Protocol of the Session on December 13, 2006

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Die Initiativen unseres Ombudsmanns für Bürokratieabbau unterstützen wir. Wir hoffen, dass die Initiative, die Kommissar Verheugen jetzt angekündigt hat, kein Ablenkungsmanöver ist, sondern dass damit tatsächlich Entbürokratisierungsmaßnahmen kommen. Aber wir haben ja heute Morgen bei der Beratung des Ladenöffnungsgesetzes gemerkt, dass es auch in diesem Parlament Menschen gibt, die alles regeln wollen, die den Menschen nicht zutrauen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das kann man leicht sagen, wenn man nicht in den Läden arbeitet! – Ge- genruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Ja, ge- nau!)

die statt unternehmerischer Freiheit und der souveränen Entscheidung der Konsumenten lieber den paternalistischfürsorglichen Staat wollen. Genau das wollen wir nicht, meine Damen und Herren. Da müssen wir eben ringen. Wir wollen ein freiheitliches Europa. Wir sind sicher, dass dieses Europa mit Freiheit, Demokratie, Menschenrechten und einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung allen anderen Wirtschaftsräumen in der Welt überlegen sein kann. Wenn wir es als Chance begreifen, dann werden wir nicht nur den Übergang der früheren sozialistischen, staatswirtschaftlich ausgerichteten Länder in Mittel- und Osteuropa bewältigen, sondern dann werden wir Europa auch als Friedensmacht in der Welt und als Raum der Freiheit, der Sicherheit, des Rechts und des Wohlstands sichern. Das liegt in unserem Interesse als Baden-Württemberger. Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam an einem freien, an einem demokratischen Europa arbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Bei einer so staatstragenden Rede muss man einfach klatschen!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Stächele das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat ihren Europabericht vorgelegt. Dies ist nun die Stunde des Parlaments. Ich will nicht wiederholen, was jetzt alles an Richtigem gesagt wurde. Aber ich möchte danken für eine ungemein große Übereinstimmung in Sachen Europapolitik. Ich will auch danken für den Dank, den Sie uns entgegengebracht haben. Von links bis zur Mitte hin wurde überall gedankt.

(Abg. Ute Vogt SPD: Das ist auch einmal schön!)

Ich gebe den Dank gern an die Mitarbeiter weiter, insbesondere auch an die, die vor Ort in Brüssel ihren Dienst tun. Es tut uns allen gut, dass wir uns dort gut aufgehoben fühlen. Wenn man sagt, dass die Brüsseler Vertretung BadenWürttembergs zu den ersten in Brüssel gehört, dann übertreibt man nicht.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: So ist es!)

Deswegen gebührt den dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein besonderes Dankeschön. Sie sind als Horchposten vor Ort, sie geben zurück, sie halten uns auf dem Laufenden und sorgen dafür, dass wir mitten im Geschehen bleiben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Herr Kollege Hofelich hat zunächst gedankt, und dann kam ein kleiner falscher Zungenschlag: Schwachstellen.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Ja!)

Da hat er allerdings dann selbst ein bisschen geschwächelt, denn es gibt keine Schwachstellen, wie er sie meinte anführen zu können.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Das ist aber gegenseiti- ge Dialektik!)

In einem Punkt, Herr Hofelich, möchte ich Ihnen widersprechen. Wenn Sie einen geringen Stellenwert BadenWürttembergs in Europa beklagen, dann leben Sie auf der falschen Seite der Welt. Dieser Stellenwert ist kaum steigerbar.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ach, komm!)

Baden-Württemberg ist angesehen. Am Montag fand in Lyon ein Kongress statt, der sich mit der Frage befasste, wie man das berufliche Bildungssystem Baden-Württembergs transferieren könnte. Wir sind stark. Wir sind exportstark. Wir sind Wirtschaftspartner. Alle wollen mit uns kooperieren. Das heißt also kurzum: Auch im internationalen Ranking ist Baden-Württemberg immer, wenn Regionen verglichen werden, mit ganz vorn an der Spitze. Sie wollten das wohl auch nicht so gesagt haben, sondern Sie wollten im Grunde genommen sagen: Was saugut ist, kann noch besser werden. Dem stimme ich zu.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Ich wollte sagen, es gä- be Bessere, die das machen könnten! – Heiterkeit bei der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: So ha- ben wir Herrn Hofelich nicht verstanden!)

Ja, gut. Es ist bekannt, lieber Herr Hofelich, dass Sie noch nie an Selbstzweifeln gelitten haben.

(Beifall des Abg. Dr. Christoph Palmer CDU – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Da gibt es noch mehr hier!)

Bei dem Appell, zu mehr Projekten und zu mehr Engagement zu kommen, sind Sie uns allerdings Beispiele schuldig geblieben.

(Abg. Dr. Christoph Palmer CDU: Hört, hört!)

