Protocol of the Session on December 13, 2006

Aber ich erwarte ganz dringlich von der Bundesregierung, dass sie Aussagen darüber macht, ob sie angesichts dessen, was in Frankreich aufgebaut wird – TGV Paris–Straßburg, TGV Lyon–Marseille, und dann hoch nach Mulhouse und nach Straßburg –, endlich bereit ist, für die Rheintalstrecke das Geld bereitzustellen. Herr Tiefensee, sagen Sie etwas dazu, damit wir nicht endlos blamiert werden, sondern diese großen europäischen Verkehrszüge adäquat annehmen können. Die Kehler Brücke ist nur eines der Projekte. Das sind 20 Millionen €. Wir brauchen jedoch Hunderte Millionen Euro, damit diese europäischen Verbindungen nicht an der Grenze, im Elsass Halt machen.

(Beifall bei der CDU und der SPD sowie des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich ist im Moment der Blick auf die Ratspräsidentschaft Deutschlands, die zum 1. Januar 2007 beginnt, gerichtet. Ich glaube nicht, dass die Erwartungen zu hoch geschraubt worden sind. Wir kennen die außenpolitische Kompetenz unserer

Bundeskanzlerin. Ich bin zuversichtlich, dass sie Europa auch ob der schwierigen Agenda weiter voranbringen wird.

Die Bundesländer haben in Berlin eingebracht, was sie vorrangig behandelt haben wollen. Ich kann Ihnen jetzt sagen: Es zeigt sich in der Tat, dass sich vieles von dem, was die Länder als vorrangig behandelt haben wollen, in der Agenda widerspiegelt und dort auftaucht.

Wir sollten immer wieder daran erinnern – das ist auch von meinen Vorrednern angesprochen worden –: Es ist ganz wichtig, dass Europa zu Deregulierungen und Entbürokratisierung findet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr rich- tig!)

Auch hier zeigt sich der Stellenwert Baden-Württembergs. Ich glaube, eines der ersten „Graubücher“, die nach Brüssel gesandt wurden, war das von Baden-Württemberg, von diesem Parlament, von dieser Landesregierung vorgelegte Graubuch „Entbürokratisierung“. Darin werden 69 Vorschriften zum Abbau empfohlen. Diese Empfehlungen sind in Brüssel gelandet. Herr Verheugen, tun Sie etwas! Gehen Sie diese Vorschläge von Baden-Württemberg an!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Richtig! – Zuruf des Abg. Werner Raab CDU – Unruhe)

Ich habe hier in der letzten Debatte oder zumindest im Kabinett vorgetragen

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

na, na, na –,

(Heiterkeit)

dass es löblich ist, dass in der Agenda 2007 der Kommission präzise festgemacht ist, was man neu angeht und was man weiterbetreibt. Es handelt sich, glaube ich, um 60 Richtlinien, die endgültig aus der Röhre herausgenommen werden. Das ist schon einmal ein löblicher Anfang. Aber insgesamt ist wichtig, dass dies unter der deutschen Ratspräsidentschaft ein Thema bleibt.

Ich kann mir vorstellen, dass das, was die Frau Bundeskanzlerin vorschlägt, ein weiteres probates Mittel zur Lösung dieser Bürokratieprobleme ist. Sie sagte, es müsste auch auf der europäischen Ebene endlich das Prinzip der Diskontinuität eingeführt werden. Das heißt, es ist heilsam – das ist es ja auch für einen Landtag, für den Bundestag –, wenn am Ende einer Legislaturperiode ein Schnitt gemacht und gesagt wird: Alles, was nicht erledigt ist, verfällt und muss, falls man es für richtig und dringlich hält, neu eingebracht werden. Ich halte das für richtig. Ich weiß, die Frau Bundeskanzlerin wird dies auch zum Thema machen.

(Anhaltende Unruhe)

Das hängt natürlich davon ab, dass auch diejenigen im Europäischen Parlament, die sehr in die Bearbeitung von Richtlinien verliebt sind, mitmachen und sagen: Diskontinuität ist ein probates Mittel, um die Bürokratie nicht noch mehr wuchern zu lassen.

