Sie von diesem Tariftreue gesetz nichts halten. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deshalb erwarten wir, dass Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP, die Sie diese Debatte beantragt haben, zu diesen Fragen zur besonderen Situation des Handwerks, die offen sind, noch Stellung nehmen, dass Sie auch sagen, wie Sie denn diese Situation auf Landesebene konkret verbessern wollen, und dass Sie sich von solch allgemeinen Forderungen wie Bürokratieabbau auf europäischer Ebene verabschieden. Mit solchen Forderungen ist uns hier im Land und den Handwerkern, die eine wichtige Rolle spielen, viel zu wenig geholfen.

(Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Beschäftigen Sie sich mit dem, was wir hier in Baden-Würt temberg und in diesem Landtag tun können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Aussagen mei

ner Vorrednerin und meiner Vorredner können wir eigentlich sagen: Es ist schön, zu hören, dass hier das Hohelied auf das Handwerk, auf den Mittelstand angestimmt worden ist – völlig d’accord.

Ich finde es auch bemerkenswert, dass bei dem Mittelstands- und Handwerksgipfel, der kürzlich in Stuttgart stattfand, zumindest in zweierlei Hinsicht Dinge vorgebracht worden sind, die beim letzten Gipfel, der in Mailand stattgefunden hat, noch längst nicht diese Rolle gespielt haben.

Es ist besonders deutlich geworden, dass Mittelstand, Handwerk, kleine und mittlere Unternehmen zum ersten Mal, wenn ich es richtig übersehe, auf europäischer Ebene in den europäischen Fokus gerückt worden sind, und zwar in einer Deutlichkeit, in der das bisher nicht der Fall war. Das heißt, man sieht auch in der europäischen Perspektive den Mittelstand als eine Branche, die für die Zukunft in besonderer Weise Wachstums- und Arbeitsplatzmotor sein kann und sein wird.

Das lässt sich auch an Zahlen leicht verdeutlichen, die aus Baden-Württemberg bekannt sind. Sie sind zum Teil schon genannt worden. Aber ich will sie noch einmal nennen, damit wir uns darüber klar sind, worum es eigentlich geht.

95 % aller Unternehmen in Baden-Württemberg – 95 % aller Unternehmen! – haben weniger als 50 Beschäftigte. 99,5 % – ich wiederhole: 99,5 % – haben weniger als 500 Beschäftigte. Aber es sind diese Betriebe, die 80 % der Ausbildungsplätze und zwei Drittel der Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Die se Betriebe spülen 60 % des gesamten gewerblichen Steueraufkommens in die Kassen der Finanzminister und tragen mit einem Anteil von mehr als 50 % zum Bruttoinlandsprodukt bei.

Wenn man sich diese Zahlen vor Augen führt, kann man ohne Übertreibung zu der Überzeugung kommen: Handwerk und Mittelstand sind wirklich die Korsettstangen der Wirtschaft. Wir sollten in der Zukunft alles tun, dass dies auch so bleibt, meine Damen und Herren.