In der Tat gibt es viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Sie funktionieren, sie existieren, sie laufen. Es gibt eine Ebene, auf der man weiter ergänzen könnte. Ich denke dabei an die kommunale Ebene. Ich möchte hier ganz offiziell sagen – so, wie es auch der Gemeindetag propagiert –: Dringend notwendig wäre im Moment die Bereitschaft unserer Gemeinden und Städte in Baden-Württemberg, die ausge

(Minister Willi Stächele)

streckten Hände der Kroaten entgegenzunehmen. Wir haben eine ganze Liste von Kommunen aus Kroatien, die jetzt – ähnlich, wie wir das vor Jahrzehnten mit Frankreich begonnen haben – bereit wären, kommunale Partnerschaften aufzunehmen, damit der Dialog – ganz oben, aber auch ganz unten – in der menschlichen Begegnung fortgeführt wird.

(Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Ich appelliere also an Sie: Gehen Sie hinaus in die Wahlkreise. Sprechen Sie dort mit den Kommunalpolitikern. Wir haben eine Liste parat. Jeder kann eine kommunale Partnerschaft innerhalb der Staaten aufnehmen, die jetzt neu zur Europäischen Union dazukommen.

Lassen Sie mich aber ganz kurz noch einmal entlang der drei Baustellen baden-württembergischer Europapolitik skizzieren, worum es im Moment geht.

Das Erste – das wissen Sie – ist: Wir sind über den Bundesrat ständig darum bemüht, dass man unsere Stimme in der Europapolitik der Bundesregierung wiedererkennen kann. Ich kann Ihnen sagen, dass gerade aktuell wieder Bemühungen laufen – da ist Baden-Württemberg mit federführend –, die Rechte des Bundesrats weiter zu stärken. Wir wollen weitere Informationsrechte. Ganz wichtig ist da, dass uns auch schon vorbereitende Papiere der Kommission zugeführt werden.

Wir wollen zweitens in der Tat – das habe ich jetzt auch schon intensiv verfolgt –, dass der Europaausschuss des Bundesrats – in meiner erst kurzen Amtszeit als Vorsitzender dieses Ausschusses ist Außenminister Steinmeier schon zweimal dort gewesen – in regelmäßigen Abständen noch mehr in das eingreift, was letztlich zur Europapolitik der Bundesrepublik Deutschland auf der Brüsseler Ebene wird.

Das Dritte ist: Wir glauben, dass Ländervertreter auch bei informellen Ratstreffen zugelassen werden sollten.

Das Vierte ist: Wir denken, dass auch bei den Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof Ländervertreter mit dabei sein sollten. Sie konnten heute lesen, dass es jetzt weitere Verfahren gibt, die möglicherweise vor den Europäischen Gerichtshof gehen, z. B. im Bereich der Energiemärkte.

Kurzum: Föderale Ordnung bedeutet, dass die Bundesregierung überall dort, wo nur ein Hauch von Betroffenheit der Länder spürbar ist, ein Mitwirkungsrecht des Bundesrats in der Europapolitik akzeptiert und dessen Beschlüsse umsetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch eine zweite Ebene ist für uns ganz wichtig. Es ist wichtig, dass BadenWürttemberg in einem Europa der Regionen als eine Region in Europa aktiv bleibt. Da kann die Agenda im Grunde genommen schier nicht mehr gesteigert werden. Ich erinnere daran, dass wir aktiv im Ausschuss der Regionen dabei sind. Der Präsident unseres Landtags hat über mehrere Jahre die dortige Präsidentschaft innegehabt und hat das Ansehen der Regionen in Europa in ganz hervorragender Weise gemehrt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Ich sage Ihnen zu, lieber Herr Hofelich und liebe Kollegen aus dem Europaausschuss: Mein entschiedener Wille – und das ist auch der Wille des Ministerpräsidenten – ist, dass wir bei den „Vier Motoren“ wieder neu Gas geben werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Jawohl! Sehr gut! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Darauf warten wir schon lange!)

Wir haben jetzt mit Rhône-Alpes eine Präsidentschaft, die auch eine Antwort in diesem Sinne gibt, die ebenso denkt und mit uns gleichzieht. Ich kann Ihnen sagen: Das, was wir jetzt ganz konkret auf dem Tisch haben, ist eine Perspektive, die da heißt: „Vier Motoren“, vier starke europäische Regionen sind mit einer Stimme unterwegs, wenn es gilt, Außenhandelsmarketing zu betreiben. Wir haben dazu feste Vereinbarungen und wollen da weitermachen, weil wir nur in dieser Geschlossenheit weltweit wahrgenommen und ernst genommen werden.

Sie wissen, dass wir im direkten bilateralen Kontakt sehr engagiert sind. Da sind wir wahrscheinlich stärker engagiert als andere Bundesländer. Herr Kollege Dr. Palmer hat es angesprochen. Er hat in früheren Jahren große Verdienste bei der Regierungszusammenarbeit mit Ungarn erworben. Es war die erste. Sie müssen sich vorstellen: Ohne dass wir eine außenpolitische Zuständigkeit haben, haben wir Regierungskommissionen mit Rumänien, Bulgarien, Kroatien und dem Elsass. Das ist im Grunde ein eigenständiger europapolitischer Beitrag der Landesregierung des Landes Baden-Württemberg. Wir haben zwischenzeitlich auch andere Anfragen. In der Tat: Überall dort, wo erweitert wird, ist die Nachfrage nach dem wirtschaftsstarken Land BadenWürttemberg außerordentlich groß.

Schließlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf in einer europapolitischen Debatte auch die sogenannte kleine Außenpolitik des Landes nicht vergessen werden. Wir sollten auch hier im Parlament zumindest einige wenige Minuten auf dieses Thema verwenden. Es gibt für den Bereich Bodensee die Bodenseekonferenz. Im Moment ist man mit großer Anstrengung dabei, für den Bereich der Bodenseeanrainer ein neues Leitbild zu erstellen. Wir sind aktiv in Umweltfragen, aktiv, Herr Kollege Müller, in Tourismusfragen. Weiter geht es dort darum, möglicherweise neue Wissenschaftscluster aufzustellen, etwa in der Nanotechnologie.

Kurzum, Europa bedeutet bei uns auch: kleine Außenpolitik. Zum einen habe ich die Bodenseeregion genannt. Der zweite Bereich, der in letzter Zeit mehr Schlagzeilen gemacht hat, ist der Hochrhein. Auch dort geht es darum, dass man in einer Nachbarschaft Themen aufarbeitet und gemeinsame Aufgaben erledigt. Ich finde es allerdings unsäglich, wenn heute im „Südkurier“ wieder geschrieben wird, die Landesregierung strebe in Sachen Fluglärm Paketlösungen an. Schon in der ersten Begegnung ist zu Protokoll gegangen: Es gibt für die Landesregierung keine Paketlösungen. Ich bitte den Journalisten, der diesen Unsinn beständig wiederholt, seine Phantasterei endlich zu beenden. Man darf nicht wider besseres Wissen einer Leserschaft immer wieder die Unwahrheit sagen.

(Minister Willi Stächele)

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Wir haben Kontakte zu den Kantonen der Schweiz. Wir haben Kontakte aus Baden-Württemberg zur Berner Zentralregierung. Unserer Bitte um ein Gespräch wurde in diesem Jahr bereits im Mai nachgekommen. Schon in der ersten Sitzung, als man die verschiedenen Themen, die es am Hochrhein gibt, aneinandergereiht hat, ging zu Protokoll – ich wiederhole das zum hundertsten Mal –: Es gibt in Sachen Fluglärm keine Paketlösung. Die Position des Landes ist festgeschrieben. Sie ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Sie ist auch in einer Regierungserklärung bestätigt worden. Wir haben es immer wiederholt. Ich bitte jetzt darum, den Unsinn einzustellen, immer wieder zu sagen, die Landesregierung strebe Paketlösungen an.

Wir werden der Berner Regierung immer wieder in aller Deutlichkeit sagen, dass wir meinen, mit der Akzeptierung von 80 000 Landeanflügen von Norden aus haben wir unseren Beitrag geleistet. Wir sagen in aller Deutlichkeit, dass die Zeitfenster, die wir vorgegeben haben, so bleiben müssen, weil sie zum Schutz unserer Bevölkerung und zum Schutz einer Tourismusregion notwendig sind. Wir bitten dringendst in Richtung Bern, man möge doch alle objektiv bestehenden technischen Möglichkeiten dieses Flugplatzes dergestalt nutzen, dass man die Opfer tatsächlich vernünftig verteilt. Unser Opfer ist mit dem Angebot, das wir gemacht haben, in jedem Fall erbracht worden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Anschließend, nicht zu vergessen, der Oberrhein. Meine Damen und Herren, übermorgen wird man im deutschen Bundesrat das Gesetz zu dem Abkommen über den Bau einer Eisenbahnbrücke von Kehl nach Straßburg verabschieden. Einerseits ist dies ein Grund zur Freude darüber, dass hier eine direktere und taugliche Verkehrsverbindung entsteht. Andererseits zeigt dies einmal wieder, wo überall wir erhebliche Defizite haben. Denn schon am 10. Juni wird der TGV gen Straßburg fahren und von Paris aus Straßburg erreichen. Wenn dann im Jahr 2010 die Brücke fertig ist, kann er auch den Kehler Bahnhof erreichen.

Aber ich erwarte ganz dringlich von der Bundesregierung, dass sie Aussagen darüber macht, ob sie angesichts dessen, was in Frankreich aufgebaut wird – TGV Paris–Straßburg, TGV Lyon–Marseille, und dann hoch nach Mulhouse und nach Straßburg –, endlich bereit ist, für die Rheintalstrecke das Geld bereitzustellen. Herr Tiefensee, sagen Sie etwas dazu, damit wir nicht endlos blamiert werden, sondern diese großen europäischen Verkehrszüge adäquat annehmen können. Die Kehler Brücke ist nur eines der Projekte. Das sind 20 Millionen €. Wir brauchen jedoch Hunderte Millionen Euro, damit diese europäischen Verbindungen nicht an der Grenze, im Elsass Halt machen.