(Minister Willi Stächele)

(Beifall der Abg. Thomas Blenke CDU und Micha- el Theurer FDP/DVP)

Mir liegt sehr daran, dass Europa auch unter der deutschen Ratspräsidentschaft einen Schritt dabei weiterkommt – das ist gerade ein Anliegen des Exportlandes Baden-Württemberg –, künftig mit e i n e r außenpolitischen Stimme zu sprechen. Meine Damen und Herren, wenn Sie draußen Europa begründen müssen, dann reden Sie über Frieden und Freiheit. Aber sagen Sie ganz leidenschaftlich auch vor der jungen Generation: Europa ist für uns, die wir ein Exportland sind, eine Lebensversicherung. Wir allein können Rohstoffversorgung und Handelswege nicht mehr sichern. Dies ist nur im vereinten Konzert der Europäer möglich. Es ist ganz wichtig, dass wir gemeinsam auftreten. Starkes Auftreten bewirkt auch, dass wir uns mit Blick auf die Globalisierung nicht fürchten müssen, da uns die Wettbewerber dann fair entgegentreten und der Wettbewerb nicht durch Sozial- und Umweltdumping gefährdet bzw. konterkariert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Den großen Wirtschaftsmächten dieser Welt kann Europa nur entgegentreten, wenn es mit e i n e r außenpolitischen Stimme spricht.

Meine Damen und Herren, zum Verfassungsvertrag – Kollege Dr. Palmer hat die Inhalte noch einmal genannt – sage ich Ihnen frank und frei: Was Sarkozy mit „Vertrag light“ angesprochen hat, ist nicht meine Sache. Wir werden mit Frankreich und den Niederlanden reden müssen. Die Präsidentschaftswahl setzt zeitlich sicherlich ein paar Akzente. Ich warne aber vor einer Salamitaktik, wonach man das, was mittlerweile in 19 Mitgliedsstaaten ratifiziert worden ist, wieder „rüberkippt“ und wobei sich jeder gewissermaßen wieder die Rosinen herauspickt, die er für richtig und notwendig erachtet, da sie ihm im eigenen Land gerade politisch Nutzen bringen.

Also bitte: Wir sollten bei dem bleiben, was jetzt da steht. Wenn 19 Mitgliedsstaaten unterzeichnet haben, kann es nicht sein, dass dies nun einfach so auf die Müllhalde der Geschichte geht. Vielmehr muss es bei diesem Verfassungsvertrag weitergehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich denke, dass wir als Außenhandelsland auch sehr aufmerksam beobachten sollten: Was geschieht in Sachen Nachbarschaftspolitik? Das ist ein erklärter Schwerpunkt der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands. Meine Damen und Herren, wenn Sie in den Haushaltsplan der Kommission schauen, stellen Sie fest: Für die nächsten Jahre sind allein 12 Milliarden € für Strukturprogramme in den Nachbarregionen der EU eingesetzt. Zusätzlich sind für diese Nachbarschaftspolitik Darlehensprogramme installiert. Wir als Außenhandelsland sollten auch aus eigenem Interesse schauen, dass wir mit dabei sind.

Nachbarschaftspolitik heißt auch, den Blick nicht einzuengen. Dabei denken wir sicherlich zunächst an Länder wie die Ukraine, Georgien, Moldawien oder Armenien. Aber vergessen Sie nicht: Bei der Nachbarschaftspolitik der EU sind auch zehn Mittelmeeranrainerstaaten mit dabei. Wir

sind sehr dankbar, dass uns der „Motor“ Katalonien zu einer Außenhandelskonferenz nach Marokko mitgenommen und uns in diese Region geführt hat. Unternehmen waren mit dabei. Wir sollten nicht außer Acht lassen, dass sich der Begriff „Anrainer“ nicht nur auf den Osten bezieht, sondern auch auf den ganzen Mittelmeerraum, der für uns ebenfalls wirtschaftlich interessant ist. Ich war erstaunt zu lesen, dass es zehn Staaten sind, die bei dieser Nachbarschaftspolitik mit einbezogen werden.

All das sind spannende Themen, die wir weiterverfolgen sollten. Ich kann dazu nur ermuntern und danke unserem Europaausschuss ausdrücklich, dass er diese Thematik in so hervorragender Weise auf die Tagesordnung gebracht hat – und zwar nicht zu nachtschlafender Zeit, sondern zu einem Zeitpunkt, zu dem Aufmerksamkeit besteht. Ich bedanke mich ausdrücklich für die Redebeiträge. Sicherlich werden wir noch spannende Europadebatten führen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, Sie stimmen der Beschlussempfehlung des Europaausschusses, Drucksache 14/652, zu. – Kein Widerspruch.

Punkt 2 der Tagesordnung ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg – Drucksache 14/445

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport – Drucksache 14/587

Berichterstatter: Abg. Dr. Frank Mentrup

Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Schebesta das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt den vorgelegten Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes.

Mit diesem Gesetzentwurf wird zum einen die Voraussetzung dafür geschaffen, dass zur Verwaltungsvereinfachung die Genehmigungsverfahren für Schulbücher insgesamt auf das Landesinstitut für Schulentwicklung übertragen werden können.

Auf Vorschlag des Landesschülerbeirats wird auch die Schülermitverantwortung gestärkt, indem auf Verlangen der Schülergruppe die Schulkonferenz einberufen werden muss. Auch kann durch die Schülermitverantwortung eine Direktwahl der Schülersprecher geregelt werden.

Mit diesem Gesetzentwurf stärken wir das Anhörungsrecht des Elternbeirats und das Mitbestimmungsrecht der Schulkonferenz bei der Ausgestaltung des pädagogischen Freiraums der einzelnen Schulen aufgrund der Bildungsplanreform. Wir wollen das jetzt herausgehoben im Schulgesetz regeln. Mit diesen Regelungen sollen und können Eltern Mitverantwortung übernehmen.

An den bewährten Strukturen der Schulkonferenz besteht darüber hinaus unserer Ansicht nach kein Änderungsbedarf. Deshalb werden wir den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/706-3, ablehnen.

Mit dem Gesetzentwurf regeln wir die Pflicht zur Teilnahme an internationalen Schulleistungsuntersuchungen, und – das ist der wichtigste Punkt – wir regeln die verpflichtende Einführung der Evaluation in den Schulen. Wir teilen die Auffassung von Kultusminister Rau: Er hat in der Ersten Beratung herausgestellt, dass dies ein Meilenstein in der Bildungspolitik des Landes ist.

Mit unserem Antrag Drucksache 14/524 haben wir die bisherigen Erfahrungen mit Evaluation an baden-württembergischen Schulen abgefragt. In den Schuljahren 2005/2006 und 2006/2007 haben 57 allgemeinbildende Schulen als Pilotschulen eine Selbstevaluation durchgeführt. Bis November 2006 waren an 36 allgemeinbildenden Schulen in der Praxisfeldphase Fremdevaluationen durchgeführt. 18 berufliche Schulen haben landesspezifische Qualitätsentwicklungssysteme erarbeitet und erprobt. Die Erfahrungen und die Ergebnisse dieser Erprobungen sind positiv, sodass wir damit einen wichtigen und richtigen Schritt gehen.

Meine Damen und Herren, die pädagogische Erstverantwortung für Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung liegt bei den Schulen. Die Evaluation bietet Gelegenheit für eine kritische Reflexion der pädagogischen Arbeit und ermöglicht, kontinuierlich einen Schulentwicklungsprozess am Laufen zu halten.

Minister Rau hat in der ersten Lesung einen offenen Punkt angesprochen, nämlich die Einbeziehung von Schulträgerangaben in die Evaluation. Ich bin froh, dass durch ein Gespräch des Ministers mit den kommunalen Landesverbänden ein Ergebnis erreicht worden ist, das es uns ermöglicht, dies heute mit einem Entschließungsantrag in die parlamentarische Beratung einfließen zu lassen. Mit dem Entschließungsantrag Drucksache 14/706-2 soll die schulische Dokumentation, soll das Schulportfolio im Rahmen der Evaluation durch die Aufnahme relevanter Angaben zu den Leistungen der Schulträger weiterentwickelt werden, und im Gegenzug sollen die Schulträger frühzeitig über die Ergebnisse der Fremdevaluation informiert werden.

Wir bringen diesen Entschließungsantrag, von allen Fraktionen gemeinsam getragen, ein. Außerdem haben wir einen gemeinsamen Änderungsantrag zu einer Formulierung im Gesetzestext vorgelegt, sodass die in der Ersten Beratung gemachte Aussage von Helmut Rau im Wortlaut Eingang in das Gesetz findet, dass selbstverständlich alle Personengruppen, die die Schule zusammenführt, im Evaluationsprozess mit einbezogen werden.

Wir gehen damit davon aus, dass die Änderung des Schulgesetzes einhellig vom Landtag beschlossen werden kann. Es bliebe damit dabei, dass die grundsätzlichen Ansätze der Bildungsplanreform im Land von allen Fraktionen des Landtags mitgetragen werden. Die Schulen haben neue Instrumente. Wir verlangen von ihnen die Umstellung, die damit verbunden ist. Der Landtag steht hinter dieser Umstellung, aber auch hinter den Schulen auf dem weiteren Weg

zu einer sehr guten schulischen Bildung von Kindern und Jugendlichen in unserem Land.